Vorlesung 46

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Vorlesung 46
Kohlenhydrate
Ursprünglich (Karl Schmidt, 1844) bezeichnete man als Kohlenhydrate Verbindungen
der Summenformel Cn(H2O)n. Diese Definition ist nicht mehr streng gültig.
Monosaccharide: Einfache Zucker, z. B. Glucose, Fructose, Ribose
Oligosaccharide: Zwei bis sechs Monosaccharide sind acetalartig verknüpft:
Cellobiose, Maltose (Malzzucker), Saccharose (Rohrzucker), Lactose
(Milchzucker)
Polysaccharide: Zahlreiche Monosaccharide sind acetalartig verknüpft
(Cellulose, Stärke, Glycogen)
Monosaccharide: (Vollhardt, 3. Aufl., S. 1182-1191, 4. Aufl. S. 1257-1269; Hart, S.
555-571; Buddrus, S. 691-703)
Einteilung nach Zahl der C-Atome:
C2
C3
C4
C5
C6
Biose
Triose
Tetrose
Pentose
Hexose
Einteilung nach Vorliegen einer Aldehyd-(Aldose) oder Ketongruppe (Ketose)
Glycerinaldehyd ist eine Aldotriose 1 Chiralitätszentrum ∧ 2 Stereoisomere
=
H
H
C
O
OH
CH2OH
D-Glycerinaldehyd
L-Glycerinaldehyd
Aldotetrosen: 2 Chiralitätszentren ∧
= 4 Stereoisomere
H
H
H
C
R
R
O
H
OH
HO
OH
H
CH2OH
D-Erythrose
C
S
R
O
H
OH
CH2OH
L-Erythrose
D-Threose
L-Threose
Erythrose und Threose sind Diastereomere.
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
271
Die Zugehörigkeit zur D- oder L-Reihe richtet sich nach der Konfiguration des
untersten Chiralitätszentrums in der Fischer-Schreibweise. Fast alle natürlich vorkommenden Zucker haben D-Konfiguration.
Aldopentosen: 3 Chiralitätszentren ∧
= 8 Stereoisomere
H
C
H
O
C
O
H
OH
HO
H
OH
H
OH
H
OH
H
OH
CH2OH
H
CH2OH
D-Ribose
D-Arabinose
Aldohexosen: 4 Chiralitätszentren ∧
= 16 Stereoisomere
H
H
O
C
H
HO
C
O
H
C
O
OH
HO
H
H
H
HO
H
HO
H
H
H
OH
H
OH
HO
H
OH
H
OH
H
CH2OH
CH2OH
D-Glucose
(Traubenzucker)
OH
OH
CH2OH
D-Mannose
D-Galactose
Diastereomere, die sich nur in der Konfiguration eines Stereozentrums unterscheiden,
nennt man Epimere. D-Arabinose und D-Ribose sind somit C-2-Epimere. D-Mannose
ist das C-2-Epimere von D-Glucose, D-Galactose das C-4-Epimere von D-Glucose
(kann als Merkhilfe dienen, wenn man sich die Konfiguration von D-Glucose
eingeprägt hat: ta-tü-ta-ta).
Versuch:
D-Glucose wird durch Fehlingsche Lösung zu Gluconsäure oxidiert.
H
H
HO
C
HO
O
OH
H
H
OH
H
OH
H
Fehling
HO
oder
Tollens
CH2OH
D-Glucose
C
O
OH
H
H
OH
H
OH
CH2OH
D-Gluconsäure
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
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Mit stärkeren Oxidationsmitteln, wie Salpetersäure, wird auch die primäre Alkoholgruppe oxidiert.
CO2H
H
D-Glucose
HNO3
HO
OH
H
H
OH
H
OH
CO2H
D-Zuckersäure
Obwohl D-Fructose eine Ketohexose ist, wird sie durch Fehlingsche Lösung oxidiert
(zu Gluconsäure). Grund: Über die Endiol-Form stehen Fructose, Glucose und
Mannose im Alkalischen miteinander im Gleichgewicht.
