Hygiene und Aufbereitung von Medizinprodukten mit Blick auf multiresistente Keime Dr. med. Karin Schwegmann Multiresistente Erreger (MRE) MRE- Art Vorkommen Methicillin resistenter Staphylococcus aureus MRSA +++ Multiresistenten gramnegative Stäbchen MRGN: E. coli. Klebsiellen, Enterobacter, u. a. ++ Vancomycinresistente Enterokokken; VRE + Begriffe/Erläuterungen: n Antibiotika werden eingesetzt zur Therapie von Infektionen mit Bakterien l n Anwendung am Menschen (Tier) Desinfektionsverfahren: l l l thermisch chemisch Desinfektionsmittel werden eingesetzt an • Instrumenten • Flächen • Haut und Schleimhaut n Antibiotika und Desinfektionsmittel sind unterschiedliche Substanzen Resistenzmechanismen von Bakterien n n n n Inaktivierung des Antibiotikums z. B. Betalactamasenbildung (ESBL) Verminderter Eintritt des Antibiotikums in die Bakterienzelle Ausschleusen des Antibiotikums aus der Bakterienzelle Strukturelle Veränderungen der antimikrobiellen Ziele 3/4MRGN Bakterium erwirbt eine Resistenzeigenschaft MRGN Betrachtungsfocus ist jetzt das Ergebnis in Hinblick auf die Therapie! Bakterielle Erreger n n Können nach einem Färbevorgang grampositiv (blau) oder gramnegativ (rot) sein Kommen morphologisch als Kokken (Kugelform) oder Stäbchen vor Gram-Färbung 1 Fixierung (Hitze, Methanol) 2 Färbung mit Kristallviolett 3 partielles Entfärben mit Ethanol 4 Gegenfärbung mit Fuchsin - Dünnschichtige = ROT = GRAM negativ - Dickschichtige = BLAU = GRAM positiv Mikroskopische Darstellung von Bakterien Grampositive Kokken Gramnegative Stäbchen Im klinischen Alltag häufige bakterielle Vertreter n Grampositive Kokken: l n Staphylokokken, Enterokokken Gramnegative Stäbchen: l l l l l E. coli Klebsiella spp. Enterobacter spp. Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumannii Enterobakterien Warum 3 oder 4 MRGN? 4 Antibiotikagruppen: n Acylureidopenicilline n Cephalosporine der 3. und 4. Generation n Carbapeneme n Fluorchinolone 3 MRGN = Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen 4 MRGN = Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen Seite 1313, RKI-Rili Prozessablauf: n n n Die Beurteilung, ob ein Bakterium ein MRGN ist, nimmt das Labor vor Das Labor legt auch fest, ob es ein 3 oder 4 MRGN ist Die sich daraus ergebenden Hygienemaßnahmen sind dem Hygieneplan zu entnehmen oder in der Hygiene zu erfragen Patientenunterbringung/ Isolierung n n n Patienten mit 4 MRGN werden immer und überall isoliert untergebracht Patienten mit 3 MRGN werden nur auf Intensivstationen nicht aber auf peripheren Stationen isoliert (Ausnahme: z. B. bei Neutropenie oder Patienten, denen adäquates hygienisches Verhalten nicht möglich oder andere definierte Risikobereiche) Im Hygieneplan werden je nach Erreger zwei Vorgehensweisen gefordert: Stufe 1 = Standard- Basishygiene + keine Isolierung oder Stufe 2 = Isolierung mit der entsprechenden persönlichen Schutzausrüstung Basishygiene nach KRINKO n Händedesinfektion l l l l l n Handschuhe tragen, l n vor und nach direktem Kontakt mit dem Patienten, vor aseptischen Tätigkeiten, nach Kontamination (Kontakt mit Blut, Sekreten oder Exkreten), nach Kontakt mit der Patientenumgebung, sowie nach Ablegen der Handschuhe wenn die Wahrscheinlichkeit des Kontaktes mit Blut, Sekreten, Exkreten oder sichtbar kon-taminierten Flächen besteht Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrille l wenn Verspritzen von oder Tröpfchenbildung aus Blut, Sekreten oder Exkreten möglich ist Basishygiene nach KRINKO n Ggf. Einzelzimmer l l n für Patienten, denen adäquates hygienisches Verhalten nicht