FORTBILDUNG AV-Überleitungsstörungen Interventionelle vs medikamentöse Interventionen AV-Überleitungsstörungen sind Folge einer Leitungsverzögerung im Atrium, im AV-Knoten selbst oder im His-Purkinje-System. Sie werden in AV-Block verschiedenen Grades eingeteilt, die unterschiedliche therapeutische Vorgehen erfordern. Im vorliegenden Artikel werden die verschiedenen Überleitungsstörungen und das jeweilige therapeutische Vorgehen vorgestellt. Prof. Dr. r. med. Paul Erne Luzern Bradykarde AV-Überleitungsstörungen PD Dr. med. d. Ric Richard Kobza Der AV-Block wird eingeteilt in AV-Block ersten, zweiten und dritten Grades. l Der AV-Block I° ist kein Block im eigentlichen Sinn, sondern eine Leitungsverzögerung im AV-Knoten, sodass es zu einem verlänchen kann k gerten PQ-Intervall kommt. Bei jungen Menschen dies rde kürzlich kürz physiologischerweise beobachtet werden, so wurde eine tellun PQ-Zeit-Verlängerung in 0.8% der Schweizer Stellungspfl ichtigen beobachtet (1). l Der AV-Block II° manifestiert sich mit P-Wellen, die nicht auf uch die Ventrikel übergeleitet werden. Man unterscheidet Typ I, auch Mobitz-I oder Wenckebach-Block genannt und Typ II, auch mit Mobitz-II-Block bezeichnet. l Der AV-Block III° ist dadurch charakterisiert, dass die Überleirbrochen ist. tung vom Vorhof auf die Ventrikel komplett unterbrochen Die genannten Blockierungen sind Folge einer Leitungsverzögerung im Atrium, im AV-Knoten selbst oder im His-Purkinoten selbst selb eine bessere je-System. Da eine Blockierung im AV-Knoten Prognose als eine subnodale Blockierung hat, ist die Determinieckierung wicht rung der Lokalisation und des Typs der Blockierung wichtig: Vagasage führen n zu einer stärke le Manöver wie die Carotissinus-Massage stärkeren erung und un Atropin n und körperAV-Blockierung bei nodaler Blockierung n eine subnodale L sverzögeliche Anstrengung verschlechtern Leitungsverzögerung (Tab. 1). Luzern EKG-Merkmale: AV-Block I° derspiegel die AV-Überleitungszeit -Überleitungszeit und wird w Das PQ-Intervall wiederspiegelt -Welle bis zum Be QRS-Komplex gevom Anfang der P-Welle Beginn dess QRS-Komplexes onsgemäss muss dieses Intervalll bei einem ein messen. Definitionsgemäss AVls 200 ms sein. Block I° länger als p I (Wenckebach) (W AV-Block II° Typ -Intervall verlängert sich kontinuierlich von Schlag zu • Das PQ-Intervall QRS-Komplex Schlagg bis zu einem Ausfall eines QRS-Komplexes grediente Verkürzung de • Progrediente des RR-Intervalls use im Anschluss an die block • Pause blockierte P-Welle V-Block II Typ II (Mobitz II) (Abbildung (Abbild AV-Block 1) • Sinusrhythmus mit konstanten PP-Inte PP-Intervallen • Konstante PQ-Intervalle vor dem unerwarteten Ausfall einer P-Wellen-Überlei P-Wellen-Überleitung auf die Kammer ause nach der bl • Die Pause blockierten P-Welle entspricht dem DoppelP-Intervalls ten eines PP-Intervalls der informierte arzt _ 12_ 2012 V-Block III° AV-Block lständiger Ausfall der Überleitung von P-Wellen auf • Es besteht vollständiger die Ventrikel, was zu einer komp kompletten AV-Dissoziation führt. naler Ersatzrhythmus E • Liegt ein AV-junktionaler vor, besteht ein schmaler QRS-Komplex mi mit einer Frequenz von 40–50/Min vor. E • Liegt ein ventrikulärer Ersatzrhythmus vor, sind die QRS-KomFreq plexe breit und die Frequenz liegt bei 20–40/Min. Therapeutisches hes Vorgehen AV AV-Block I° AV-Bl AV-Blockierungen I° sind prognostisch nicht bedeutend und bedürfen keiner spezifischen Therapie (3). Auch bei