Kinesiologie Fit bleiben beim TEIL 2 Älterwerden Lernen ein Leben lang? Der Volksmund weiß: „Sich regen bringt Segen“. Auch die Gerontologie (Lehre vom Altern) belegt durch viele Studien, dass die Faktoren Bewegung, gesunde Ernährung, soziale Kontakte, lebenslanges Lernen und positive Einstellung ein gesundes Altern ermöglichen. Eine Studie der Universität Heidelberg mit Menschen im dritten und vierten Lebensalter (60 bis 80 Jahre und darüber bis 93 Jahre) zeigt allgemein positive Effekte auf und dass die fluide Anpassungsfähigkeit und kristalline (im Laufe des Lebens erworbene Fähigkeit) Intelligenz statistisch signifikant gesteigert werden konnte. Im ersten Teil wurde die chinesische Organuhr mit den entsprechenden 12 Meridianen und den 2 Hauptmeridianen sowie der Bezug zur Kinesiologie von den Meridianen zu den Organen und dem entsprechenden Muskeltest dargestellt. Diese Muskeltests wurden als Gymnastik zur Anregung des Stoffwechsels – auch des Gehirns – geturnt. Im zweiten Teil werden gezielte kinesiologische Brain Gym Übungen vorgestellt, ausgesucht aus einem umfangreichen Programm, da sie exemplarisch für die anderen Übungen die neuronalen Verknüpfungen in der Dreidimensionalität des Gehirns anregen. Mit der Diffusions-SpektrumMagnet-Resonanz-Tomografie konnten Forscher der Harvard Medical School den Schaltplan des Gehirns inzwischen 2012 bildlich darstellen. Die Nervenverbindungen sind erstaunlich geometrisch geordnet. 28 Die vorgegebenen 3 Richtungen erleichtern, die richtigen Bindungsstellen zu finden. Die Entdeckung und Darstellung dieses dreidimensionalen Musters führt zu einem völlig neuen Verständnis über die Organisation des Gehirns. Die Rechts-LinksDimension des Gehirns Lateralität des Gehirns Die linke Hemisphäre des Gehirns steuert die rechte Körperseite mit all ihren Aktivitäten, und spiegelbildlich steuert die rechte Hemisphäre die linke Körperseite mit all ihren Aktivitäten. Die beiden Hemisphären verarbeiten Informationen unterschiedlich. Bildlich gesprochen ist die linke Hemisphäre der Professor und die rechte Hemisphäre der Künstler. Die linke Hemisphäre denkt analytisch (Zerlegung von Vorstellungen), linear (ein Gedanke nach dem anderen), logisch (folgerichtig, schlüssig), verbal (gesprochen wie geschrieben), mathematisch (Strichund Punktrechnungen), abstrakt, technisch, wissenschaftlich, zeitlich, zielorientiert. Die rechte Hemisphäre denkt synthetisch (Zusammenfassen von Vorstellungen), holistisch (ganzheitlich), schöpferisch (kreativ, phantasiereich), geometrisch (räumliches, bildliches Denken), emotional, musisch, künstlerisch, zeitlos, planlos. Beide Hemisphären werden durch das Corpus Callosum (Balken, Komissurenfasern) miteinander verbunden. Diese Nervenbahnen der weißen Substanz des Gehirns reagieren sehr sensibel auf Stress, sodass die Leitfähigkeit unterbrochen wird. Die Folge ist die „Black Box“ oder das „Brett vor dem Kopf“. Der Alltag fordert aber ständig – je nach Aufgabenstellung – mal die rechte oder die linke Hemisphäre – also ein Gehirn in voller Funktion. Dies fördert die Kommunikation mit sich und anderen Menschen. In der Regel werden dann auch die Informationen von beiden Augen, beiden Ohren, beiden Händen und Füßen mit dem ganzen Gehirn verarbeitet und führen so zu einem adäquaten Handeln. In der Kinesiologie wurden von Paul Dennison die Mittellinienübungen entwickelt, die das Corpus Callosum bahnen. 3|2015 wir. Kinesiologie Überkreuzbewegung Abwechselnd berührt die rechte Hand das linke angehobene Knie bzw. die linke Hand das rechte angehobene Knie im Wechsel. Bei dieser kontralateralen Übung wird die Mittellinie gekreuzt. Stress auf dieser Ebene macht sich in einer Kampf-Flucht-Reaktion bemerkbar – nach vorne kämpfen und nach hinten flüchten. Die Muskulatur – besonders der Beine und des Rückens – zieht sich zusammen. Hält der Stress an oder sind die Zeiten der Entspannung zu kurz, bleibt die Muskulatur im verkürzten hypertonen Zustand und kann unter Umständen Schmerzen verursachen. Rückenbeschwerden sind mit die häufigsten