Lebensdauer eines x-jährigen

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Lebensdauer eines x-jährigen
Sabrina Scheriau
20. November 2007, Graz
1
INHALTSVERZEICHNIS
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3
2 Sterbewahrscheinlichkeiten
2.1 Definition und Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
4
5
3 Sterblichkeitsintensität
5
4 Analytische Verteilung
6
5 Die gestutzte Lebensdauer eines x-Jährigen
7
6 Sterbetafeln
8
7 Unterjährige Sterbewahrscheinlichkeit
9
1 EINLEITUNG
1
3
Einleitung
Die Lebensversicherungsmathematik ist ein wichtiger Versicherungszweig,
der sowohl auf der Finanzmathematik als auch auf der Wahrscheinlichkeitstheorie beruht. Denn neben der mehrjährigen Laufzeit der Verträge, muss
natürlich auch der zufällige Zeitpunkt des Todes der versicherten Person
berücksichtigt werden. [4]
In dieser Arbeit soll vor allem auf die Berechnung der Lebensdauer eines
x-jährigen eingegangen werden, wobei die Sterbens- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit eine wichtige Rolle spielen.
Die verwendeten Bezeichnungen halten sich an die seit 1981 für die Lebensversicherungsmathematik vorliegende einheitliche internationale Bezeichnungsweise, die weitgehend von der Versicherungspraxis anerkannt wird.
2 STERBEWAHRSCHEINLICHKEITEN
2
2.1
4
Sterbewahrscheinlichkeiten
Definition und Ermittlung
Die wichtigste Größe der Lebensversicherungsmathematik ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein x-jähriger im Laufe des folgenden Jahres, also vor
Erreichung des Alters x+1, stirbt. Die (einjährige) Sterbenswahrscheinlichkeit wird qx genannt und sagt aus, dass in einer Gesamtheit von x-jährigen
innerhalb eines Jahres im Mittel 100qx % Todesfälle zu erwarten sind. Die
Funktion qx ist also abhängig vom Alter x einer Person, wobei x = 0, 1, . . ., ω
( ω ist das Höchstalter).
Da aber die Sterbewahrscheinlichkeit auch noch von vielen anderen Faktoren,
wie zum Beispiel: Geschlecht, Gesundheitszustand, Wohnverhältnissen, Arbeistplatz, etc. abhängt, gibt es noch viele weitere Funktionen, die getrennt
von qx berechnet werden.[2] Auf diese soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden.
Definiert man nun die zukünftige Lebensdauer eines x-jährigen als T(x), so
erhält man
t ≥ 0,
t qx = G(t) = P r(T ≤ t),
die Wahrscheinlichkeit, dass der x-jährige in t Jahren sterben wird. Hier soll
angenommen werden, dass t qx stetig ist und eine Wahrscheinlichkeitsdichte
g(t) = G0 (t) besitzt. Für die Dichte gilt dann:
g(t)dt = P r(t < T < t + dt).
Neben der Sterbewahrscheinlichkeit ist auch die t-jährige Überlebenswahrscheinlichkeit von großer Bedeutung. Diese ist wie folgt definiert: [1]
t px
= 1 −t qx .
Natürlich gibt es auch eine Bezeichnung für den häufiger auftretenden Fall,
dass der x-jährige t Jahre überlebt und dann innerhalb der nächsten u Jahre stirbt, d.h. die Person mit Alter x wird zwischen dem Alter x + t und
x + t + u sterben: [3]
t|u qx
=
=
=
P r(t < T (x) ≤ t + u)
G(t + u) − G(t)
t+u qx −t qx .
2 STERBEWAHRSCHEINLICHKEITEN
5
Vorausgesetzt der x-jährige erreicht das Alter x + t, bezeichnet u px+t die
bedingte Wahrscheinlichkeit dafür, dass er die nächsten u Jahre überleben
wird:
= P r(T > t + u | T > t)
u px+t
1 − G(t + u)
.
=
1 − G(t)
Die u-jährige Sterbewahrscheinlichkeit, wenn der x-jährige das Alter x + t
erreicht hat, beträgt: [1]
u qx+t
P r(T ≤ t + u | T > t)
G(t + u) − G(t)
.