HO
CH2OH
[OH ]
C O
HO
H
[OH ]
HO
OH
H
OH
H
OH
H
OH
CH2OH
D-Fructose
H
OH
H
OH
CH2OH
D-Glucose
CH2OH
H
H
H
[OH ]
En-diol
HO
H
H
OH
H
OH
D-Mannose
CH2OH
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
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Die bei den Aldehyden besprochene Reaktion von Aldehyden mit Alkoholen zu
Halbacetalen tritt bei Kohlenhydraten als intramolekulare Reaktion ein. Addition der 5OH-Gruppe der Glucose an die Carbonylgruppe liefert Glucopyranosen.
Haworth Schreibweisen
CH2OH
CH2OH
O
H
H
OH
H
H
3
OH
CH2OH
OH H
4C H
OH
HO
C
HO
H
5C
H C1
O
H
OH
H
H
OH
HO
C
2
H
OH
offenkettige Form der
D-Glucose
α-D-Glucopyranose
O
H
β-D-Glucopyranose
α- und β-D-Glucopyranose besitzen an C-1 ein zusätzliches Chiralitätszentrum.
Merkhilfe: In der üblichen Schreibweise mit dem Ringsauerstoff rechts hinten steht in
der β-D-Glucose die OH-Gruppe an C-1 (anomeres Zentrum) oben.
Schreibt man den Sechsring in der stereochemisch korrekten Sesselstruktur, befinden
sich in der β-D-Glucopyranose alle Substituenten in äquatorialen Positionen.
OH
H
HO
CH2
O
β-D-Glucopyranose
H
OH
H
HO
OH
H
4C -Schreibweise
1
H
Mutarotation: Löst man α-D-Glucose oder β-D-Glucose in Wasser, so liegen die
Anfangswerte der optischen Drehung bei [α]D = +112.2° bzw. +18.7°. Da sich die
Halbacetale über die offenkettige Form ineinander umwandeln, stellt sich ein
Drehwinkel von [α]D = +52.7° ein, der dem Gleichgewichtsgemisch von 36% α-DGlucopyranose, < 0.1 % offenkettiger Form und 64% β-D-Glucopyranose entspricht.
Das mobile Gleichgewicht zwischen halbacetalischer Glucopyranose und offenkettiger
Aldehyd-Form erklärt die Fehling-Reaktion der Glucose.
OH
CH2
O
HO
HO
HO
[H+]
+ CH3OH
OH
HO
HO
OH
OH
CH2
O
CH2
O
oder HO
HO
HO
HO
Methylglykoside der
α,β-D-Glucopyranose
Halbacetal
β-D-Glucopyranose
Acetal
α-D-Glucopyranose
Acetal
Da in den Methylglykosiden Vollacetal-Strukturen vorliegen, die im Neutralen und
Alkalischen stabil sind, zeigen sie weder reduzierende Eigenschaften (Fehling-Reaktion)
noch Mutarotation (Änderung der Konfiguration am anomeren Kohlenstoff-Atom).
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
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Disaccharide (Vollhardt, 3. Aufl., S. 1208-1212, 4. Aufl., S. 1287-1291; Hart, S. 572577; Buddrus, S. 704-705)
In Cellobiose liegt eine β-glycosidische 1,4-Verknüpfung vor, in Maltose eine
α-glycosidische 1,4-Verknüpfung.
Merkhilfe: Celloβiose und Mαltose
CH2OH
H
CH2OH
O
HO
O
O
HO
OH
OH
HO
OH
H
H
β-Cellobiose, β-D-Glucopyranosyl-β-D-glucopyranose
CH2OH
O
HO
H
HO
OH
O
H
CH2OH
O
4
OH
HO
2
3
OH
1
H
β-Maltose (α-D-Glucopyranosyl-β-D-glucopyranose)
In beiden Disacchariden liegt eine der beiden Glucoseeinheiten in der Halbacetalform
vor, so dass beide Disaccharide reduzierende Eigenschaften zeigen (Reaktion mit
Fehling).