Erkrankungen. Laufen die Informationen auf dieser Ebene optimal, kann zwischen nah und fern, Einzelheit und Überblick, das Wichtige vom Unwichtigen unterschieden werden. Paul Dennison hat für diese Dimension die Längungsübungen entwickelt, um die Muskulatur zu dehnen. Übung Wadenpumpe Im Stehen wird ein Bein nach hinten gestreckt auf die Zehenspitzen. Das vordere Bein wird dabei gebeugt. Das Gewicht liegt auf dem vorderen Bein. In dieser Position wird eingeatmet. Nach dieser Ausgangsposition wird dann die Ferse nach unten auf den Boden gedrückt und gleichzeitig ausgeatmet. Die Wadenmuskulatur wird gedehnt. Die Oben-UntenDimension des Gehirns Zentrierung des Gehirns Der älteste Anteil des Gehirns ist das Stammhirn. Es reguliert die Atmung, das Schlucken, den Herzschlag und hat Einfluss auf den Stoffwechsel. Bildlich gesprochen ist es das Reptiliengehirn und reguliert die Grundbedürfnisse – wie auch beim Säugling – Hunger, Durst, Wärme, Revierverteidigung, Schutzbedürfnis. Das Zwischenhirn mit dem Thalamus dient als Umschaltstation für Teile der Sehund Hörbahn und für fast alle der Großhirnrinde zufließenden sensibel-sensorischen Erregungen aus der Innenwelt und Umwelt. Der Thalamus ist ein wichtiges Koordinationszentrum für die verschiedenen Empfindungen wie Berührung, Schmerz, Temperatur, Geschmack, Gleichgewicht sowie für Lust und Unlust. Bildlich gesprochen ist es das Affenhirn. Mit zunehmender Reife – auch in der kindlichen Entwicklung – ist der Mensch fähig, Kontakt aufzunehmen und gruppenfähig zu sein. Abbildung Überkreuzbewegung Die Vorne-HintenDimension des Gehirns Fokussierung des Gehirns Im Fronto-Temporallappen des Gehirns liegen die Zone der bewussten Entscheidung sowie das Kurzzeitgedächtnis (Scheitellappen) und das vorausschauende Denken (Visionen). Das visuelle Langzeitgedächtnis (Area striata) befindet sich im Hinterhauptlappen (Okzipitallappen) des Gehirns. Die Assoziationsfasern (schleifenförmige Bündel) verbinden die verschiedenen Abschnitte der Hemisphären. Sie koordinieren die gleichseitigen Hirnrindenbezirke von vorne nach hinten. wir. 3|2015 Abbildung Wadenpumpe 29 Kinesiologie Die Neocortex ist der stammesgeschichtlich jüngste Teil der Großhirnrinde. Hier befindet sich die motorische und sensorische Rinde, sozusagen die Landkarte des Körpers. Die sensorische Rinde empfängt von der Peripherie die Kontakte des Körpers wie Berührung, Druck, Schmerz, Bewegung, Temperatur. Die motorische Rinde sendet die Signale in die Peripherie aus zur koordinierten Bewegung des Körpers und der Extremitäten. Die Projektionsfasern (Corona radiata) – ähnlich einem Ginkgoblatt – sind aufund absteigende Nervenfasern, die den Hirnstamm über das Zwischenhirn mit der Neocortex (Großhirnrinde) verbinden. Damit hat die Neocortex den Willen und die Steuerung über das Affenhirn (Gehe ich Kontakte ein oder distanziere ich mich) und über das Reptiliengehirn (Gebe ich dem Reflex, dem Trieb nach oder steuere ich mein Verhalten). Ist das Gehirn voll funktionsfähig, fördert das die Bereitschaft des vollen Einsatzes. Der Mensch agiert aus einer inneren Zentriertheit und beteiligt sich. Für diese Dimension hat Paul Dennison die Energieübungen entwickelt. Es sind Berührungen oder Massieren von Punkten auf Meridianen, die den Energiefluss aktivieren und somit die Funktionsfähigkeit des Gehirns anregen. Abbildung 1 Intervention Psychometric Tests Übung Gehirnknöpfe Gehirnknöpfe oder Einschaltpunkte: Eine Hand berührt oder massiert den Bauchnabel (Zentralgefäß KG 8), die andere Hand berührt mit gespreizten Fingern die beiden Akupunkturpunkte rechts und links neben dem Brustbein (Niere 27), direkt im Grübchen unter dem Schlüsselbein und massiert dort. Dann wechseln die Hände. Statistical Significances in different Tests Computer Training N=20 Verbal Factor Reasoning Abbildung Gehirnknöpfe Ergebnis der Studie, durchgeführt von dem Gerontologischen Institut der Heidelberger Universität: Es wurden jeweils 5 Wochen lang 2x wöchentlich die verschiedenen Methoden mit Menschen im 3. Lebensalter