Vorhandensein der Kombination Kom eines AV-Blocks I° mit einem bifaszikulären Block st die W ist Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens der Blockierung zu einem AV-Block III° niedrig, sodass bei asymptomatischen Patienten ei eine prophylaktische Herzschrittmacherimplantation nicht indizi diziert ist. TAB. 1 Pharmakologische Intervention zur Lokalisationsdiagnostik von AV-Blockierungen Intervention AV-Leitung Subnodale Leitung Atropin Verbesserung Verschlechterung Körperliche Belastung Verbesserung Verschlechterung Carotissinus-Massage Verschlechterung Verbesserung TAB. 2 Differentialdiagnose der Schmalkomplextachykardie Differentialdiagnose der Schmalkomplextachykardie l Sinustachykardie l Atriale Tachykardie l Vorhofflattern l Vorhofflimmern l AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT) l Orthodrome AV-Reentry-Tachykardie bei akzessorischer Bahn 23 FORTBILDUNG ABB. 2 Schema, das den Beginn einer AV-Knoten-Reentryen-Reentryxtrasystole zeigt Tachykardie mittels einer atrialen Extrasystole Abb. 1: EKG mit AV-Block II° Mobitz II mit 2:1-Überleitung A. Bei Sinusrhythmus mus erreicht der atriale Impuls das His-Bündel über den schnellen Leitungsweg (fast pathway =FP). B. Eine atriale Extrasystole wird über den ngsweg (slow pathway = SF) auf au das His-Bündel el geleitet, g langsamen Leitungsweg da der sweg aufgrund der längeren Refraktärzeit noch noc blockiert b schnelle Leitungsweg ist, was zu lichen Verlängerung des PQ-Intervalls führt. C. Eine noch n einer plötzlichen früher einfalale Extrasystole mit langsamer Überleitung über den langsamen Leitungslende atriale n eine Kreiserregung mit retrograder Leitung über den d fast pathway initiieweg kann NRT = AV-Knoten-Reentry-Tachykardie). AV-Knotenren (AVNRT nomm werden, da derr natürliche Verlauf V nommen meistens eine ProgresSy sion der Symptome zeigt. Tachykarde hykarde AV-Überleitungsstörungen AV-Überleit Abb. 3: EKG mit Schmalkomplextachykardie bei AV-Knoten-Reentryoten-ReentryTachykardie. Im vergrösserten Ausschnitt der Ableitung ng V1 zeig zeigen sich retrograde P-Wellen, die teilweise im QRS-Komplex versteck versteckt sind und so zur typischen pseudo R-Welle, auch R’ genanntt führen AV-Block II° Typ I (Wenckebach) Die Prognose ist bei Patienten ohnee organische Her Herzerkrankung nkung nten, sofern sie asymptomatisch asymp h gut und bedarf bei diesen Patienten, sind, keinerlei Therapie. krankung besteht, ist die PrognoWenn eine strukturelle Herzerkrankung n Herzerkrankung. Eine Inse abhängig von der zugrundeliegenden mplantat ht nur dann, wenn eine dikation zur Pacemaker-Implantation besteht on Synkopen oder od bradykardiebedingte Symptomatik im Sinne von Präsynkopen besteht.. (Mobi II) AV-Block II° Typ II (Mobitz er intermittierender Blockierung mit symptoBei permanenter oder dykardie besteht die Indikation zur Pac matischer Bradykardie Pacemaker-Implantation (2). Da der AV-Block II° Typ II (Mobitz II) häufig in mpletten AV-Block mit ssynkopalen Ereignissen übergeht, einen kompletten uch bei asymptomatischen Pat besteht auch Patienten eine relative Indikatiu Schrittmacherimplantation. on zu -Block III° AV-Block ei symptomatischen Patienten mit AV-B Bei AV-Block III° ist die Indikation zurr Schrittmacherim Schrittmacherimplantation gegeben. Aber auch bei asympn Patienten mit erworbenem AV-Block III° sollte eine tomatischen mplantation aus prognostischen Gründen vorgeSchrittmacherimplantation 24 Neben akzessorischen