Der gewöhnliche Haushaltszucker (Saccharose, engl. „sucrose“, Rohrzucker oder
Rübenzucker) ist aus einer α-D-Glucopyranoseeinheit und einer β-D-FructofuranoseEinheit aufgebaut. In der links gezeichneten Formel erkennen Sie gut, dass in der
D-Glucose wie in der D-Fructose-Einheit die Konfiguration an C3-C5 gleich sind: Die
Substituenten stehen an C3 oben, C4 unten und C5 oben.
CH2OH
4
HO
HO
5
3
4
OH
2
CH2OH
O
3
H
HO
H
OH
OH
oder
O
HO
O
HO
H
1
OH
HOCH2
5
α
O
OH
O
β
2
CH2OH
O
CH2OH
H
CH2OH
Saccharose (α-D-Glucopyranosyl-β-D-fructofuranosid)
Da hier zwei Vollacetaleinheiten vorliegen, erfolgt weder eine Reaktion mit Fehlingscher Lösung noch eine Änderung der optischen Drehung der wässrigen Lösung.
Beim Behandeln mit wässriger Säure können die Acetal-Einheiten gespalten werden
(Rohrzucker-Inversion).
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
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Polysaccharide (Vollhardt, 3. Aufl., S. 1212-1214, 4. Aufl., 1292-1293; Hart, S. 577580; Buddrus, S. 706-709)
Cellulose: Mindestens 1500 β-D-Glucoseeinheiten 1,4-glycosidisch verknüpft: Polycellobiose. Intra- und intermolekulare Wasserstoffbrücken stabilisieren die lineare Ausrichtung der Ketten. Als Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwände ist Cellulose der
häufigste organische Stoff weltweit.
Stärke
Amylose (10-30%)
(wasserlöslich)
1000-4000 α-D-Glucoseeinheiten sind
1,4-glykosidisch verknüpft. Die
unverzweigten Ketten sind helixförmig
angeordnet. In die Helices können
Fremdmoleküle eingelagert werden,
z.B. I5−: Kaliumiodid-Iod-Stärke-Komplex
Versuch:
Amylopektin (70-90%)
(wasserunlöslich)
Es liegt die gleiche Hauptkette wie in der
Amylose vor, doch sind die Hauptketten
über 1,6-glykosidische Bindungen
miteinander verknüpft. (Makromolekül mit
ca. 106 Glucose-Einheiten)
Bildung des blauen Kaliumiodid-Iod-Stärke-Komplexes, Entfärbung beim
Erhitzen, Wiederbildung des Komplexes in der Kälte.
Glykogen: Energiespeicher bei Menschen und Tieren; ähnliche Struktur wie
Amylopektin, aber noch stärkere Verzweigung.
Übung B46-1. Schreiben Sie das nachstehende Kohlenhydrat in der offenkettigen Form an und
verwenden Sie dabei die Fischer-Schreibweise.
OH
CH2OH
H
O
H
OH
H
H
OH
OH
Übung B46-2. Wie viele Stereoisomere offenkettiger Aldohexosen sind möglich? Leiten Sie diese Zahl
aus der Zeichnung der D-Glucose in Fischer-Projektions-Schreibweise her.
Übung B46-3. Erklären Sie anhand von Strukturformeln, warum D-Fructose durch Fehlings-Reagenz
oxidiert werden kann.
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
276
Lösung zu B46-1.
CHO
H
OH
H
OH
HO
H
H
OH
CH2OH
Lösung zu B46-2.
CHO
H
HO
OH
H
H
OH
H
OH
CH2OH
4 Stereozentren, keine meso-Formen möglich ⇒ 24 = 16 Stereoisomere
Lösung zu B46-3.
OH
CH2OH
O
HO
H
OH
HO
CH2OH
O
H
H
HO
OH
H
H
OH
H
OH
H
OH
H
OH
H
OH
H
OH
CH2OH
Fructose
nicht reduzierend
CH2OH
Enolat
Experimentalchemie, Prof. H. Mayr
Achtung Lückentext. Nur als Begleittext zur Vorlesung geeignet.
CH2OH
Glucose
reduzierend
(oder Mannose)
277
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