1 − G(t)
=
=
Eine weitere häufig verwendete altersabhängige Funktion ist die Lebenserwartung, die die Anzahl der Jahre angibt, die ein x-jähriger im Mittel noch
zu erwarten hat:
Z∞
e̊x
=
tg(t)dt
0
=
Z∞
[1 − G(t)]dt
0
Z∞
=
t px dt.
0
Mit x + e̊x kann dann das mittlere Todesalter eines x-jährigen bestimmt
werden. [2]
2.2
Anwendung
In der Lebensversicherungsmathematik werden die Überlebens- und Sterbewahrscheinlichkeiten herangezogen, um die in dem kommenden Jahr erforderlich werdenden Versicherungsleistungen abzuschätzen bzw. Erwartungswerte
für diese Anzahlen berechnen zu können. Dies wird dadurch ermöglicht, dass
man in Versichertenbeständen von gleichaltrigen Personen die Zahl der im
folgenden Jahr zu erwartenden Toten bzw. Überlebenden prognostiziert. So
”
sind in einem Bestand von N x-jährigen nach n Jahren noch N·n px Überlebende zu erwarten, während der Erwartungswert für die Anzahl der Personen,
die im Alter x + n, d. h. vor Erreichen des Alters x + n + 1 sterben werden,
gerade N ·n qx beträgt.“ [2]
3 STERBLICHKEITSINTENSITÄT
3
6
Sterblichkeitsintensität
Die Sterblichkeitsintensität (engl. force of mortality) eines x-jährigen im Alter
x + t entspricht der Ausfallrate (engl. hazard rate) in der Zuverlässigkeitstheorie und ist definiert als:
µx+t
=
g(t)
1 − G(t)
−
=
d
ln[1 − G(t)]
dt
Aus der Definition von g(t) und G(t) folgt natürlich, dass µx+t ≥ 0. [3]
Unter Berücksichtigung der Sterblichkeitsintensität erhält man für die Wahrscheinlichkeit, dass der x-jährige zwischen den Zeitpunkten t und t + dt
sterben wird, den Ausdruck:
P r(t < T < t + dt)
=
t px
µx+t dt.
Daraus folgt direkt eine alternative Formel für die Lebenserwartung des
x-jährigen:
Z∞
e̊x =
t t px µx+t dt.
0
Nun erhält man auch eine Approximation, die für kleine Werte von s gilt: [1]
s qx+t
4
≈
µx+t s.
Analytische Verteilung
Die Grundidee der analytischen Verteilung ist es G(t) durch eine einfache
Formel mit wenigen Paramtern zu beschreiben.[6]
Um die analytische Verteilung der Sterbe- bzw. Überlebenswahrscheinlichkeit zu entwickeln gab es hauptsächlich drei Gründe. Da in der Physik viele
Probleme mittels einfacher Formeln gelöst werden können, wurde versucht
auch die Sterblichkeit von gleichermaßen einfachen Gesetzen, wie zum Beispiel eines Naturgesetzes, zu begründen.
Der zweite Ansatz ist eher praktisch. Denn es ist einfacher eine Funktion
mit einigen wenigen Parametern, als eine Sterbetafel mit ca. 100 Parametern
zu beschreiben. Außerdem beinhalten einige der analytischen Verteilungen
Möglichkeiten, um Aussagen über die Sterbewahrscheinlichkeit in Bezug auf
mehr als ein Leben zu machen.
Der dritte Grund für die Entwicklung analytischer Verteilungen ist der Versuch die Schätzung von G(t) auf wenige geschätzte Parameter zu reduzieren.[3]
5 DIE GESTUTZTE LEBENSDAUER EINES X-JÄHRIGEN
7
Die folgenden analytischen Verteilungen wurden jeweils nach ihrem Er”
finder“ benannt:
• De Moivre (1724): Diese Verteilung beruht auf der Idee, dass T gleich1
verteilt ist zwischen 0 und ω - x (ω ist Höchstalter), d. h. g(t) = ω−x
für 0 < t < ω − x. Die Sterblichkeitsintensität ist dann eine wachsende
Funktion von t:
µx+t
=
1
,
ω−x−t
0 < t < ω − x.