durchgeführt. Kinesiologie ist die einzige Methode, die in allen 10 Tests (beim 10. Test mit kleiner Einschränkung) statistisch signifikante Verbesserungen im kognitiven Bereich erzielte. Bemerkenswert ist auch, dass die Kinesiologie das größte Interesse erzeugte. Durch die Raumgröße war eine Begrenzung der Teilnehmer nötig. Die Sprachkurse setzen sich aus 5 verschiedenen Sprachgruppen zusammen. Eine weitere Differenzierung zeigt, dass die Kinesiologie als einzige Methode bei den Menschen im 3. Lebensalter (60 bis 80 Jahre) eine Zunahme mit einem p-Wert von 0,000 bei der fluiden und kristallinen Intelligenz zeigt. Die fluide Intelligenz ist die Anpassungsfähigkeit und die kristalline Intelligenz sind die im Laufe des Lebens erworbenen Fähigkeiten. Ein p-Wert sagt aus, dass die Ergebnisse nicht auf einen Zufall zurückzuführen sind. Je kleiner der p-Wert, desto genauer ist die statistische Signifikanz, d. h., dass das Ergebnis auf die Interventionen zurückzuführen ist. Sehr bemerkenswert ist, dass bei den 80- bis 93-jährigen bei der fluiden Intelli- Memory Training N=15 Qi-Qoung & Feldenkrais N=34 Walking & Psychomotorics N=14 + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. Language Courses N=34 Kinesiology in Augustinum N=29 Kinesiology in Academy N=28 + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. Word Fluency Test 4 + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. d2 Test + s.s. Forwards Backwards Digit Symbol Test + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. * statistically significant range (P<0.05) 30 + s.s. Closure Digit Span – n.s. + s.s. Word Fluency Test 5 Space Control Group N=21 + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. + s.s. ** Groups do not differ in their baseline performances. + s.s. Kampanaros, 2005 3|2015 wir. Kinesiologie Abbildung 2 Kurs fluide Intelligenz kristalline Intelligenz Fremdsprachen Zunahme, p = 0,003 Zunahme, p = 0,000 Computer Zunahme, p = 0,008 Zunahme, p = 0,008 Gedächtnistraining Zunahme, p = 0,003 keine Veränd. p = 0,177 Körpermeditation Zunahme, p = 0,000 Zunahme, p = 0,003 Kinesiologie Zunahme, p = 0,000 Zunahme, p = 0,000 Kinesiologie > 80 J. Zunahme, p = 0,001 Zunahme, p = 0,212 körperl. Training Zunahme, p = 0,001 keine Veränd. p = 0,456 Kontrollgruppe keine Veränd. p = 0,811 keine Veränd. p = 0,056 genz ein p-Wert von 0,001 erreicht wurde. Das spricht für die Plastizität, Lernfähigkeit und Adaption auch noch im sehr hohen Alter, wenn sie gefördert wird. So ist es möglich, mit der Kombination der „Gesund durch Berühren“ Übungen und „Brain Gym“ Übungen die Gesundheit und die geistige sowie körperliche Beweglichkeit positiv zu fördern durch einfache Übungen, die jeder täglich zu Hause absolvieren kann. Empfehlung: Um die schnelle Reaktionsfähigkeit zu fördern und je nach Anforderung das entsprechende Areal im Gehirn zu aktivieren, sollten 3x täglich die Übungen je 10x durchgeführt werden. Eine übergeordnete Übung, die emotionalen Stress reduziert, ist die Vorne-Hinten-Übung. Vorne (Temporallappen = Zone der bewussten Entscheidung) und Hinten (Hinterkopf = Zone des visuellen wir. 3|2015 Gedächtnisse) sanft berühren, den Atem fließen lassen, Augen schließen und spüren, wie eine innere Ruhe sich ausbreitet. Zum Abschluss noch ein Hinweis: Unsere Forschungsergebnisse mit Vorschulkindern zeigen große Defizite bei den schulrelevanten Fähigkeiten auf. Ein ähnliches Programm brachte auch bei Kindern erstaunliche Verbesserungen. | Quelle: t 1TDIZSFNCFM,MJOJTDIFT8ÚSUFSCVDIEF(SVZter 2013 t .4%.BOVBM)BOECVDI(FTVOEIFJU.PTBJL 2002 t %FS,ÚSQFSEFT.FOTDIFO1SPG%S,MBVT6Mrich Brenner Weltbild Verlag 1991 keine Neuauflage t ,JOFTJPMPHJFGàS,JOEFS-VEXJH,POFCFSH Gabriele Förder, GU München 5. Auflage 2014 t %S%JNJUSJPT,BNQBOBSPT,PHOJUJWF*OUFSvention im hohen Lebensalter: Eine psychologische und bildungswissenschaftliche Analyse, Verlag: Kovac, J; Auflage: 1 (März 2008) AUTORIN Ingeborg L. Weber Abbildung Vorne-Hinten-Übung MSc (Health Sciences und Child Development), Diplom-Gerontologin, Heilpraktikerin 31