essorischen atriove atrioventrikulären Leitungsbahnen sind AVy-Tachykard (AVNRT) die häufigste Ursache paKnoten-Reentry-Tachykardien rox ntrik roxysmaler supraventrikulärer Tachykardien. Diese manifestieren sich im EKG als Schm Schmalkomplextachykardien. Von Schmalkomplextachy plextachykardien sprechen wir, wenn die Herzfrequenz über 100/ Min liegt und im EKG eine QRS-Breits < 120 ms gemessen wird. Die Differ erentialdiagnose von Schmalkomplextachykardien ist in elle 2 aufgelistet. a Tabelle Patien Patienten mit Schmalkomplextachykardien klagen üblicherweise über üb Palpitationen, Schwindel, Atemnot oder Angstzustände. Da die Tachykardien paroxysmal auftreten, ist es häufig schwierig ein Anfalls-EKG A zu schreiben. Insofern ist die korrekte Anamneseerhebung von wichtigster Bedeutung. Wenn der Patient über ein Herzrasen berichtet, das plötzlich beginnt und ebenfalls plötzlich aufhört, das Herzrasen dabei regelmässig ist, dann liegt mit grosser Wahrscheinlichkeit eine AVNRT oder eine orthodrome AV-Reentry-Tachykardie (AVRT) bei akzessorischer Bahn vor. Bei typischer Anamnese und bedeutsamer Symptomatik darf durchaus die Indikation zur elektrophysiologischen Untersuchung im Hinblick auf eine Radiofrequenz-Ablation gestellt werden (4). Mechanismus AVNRT Die AVNRT ist die häufigste Form der regelmässigen supraventrikulären Tachykardie. Bei Patienten mit AVNRT besteht eine funktionale Dualität des AV-Knotens mit einer langsamen und einer schnellen Bahn als pathophysiologische Basis einer Kreiserregung innerhalb des AV-Knotens. Diese Patienten haben zwei funktionelle und anatomische atrionodale Leitungswege mit verschieden langen Refraktärzeiten. Bei einer AVNRT zirkuliert der elektrische Impuls im AV-Knoten und aktiviert die Ventrikel antegrad und die Vorhöfe retrograd. Es werden drei Typen von AVNRTs unterschieden: 12_ 2012 _ der informierte arzt FORTBILDUNG slow-fast (typisch), fast-slow (atypisch) und slow-slow (atypisch). Initiierung der typischen Form der AVNRT siehe Abb. 2. Aufgrund der langsamen antegraden und der schnellen retrogarden Leitung erfolgen die atriale und die ventrikuläre Aktivierung simultan, sodass die retrograden P-Wellen teilweise oder komplett im QRSKomplex verborgen sind (Abb. 3). Akutbehandlung der Schmalkomplextachykardie Die EKG-Aufzeichnung einer SVT Episode ist absolut essentiell für eine adäquate Diagnostik und Therapie. Ziel der Akuttherapie ist eine schnelle Konversion in Sinusrhythmus. Ist der Patient hämodynamisch instabil, so sollte sofort eine elektrische Konversion durchgeführt werden. Wird bei Patienten mit instabiler Hämodynamik und noch erhaltenem Bewusstsein eine Kardioversion erforderlich, sollte eine sedierende Prämedikation (zum Beispiel mit Midazolam) erfolgen. Die Therapie einer hämodynamisch stabilen Schmalkomplextachykardie stellt dagegen die Domäne der medikamentösen Behandlung dar, jedoch sollte vor Einsatz von Medikamenten primär ein vagales Manöver (wie Karotismassage oder Valsalva-Pressversuch) versucht werden. Ist die vagale Stimulation nicht erfolgreich, so wird die Gabe von Adenosin empfohlen (6 bis 18 mg i.v. als Bolus). Die ng oder BlockieWirkung von Adenosin liegt in einer Verlangsamung ekunden Bei eirung der AV-Knoten-Überleitung von wenigen Sekunden. is 95% der Fällee ner Dosis von 12 bis 18 mg Adenosin kann in 90 bis reine Terminierung erreicht werden, sofern es sich bei der Tachykarnadie nicht um Vorhofflimmern oder Vorhofflattern