• Gompertz (1824): Hier wird kein Höchstalter benötigt, womit diese Methode realistischer wird. Das Phänomen des menschlichen Alterns wird
besser wiedergegeben. Die Sterblichkeitsintensität besitzt ein exponentielles Wachstum:
µx+t
=
Bcx+t ,
t > 0, B > 0 und c > 1.
• Makeham (1860): verallgemeinerte den Ansatz von Gompertz indem er
eine zusätzliche, altersunabhängige Komponente A > 0 hinzufügte:
µx+t
=
A + Bcx+t ,
t > 0.
• Weibull (1939): postulierte, dass das Wachstum wie eine Potenz wachse
und nicht exponentiell:
µx+t = k(x + t)n ,
5
k > 0, n > 0,
⇒
t px
= e−k/(n+1){(x+t)
n+1 −xn+1
}.
Die gestutzte Lebensdauer eines x-Jährigen
Definiert man zusätzlich zu der Variable T(x) die Zufallsvariablen K = K(x),
S = S(x), so erhält man für K = [T] die ganzzahlig (es werden nur ganze
Jahre gezählt) gestutzte, zukünftige Lebensdauer des x-Jährigen:[1]
P r(K = k) = P r(k < T < k + 1) =k px qx+k
(k = 0, 1, . . .)
Der Erwartungswert von K heißt gestutzte Lebenserwartung und ist gegeben
durch:
∞
∞
X
X
ex :=
kP r(K = k) =
k k px qx+k
k=1
k=1
6 STERBETAFELN
8
bzw. wegen P r(K ≥ k) = Pr(K = k) + Pr(K = k+1) + . . . auch durch [6]
ex =
∞
X
P r(K ≥ k) =
k=1
∞
X
k px .
k=1
Die gestutzte Lebensdauer hat den Vorteil, dass man lediglich Annahmen
über die Verteilung von K machen muss, und dass diese Formel einfacher
auszuwerten ist als jene für e̊x .
Um auch die vollständige Lebenserwartung eines x-jährigen ausrechnen zu
können, benötigt man die Variable S, die für den Bruchteil eines Jahres, den
der x-jährige im Todesjahr noch erlebt, steht. Somit gilt T = K + S. S hat
dabei eine stetige Verteilung in [0,1]. Wird der Erwartungswert von S mit 21
approximiert, so gilt:
1
e̊x ≈ ex + ,
2
für die vollständige Lebenserwartung eines x-jährigen. [1]
Ein wichtiger Fall ergibt sich, wenn K und S unabhängig sind, da dann die
bedingte Verteilung von S unabhängig von K ist:
u qx+k
P r(S ≤ u | K = k) =
,
qx+k
dies ist eine von k unabhängige Verteilungsfunktion H(u), 0 ≤ u ≤ 1,
u qx+k
= H(u)qx+k ,
k = 0, 1, . . .
und 0 ≤ u ≤ 1.
Im Spezialfall H(u) = u (Gleichverteilung) ist die Approximation e̊x exakt
und aus T = K + S folgt der Zusammenhang zwischen den Varianzen von T
und K:
1
V ar(T ) = V ar(K) + .
12
6
Sterbetafeln
Sterbetafeln (engl. life table) sind Tabellen, die in regelmäßigen Abständen
veröffentlicht werden und die wichtige Informationen zur Kalkulation von
Wahrscheinlichkeiten der Lebensversicherungsmathematik liefern.
Je nach Anwendungszweck werden verschiedene Sterbetafeln verwendet, so
gibt es unterschiedliche Sterbetafeln für Männer, Frauen, Versicherung auf
den Todesfall bzw. Erlebensfall. [4] Auch die Ermittlung von Sterbetafeln
kann auf mehrere Arten erfolgen.