möglich ist für Patienten in Neutropenie oder unter immunsuppressiver Therapie Desinfektion und Reinigung, Geschirraufbereitung, Wäscheaufbereitung, Medizinprodukteaufbereitung, Abfallentsorgung wie üblich für vegetative Bakterien Verhaltensmaßnahmen bei 3 MRGN, kein Risikopatient (Standard- Basishygiene) n n n n Die Hygieneverantwortlichen sind bei Nachweisen/Häufungen umgehend zu informieren. Konsequente Einhaltung der Basishygienemaßnahmen gemäß geltendem Hygieneplan. Die Patienten müssen nicht isoliert werden. Eine gemeinsame Unterbringung mit Patienten, bei denen ein besonderes Risiko für nosokomiale Infektionen besteht (z.B. in Neutropenie oder unter immunsuppressiver Therapie) sollte jedoch vermieden werden. Bei Verlegung innerhalb des Krankenhauses ist die aufnehmende Station zu informieren. Dies gilt insbesondere für die Verlegung in Bereiche mit erhöhtem Infektionsrisiko (Intensivstationen). Verhaltensmaßnahmen bei 4 MRGN Patienten (Isolierung) n n n n n n Der Patient kann auf seiner Station verbleiben. Die Unterbringung erfolgt in einem Einzelzimmer vorzugsweise mit Nasszelle, alternativ mit Bereitstellung eines Nachtstuhles. Eine gemeinsame Isolierung (Kohorten-Isolierung) kann nur für Patienten mit einem MRGN derselben Spezies mit gleichem Resistenzmuster erfolgen. Das Patientenzimmer ist deutlich zu kennzeichnen, die Tür ist geschlossen zu halten. Der Patient ist über alle ihn betreffenden Maßnahmen zu informieren. Der Patient darf das Zimmer möglichst nicht verlassen. Dem Patienten ist ein alkoholisches Händedesinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Er ist über die Handhabung aufzuklären Verhaltensmaßnahmen bei 4 MRGN Patienten (Isolierung) Schutzkleidung n Schutzkleidung ist anzulegen bei direkter Versorgung des Patienten, wie z. B. bei der Wundversorgung, Körperwaschungen, beim Betten, bei der Katheterpflege, beim Absaugen und bei der Krankengymnastik. Schutzkleidung sofort nach Gebrauch entsorgen. Einmalhandschuhe n Bei möglichem Kontakt mit Ausscheidungen und Erbrochenem, z.B. bei der Grundpflege, bei der Intimpflege. n Die Handschuhe nach Gebrauch direkt in den Abfall entsorgen, danach sind die Hände zu desinfizieren. Mund – Nasen – Schutz n Anzulegen bei Infektionen des Respirationstraktes. und bei Aerosolbildung, z.B. Absaugen, hustenreizende Tätigkeiten. n Verhaltensmaßnahmen bei 4 MRGN Patienten (Isolierung) Pflegeutensilien n Benötigte Pflegeutensilien, z. B. Blutdruckgerät, Stethoskop, Fieberthermometer, Salben u. ä. bleiben im Patientenzimmer. n Alle Gegenstände, die unmittelbar am Patienten angewendet wurden, sind nach Verlegung oder Entlassung zu verwerfen bzw. zu desinfizieren. Wäsche n Zum Bettenmachen nur die benötigte Bettwäsche mit in das Patientenzimmer nehmen. Wäsche, die nicht benutzt wurde, im Zimmer belassen oder der Aufbereitung (Wäschesack im Zimmer) zuführen. n Die Bettwäsche muss bei Bedarf sofort gewechselt werden. n Durchfeuchtete Wäsche nur im Doppelsack (Textilsack und Plastiksack) entsorgen. n Die benutzte Wäsche direkt im Zimmer in einen Wäschesack entsorgen. Geschirr n Wird der zentralen thermischen Aufbereitung in der Spülküche zugeführt, d. h. normale Geschirrentsorgung. n Bei Nutzung des stationseigenen Geschirrspülers für die Aufbereitung von Patientengeschirr ist immer das Programm > 65 ° C zu wählen. Abfälle n Abfälle im Zimmer direkt in den Abfallsack entsorgen. Danach übliche Entsorgung Verhaltensmaßnahmen bei 4 MRGN Patienten (Isolierung) Reinigung/ Flächendesinfektion n Das Zimmer muss täglich einer Flächendesinfektion unterzogen