handelt. Alternaamil tiv oder bei sofort erneut auftretender Tachykardie kann Verapamil i.v. verabreicht werden. Konnte medikamentös keine Konversion erreicht werden, so soll eine Elektrokonversion durchgeführt werden. Langzeitbehandlung der AV-Knoten-Reentry-Tachykardien Prinzipiell besteht bei der Rezidivprophylaxe die Möglichkeit der er, Kalziumantagomedikamentösen Therapie. Es können Betablocker, rhythmika eingesetzt nisten (z.B. Verapamil) oder Klasse IC-Antiarrhythmika ab primär die werden. Bei rezidivierenden Tachykardien wird aber d der langsame langsa LeitungsKatheterablation empfohlen (5). Dabei wird rale Erfolg der Ablation weg des AV-Knotens abladiert. Der prozedurale liegt über 95%. In der Literatur ist derr ko komplettee AV-Block mit eigst Komplikation, kation, jedoch nem Vorkommen von etwa 1% die häufigste änden sogar als tiefer ti geschätzt darf das Risiko in erfahrenen Händen eingeschätzt rfolgreicher Ablation liegt lie bei 3–7%. 7%. werden. Die Rezdivrate nach erfolgreicher Prof. Dr. med. Paul Erne Herzzentrum Luzern, Luzerner Kantonsspital, Luzern pital, 6000 Luze [email protected] PD Dr. med. Richard d Kobza Leitender Arzt und Stv. Chefarzt Kardiologie Herzzentrum Luzern, Luzern rn, Luzerner Kantonsspital, 6000 Lu [email protected] s.ch der informierte arzt _ 12_ 2012 Abb. 4: Katheterlabor des Luzerner Kantonsspitals, nton wo Radiofrequenz-Ablationen durchgefü durchgeführt werden Literatur: 1. Kobza R, Cuculi F, Abächerli bächerli R, Toggweiler Toggweile S, Suter Y, Frey F, Schmid JJ, Erne P. Twelve-lead electrocardiography graphy in the young: Physiologic and pathologic abnormalit malities. Heart Rhythm. 2012 Aug 28. 28 2. Gillis AM AM, Russo AM, Ellenbogen n KA, KA Swerdlow CD, Olshansky B, Al-Khatib SM, Beshai JF, M McComb JM, Nielsen en JC, Philpott JM, Shen WK. HRS/ACCF expert pacemaker device and mode selection. J Am Coll Cardiconsensus statement on pace ol. 2012 012 Aug 14;60(7):682–7 14;60(7):682–703 3. Kobza R.. Sport practice and arrhythmias. Praxis (Bern 1994). 2011 Oct 5;100(20):1235-8. 235-8. 4. Kobza R, Candinas nas R, Hindricks H G, Kottkamp H, Livas G, Duru F. Electrophysiological study: procedure and indications. Praxis (Bern 1994). 2004 Nov roce 24;93(48):2001–8 –8 5. Blo Blomström-Lundqvist dq C, Scheinman MM, Aliot EM, et al.; European Society of Cardiology Committee, NASPE-Heart Rhythm Society. ACC/AHA/ESC guideliCard nes ffor the management of patients with supraventricular arrhythmias--executive summary. J Am Coll Cardiol. 2003 Oct 15;42(8):1493–531 summ Take-Home Message Tak ◆ Bei symptomatischen AV-Blockierungen sollen, sofern möglich, in erster Linie die bradykardisierenden Medikamente reduziert werden, in zweiter Linie eine Schrittmacherimplantation erwogen werden ◆ Bei asymptomatischen Patienten mit erworbenem AV-Block III° oder AV Block II Typ Mobitz soll eine Schrittmacherimplantation aus prognostischen Gründen erwogen werden, da der natürliche Verlauf meistens eine Progression der Symptome zeigt ◆ Patienten mit paroxysmalen Tachykardien sollten über vagale Manöver (wie Karotismassage oder Valsalva-Pressversuch) instruiert werden ◆ Bei häufigem Auftreten von paroxysmalen Schmalkomplextachykardien trotz medikamentöser Behandlung soll die Möglichkeit einer elektrophysiologischen Untersuchung geprüft werden. Das Scheitern dieser medikamentösen Therapie ist keine Voraussetzung für ein elektrophysiologisches Vorgehen, das auch primär durchgeführt werden darf 25