• Periodentafeln werden aufgrund der Sterblichkeit in einer festen Periode ermittelt,
6 STERBETAFELN
9
• Generationssterbetafeln beruhen auf der Beobachtung eines Geburtsjahrganges,
• Bevölkerungssterbetafeln enthalten die rohen Sterbewahrscheinlichkeiten (diese gehen aus Volkszählungen hervor) für die gesamte Bevölkerung eines Staates, wobei die
• Versichertensterbetafeln nur die rohen Sterbewahrscheinlichkeiten für
Versicherte aufweisen. [5]
Grundsätzlich werden Sterbetafeln aus Daten konstruiert, die durch statistische Methoden, Ausgleichsrechnung und eventuell Extrapolation ermittelt
wurden. Im Allgemeinen ist eine Sterbetafel eine Tabelle von einjährigen
Sterbewahrscheinlichkeiten, durch die dann eine Verteilung von K definiert
wird. Dadurch lässt sich auch in weiterer Folge eine Verteilung für T konstruieren.
In einer Selektionssterbetafel werden die einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten abgestuft nach Eintrittsalter erfasst. Dies soll vor allem dem Phänomen
gerecht werden, dass bei zwei gleichaltrigen im Allgemeinen derjenige die
größere Sterblichkeit hat, bei dem der Versicherungsabschluss weiter zurückliegt. q[x]+t ist dann die Sterbewahrscheinlichkeit für einen (x+t)-jährigen,
der ein anfängliches Alter x hatte. Dadurch gilt also:
q[x] < q[x−1]+1 < q[x−2]+2 < . . .
Dieser Selektionseffekt kann jedoch oft nach einer gewissen Dauer (hier nach
r Jahren) vernachlässigt werden. Dann gilt:
q[x−r]+r = q[x−r−1]+r+1 = q[x−r−2]+r+2 = . . .
r heißt hier Selektionsperiode und die Tabelle, die sich aus diesem Wert ergibt,
wird mit Schlusstafel bezeichnet. [1]
7 UNTERJÄHRIGE STERBEWAHRSCHEINLICHKEIT
7
10
Unterjährige Sterbewahrscheinlichkeit
Die Sterbewahrscheinlichkeit für den Bruchteil eines Jahres u qx (x ganzzahlig, 0 ≤ u ≤ 1) ist von großer Bedeutung für die Verteilung von T und um
Annahmen über den Verlauf der Sterblichkeitsintensität µx+u (x ganzzahlig,
0 ≤ u ≤ 1) machen zu können. Hier sollen drei Fälle betrachtet werden:
1. Linearität von u qx
In diesem Fall gilt durch Interpolation in u = 0 und u = 1
u qx
= uqx
Laut Kapitel 5 ist dies der Fall, in dem K und S unabhängig sind und
wo S gleichverteilt zwischen 0 und 1 ist. Damit gilt auch:
u px
= 1 − uqx
und µx+u =
qx
.
1 − uqx
2. µx+u ist konstant
Der konstante Wert von µx+u über dem Einheitsintervall 0 ≤ u ≤ 1
wird mit µx+ 1 bezeichnet. Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung
2
der Sterblichkeitsintensität
u px
= exp(−uµx+ 1 ) = pux ,
2
bzw. unter Berücksichtigung der gestutzten Lebensdauer
P r(S ≤ u|K = k) =
1 − pux+k
.
1 − px+k
Die Zufallsvariablen K und S sind hier also im allgemeinen nicht unabhängig.
3. Lineartität von 1−u qx+u
In diesem Fall ergibt sich durch Interpolation zwischen u = 0 und u = 1
1−u qx+u
Daraus folgt:
u px
=
= (1 − u)qx .
px
1 − qx
=
1 − (1 − u)qx
1−u px+u
und
µx+u =
qx
.
1 − (1 − u)qx
Auch hier sind K und S nicht unabhängig. [1]
LITERATUR
11
Literatur
[1] H. U. Gerber. Lebensversicherungsmathematik. Springer, 1986.
[2] F. Isenbart/H. Münzner. Lebensversicherungsmathematik für Praxis und
Studium. Gabler, 1994.
[3] N. L. Bowers, H. U. Gerber, J. C. Hickman, D. A. Jones, C. J. Nesbitt.
Actuarial Mathematics. Society of actuaries, 1986.
[4] K. Schmidt. Versicherungsmathematik. Springer, 2006.
[5] K. Wolfsdorf. Versicherungsmathematik, Teil 1 Personenversicherung.
Teubner Stuttgart, 1997.
[6] R. Wunderlich. Vorlesungsskript, Lebensversicherungsmathematik, TU
Chemnitz. 2002.
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