werden, d.h. patientennahe Kontaktflächen inkl. Türgriffe mit dem hausüblichen Flächen-desinfektionsmittel desinfizierend reinigen. n Das Reinigungspersonal über die notwendigen Schutzmaßnahmen informieren (Händedesinfektion, Schutzkittel, Handschuhe, usw.). n Reinigung/ Desinfektion des Zimmers und der Nasszelle ist möglichst am Ende des Reinigungsdurchganges vorzunehmen. Frische Reinigungsutensilien benutzen und nach der Desinfektion des Zimmers sofort entsorgen. n Bei Verlegung oder Entlassung des Patienten ist das Zimmer einer gründlichen Scheuerwischdesinfektion (siehe Schlussdesinfektion) zu unterziehen. n Das Patientenzimmer darf erst nach vollständiger Trocknung der Flächen wieder belegt werden. Verhaltensmaßnahmen bei 4 MRGN Patienten (Isolierung) Transport innerhalb des Krankenhauses n Der Transport zu diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen sollte auf Erkrankungsfälle mit strenger Indikation beschränkt werden. n Die Funktionsabteilung/ der Funktionsbereich ist vorab zu informieren. n Der Transport nicht gehfähiger Patienten erfolgt nach Möglichkeit im Rollstuhl. n Unmittelbar nach dem Transport ist der Rollstuhl zu desinfizieren. n Der Patient hat vor Verlassen des Zimmers eine Händedesinfektion durchzuführen. n In der Funktionsabteilung sind im Anschluss an die Untersuchung die Kontaktflächen mit dem hausüblichen Flächendesinfektionsmittel desinfizierend zu reinigen. n Das Behandlungszimmer der Funktionsabteilung u./o. der Diagnostikraum o.ä. darf erst nach vollständiger Trocknung der Flächen wieder genutzt werden. Verhaltensmaßnahmen bei 4 MRGN Patienten (Isolierung) Besucher n Müssen sich beim Pflegepersonal melden. n Müssen vor Betreten des Patientenzimmers über Schutzmaßnahmen (Durchführung und Einwirkzeit der hygienischen Händedesinfektion, Schutzkleidung) informiert werden. Entlassung/Verlegung in andere Krankenhäuser bzw. Einrichtungen n Patienten können trotz Kolonisation mit 3MRGN- oder 4MRGNErregern entlassen werden, wenn ihr klinischer Zustand dies zulässt. n Der weiterbehandelnde Arzt bzw. die übernehmende Einrichtung muss vorab informiert werden. Für jeden Patienten, der mit 3MRGNoder 4MRGN-Erregern besiedelt/ infiziert ist oder war, ist ein Überleitungsbogen auszufüllen. Verhaltensmaßnahmen am Patienten (Isolierung, Stufe 2) Sanierungsmaßnahmen n Bisher sind keine geeigneten Verfahren für eine erfolgreiche Dekolonisation von Patienten mit multiresistenten gramnegativen Erregern bekannt. Aufhebung der Isolationsmaßnahmen n Da bislang keine effektiven Mittel zur Sanierung zur Verfügung stehen, müssen die entsprechenden Maßnahmen der Isolierung in der Regel für den gesamten Krankenhausaufenthalt beibehalten werden. 8 m Länge 400-500 m2 Oberfläche Empfehlungen zum Screening: n Kontaktpatienten (Versorgung im gleichen Zimmer mit 4MRGN-kolonisierten oder infizierten Patienten.) n Personen mit kürzlichem Kontakt zum Gesundheitssystem in Ländern mit endemischem Auftreten von 4MRGN-Erregern (Griechenland, naher und ferner Osten; Italien …). n Patienten mit anamnestisch bekannten 4 MRGN sollten bei Wiederaufnahme ebenfalls gescreent werden. n Neu seit 26.5.2014: Patienten mit einem KH-Aufenthalt > 3Tage in den letzten 12 Monaten in einer Region mit erhöhter MRGN-Prävalenz Folgende Untersuchungsmaterialien werden für ein Screening empfohlen: n n n n n n Enterobakterien (alle Arten): Rektalabstriche, ggf. zusätzlich Urin und Abstriche von chronischen Wunden Pseudomonas aeruginosa: Rektal- und Rachenabstriche, ggf. chronische Wunden Acinetobacter baumannii: Rachenabstriche, ggf. Hautabstriche (verschiedene Lokalisationen) Labordaten der Limbach-Gruppe MRGN im Vergleich zu MRSA Gemeinsamkeiten n n n n n Multiresistente Varianten Kolonisation und Infektion Im Falle einer Infektion können nur noch Reserveantibiotika appliziert werden Vielfältige Übertragungswege, wobei Kontakte deutlich im Vordergrund stehen. Problemlose Desinfizierbarkeit Unterschiede n betrifft verschiedene Erreger; diese sind gramnegativ n betrifft nur einen Erreger; dieser ist grampositiv n Bevorzugte Ansiedelung: Urin, Fäkalien, Wunden, Atemwege n n Sanierung nicht möglich Bevorzugte Ansiedelung: Nase, Wunden, Devices, Haut, Atemwege n Umweltresistenz: mäßig - hoch n Sanierung u.U. möglich n Umweltresistenz: hoch MRGN können n Infektionen hervorrufen l l l l n Harnwegsinfektionen Wundinfektionen Pneumonien Sepsis Häufig in Zusammenhang mit invasiven Maßnahmen als Besiedler auftreten/Kolonisation Übertragung n n n n n Über kontaminierte Hände In Einzelfällen auch über kontaminierte Flächen in der Umgebung des Patienten Bei besiedelten oder infizierten Atemwegen im Rahmen der Absaugung über Aerosole Besondere Sorgfalt beim Umgang mit Fäkalien von betroffenen Patienten Unterschiedliche Umweltpersistenz Therapie und/oder Elimination von MRGN n n Es stehen leider nur noch wenige Antibiotika für die Therapie zur Verfügung Die Gute Nachricht: Für Hände-, Instrumenten- und Flächendesinfektion sind die üblichen Desinfektionsmittel weiterhin einsetzbar Meldekriterien n n Ausbrüche sind meldepflichtig gehören nach §23 IfSG in die Liste der zu erfassenden Erreger mit speziellen Resistenzen Zielgruppe der Empfehlung: Diese Empfehlung richtet sich primär an die Träger und Mitarbeiter von Krankenhäusern. Auch in anderen medizinischen Einrichtungen, in denen invasive Therapien z. B. Beatmungen in der neurologischen Rehabilitation durchgeführt werden, kann sie hilfreich sein. Andere Einrichtungen, die den Lebensbereich der Patienten darstellen (Alten- und Pflegeheime), werden in dieser Empfehlung derzeit nicht berücksichtigt. Hier ist eine eigene individuelle Risikoabwägung empfehlenswert, wie sie in den Empfehlungen zur Infektionsprävention in Heimen [6] dargestellt wird. Aufgrund der Eigenschaften der gramnegativen Stäbchen sollten die Maßnahmen in Heimen jedoch nicht über die Maßnahmen, die für MRSA-positive Bewohner festgelegt sind, hinausgehen. Die räumliche Isolierung oder der Ausschluss vom Gemeinschaftsleben kommt in seltenen Ausnahmefällen in Betracht, wenn: n dies in den entsprechenden Regelwerken und Fachempfehlungen* ausdrücklich gefordert wird n und die betreffende Maßnahme zeitlich begrenzt ist n und das Einverständnis des betreffenden Bewohners bzw. seiner Betreuer nach vorheriger Aufklärung vorliegt. n Wenn eine oder mehrere dieser Bedingungen nicht zutreffen, sollte zur Abklärung der weiteren Vorgehensweise die Beratungsfunktion des örtlichen Gesundheitsamtes und ggf. auch der Heimaufsicht in Anspruch genommen werden. Eine Hinzuziehung des Gesundheitsamtes ist auch bei der zeitweisen Sperrung von Wohnbereichen (z.B. Noro-Ausbruch) erforderlich. http://www.mrsa-netzwerke.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=6787&article_id=19568&_psmand=22 Zusammenfassung n n n n MRGN ist eine neue Bezeichnung für bereits bekannte bakterielle Erreger Bezeichnung 3/4 MRGN richtet sich nach dem Ergebnis der Resistenztestung Bekannte Hygienemaßnahmen Keine Veränderung bei Desinfektionsmaßnahmen und Instrumentenaufbereitung bei MRGN, MRSA und VRE Quelle: Loriot Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected]