pbnetz - das politische Bildungsnetz [Religionsfreiheit] M 01 Fallbeispiel "Streit um Gebetsruf in Ahlen" Seit einiger Zeit wünscht sich die islamische Gemeinde in Ahlen/Westfalen einmal wöchentlich in der Mittagszeit zum Freitagsgebet vom Minarett (Moscheeturm) rufen zu können. Die Moschee ist als Verein eingetragen und wird von der türkischen Religionsbehörde "DITIB" , mit Sitz in Köln, unterhalten. Die Moschee befindet sich im südlichen Stadtteil, der "Kolonie", wo der Bergbau noch gegenwärtig ist und sich der Großteil der ausländsichen, überwiegend türkischen Wohnbevölkerung konzentriert. Bisher hat die Stadt dem Wunsch noch nicht entsprochen . Die Meinungen unter den Betroffenen (Moschee, Anwohner, Kirchen und Stadtverwaltung) sorgen immer wieder für Kontroversen . Während sich die muslimische Gemeinde , Vertreter der beiden christlichen Kirchen und der Stadtverwaltung auf die in Artikel 4 des Grundgesetzes garantierte Glaubens-, Gewissens-, und Bekenntnisfreiheit berufen, die auch die ungestörte Religionsausübung beinhaltet, wird von Gegnern des Gebetsrufes Lärmbelästigung und die angeblich verfassungsfeindlichen Absichten der islamischen Religion in den Vordergrund gestellt. Zudem wurde der Moschee bei ihrer Errichtung im Jahre 1989 als Auflage eine akustische Nutzung des Minaretts untersagt, was wiederum die islamische Gemeinde als ungerecht empfindet, da Kirchen auch ihre Glocken läuten dürfen. Ein "Runder Tisch" im Jahre 1995 verlief ergebnislos. Die Frage ist, soll die Stadtverwaltung , an ihrer Spitze der Bürgermeister, dem Wunsch der islamischen Gemeinde stattgeben oder eher den Antrag ablehnen. Wie würden Sie als Bürgermeister entscheiden? (Autorentext) M 02 Alpentraum M 03 Rollenkarten Rollenkarte 1 - Islamische Gemeinde Ihr vertretet die islamische Gemeinde der Stadt Ahlen, die seit 1985 als Glaubensgemeinschaft besteht und als Verein eingetragen ist. 1989 konntet ihr die Eröffnung der "Grünen Moschee" im Zechenviertel feiern. Für den Bau habt ihr mehrere Jahre Spendengelder gesammelt. Öffentliche Fördermittel gab es dafür nicht. Der Bau der Moschee wurde von einigen Anwohnern heftig kritisiert. Um das Bauvorhaben doch noch realisieren zu können, habt ihr zum Kompromiss dem Bauamt der Stadt einen Verzicht auf eine akustische Nutzung des Minaretts versprechen müssen. Im Laufe der Jahre wurde aber der Wunsch nach einem Gebetsruf vom Minarett seitens eurer Mitglieder immer stärker. Daher habt ihr einen Antrag auf die Durchführung des Rufes zum Freitagsgebet, das der Sonntagsmesse der Christen nahekommt, gestellt. Ihr seht Ahlen schon lange als euren Lebensmittelpunkt an. Dazu gehört es, dort auch eure Religion ausüben zu können. Ihr betrachtet euch als Bürger dieses Landes, in dem ihr Rechte und Pflichten habt und somit u.a. Steuern zahlt. Da die Ausübung der Religion in Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert ist, seht ihr euch im Recht. Dieses Recht gilt es nun möglichst glaubwürdig zu erstreiten. Dabei müsst ihr: a) euren Gegnern möglichst sachlich den Wind aus den Segeln nehmen und b) Verbündete in den christlichen Gemeinden finden. Das kann z.B. durch Aufklärung geschehen, in dem ihr euch als Glaubensgemeinschaft zeigt, die den interkulturellen Dialog sucht. Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekennzeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zu stark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Standpunkt klar und sachlich vertreten und die Regeln des Dialogs einhalten. Rollenkarte 2 - Anwohner (Befürworter) Ihr lebt schon seit vielen Jahren im Zechenviertel und habt ein gutes Verhältnis zu euren türkischen Nachbarn. Ihr pflegt nachbarschaftliche Kontakte, in dem ihr euch gegenseitig einladet und euch Hilfe leistet. Ein Teil von euch kennt auch das Heimatland eurer Nachbarn, vor allem aus dem Urlaub, wo man euch große Gastfreundschaft entgegen gebracht hat. Für euch ist der Wunsch der islamischen Gemeinde berechtigt und akzeptabel. Schließlich haben eure muslimischen Nachbarn auch am Wohlstand Deutschlands mitgearbeitet und stellen eine kulturelle Bereicherung für euch da. Ihr könnt die Gegner nicht verstehen und haltet deren Ansichten für unüberlegt, ängstlich und teilweise sogar fremdenfeindlich. Obwohl einigen von euch fast derberühmte Kragen platzen könnte, gilt es in dieser Debatte möglichst die Ruhe zu bewahren und mittels eurer Argumente zu überzeugen. (Tomi Ungerer) http://www.pbnetz.de Rollenkarte 3 - Anwohner (Gegner1) Ihr lebt schon seit vielen Jahren im Zechenviertel und habt zu der ausländischen Wohnbevölkerung selten Seite 1 pbnetz - das politische Bildungsnetz Kontakt; es sei denn samstagmittags bei "Aldi" an der Kasse, wo ihr euch schon fast wie auf einem orientalischen Basar vorkommt. Überhaupt erkennt ihr euer Viertel fast gar nicht mehr wieder. Überall Dönerbuden und herumlungernde ausländische Jugendliche. Einige von euch trauen sich sogar nachts kaum noch auf die Straße. Überhaupt regen euch die vielen Kopftücher einiger türkischen Frauen pausenlos auf, zudem sie es noch nicht mal für nötig erachten, Deutsch zu sprechen. Den Bau der Moschee musstet ihr noch hinnehmen, ein Gebetsruf in einer fremd klingenden Sprache seht ihr als den Gipfel der Unverschämtheiten. Ihr meint, dass sich Ausländer den Gegebenheiten des Gastlandes anpassen müssen. Ihr habt Angst "fremd" im eigenen Land zu werden. Bei eurer Rolle gilt, da sie sehr durch Emotionen wie Ängste und Ablehnung gekennzeichnet ist, sich nicht von diesen zu stark lenken zu lassen. Bedenkt, dass ihr durch Argumente überzeugen müsst, wollt ihr in der Diskussion erfolgreich sein. Rollenkarte 4 - Anwohner (Gegner 2) Ihr lebt schon seit langer Zeit im Zechenviertel und seid froh, wenn ihr sonntags eure Ruhe habt. Kirchenglocken haben euch schon immer genervt, da muss jetzt nicht noch der Muezzin mit Lautsprechern vom Minarett rufen. Ihr sorgt euch schon seit langem um die zunehmende Lärmbelästigung im Viertel, sei es durch Verkehr oder spielende Kinder. Da einige von euch schon etwas älter sind, ist Ruhe für euch absolut unerlässlich. Ihr verlangt auf jeden Fall Rücksicht, egal welche Art von Lärm das auch sein mag. In dieser Rolle müsst ihr vor allem mit Untersuchungen zu euren Lebensumständen und zu vorgeschriebenen Richtlinien in der Lärmbelastung argumentieren. Rollenkarte 5 - Kirchen (Befürworter) Als Vertreter einer im Zechenviertel ansässigen Kirche unterstützt ihr das Vorhaben der islamischen Gemeinde, am Freitag den Gebetsruf ertönen zu lassen. Ihr seht den Islam als Schwesterreligion an, deren Mittelpunkt ein und derselbe Gott ist. Für euch ist der Dialog mit den Muslimen sehr wichtig, da ihr in ihm die Chance seht, Vorurteile abzubauen und mehr über andere und sich selber kennen zu lernen. Nur so kann eurer Meinung nach die viel diskutierte Integration funktionieren. Eure gemeinsamen Bemühungen um einen Dialog können auch noch dazu beitragen, der Religion im Alltag wieder eine spürbare Resonanz zu verleihen. Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekennzeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zu stark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Standpunkt klar und sachlich vertreten und die Regeln des Dialogs einhalten. Rollenkarte 6- Kirchen (Gegner) Ihr vertretet eine weitere Kirche im Viertel, die gegen einen Gebetsruf vom Minarett ist. Eure Meinung stützt ihr dabei besonders auf die Ansicht, dass der Islam ein Feind der christlich-abendländischen Kultur sei und den Anspruch erhebt, die einzig wahre Religion zu http://www.pbnetz.de sein. Ihr schreibt dem Islam aggressive Eroberungstendenzen zu, der keinen Platz für andere Religionen lasse. Zudem leugne der Islam bestimmte Inhalte des Christentums, wie die Dreifaltigkeit ( Gott als dreigeteiltes Wesen "Vater, Sohn und Heiliger Geist"). Moscheen und Koranschulen sind euch ein Greuel, da sie als Zentren der Eroberung des Christentums fungieren sollen, deren Gegenwart eine gewisse Bedrohung darstelle. Eine Ausdehnung dieser Religion auf akustischer Ebene (Gebetsruf) ist für euch und eure Gläubigen untragbar. Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekennzeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zu stark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Standpunkt klar und sachlich vertreten und die Regeln des Dialogs einhalten. Rollenkarte 7- Parteien (Befürworter) Als politische Partei vertretet ihr die Interessen eurer Wähler. Euch ist die Situation im Zechenviertel bereits seit längerer Zeit vertraut (hoher Ausländeranteil, Arbeitslosigkeit, schlechte wirtschaftliche Lage). Ihr seid an der Integration der ausländischen Wohnbevölkerung natürlich sehr interessiert. Die Forderung der islamischen Gemeinde ist für euch berechtigt, da Deutschland für viele Muslime zur Heimat geworden ist und immer mehr Angehörige der zweiten und dritten Generation ehemaliger Gastarbeiter deutsche Staatsangehörige werden. Das im Grundgesetz garantierte Recht auf freie Religionsausübung gilt nach eurer Auffassung auch für die Muslime. Dadurch, dass der Gebetsruf thematisiert wird, seht ihr eine große Chance für einen besseren Dialog zwischen den Kulturen. Damit könnte ein wichtiger Beitrag zur viel diskutierten Integration geleistet werden. Rollenkarte 8- Parteien (Gegner) Als politische Partei vertretet ihr die Interessen eurer Wähler. Ihr seid mit der Situation im Zechenviertel bereits seit längerer Zeit vertraut (hoher Ausländeranteil, Arbeitslosigkeit, schlechte wirtschaftliche Lage). Eurer Meinung nach ist die Integration der ausländischer Bewohner des Zechenviertels derzeit wenig fortgeschritten und ihr seht in einer Zunahme der eigenen Infrastrukturen (Geschäfte, Moscheen, Vereine usw.) mehr und mehr eine Ghettoisierung, die in dem Maße nicht akzeptiert werden kann. Ihr meint, dass man sich in Deutschland den hiesigen Lebensbedingungen anzupassen habe. Die Muslime sollen hier zwar ruhig ihrem Gebet nachgehen können, einen Gebetsruf über Lautsprecher könnt ihr jedoch unter keinen Umständen akzeptieren. Da ihr den Ruf nicht als zwingenden Bestandteil des Gebets seht, ebenso wenig wie den Bau von hohen Kuppeln und Minaretten, seid ihr nicht der Ansicht, dass mit dem Grundrecht der Religionsfreiheit argumentiert werden kann. Diese Rolle ist teilweise durch eine hohe Emotionalität gekennzeichnet, die im Verlauf der Diskussion nicht überhand nehmen soll. Euer Anliegen muss klar und sachlich formuliert sein. Seite 2 pbnetz - das politische Bildungsnetz Rollenkarte 9- Der Bürgermeister und seine Berater Der Bürgermeister der Stadt sowie seine Berater müssen in der ganzen Diskussion sowohl ein Ohr für die Befürworterseite als auch für die Gegnerseite haben. Dabei müsst ihr eine Lösung finden, die eine möglichst hohe Akzeptanz erreicht und dabei auch den Grundsätzen des modernen Rechtsstaates entspricht. Beachtet auch, dass eine Lösung in der Debatte sowohl langfristig als auch kurzfristig zu sehen ist und klar entschieden werden muss. Rollenkarte 10- Die Presse Als Mitglied der Tageszeitung "Stadtnachrichten" versuchst du dir einen Überblick über die Diskussionslage zu verschaffen und schreibst über die einzelnen Ereignisse . Als neutraler Bericht dient dein Text in erster Linie zu Informationszwecken. Möchtest du mehr deine eigene Meinung zu dem Thema einbringen, schreibst du einen Kommentar, der zudem noch Diskussionsbeitrag sein kann. Hansastrasse (1) Hansastrasse (2) Kesselstrasse (Autorentext) M 04 Bilder aus Ahlen [alle Gruppen] Einkaufsszene Koloniegärten Förderweg Moschee (1) Ghettograffiti Moschee (2) Glückaufplatz Spielende Kinder http://www.pbnetz.de Seite 3 pbnetz - das politische Bildungsnetz Rottmannstrasse Sattelstrasse St. Josef Kirche M 05 Der Gebetsruf (Ezan) [alle Gruppen] Der islamische Gebetsruf lautet: • Allah ist der Allergroesste (4 mal) • Ich bezeuge, dass es keinen Gott ausser Allah gibt (2 mal) • Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist (2 mal) • Kommt her zum Gebet (2 mal) • Kommt her zum Heil (2 mal) • Allah ist der Allergroesste (2 mal) • Es gibt keinen Gott ausser Allah Im Morgengebet wird eingefuegt: • Gebet ist besser als Schlaf (2 mal) Unmittelbar vor Eroeffnung des eigentlichen Pflichtgebets folgt ein zweiter Gebetsruf, die iqama. In diesen zweiten Ruf wird eingefuegt: • Das Gebet hat begonnen (2 mal). Der zweite Gebetsruf wird innerhalb der Moschee gerufen. Die Sprache ist arabisch. (Quelle: Evangelische Stadtgemeinde Marl.) M 06 Wat soll dä Zoff? Stapelstrasse Gartenzwerge Wetterweg Zeche Westfalen [alle Gruppen] Erich Wiedemann über Toleranz und Militanz in den deutschtürkischen Vierteln des Ruhrpotts Auf der Straßenbahn, Linie 127, im Essener Stadtteil Schonnebeckshöfe ist es für einen Muslim nicht leicht, ein vorschriftsmäßiges Gebet zu verrichten. Zwischen der Haltestelle an der Zeche Zollverein und dem Katernberger Markt macht die Straße nämlich ein paar verwegene Serpentinen. Die heilige Stadt Mekka liegt mal links und mal rechts von der Straßenbahn und manchmal achteraus. So schnell kann sich jemand betend gar nicht drehen und wenden. Der bärtige Afghane, der wohl noch nicht lange im Lande ist, versucht erst, auf dem Gelenkplafond zwischen Vorder- und Hinterwagen niederzuknien. Weil er da keinen Halt findet, rappelt er sich auf, stemmt sich mit dem Rücken gegen die Haltestange, an der der Fahrkartenentwerter befestigt ist, um nunmehr im Stehen zu beten. Das ist aber wegen des variablen Bezugspunktes ein schlingerndes Unterfangen. Kurz vor dem Zechentor wirft eine rabiate Bodenwelle den alten Mann aus der Senkrechten. Er taumelt, kriegt gerade noch die Stange zu fassen und schwingt wie ein Kaffeemühlenschwengel zur Seite. Daraufhin brüllende Heiterkeit von seiten der zwei Schlakse, die vor ihren Mädels am Nachweis der Identität von Lautstärke und Mannbarkeit arbeiten. Sie schmeißen die Jeansbeine hoch, klatschen sich au die Schenkel und kreischen respektloses Zeug. Das gefällt dem alten Mann mit Mütze und Rentnerblouson nicht, der zwei Reihen hinter den Lümmels sitzt. Er nimmt pädagogische Haltung an und ruft: "Äh, watt soll dä Zoff. Ich gipp euch gleich, dä Herr hier auffe Rolle nehm." Dann wackelt er auf den Bärtigen zu und greift nach seiner Hand. "Laß dich von die Bengels nich verkackeiern Kollege." Bevor er http://www.pbnetz.de Seite 4 pbnetz - das politische Bildungsnetz sich wieder zu seiner Aktentasche setzt, dreht er sich noch mal zum Publikum und raunzt: "lss do wahr ... " Jeder kann sehen: Im Ruhrpott hat die Freiheit der Religionsausübung Rückhalt im Volk. Die Regel hat aber Ausnahmen. Sie gilt uneingeschränkt nur dort, wo die Einheimischen klar in der Mehrheit sind. Das ist so in Bottrop, Gladbeck, Gelsenkirchen und in den nördlichen Stadtteilen von Essen, Dortmund und Bochum. Im Duisburger Norden, wo der Türkenanteil über dem hier gültigen Eichstrich liegt, ist das nicht so. Die Toleranzfrage stellt sich nicht, weil es stellenweise mehr Türken als Deutsche gibt. Wo das deutsch-türkische Verhältnis klemmt, ist im Duisburger Lautsprecherstreit besonders deutlich geworden. Die muslimischen Gemeinden der Stadtteile Laar und MarxIoh haben bei der Stadtverwaltung einen Antrag auf Installierung von Lautsprechern an den Duisburger Moscheen eingereicht, über die der Muezzin künftig die Muslime zum Gebetrufen soll.Dagegen machen Pastor Dietrich Reuter, der Seelsorger der evangelischen Kirchengemeinde Laar, und seine Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evangelium" Front. Was wieder-um den Sprecher der Duisburger Moscheevereine zu der düsteren Erklärung veranlaßt hat, es sei mit "unkontrollierbaren Reaktionen" zu rechnen, wenn dem Antrag nicht stattgegeben werde. Pfarrer Reuter ist kein Kreuzritter. Er glaubt im Prinzip daran, daß alle Kinder Gottes gleich sind. Er hört wohl auch nicht ohne Wohlgefallen, daß es türkische Kinder in Laar gibt, die ihn "unser Herr Pastor" nennen. Nur daß für ihn der Gott der Muslime und der Christengott eben nicht identisch sind und daß in seinem Wertekatechismus die christlichmuslimische Verständigung einen niedrigeren Stellenwert hat als bei den progressiven jungen Pastoren von der rheinischen Landeskirche.Reuters katholischer Amtsbruder Pater Patrick Daumann von der St.-Ewaldi-Gemeinde an der Friedrich-Ebert-Straße sieht das so ähnlich. Er meidet die offene Konfrontation. Doch in der Sache ist er mit Reuter so einig, wie ein katholischer und ein protestantischer Geistlicher miteinander einig sein können. "Wir kommen mit den Muslimen aus, aber wir schmusen nicht", sagt Daumann. Es sei vorgekommen, daß Laarer Katholiken vor dem Freitagsgebet von türkischen Gläubigen aufgefordert wurden, auf die andere Straßenseite zu gehen, weil der Bürgersteig vor der benachbarten Moschee islamisches Territorium sei. Eigentlich müsse man über so was mal reden, sagt Pater Daumann. Aber er kann kein Türkisch, und der Hodscha von nebenan kann kein Deutsch. Das Toleranzdefizit ist keine rein deutsche Angelegenheit. Nach dem Fall der Mauer wurden in Laar türkische Flugblätter verteilt, in denen es hieß: "Der Kommunismus ist zerstört, jetzt werden wir die Demokratie besiegen." Derlei Radikalismen, sagt Daumann, seien aber untypisch für die Türken in Duisburg. Es habe hier zwar Straßenschlachten zwischen rivalisierenden http://www.pbnetz.de Türken-Gangs von rechts und links gegeben. Aber die Deutschen seien dabei nicht belästigt worden. Juristisch gesehen haben die Reuter Fundamentalisten in der Lautsprecher-Frage kein gutes Blatt. Glaubensfreiheit gilt in Deutschland für Muslime ebenso wie für Christen und zwar auch dort, wo sie mit Geräuschentwicklung verbunden ist. Das Grundrecht auf freie Religionsausübung (Artikel 4) hat theoretisch nur da seine Grenzen, wo es mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit (Artikel 2) kollidiert. Aber Reuter sieht sein Grundrecht schon dadurch bedroht, daß andere das gleiche Recht haben. Deshalb beansprucht er für sich und die Seinen eine "negative Religionsfreiheit". Deutsche sollen in Deutschland freier sein als Türken. Es gibt noch kein höchstrichterliches Urteil zur Sache. Doch die Amts- und Landgerichte, die sich damit befassen mußten, haben alle entschieden, daß Kirchenglocken und Minarettlautsprecher spirituell und damit vor dem Gesetz gleichwertig sind. Die Duisburger könnten es natürlich auch so machen wie die Bayern und sich zur Abwehr des schallverstärkten Gebetsrufs mit dem Immissionsschutzgesetz behelfen, das den Ausstoß von Schall und Rauch regelt. Es ist aber fraglich, ob diese Regelung einem Rechtsstreit standhalten würde. Denn der Heavymetal-Sound von den Kirchtürmen bringt es auf durchweg doppelt so viele Dezibel wie das Geplärre aus den Moscheelautsprechern. Es ist tragisch: Deutsche und Türken leben seit 30 Jahren nebeneinander her, ohne sich wirklich kennengelernt zu haben. Neuerdings scheinen sie sich sogar wieder auseinanderzuleben. Man hatte gedacht, die Zeit werde es schon richten, spätestens die dritte Generation Türken werde voll integriert sein - so wie die Nachkommen der polnischen Bergleute, die Mitte des letzten Jahrhunderts auf der Suche nach Arbeit ins Revier fluteten. Aber die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die Almancilar, die Deutschländer, wie sie in Anatolien heißen, haben heute zwei Heimatländer-. das Land, in dem sie leben und Geld verdienen, und das Land ihrer Vorfahren, das sie sich virtuell über die Satellitenschüssel ins Haus holen. Um die Verwandten in der alten Heimat zu besuchen, brauchen sie nicht mehr 2000 Kilometer über Autobahn und Autoput zu trecken. Vom Rhein-RuhrFlughafen in Düsseldorf kann man schon für 500 Mark nach Istanbul fliegen. Und zwischendurch ruft man mal an. Auch weit hinten in der Türkei gibt es Telefone in allen Dörfern. Die Frage, welche Heimat die richtige ist, kann offenbleiben. Die Bonner Regierungskoalitionhabe kein Konzept für die Integration der Türken, hat der Dichter Günter Grass gesagt. Das wird wohl so sein. Aber Günter Grass hat auch kein Konzept. Selbst wenn er eines hätte, wären die Integrationsaussichten wohl nicht besser. Mythen haben kurze Beine, die Verwirklichung der multikulturellen Gesellschaft ist nicht in Sicht. Die Jungtürken wollen sich nicht mehr integrieren. Sie halten Integration für eine Art Unterwerfung. Sie wollen auch nicht mehr dafür gelobt werden, daß sie gut Deutsch sprechen. Und sie wollen auch nicht mehr nur als Hilfsarbeiter, Aldi-Kunden und NatoSoldaten geschätzt werden. Seite 5 pbnetz - das politische Bildungsnetz Deshalb sind selbst Türken, die selten oder nie in die Moschee gehen, so vehement für die Lautsprecher am Minarett. Die hörbarePräsenz der Religion ist für sie auch Ausdruck des kollektiven Selbstbewußtseins. Dietrich Reuter und sein Presbyterium sehen hinter dem Ruf des Muezzin „den Machtanspruch auf Durchsetzung des Willens Allahs". Die Islamisten wollten dadurch die öffentliche Ordnung untergraben. Wo das endet, ist für Reuter klar: bei der Kujonierung von Christenmenschen durch Muselmanen. Im Koran steht ja geschrieben, daß man die Ungläubigen bekämpfen soll, "bis sie ihren Tribut in Demut entrichten und sich unterwerfen". Soweit es die Flut von Leserbriefen an die Lokalzeitungen ermessen läßt, hat Pastor Reuter viel Rückhalt im roten Duisburg. Die deutsche Bevölkerung in den sogenannten Mischgebieten hat weniger Angst vor dem Heiligen Krieg als vor dem sozialen Abstieg. Wo Ausländer dominieren, da sinken die Immobilienpreise. Und wo die Immobilienpreise sinken, da steigt der Ausländeranteil. Das ist das Gesetz des Ghettos. Die Integrationspolitik der Ruhr-Städte und der nordrhein-westfälischen Landesregierung hat durchaus redliche Ansätze. Die Kulturreferenten fördern Bauchtanzkurse an Volkshochschulen. Deutsche Polizisten lernen Türkisch. Das Arbeitsund Sozialministerium in Düsseldorf unterstützt die Forderung nach einem Wort zum Freitag im Fernsehen. Lauter gute Gesten. Doch den Durchbruch zur deutsch-türkischen Akkulturation werden sie nicht bringen, ebensowenig wie die Koranlesungen in evangelischen Kirchen und das neue christlich islamische Altersheim in Duisburg. Soviel ist sicher: Zur Zeit geht der Trend weg von der Integration. Die Verdrossenheit ist ein guter Acker für die militanten Islamisten und Nationalisten. Pater Daumann aus Laar sagt: "Wir haben mehr Probleme, seit in der Türkei die ErbakanIslamisten so stark sind." Die Popgruppe Yarinistan hat ihre Verachtung für den braven Malocher Ali mit der Aldi-Tüte in klingende, Satire gefaßt: "Zigeuner sind lustig, / die Türken sind froh, / trinken viel Raki / und putzen das Klo." Nein, das wollen sie nicht mehr. Weil sie eine schlechtere Schulbildung haben als die Deutschen, sind 25 bis 30 Prozent der jungen Türken im Ruhrgebiet arbeitslos. Sie sind die Hauptzielgruppe der nationalistischen und islamistischen Ultras. Ralf Meinert, der an der AnneFrank-Schule in Dortmund Sozialarbeit unter türkischen Schülern verrichtet, sagt, er sei erschrocken über die "kleinen wegweisenden Zeichen", die osmanischen Kriegswimpel an den Autos, die Symbole der radikalen Milli Görüs und der Grauen Wölfe auf T-Shirts, die pantürkischen Parolen auf den Wänden in den Klassenzimmern. Nein, der militante und inhumane Islam in Deutschland ist keine Erfindung. Die Radikalen sind gegen die Gleichberechtigung der Frau und für die Hinrichtung von Salman Rushdie. Sie träumen von der Wiederauferstehung des Osmanischen Reiches und von der Vertreibung der Juden aus Israel. Der Verfassungsschutz brachte 1996 viel diplomatische Gelassenheit auf, um die Ausfälle gegen die Demokratie und die Deutschen, mit denen der Milli-Görüs-Vorsitzende, Ali Yüksel, die Dortmunder Westfalenhalle zum Brodeln brachte, http://www.pbnetz.de nicht als Volksverhetzung zu werten. Liberale Pastoren empfehlen für den Umgang mit der "islamischen Gefahr" die Lektüre des Vorwortes, das Doktor Martin Luther Anfang des 16. Jahrhunderts zu dem "Jürkenbüchlein des Ungenannten Mühlbachers" verfaßte. Es heißt dorten: "Siele Theologen zwacken zu viel hitzig und hefftig allein das allerschendtlichst und ungeheurest aus dem Alkoran heraus", jedoch "was gut darin ist, das verschweigen sie". Und Luther war alles andere als ein Türkenfreund. (Erich Wiedemann) M 07 Stellungnahme zum Gebetsruf [Gruppe 1 - islamische Gemeinde] I. Stellungnahme des ZMD-Vorsitzenden Dr. Nadeem Elyas Köln, den 10. Februar 1998 1. Der Gebetsruf ist ein wichtiger Bestandteil der islamischen Gottesdienstlehre. Er wurde schon im ersten Jahr der islamischen Zeitrechnung durch direkte Anweisung des Propheten vorgeschrieben. In den islamischen Rechtsschulen gilt der Gebetsruf als "obligatorische Pflicht" oder zumindest als "Bestandteil der prophetischen Tradition". 2. Zur Praxis des Gebetsrufs gehört das laute Ausrufen aus einer erhöhten Stelle. Dies pflegte Bilal, der Rufer des Propheten, zu tun. Die später errichteten Ruftürme (Minarette) und das lautsprecherverstärkte Ausrufen stellen eine durch alle Zeiten hindurch gepflegte islamische Tradition in der ganzen Welt dar. 3. Die Definition von Glaubensinhalten und Glaubenspraxis ist das alleinige Recht der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Wir Muslime verwahren uns davor, daß manche Nichtmuslime sich das Recht nehmen, den Muslimen vorzuschreiben, was als Bestandteil ihrer religiösen Praxis gilt, und was nicht als solcher gelten soll. 4. Das im Grundgesetz verbriefte Recht auf freie Religionsausübung beinhaltet in Bezug auf den Islam das Errichten der Moscheen mit allen dazu gehörenden Einrichtungen und das Verrichten der Gottesdienste mit allen dazu gehörenden Bestandteilen. 5. Bei der Wahrnehmung dieser Grundrechte gehen die Muslime von dem Prinzip der Gleichbehandlung aus und respektieren selbstverständlich die geltenden Gesetze und Bestimmungen. 6. Daß manche Moscheegemeinden diese Rechte nicht in Anspruch nehmen, bedeutet nicht, daß sie grundsätzlich darauf verzichten, und gibt niemandem das Recht, ihnen oder gar der gesamten islamischen Religionsgemeinschaft diese Rechte abzuerkennen. II. "Streitpunkt Gebetsruf" Eine Veröffentlichung der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, zusammengefaßt und kommentiert von Dr. jur. Wilfried Murad Hofmann, Beiratsmitglied des ZMD 1. Als eine ihrer "Mitteilungen" veröffentlichte die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Ausländer ein 36-seitiges, vorzügliches und Seite 6 pbnetz - das politische Bildungsnetz 2. 3. 4. 5. völlig neutrales Rechtsgutachten des Studenten Martin Völpel "zu rechtlichen Aspekten im Zusammenhang mit dem lautsprecherunterstützten Ruf des Muezzins". Er kommt dabei zu folgenden Ergebnissen: • Lautsprecheranlagen an Moscheen sind keine genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinne des Bundesimmisionsschutzgesetzes (BImSchG). • Der Gebetsruf fällt unter den Schutz des Grundgesetzartikels über die Religionsfreiheit (Art.4, Abs.2) und kann daher nur bei Kollision mit anderen Rechten im Verfassungsrang eingeschränkt werden; dabei können Lärmschutzrichtlinien Hinweise geben. • Bei Einhaltung der Richtwerte stellt der Gebetsruf in der Regel keine schädliche Umweltseinwirkung auf Gesundheit oder Eigentum, auch von Anwohnern, dar. Nach allem sollte der Gebetsruf nicht anders als das sakrale Glockengeläut behandelt werden. Dieses die Rechtsauffassung der Muslime bestätigende Gutachten hat natürlich keine Behörden oder Gerichte bindende Wirkung; aber keine Behörde und kein Gericht kann künftig an seiner Argumentation vorbeigehen. Wichtig ist dabei vor allem die Feststellung, daß Geräuscheinwirkung regelnde Vorschriften - wie das BImSchG, die Straßenverkehrsordnung oder sonstige ordnungsrechtliche Vorschriften - nicht unmittelbar auf den Gebetsruf anwendbar sind, weil dessen Schutz Verfassungsrang hat. Eine Einschränkung des adhan hinsichtlich Häufigkeit, Dauer und Intensität ist daher nur rechtens, wenn andere vom Grundgesetz geschützte Güter (wie Gesundheit und Eigentum) gefährdet werden. Erst bei dieser Güterabwägung im Verfassungsrahmen können Erfahrungswerte aus dem technischen Lärmschutz nach BImSchG eine Rolle spielen. Noch wichtiger ist allerdings der von den Kirchen gesetzte Maßstab: Wenn plötzlich frühmorgens oder unter Tag einsetzende, kilometerweit zu hörende Glockengeläute nicht zu einer unzumutbaren Wertminderung der Nachbargrundstücke, Gefährdung der Gesundheit ihrer Bewohner oder Unfällen im Straßenverkehr führt, dann kann ähnliches auch nicht vom Gebetsruf behauptet werden. Daß sich jemand über den Gebetsruf aus ideologisch Gründen ärgert, ist gegenüber dem Grundrecht auf die rituelle Ausübung des Islam jedenfalls ohne Belang. Nun haben die Muslime ja schon die Erfahrung gemacht, daß man sie bewußt der Ungleichbehandlung aussetzt (siehe die den Juden, aber nicht den Muslimen gestattete halal - Schlachtung). Es gilt sich also darauf einzustellen, daß man die etablierten Kirchen möglicherweise mit einem öffentlichrechtlichen Gewohnheitsrecht für Lärmimmission privilegiert. Dies wäre verfassungsrechtlich bedenklich. Auch müssen sich die Muslime auf ein Gegenargument einstellen, das von stud. jur. Völpel zu Recht vernachlässigt wurde: daß es nämlich des Gebetsrufs garnicht bedürfe, weil viele Muslime jedenfalls das fajr-Gebet zuhause beten und sich http://www.pbnetz.de 6. dafür den Wecker stellen. Dieser Einwand ist unmaßgeblich, weil man mit "Bedarfserhebungen" das gesamte Grundrecht auf Religionsfreiheit aushebeln könnte. Entscheidend ist, daß die Moscheen - wo immer sich Muslime aufhalten - seit Jahrhunderten zum Gebet gerufen haben, dies also zum Ritual des Islam gehört. (Übrigens ist die Morgenmesse für Christen keine kanonische Pflicht; trotzdem wird dafür geläutet.) Da Moscheelautsprecher nicht genehmigungsbedürftig sind, sollten unsere Moscheegemeinden nun einfach mit Gebetsrufen nach außen beginnen, maßvoll und probeweise nur unter Tag, um die Akzeptanz zu testen. Sollten sich dann Behörden mit Totalverbot einschalten wollen, könnte mit ihnen auf Grundlage des Rechtsgutachtens verhandelt werden, wonach der Gebetsruf nicht ausgeschlossen sondern nur auf ein bestimmtes Maß beschränkt werden darf. Eine gültliche Beilegung der Meinungsverschiedenheiten auf lokaler (Verwaltungs-)Ebene ist im Zweifel einer gerichtlichen Durchsetzung unserer Rechte vorzuziehen. M 08 "Werls Bourgeoisie hat sich als intolerante Clique entpuppt" [Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)] Deutliche Kritik Grüne befürworten Antrag des Islamischen Kulturvereins auf Gebetsruf Werl. (tab) Cornelia Wiberg ist neue Sprecherin des Ortsverbandes der Bündnis 90 / Die Grünen. Im Rahmen der Jahreshauptversammlung in der Stadthalle am Dienstagabend wurde sie gewählt, löst somit Wilhelm Menze in seinem Amt ab. WeitererSprecher des Ortsverbandes bleibt nach Wiederwahl Lothar Drewke. Bei den drei Beisitzern wurde Kemal Fejzic wiedergewählt. Neu im Amt sind Ludger Kottmann und Cornelia Gerbling-Fiedrich, die ab jetzt die Aufgaben und Tätigkeiten von Alfons Nabers und Heinz Wolter übernehmen werden. Kassiererin ist und bleibt Gertraud Menze. Auch die beiden Kassenprüferinnen Hildegard Hill-Green und Bernhild Schröer werden weiterhin ihren Aufgaben auf diesem Gebiet nachgehen. Neben den Vorstandswahlen standen noch die Regularien auf der Tagesordnung. Ein weiterer Programmpunkt war hier der Rechenschaftsbericht des Vorstands, der von Lothar Drewke vorgelegt wurde. Drewke zog ein Resumee der vielen Aktionen, die der Ortsverband Werl mit dem alten Vorstand initiiert hatte und sprach viele Themen an, die die Hellwegstadt betreffen. Die "Sache Münstermann" beispielweise, der eine "eigene Straße für seine Kunden beansprucht" und mit dem die Grünen im vergangenen Jahr aufgrunddessen heftige Debatten führte, die Erinnerung an die jüdischen Werler im Deutschen Reich zur Reichskristallnacht auf dem jüdischen Friedhof, die Abschiebung der Ausländer und auch die Ablehnung der Grünen gegenüber Garzweiler II waren nur einige Aktionen und Themenkomplexe, die die BündnisGrünen behandelt hatten. Außerdem äußerte sich der Sprecher Seite 7 pbnetz - das politische Bildungsnetz der Grünen zu dem Antrag des Islamischen Kulturvereins, den Muezzin fünfmal am Tag ohne Verstärker ausrufen zu lassen. "Die Werler Bourgeoisie hat sich als intolerante Clique entpuppt. Die Grünen befürworten diesen Antrag, sindwir doch dem Grundgesetz treu", meint Lothar Drewke. Fraktionsvorsitzende Elke Hübner gab einen Rechenschaftsbericht der Fraktion ab. "Alles tagt hinter verschlossenen Türen, es muß mehr Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden", plädierte Elke Hübner und sprach ebenfalls über die gelaufenen Themen und Aktionen. Sie schnitt unter anderem die Befürwortung der Grünen für den Bau der Nordspange, die Bebauung des Wulf-Hefe-Platzes und die Ansiedlung des Konzerns Aldi an. Einer Diskussion folgte dann ein Bericht aus dem Bundestag von Manfred Such. Bei den Terminen für Aktionen der Grünen sollte man sich den 8. November vormerken. Am kommenden Samstag nämlich wird der Ortsverband mit einem Infostand zum Thema "Eurofighter, Notwendigkeit oder Wahnsinn?" in der Fußgängerzone vertreten sein. Die BündnisGrünen vertreten hierbei die Meinung, daß es angesichts der horrenden Staatsschulden unverantwortlich sei, "soviel Geld (23 Milliarden) für ein technisch veraltetes Flugzeug auszugeben, über das sich die amerikanischen Flugzeugbauer schon heute totlachen würden." Für den 28. November ist dann eine Kreismitgliederversammlung der Bündnis 90 / Grünen in Soest terminiert. (Soester Anzeiger, 06.11.1997.) M 09 "Schutz der Religionsfreiheit gilt auch den Muslimen" [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)] Gemeinsame Stellungnahme der Evangelischen Kirche im Rheinland und Evangelische Kirche von Westfalen: Zum öffentlichen islamischen Gebetsruf Gegen die Ablehnung eines lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsrufes haben sich die Kirchenleitungen der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen in einer gemeinsamen Stellungnahme ausgesprochen. Die Religionsfreiheit sei in unserer Rechtsordnung als Grundrecht besonders geschützt. Dieses Menschenrecht stehe allen Menschen in Deutschland zu, ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft. Die Religionsfreiheit schütze aber nicht allein die individuelle Religionsausübung, sondern sichere, daß die Gläubigen ihren Glauben in der Öffentlichkeit ausüben und ihr Leben nach den Geboten und Verboten der Religion ausrichten, heißt es in der Stellungnahme. "Wenn auch der Islam bei der Verabschiedung des Grundgesetzes nicht im Blick war, gilt der Schutz der Religionsfreiheit auch den Muslimen in Deutschland und den juristischen Vereinigungen, die sie hier in Übereinstimmung mit der hiesigen Rechtsordnung bilden", so das Papier. Hinter der Ablehnung des lautsprecherverstärkten Gebetsrufes könne eine Ablehnung der sich herausbildenden multireligiösen Gesellschaft in Deutschland http://www.pbnetz.de stehen, wird vermutet. Obwohl mittlerweile nahezu drei Millionen Muslime in Deutschland leben, viele bereits in der dritten Generation, habe sich die deutsche Gesellschaft noch kaum auf eine dauerhafte Präsenz des Islam eingestellt. In der Stellungnahme wird der öffentliche islamische Gebetsruf mit dem Glockenläuten der christlichen Kirchen verglichen, zugleich wird aber auf Unterschiede hingewiesen. "Vergleichbar sind Glockenläuten und öffentlicher islamischer Gebetsruf darin, daß in beiden Fällen eine Religionsgemeinschaft mit ihrer Einladung zum Gebet sich an die Öffentlichkeit wendet", betonen die Kirchen. Der erste Unterschied liege darin, daß die Glocken die Gemeinde zum Gottesdienst und zum Gebet einladen, der islamische Gebetsruf aber auch das islamische Glaubensbekenntnis enthalte. Ein zweiter Unterschied wird darin gesehen, daß das öffentliche Glockenläuten zum kulturellen Erbe Deutschlands gehöre, dessen heutige Rechts- und Gesellschaftsordnung ohne den maßgeblichen Beitrag des Christentums nicht vorstellbar wäre. Mit der Stellungnahme wollen die beiden evangelischen Kirchen die Auseinandersetzungen um den öffentlichen islamischen Gebetsruf und die Motive der Ablehnung in den Gemeinden ernst nehmen. Die Frage, ob ein öffentlichlicher, islamischer Gebetsruf die Christenheit in Deutschland gefährde, verneint das Papier: "Unsere Gemeinden sollten sich hier keine Angst machen lassen. Christinnen und Christen können überzeugt sein, daß sie mit dem Evangelium von Jesus Christus eine gute Sache fröhlich und ohne Zukunftsangst vertreten dürfen. Die frohe Botschaft hat eine solche Kraft, daß Kirchengemeinden nicht vor dem öffentlichen Auftreten anderer Religionsgemeinschaften Angst haben sollten." In der Stellungnahme wird auf positive Wirkungen des Kontaktes mit anderen Religionsgemeinschaften hingewiesen: "Die Erfahrung lehrt eher, daß Christinnen und Christen, die sich auf Begegnungen mit Menschen anderen Glaubens einlassen, in ihrem Glauben gestärkt werden. Sie können mit Freude erkennen, wie Gott auch an anderen Menschen handelt, sie können aber auch manchmal deutlicher als bisher die Besonderheiten christlichen Bekenntnisses entdecken und mit Wort und Tat bezeugen." Beide Kirchen danken allen, die in der Auseinandersetzung um den öffentlichen islamischen Gebetsruf Geduld und Toleranz aufgebracht haben. In den Kirchengemeinden wachse das Interesse an Informationen über den Islam und die Bereitschaft zur Begegnung mit Muslimen. "Es gibt ermutigende Erfahrungen: An einigen Orten konnten runde Tische gebildet werden, an denen Kirchengemeinden und Moscheevereine mitwirken. Sie können Feinbilder aufarbeiten und Vertrauen herstellen", betont das Papier. Hingewiesen wird darauf, daß auch in gemischten Wohngebieten weitgehend "die gute Nachbarschaft" und nicht der Konflikt "das Normale" sei. Moscheevereine hätten bisher fast immer den Konsens mit der Nachbarschaft gesucht, wenn sie sich um eine Genehmigung des lautsprecherverstärkten Gebetsruf bemühten. Seite 8 pbnetz - das politische Bildungsnetz Der Rechtsweg sei bisher fast nie beschritten worden. Gleichwohl setzen sich die Kirchen in der Stellungnahme dafür ein, daß Christen auch in islamisch geprägten Ländern das Recht haben, Kirchen zu bauen und zum Gottesdienst die Glocken zu läuten. Hier gebe es in einigen Ländern Benachteiligungen, ja sogar Verfolgungen, "die wir nicht hinnehmen können. Wir haben Verständnis dafür, daß diese Benachteiligungen und Verfolgungen für Christen in unserem Lande ein Ärgernis sind." Gewarnt wird jedoch davor, deshalb restriktiv auf Muslime in Deutschland zu reagieren. "Allerdings verdunkelt es das christliche Zeugnis, wenn in Reaktion auf solche Vorkommnisse gegenüber Muslimen in unserem Land eine harte Haltung gefordert wird. Vielmehr sollten unter uns lebende Muslime dazu ermuntert werden, auf ihre Glaubensgeschwister in den islamisch geprägten Ländern in positiver Weise einzuwirken", wird gefordert. (Pressestelle Evangelische Kirche im Rheinland, Landeskirchenamt © 1999.) M 10 Zum öffentlichen islamischen Gebetsruf [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)] Um den Wunsch einiger islamischer Vereine, mit dem öffentlichen Gebetsruf über Lautsprecher zum Gebet einzuladen, hat sich eine Debatte entwickelt. In vielen Gesprächen in unseren Gemeinden konnten wir wahrnehmen, wie sehr diese Frage Menschen bewegt. Nach einer im Mai 1997 von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vorgelegten Übersicht erklingt der islamische Ruf zum Gebet über Lautsprecher an einer stattlichen Anzahl von Orten, teilweise bereits seit Jahren. Dies war dort ohne Konflikte möglich, denn die geltenden Immissionsschutzgesetze begrenzen Lautstärke und Uhrzeit des Gebetsrufes. Wenn nun in jüngerer Zeit Anträge auf lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsruf an anderen Orten heftige Abwehr ausgelöst haben, sind wohl nicht allein die möglichen Belästigungen der Nachbarschaft Motiv der Ablehnung, sondern auch andere Gründe. Diese sind ernst zu nehmen. Häufig konzentrieren sich die Auseinandersetzungen auf Stadtviertel, in denen mehrere Faktoren zusammenkommen: ein hoher Anteil von Migranten aus muslimischen Ländern, hohe Arbeitslosigkeit mit steigender Tendenz, allgemeine soziale Probleme der deutschen Bevölkerung, Verkehrs- und Umweltbelastungen. So äußern sich dann in der Auseinandersetzung um den öffentlichen lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsruf auch Zukunftsängste der deutschen Bevölkerung in solchen Stadtteilen: Wird ihr Stadtteil nicht in Zukunft als Ausländerstadtteil stigmatisiert? Wird er in Zukunft von der Kommune vernachlässigt? Droht eine Ghettoisierung, wenn sich eine eigene Infrastruktur der Migranten verselbstständigt? Die evangelischen Gemeindeglieder sollen wissen, daß ihre Kirche ihre Sorgen ernst nimmt und Verständnis http://www.pbnetz.de dafür hat. Wie ihre Zukunft und die ihrer Kinder aussehen wird, ist eine Frage an die ganze Kirche. Aus diesem Grund engagieren sich viele Kirchengemeinden gerade in den Stadtteilen mit hohem Anteil von Migranten, bleiben als Gemeinden vor Ort und halten soziale Dienste bereit. Hinter der Ablehnung des lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsrufes kann eine Ablehnung der sich herausbildenden multireligiösen Gesellschaft in Deutschland stehen. Obwohl mittlerweile nahezu 3 Millionen Muslime in Deutschland leben, viele bereits in der dritten Generation, hat die deutsche Gesellschaft sich noch kaum auf eine dauerhafte Präsenz des Islam eingestellt. Wir stehen vor der Aufgabe, die entstandene multireligiöse Gesellschaft noch viel gründlicher wahrzunehmen, sie anzunehmen und uns auf einen ernsthaften interreligiösen Dialog einzulassen. Die Religionsfreiheit ist in unserer Rechtsordnung als Grundrecht besonders geschützt. Dieses Menschenrecht der Religionsfreiheit steht allen Menschen in Deutschland zu, ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft. Die Religionsfreiheit schützt nicht allein die individuelle Religionsausübung, sondern sichert, daß die Gläubigen ihren Glauben in der Öffentlichkeit ausüben und ihr Leben nach den Geboten und Verboten der Religion ausrichten. Wenn auch der Islam bei der Verabschiedung des Grundgesetzes nicht im Blick war, gilt der Schutz der Religionsfreiheit auch den Muslimen in Deutschland und den juristischen Vereinigungen, die sie hier in Übereinstimmung mit der hiesigen Rechtsordnung bilden. Im Grundsatz ist auch der öffentliche islamische Gebetsruf durch das Grundrecht auf Religionsfreiheit gestützt. Die Ausübung dieses Grundrechts findet ihre Grenzen in den Grundrechten anderer, z.B. dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das durch die Immissionsschutzgesetzgebung geschützt wird. Von allen Beteiligten ist hier Toleranz gefordert. Die Kirchen setzen sich dafür ein, daß Christen auch in islamisch geprägten Ländern das Recht haben, Kirchen zu bauen und zum Gottesdienst die Glocken zu läuten. Hier gibt es in einigen Ländern Benachteiligungen, ja sogar Verfolgungen, die wir nicht hinnehmen können. Wir haben Verständnis, daß diese Benachteiligungen und Verfolgungen für Christen in unserem Lande ein Ärgernis sind. Allerdings verdunkelt es das christliche Zeugnis, wenn in Reaktion auf solche Vorkommnisse gegenüber Muslimen in unserem Land eine harte Haltung gefordert wird. Vielmehr sollten unter uns lebende Muslime dazu ermuntert werden, auf ihre Glaubensgeschwister in den islamisch geprägten Ländern in positiver Weise einzuwirken. In anderen islamisch geprägten Ländern kann selbstverständlich mit Glockenläuten zum Gottesdienst gerufen werden, und Christen können dort ihren Glauben offen leben. Seite 9 pbnetz - das politische Bildungsnetz Gelegentlich wird der öffentliche islamische Gebetsruf mit dem Glockenläuten der christlichen Kirchen verglichen. Vergleichbar sind Glockenläuten und islamischer Gebetsruf darin, daß in beiden Fällen eine Religionsgemeinschaft mit ihrer Einladung zum Gebet sich an die Öffentlichkeit wendet. Ein Unterschied liegt in Folgendem: Die Glocken laden die Gemeinde zum Gottesdienst und zum Gebet ein. Der islamische Gebetsruf enthält auch das islamische Glaubensbekenntnis. Ein weiterer Unterschied liegt darin, daß das öffentliche Glockenläuten zum kulturellen Erbe Deutschlands gehört, dessen heutige Rechts- und Gesellschaftsordnung ohne den maßgebenden Beitrag des Christentums nicht vorstellbar wäre. Gefährdet ein öffentlicher, islamischer Gebetsruf die Christenheit in Deutschland? Unsere Gemeinden sollten sich hier keine Angst machen lassen. Christinnen und Christen können überzeugt sein, daß sie mit dem Evangelium von Jesus Christus eine gute Sache fröhlich und ohne Zukunftsangst vertreten dürfen. Die frohe Botschaft hat eine solche Kraft, daß Kirchengemeinden nicht vor dem öffentlichen Auftreten anderer Religionsgemeinschaften Angst haben sollten. Die Erfahrung lehrt eher, daß Christinnen und Christen, die sich auf Begegnung mit Menschen anderen Glaubens einlassen, in ihrem Glauben gestärkt werden. Sie können mit Freude erkennen, wie Gott auch an anderen Menschen handelt, sie können aber auch manchmal deutlicher als bisher die Besonderheiten christlichen Bekenntnisses entdecken und mit Wort und Tat bezeugen. Im übrigen ist es ein Merkmal der freiheitlichen Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland, daß sie eine Mitwirkung der Religionsgemeinschaften am öffentlichen und sozialen Leben fördert und schützt. Deutschland als ein konfessionell nicht einheitliches Land hat seit dem Westfälischen Frieden, der sich in diesem Jahr zum 350. Mal jährt, in einer langen, konfliktreichen Entwicklung eine freiheitliche Gesellschaft herausgebildet. Sie unterscheidet zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, lädt gleichzeitig aber die religiösen und andere Gemeinschaften ein, sich am öffentlichen und sozialen Leben aktiv zu beteiligen. Dieses Modell bietet Möglichkeiten zur Integration und Beteiligung von Muslimen am öffentlichen Leben, die streng laizistischen Gesellschaften nicht zur Verfügung stehen. Die Auseinandersetzung um den öffentlichen islamischen Gebetsruf hinterläßt Verletzungen. Möglicherweise öffnet sie aber auch neue Wege. In unseren Kirchengemeinden wächst das Interesse an Informationen über den Islam und die Bereitschaft zur Begegnung mit Muslimen. Es gibt ermutigende Erfahrungen: an einigen Orten konnten runde Tische gebildet werden, an denen Kirchengemeinden und Moscheevereine mitwirken. Sie können Feindbilder aufarbeiten und Vertrauen herstellen. Ermutigend ist auch die Toleranz und Geduld, die von http://www.pbnetz.de den meisten Beteiligten seit Jahren aufgebracht wird: auch in gemischten Wohnvierteln ist gute Nachbarschaft weitgehend "das Normale", nicht der Konflikt. Moscheevereine haben bisher fast immer den Konsens mit der Nachbarschaft gesucht, wenn sie sich um eine Genehmigung des lautsprecherverstärkten islamischen Gebetsrufes bemühen. Der Rechtsweg wurde bisher fast nie beschritten. Kirchengemeinden haben oft geholfen, das Gespräch zwischen den Betroffenen in Gang zu bringen. Für solche Geduld und Toleranz aller Beteiligten ist zu danken. Sie können uns Mut machen, mit Zuversicht an der Gestaltung einer offenen, sozialen und freien Gesellschaft der Zukunft mitzuwirken. (Pressestelle Evangelische Kirche im Rheinland, Landeskirchenamt © 1999.) M 11 Moscheebau in Pulheim Anwohner sind beunruhigt wegen eines Bauvorhabens [Gruppe 1 - islamische Gemeinde Gruppe 7 - Parteien (Befürworter) Gruppe 8 - Parteien (Gegner)] PULHEIM (Roes) Von einer Moschee samt Minarett und einem Muezzin, der ueber Lautsprecher fuenfmal taeglich die Glaeubigen zum Gebet ruft, ist die Rede. In einem Flugblatt behauptet eine Buergerinitiative, dass auf dem Eckgrundstueck Escher Strasse/Sinnersdorfer Strasse ein solches Vorhaben verwirklicht werden soll. Der Stadt liegt ein Bauantrag eines tuerkischen Kulturvereins fuer ein Wohngebaeude mit vier Wohneinheiten, einem Ladenlokal und einem etwa 100 Quadratmeter grossen Gebetsraum vor. Weil es, wie schon einmal in der Vergangenheit, massive Bedenken bei Buergern und Politikern gibt, pruefen die staedtischen Aemter derzeit penibel die Vorgaben hinsichtlich Schallschutz und Stellplatzfrage sowie Alternativen zum Standort. Sobald die Untersuchungen abgeschlossen sind, wird das Projekt in den zustaendigen Ausschuessen vorgestellt. Moeglicherweise wird es aber schon im naechsten Hauptausschuss am Dienstag, 26.Mai, 17 Uhr, zur Sprache gebracht. Vor allem mit dem Argument, es handele sich um ein reines Wohngebiet, sagen einige Kommunalpolitiker, dass das Kulturzentrum besser im Gewerbegebiet untergebracht sei. Gerd Kossow (Buendnis 90/Gruene) sieht das anders: "Ich frage mich, ob die Buerger bei einem Kulturzentrum einer anderen Religionsgemeinschaft auch so reagieren wuerden." Immerhin sei im Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiert. Ismail Sarp, Vorsitzender des Auslaenderbeirats, betont, dass es in Pulheim keine radikale Moslemgruppe gebe. Fuer die Sorgen der Anlieger zeigt er Verstaendnis, man solle daher die Interessengruppen an einen Tisch bringen. Mit grossen Besucherstroemen rechnet Sarp kaum. Wer koenne schon fuenfmal am Tag beten, schliesslich arbeiten die meisten Menschen. Auch sei der vorhandene Gebetsraum in Pulheim eher spaerlich besucht. Pulheimer Stadtblatt, Woche 21, 23.Mai 1998, Seite 3. Seite 10 pbnetz - das politische Bildungsnetz Katholischer Pfarrgemeinderat [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)] PULHEIM. Mit den Forderungen einer Buergerinitiative gegen ein geplantes Gebetshaus der Islamischen Gemeinde hat sich der Pfarrgemeinderat St.Kosmas und Damian auseinandergesetzt. In einer oeffentlichen Erklaerung verweist das Gremium darauf, dass auch fuer Moslems die grundgesetzlich geschuetzte Religionsfreiheit gilt. Katholische) Kirchenzeitung Koeln, 12.Juni 1998, Seite 32. Das Thema "Moschee" zieht nun Kreise [Gruppe 7 - Parteien (Befürworter) Gruppe 3 - Anwohner (Gegner 1) Gruppe 4 - Anwohner (Gegner 2)] PULHEIM.(Roes) Ein Dialog kommt langsam in Gang: Nachdem sich die in Koeln ansaessige Tuerkisch-Islamische Union (Ditib) als Eigentuemer des Eckgrundstuecks Escher Strasse/Sinnersdorfer Strasse zu Wort gemeldet hat, antwortete nun die Buergerinitiative, die sich gegen das Bauvorhaben an dieser Stelle wendet. Darin machen die Buerger deutlich, dass sie keinesfalls als "auslaenderfeindlich" abgestempelt werden moechten. Nach einem ersten Gespraech mit einem Vertreter des oertlichen tuerkischen Kulturvereins, Ibrahim Basar, trafen sich nun auf Einladung des Auslaenderbeirates Pulheim Vertreter der Initiative, des tuerkischen Kulturvereins und ihres Dachverbandes Ditib sowie einige interessierte Buerger im Rathaus. In dieser Runde fand man einige Punkte, wo ein beiderseitiges Entgegenkommen fuer ein weiteres friedliches Miteinander gut moeglich erscheint, berichtet der stellvertretende Vorsitzende des Auslaenderbeirates, Arnold Golger. So habe man von Seiten des tuerkischen Vereins den Verzicht auf eine Beschallungsanlage in Aussicht gestellt. Grundsaetzlich zeigte sich auch der Verein nicht abgeneigt, durch Grundstueckstausch den Standort zu verlagern. Allerdings, so die Einschaetzung Golgers, scheint den Investoren ein Standort im Industriegebiet als nicht akzeptabel. Auch die Politiker nehmen sich des Themas an. Die Ratsfraktion der Gruenen hat sich beim TuerkischIslamischen Kulturverein wie auch bei der Buergerinitiative bedankt fuer die beiderseitige Gespraechsbereitschaft. "Wir hoffen", so Fraktionssprecher Gerd Kossow, "dass bald eine fuer beide Seiten befriedigende Loesung des Problems zustandekommt." Der Buergerverein Pulheim, dessen "Stammgebiet" von den Plaenen unmittelbar beruehrt ist, hat zu einer ausserordentlichen Mitgliederversammlung zum Thema eingeladen. Eine entsprechende Anzahl von Mitgliedern habe die Versammlung verlangt, erklaerte Vorsitzender Ekkehard Guth auf Anfrage. Die Veranstaltung am Mittwoch, 24.Juni 1998 im "Ahl Haere Stueffje" am Buschweg ist offen fuer alle Interessierten. "Wir wollen das Thema ganz sachlich diskutiert wissen", stellt Ekkehard Guth klar. Seine Fraktion habe, wie auch die FDP, bereits im Mai von der Verwaltung gefordert, dass entsprechende Fakten im zustaendigen Ausschuss vorgestellt werden. Derzeit laufen Pruefverfahren hinsichtlich der Laermemission. Eine Vorstellung der Plaene im Bau- oder Stadtplanungsausschuss wird es erst nach der Sommerpause http://www.pbnetz.de geben. Die grossen Fraktionen aeusserten sich bislang nicht. Pulheimer Stadtblatt, 13.Juni 1998, Seite 3. Tuerkisches Kulturzentrum [Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)] PULHEIM.(Roes) Fuer geeignet haelt die Fraktion der Gruenen den geplanten Standort fuer den Bau eines tuerkischen Kulturzentrums an der Escher Strasse. Bisher seien keine planungsrechtlichen Bedenken geaeussert worden. Ratsmitglied Axel Nawrath erkennt in der Suche nach alternativen Standorten das Bemuehen, das Kulturzentrum in eine "unkritische Randlage" abzudraengen. Die Gruenen, so Nawrath, wuerden einen alternativen Standort nur dann befuerworten, wenn dieser staedtebaulich integriert waere und in vertretbarer Naehe zu den Wohnstandorten der tuerkischen Gemeindemitglieder laege. Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 25.Juli 1998, Seite 4. Auslaender-Beirat diskutiert [alle Gruppen] Pulheim.(Roes) Auf der Tagesordnung des Auslaenderbeirats der Stadt Pulheim steht eine Diskussion ueber den tuerkisch-islamischen Kulturverein. Von besonderem Interesse duerfte dabei dessen Bauvorhaben eines Kulturzentrums an der Escher Strasse sein. Die Sitzung findet am kommenden Mittwoch, 19.August 1998, 19:00 Uhr im Sitzungssaal 46 des Rathauses statt. Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 15.August 1998, Seite 9. Fuer Kulturzentrum steht jetzt die Frage der Genehmigung an. Ausschuss beraet Vorlage Verwaltung: Errichtung zulaessig [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)] PULHEIM,(Roes) Auf gute Nachbarschaft? - Diese Frage stellt das Presbyterium der Evangelischen Gemeinde Pulheim als Leitthema ihrer Podiumsveranstaltung zum Bauvorhaben tuerkisch-islamisches Kulturzentrum. Viele Nachbarn laufen - wieder einmal - Sturm gegen das an der Ecke Sinnersdorfer/Escher Strasse geplante Zentrum. Die evangelische Gemeinde will nach eigenem Bekunden einen Beitrag zur Versachlichung der Auseinandersetzungen leisten und laedt fuer Dienstag, 24. November, 20 Uhr zur Podiumsdiskussion ein. Als Teilnehmer wurden dazu eingeladen Vertreter des tuerkisch-islamischen Kulturvereins Ditib aus Pulheim und Koeln, Stadtdirektor Karl August Morisse, Mitglieder der Buergerinitiative gegen den Bau einer Moschee an der Escher Strasse sowie jeweils ein Vertreter der evangelischen und der katholischen Gemeinde. Die Moderation hat Marten Marquardt, Leiter der Melanchthon-Akademie. Die Diskussionrunde findet genau einen Tag vor der - moeglicherweise - entscheidenden Sitzung des Stadtplanungsausschusses statt. Dieser tritt am Mittwoch, 25. November 1998, 17 Uhr, im Ratssaal zusammen. Der Auslaenderbeirat, der am gleichen Tag Sitzungstermin hat, wird dem Planungsausschuss beiwohnen. Die Kommunalpolitiker muessen sich mit einer zehnseitigen Beschlussvorlage nebst 53 Seiten Anlage befassen. Das Fazit der Stadtverwaltung: Die Errichtung des tuerkischen Kulturzentrums auf dem Seite 11 pbnetz - das politische Bildungsnetz Eckgrundstueck Eschen Sinnersdorfer Strasse ist zulaessig. Es ist nicht ersichtlich, dass oeffentlichrechtliche Abwehransprueche von Nachbarn durch den Bau und die Nutzung des Bauvorhabens tangiert sind. Die Baugenehmigung ist zu erteilen. Der Bauherr hat nach der Bauordnung einen Anspruch. Die rechtswidrige Ablehnung des Baugesuchs loest ebenso wie die rechtswidrige Verzoegerung der Baugenehmigung Schadenersatz aus. Schlechte Karten also fuer die Gegner des Bauvorhabens an dieser Stelle, die bislang bis zum Petitionsausschuss des Landtages gegangen sind. Ihre Argumentation bezog sich vor allem auf zu erwartende Verkehrsbelastung und erhoehte Laermbelaestigung. Dagegen umfasst der Bauantrag des tuerkischen Kulturvereins mehr Stellplaetze als vorgeschrieben. Zudem wird versichert, dass kein Minarett errichtet wird und dass kein Gebetsruf durch einen Muezzin - sei es mit oder ohne Lautsprecheranlage - beabsichtigt sei. Das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Pulheim hatte bereits im Juni seine Solidaritaet mit dem tuerkischen Kulturverein bekundet, der seit Jahren eine kleine Versammlungsstaette an der Orrer Strasse unterhaelt. Es entspricht dem Grundgedanken christlichen Glaubens, gegenueber Andersglaeubigen Toleranz zu ueben und sich fuer ihre Rechte einzusetzen, hiess es in der Stellungnahme. Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 21.November 1998, Seite 3. Moeglichen Problemen aus dem Wege gehen Alternativer Standort fuer Kulturzentrum [alle Gruppen] Pulheim.(Ros) Der Bau eines tuerkisch-islamischen Kulturzentrums an der Escher Strasse waere rechtlich zulaessig. Dies wurde im Stadtplanungsausschuss am Mittwoch von der Verwaltung dargelegt. Allerdings will man moeglichen Problemen mit der Nachbarschaft durch Laerm oder erhoehten Verkehr aus dem Wege gehen. Mit Zustimmung des tuerkischen Kulturvereins werden jetzt Verhandlungpn ueber einen neuen Standort an der Albrecht-Duerer-Strasse gefuehrt. Fuer dieses Grundstueck, auf dem sich derzeit noch ein Bolzplatz befindet, muss innerhalb eines Jahres ein entsprechender Bebauungsplan aufgestellt werden. Ansonsten will der Kulturverein sein Baurecht am urspruenglichen Standort wahrnehmen. Die Mehrheit im Ausschuss will nun das Verfahren zuegig zum Abschluss bringen. Begruesst wurde, dass am neuen Standort der Abstand zur vorhandenen Wohnbebauung. Bereits am Abend vor der Ausschusssitzung legte Stadtdirektor Karl August Morisse den aktuellen Sachstand bei einer Podiumsdiskussion dar. Entsprechend sachlich und entspannt verlief das Gespraech, zu dem die evangelische Gemeinde eingeladen hatte. Auf dem Podium diskutierten ausserdem Vertreter einer Buergerinitiative, der Kirchengemeinden und des tuerkisch-islamischen Kulturvereins. Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 28.November 1998, Seite 12. http://www.pbnetz.de Kulturzentrum stoesst weiterhin auf massiven Buergerprotest Viele Anwohner kamen zur Ratssitzung - Beschluss gefasst [Gruppe 3 - Anwohner (Gegner 1) Gruppe 4 - Anwohner (Gegner 2)] Pulheim.(Roes) Der Bau eines tuerkisch-islamischen Kulturzentrums in Pulheim bereitet nach wie vor grosse Probleme. Nachdem sich die Stadtverwaltung und der tuerkische Kulturverein auf eine Alternative bereits einigten, um moegliche Konflikte mit Anwohnern zu vermeiden, regt sich erneut der Widerstand der Buerger. Wehren Sie sich! war dieser Tage auf einem anonymen Flugblatt zu lesen. Es richtete sich gegen den Bau eines tuerkisch-islamischen Kulturzentrums an der AlbrechtDuerer-Strasse in Pulheim. Mit Falschinformationen, wie etwa, dass hier ein Versammlungsort fuer Hunderte, wenn nicht Tausende von islamischen Glaeubigen entstehe sowie - ebenfalls falsch - groesste Moschee in NRW, wurden viele Anwohner verunsichert. Viele Buerger aeusserten im Ratssaal vor allem Sorge, weil sie noch mehr Verkehr und parkende Fahrzeuge vor ihrer Haustuere befuerchten. Informationsdefizit offenbarten manche, indem sie glaubten, beim tuerkischen Kulturverein handele es sich um die radikale Organisation der Nachfolger des Cemalettin Kaplan (tatsaechlich ist es der Verein Ditib, der als weltoffen und gemaessigt gilt, die Red.). Der Stadtverwaltung wurde vorgeworfen, Entscheidungen ueber die Koepfe der Buerger hinweg zu treffen. Dem widersprach Stadtdirektor Karl August Morisse energisch. Bislang seien alle Informationen zu dem Verfahren oeffentlich verlautbart worden. Im uebrigen befinde man sich am Beginn eines Verfahrens zur Anderung des Flaechennutzungsplanes. Der Rat beschloss anschliessend einstimmig, ein Bebauungsplanverfahren und ein Verfahren zur Aenderung des Flaechennutzungsplanes fuer die derzeitige Gruenflaeche einzuleiten. Dabei wird den Anwohnern noch hinreichend Gelegenheit gegeben, sich zu aeussern. Eine Entscheidung faellt erst im naechsten Jahr. Sollte an der Albrecht-Duerer-Strasse keine allgemein vertraegliche Loesung gefunden werden, hat der Kulturverein ein Baurecht fuer ein Eckgrundstueck an der Escher Strasse. Hier allerdings liegen die Nachbarhaeuser wesentlich dichter am geplanten Neubau. Sieben Meter waeren es dort, waehrend es am Ausweichort 75 Meter waeren. Kommentar von Heribert Roesgen [Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter)] Sicher kann man Verstaendnis dafuer aufbringen, wenn Buerger besorgt sind, dass in ihrer Nachbarschaft der Bau eines Kulturzentrums angekuendigt wird. Aber es faellt auch schwer mit dem Verstaendnis, wenn man weiss, dass die Buerger sich besonders laut artikulieren, weil es um ein tuerkisch-islamisches Kulturzentrum geht. Zu befuerchten ist naemlich, dass ausserhalb der Stadtgrenzen der Name Pulheims in einem Atemzug mit anderen Orten genannt wird, in denen sich Auslaenderfeindlichkeit massiv zeigte. Die betroffenen Buerger sollten deutlich machen, dass sie damit nichts zu schaffen haben. Bereitschaft zum Gespraech - auch mit den tuerkischen Nachbarn Seite 12 pbnetz - das politische Bildungsnetz stuende ihnen ohnehin gut an. Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 19.Dezember 1998, Seite 13. der christlichen Kirchen entsprechende Ruf des Muezzin. Tuerkisches Kulturzentrum Die Entscheidung faellt erst nach der Wahl [Gruppe 7 - Parteien (Befürworter) Gruppe 8 - Parteien (Gegner)] Pulheim.(Roes) Die planungsrechtlichen Voraussetzungen fuer den Bau eines tuerkischen Kulturzentrums jetzt durch den Stadtplanungsausschuss geschaffen. In der Sitzung am Mittwochabend wurde auch eine erneute Auslegung der Plaene beschlossen. Von Mitte August bis Mitte September haben die Buerger dann wieder die Moeglichkeit, sich zu den Plaenen zu aeussern. Nach wie vor sind zahlreiche Anwohner gegen das Projekt an der Albrecht-Duerer-Strasse. Einige Ratsmitglieder zeigten sich in der Sitzung ueberrascht, dass nun doch ein Minarett-Turm vorgesehen sei. Dieser sei symbolisch zu verstehen, erklaerte die Verwaltung. Dennoch wird nun befuerchtet, dass der Turm unter Berufung auf freie Religionsausuebung spaeter doch fuer Gebetsrufe genutzt werden koennte. Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 22.Mai 1999. Was den Christen recht ist, hat aber den Muslimen billig zu sein, denn vor dem Gesetz sind alle Götter gleich! Wenn Christen mit Kirchenglocken läuten dürfen, so ist es nur konsequent, wenn Muslime entsprechend einen Muezzin rufen lassen dürfen, und zwar in genau derselben Lautstärke, was in der Regel auf den Einsatz eines Lautsprechers hinauslaufen dürfte. Ob der Duisburger Pfarrer Reuter den Muslimgott für ein Zerrbild des -für ihn!- "wahren" Gottes hält, ist dabei ebenso unerheblich, wie ob der Muezzin den Christengott für ein Zerrbild des seinen oder ob ein Atheist beide für Ausgeburten einer kranken Phantasie hält. In diesem Lande herrscht Religionsfreiheit für alle, und wenn der CDUBundestagsabgeordnete Günther Recht hat, daß in Sachen Gebetsruf die Toleranzgrenze der "deutschen" Bevölkerung überschritten werde, so belegt dies lediglich die Intoleranz seiner christlichen Mitbürger sowie seine eigene weltanschauliche Arroganz, mit der er deutsch und christlich gleichsetzt. (Christlich Islamischen Gesellschaft e.V.. URL: http://home.tonline.de/home/chrislages/welcome.htm.) In einem Punkt freilich haben die christlichen Gegner des Gebetsrufes durchaus recht: Nichtmuslime werden durch diesen möglicherweise belästigt - der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, der für eine strikte Trennung von Staat und Kirche eintritt und die privilegierten Machtpositionen der christlichen Großkirchen seit vielen Jahren kritisiert, schlägt zur Vermeidung derartiger Konflikte folgende, vergleichsweise einfache Lösung vor, die auch anderen, nach ähnlichen Privilegien und Machtpositionen strebenden Glaubensgemeinschaften, wie etwa die Zeugen Jehovas oder die Scientology Church, Gerechtigkeit widerfahren läßt: Die Belästigung andersgläubiger Nachbarn durch allzu lautstarke religiöse Inbrunst wird, wie jede andere übermäßige Lärmemission auch, als Ruhestörung geahndet, und unschuldige Mitbürger bleiben vom Gebetsruf des Muezzins ebenso verschont wie von dem ebenso melodischen, ebenso lauten, und ebenso lästigen Gebetsgebimmel der Kirchenglocken. M 12 Trennung von Kirche und Staat [Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter) Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)] In letzter Zeit häufen sich in der Presse Berichte über den Versuch muslimischer Mitbürger in Duisburg, einmal wöchentlich zum Freitagsgebet den im Islam üblichen öffentlich vernehmbaren Gebetsruf des Muezzins zu Gehör zu bringen. Dieses Begehren erfüllt nun die christliche Mehrheit mit Unruhe und tiefsitzenden Überfremdungsängsten. Die Rede ist gar von einem "Ausverkauf des Abendlandes", und Vertreter von CDU und Kirchen, allen voran der sich doch sonst so tolerant gebenden evangelischen Kirchen, schreien Zeter und Mordio ob der Zumutung, den Lebensäußerungen einer anderen Religion ausgesetzt zu sein. Offensichtlich betrachten christliche Lobbyisten das Recht, in Ausübung ihrer Religion auch andere zu behelligen, als ihr exklusives Privileg. Zu Unrecht wird hier gar das Kruzifix-Urteil bemüht und behauptet, den Christen könne eine Konfrontation mit der ihnen fremden Religion des Islam nicht zugemutet werden. Übersehen wird dabei -bewußt oder unbewußt- der Unterschied zwischen privater Religionsausübung und der staatlich angeordneten Zurschaustellung religiöser Symbole. Im KruzifixUrteil nämlich ging es nicht um -private- Glaubensäußerungen der Kirche, sondern um vom Staat zwangsweise aufgehängte Klassenkruzifixe. Vergleichbar wäre somit allenfalls eine staatliche Anordnung, in jedem Klassenzimmer habe ein Halbmond zu hängen, und selbstverständlich könnte keinem Christenkind zugemutet werden, im Klassenzimmer einem solchen zwangsverfügten Halbmond ausgesetzt zu sein - allein, die Einführung eines solchen ist in Duisburg auch überhaupt nicht beabsichtigt, sondern lediglich der in jeglicher Hinsicht dem sonntäglichen Glockengeläute http://www.pbnetz.de Eine Ungleichbehandlung von Glockengeläut und Muezzin kann dabei auch der Hinweis auf die angeblich christlichen Fundamente unseres Staates nicht rechtfertigen. Allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz ist Deutschland, bei mittlerweile rund 30% Nichtchristen, keineswegs ein christliches Land, noch sind die Grundwerte unserer Gesellschaft, Demokratie und Menschenrechte, christlichen Ursprungs, sondern mußten gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erstritten werden. Die Grundlage, auf der diese Gesellschaft ruht, sind Menschen, die diese Werte um ihrer selbst Willen achten, und nicht ein Christentum, das sich -Nichtchristen herabsetzend- anmaßt, diese Werte "begründen" zu müssen. (Presseerklärung des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten, Landesverband Nordrhein-Westfalen, vom 19.1.1997.) Seite 13 pbnetz - das politische Bildungsnetz M 13 Artikel 4 Grundgesetz [alle Gruppen] Freiheit des Glaubens und Gewissens 1. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. 2. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. 3. Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S.1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1755).) M 14 Islamischer Gebetsruf Der islamische Gebetsruf lautet: [alle Gruppen] • Allah ist der Allergroesste (4 mal) • Ich bezeuge, dass es keinen Gott ausser Allah gibt (2 mal) • Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist (2 mal) • Kommt her zum Gebet (2 mal) • Kommt her zum Heil (2 mal) • Allah ist der Allergroesste (2 mal) • Es gibt keinen Gott ausser Allah Quelle: Evangelische Stadtgemeinde Marl. Fast gleichlautend Arbeitsgemeinschaft Islamische Erziehung HdI 1984. Im Morgengebet wird eingefuegt: • Gebet ist besser als Schlaf (2 mal) Unmittelbar vor Eroeffnung des eigentlichen Pflichtgebets folgt ein zweiter Gebetsruf, die iqama. In diesen zweiten Ruf wird eingefuegt: • Das Gebet hat begonnen (2 mal). Der zweite Gebetsruf wird innerhalb der Moschee gerufen. Die Sprache ist arabisch. Mekka - Der Muezzin kommt wieder zu Ehren [alle Gruppen] Die Aufforderung zum Gebet (Azan) ist ein fundamentaler Bestandteil des islamischen Ritualgebets und muss daher grundsaetzlich von einem dazu ausgebildeten Muezzin ausgerufen werden. Das hat jetzt in Mekka der Rat der Akademie fuer islamisches Recht festgestellt. Der Rat sprach sich damit ausdruecklich gegen die Verwendung von Tonkassetten und Schallplatten aus, die in den letzten Jahrzehnten an vielen Moscheen in- und ausserhalb der islamischen Welt den Muezzin verdraengt hatten. Diese Art der Aufforderung zum Gebet sei respektlos und entspreche in keiner Weise der Intention des Propheten Mohammad, der den ersten Muezzin der islamischen Gemeinschaft selbst berufen hatte. Es handelt sich um Bilal, einen freigekauften afrikanischen Sklaven, der auch der erste Bannertraeger des Islam war. Der Rat befasste sich auf seiner 9.Jahreskonferenz auch mit dem Einsatz vom Komputern bei der Speicherung von Korantexten und Fremdsprachenuebersetzungen. Trotz erheblicher Bedenken stimmte er diesem Verfahren zu, falls gewaehrleistet sei, dass die Speicherung der staendigen http://www.pbnetz.de Aufsicht durch dafuer ausgebildete islamische Theologen und Rechtsgelehrte unterliege. Der saudi-arabische Koenig Fahd hatte die Gelehrten zuvor aufgefordert, unablaessig nach glaubenskonformen Loesungen zu suchen, um den Glaeubigen das Leben in der modernen Welt zu erleichtern und sie faehig zu machen, die zahllosen Probleme, mit denen sie in der gegenwaertigen geschichtlichen Epoche konfrontiert seien, zu bewaeltigen. Die Akademie fuer Islamisches Recht in Mekka ist eine Einrichtung der Islamischen Welt-Liga (Rabita al-Alam al-Islami). Quelle: Islam-Nachrichten Nr.20/16, 1.Mai 1986 In Leiden und Birmingham ruft der Muezzin zum Gebet [alle Gruppen] Leiden/Birmingham - Mit gerichtlicher Hilfe haben die Moslems in der niederlaendischen Universitaetsstadt Leiden durchgesetzt, dass der Muezzin kuenftig die Glaeubigen per Lautsprecher vom Minarett zum Gebet rufen kann. Die Moslems hatten das Gericht angerufen, nachdem die Behoerden ein entsprechendes Gesuch der islamischen Ortsgemeinde abgelehnt hatten. Mit dem Richterspruch von Leiden ist ein Tabu durchbrochen worden. Bisher war es den Moslems in Westeuropa nicht gestattet, fuer den Gebetsruf einen Lautsprecher zu benutzen. In vielen Laendern durfte zudem nur innerhalb der moslemischen Einrichtungen der Gebetsruf ertoenen. Wie in diesem Zusammenhang zu erfahren war, hat auch der Stadtrat von Birmingham den Behoerden empfohlen, den moslemischen Gebetsruf mittels Lautsprecher zuzulassen. Gegen diese Empfehlung hatte lediglich ein christlicher Geistlicher protestiert. Er befuerchtet, dass der moslemische Gebetsruf kuenftig lauter sein wird als eine startende Concorde. Quelle: Islam-Nachrichten Nr.18/16 vom 24.April 1986 Von Amsterdamer Moscheen wird oeffentlich zum Gebet gerufen [alle Gruppen] Amsterdam (in). Die niederlaendische Metropole Amsterdam ist die einzige westeuropaeische GrossStadt, in der freitags von allen Moscheen zum Gebet gerufen werden darf. Wie die Sprecherin der Stadtverwaltung, Maria Quartes, in diesen Tagen mitteilte, hat der Stadtrat einem Antrag der Moscheevereine auf Zulassung des oeffentlichen Gebetsrufes entsprochen. In Amsterdam leben 10.000 Moslems. Es gibt in der Stadt 40 Moscheen. Bisher konnte in Westeuropa nur in drei Moscheen oeffentlich zum Gebet gerufen werden: es handelt sich um die Zentralmoschee in der niederlaendischen Universitaetsstadt Leiden, in Birmingham und in Dueren im Rheinland. Quellen: Islam-Nachrichten vom 11.August 1987, Aktuelle Fragen, Heft 3/1987, Seite 119 In Dueren ruft der Muezzin zum Gebet [Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter) Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter) Gruppe 7 - Parteien (Befürworter] Dueren/Koeln - Was den christlichen Kirchen recht ist, sollte der Moschee billig sein, meinte der Imam der Tuerkisch-Islamischen Union in der rheinlaendischen Stadt Dueren und liess den Muezzin oeffentlich zum Seite 14 pbnetz - das politische Bildungsnetz Gebet rufen. Es gab vereinzelte Proteste aus der Bevoelkerung und Klagen wurden angedroht. Aber Imam Lebib Kaya blieb standhaft. Seither ist Dueren die erste Stadt in der Bundesrepublik, in der der Muezzin die Glaeubigen taeglich dreimal oeffentlich zum Gebet auffordert. Aehnliche Versuche in anderen Staedten der Bundesrepublik waren bislang am Einspruch aus Kreisen der Bevoelkerung gescheitert. Imam Kaya in einem Gespraech mit der Deutschen Welle: Nach meiner Rechtsauffassung gehoert die oeffentliche Aufforderung zum Gebet zur garantierten Religionsfreiheit. Einer musste in der Bundesrepublik schliesslich ernst damit machen. Imam Kaya ist auch leitender Geistlicher am Zentrum der TuerkischIslamischen Union der Anstalt fuer Religion in Koeln. Erst im Fruehjahr vergangenen Jahres hatten die Moslems im niederlaendischen Leiden und in Birmingham das Recht auf die oeffentliche Aufforderung zum Gebet gerichtlich erstreiten muessen. Quelle: Islam-Nachrichten vom 19.Februar 1987. Die Moschee hat ein Minarett. mitzuerleben, war auf die Rolle des Zuschauers beschraenkt. Nur eine junge Frau loeste sich aus der Menschenmenge und schloss sich den Betern an. Mitglieder der Gruppe berichteten einem Korrespondenten des islamischen Nachrichtenmagazins Crescent International, dass die Mehrzahl der Moscheen in Albanien noch geschlossen sei. Viele islamische Gotteshaeuser seien verfallen, andere in Museen umgewandelt worden. Waehrend nach ihren Feststellungen die aelteren Menschen noch den rituellen Verpflichtungen des Islam in ihren Wohnungen nachkaemen, herrsche unter der Jugend eine totale Unkenntnis ueber die Religion ihrer Eltern und Grosseltern. Die Jugend sei ohne Gott erzogen worden und es werde grosser Muehen beduerfen, sie fuer religioese Fragen zu interessieren. Albanien ist das einzige europaeische Land mit ueberwiegend moslemischer Bevoelkerung (70 Prozent). Das Land war vor dem Religionsverbot die letzte Zufluchtsstaette des beruehmten Ordens der Bektaschi-Derwische. Quelle: Islam-Nachrichten vom 28.November 1990 Wesseling - Rathausuhr als Muezzin [Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter) Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter) Gruppe 7 - Parteien (Befürworter] Die Moslems in der rheinischen Industriestadt Wesseling zwischen Koeln und Bonn, werden jeden Morgen puenktlich um sechs Uhr mit dem islamischen Aufruf zum Gebet - Allahu akbar (Gott ist gross) - geweckt. Quelle dieses allmorgendlichen Gebetsrufes ist nun keineswegs der Muezzin einer Moschee, sondern eine kinetische Uhrenplastik, die am Rathaus der Stadt montiert ist. Dass gleich nach dem Allahu akbar ein christlicher Choral erschallt, mag fuer viele einheimische Buerger und Besucher der Stadt ein Zeichen dafuer sein, dass gerade in diesem Raum die Begegnung von Christen und Moslems eine lange Tradition hat und zu einer Selbstverstaendlichkeit geworden ist. Die Uhrenplastik besteht aus zwei uebereinander angeordneten Raedern aus Aluminium, die auf zwoelf Edelstahlsegmenten die Zeit anzeigen. Die Plastik ist sechs Meter breit und drei Meter hoch. Sie hat ein Gewicht von 1.200 Kilogramm und wurde von dem Bildhauer Wolfgang Goeddertz aus Pulheim entworfen. Wenn der Stadtdirektor von Wesseling, Reinhard Konda (CDU), feststellte, dieses Kunstwerk werde Wesseling weit ueber die Grenzen der Stadt hinaus bekanntmachen, dann liegt er damit richtig: die Uhr ist einmalig - auch fuer die islamische Welt. Quelle: Islam-Nachrichten vom 11.August 1987 Glocken der evangelischen Pauluskirche Huels blieben stumm [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)] Marl. Die Glocken der evangelischen Pauluskirche in Marl-Huels blieben am Sonntag vor dem Gottesdienst stumm. Die Kirchengemeinde reagiere mit dem Verzicht auf ihr Sonntagsgelaeut darauf, dass den Muslimen zuvor aus ordnungsrechtlichen Gruenden die Einladung zum Freitagsgebet vom Minarett der neuen Moschee verwehrt worden sei, sagte Pfarrer Hartmut Dreier vor cirka 200 Christen und Muslimen bei einer christlich-islamischen Begegnungstagung. Die Teilnehmer der Tagung, zu der die Evangelische Kirche von Westfalen eingeladen hatte, setzten sich in einer Botschaft aus Marl fuer Religionsfreiheit und Frieden unter uns ein. Woertlich heisst es in der Botschaft: Als Ausdruck von Religionsfreiheit und gegenseitiger Achtung freuen wir - Christen und Muslime - uns ueber jeden gelungenen Bau einer Moschee. Sprecher sowohl der Muslime wie auch der Christen begruessten vor Journalisten, dass der Buergermeister der Stadt Marl, Lothar Henschel, versprochen habe, sich fuer den Abbau der Widerstaende in der Marler Oeffentlichkeit gegen die Gebetseinladungen vom Minarett der neuen Moschee einzusetzen. Pastor in Ruhe Gerhard Jasper, bis zu seiner Emeritierung vor wenigen Wochen Leiter der Beratungsstelle fuer Islamfragen bei der Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal, wertete es als einen Vorgang von Rang, dass die Christen zu der ersten grossen Veranstaltung in der soeben erbauten Moschee eingeladen worden seien. Er wies darauf hin, dass die Moschee (... ein Schmuckstueck fuer ganz Nordrhein-Westfalen) kuenftig auch ein Ort der Begegnung zwischen Muslimen und Christen sein solle. Das Freitagsgebet in der Moschee und Gottesdienste in evangelischen und katholischen Gemeinden, in denen muslimische Gaeste Grussworte entboten, waren die Eckpfeiler dieser dritten Begegnungstagung der westfaelischen Landeskirche. In neun Arbeitsgruppen ging es um Probleme, die den Alltag von Muslimen bestimmen. Einzelprobleme waren dabei offen- Nach ueber dreissig Jahren: Muezzin ruft in Tirana zum Gebet [alle Gruppen] Tirana/London (in). Zum ersten Mal seit dem Verbot religioeser Betaetigung im Jahre 1967 hat in diesen Tagen in Albanien der Muezzin zum Gebet gerufen. Dafuer hatte die albanische Regierung sogar eine Moschee in der Hauptstadt Tirana zur Verfuegung gestellt. Bei den Betern, die dem Ruf des Muezzin folgten, handelte es sich allerdings um eine Gruppe moslemischer Geistlicher der Jama'at-i-Tabligh aus Pakistan. Die einheimische Bevoelkerung, die sich um die Moschee draengte, um das historische Ereignis http://www.pbnetz.de Seite 15 pbnetz - das politische Bildungsnetz sichtliche Benachteiligungen von Tuerken bei der Vergabe von (Werks-)Wohnungen. Fuer die Schulen wurde die Einrichtung eines Schulsozialdienstes eingefordert. Besondere Probleme wurden fuer die tuerkischen Maedchen benannt, denen bei weitem nicht alle Berufe offenstuenden. Nationalhomogene Klassen in den Schulen sollte es nach Auffassung der Tagungsteilnehmer nicht mehr geben. Kritisiert wurde die Praxis kirchlicher Kindergartentraeger, die Anstellung nichtchristlicher Erzieherinnen in Kindergaerten abzulehnen. Fuer die deutschen Schulen wurde unter Berufung auf die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit islamischer Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach gefordert. Dringend erforderlich ist, wie gesagt wurde, auch eine Klaerung der Frage der Bestattungen nach islamischem Ritus auf deutschen Friedhoefen. Den Muslimen, von denen inzwischen viele bis zu ihrem Tode bei ihren Familien in Deutschland bleiben, sollten eigene Graeberfelder auf kirchlichen wie kommunalen Friedhoefen zugewiesen werden. Das Friedhofsamt Marl habe Gespraechen in dieser Richtung zugestimmt. Quelle: epd REGION WEST - Seite II 27/92 Konferenz der Islambeauftragten der Evangelischen Kirche von Westfalen den 05.07.1993 [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter) Gruppe 6 - Kirche (Gegner)] An die im Christlich-Islamischen Dialog stehenden Personen und Gemeinden/Einrichtungen in der Ev.Kirche von Westfalen Liebe Schwestern und Brueder! Auf der letzten Sitzung der Konferenz der Islambeauftragten der Ev.Kirche von Westfalen am 04.Juni 1993 in Dortmund haben wir ein ausfuehrliches Referat von Rechtsanwalt und Pastor Sibrand Heinrich Foerster (Juristischer Mitarbeiter im Amt des Beauftragten der Ev.Kirche bei Landtag und Landesregierung Nordrhein-Westfalen) gehoert und ausfuehrlich diskutiert. Anlass dieser Sitzung waren Berichte aus verschiedenen Orten in Westfalen, wo Moscheen den Gebetsruf (Ezan-Ruf) oeffentlich ausrufen lassen (moechten) und es darueber zu Auseinandersetzungen gekommen ist. In der Diskussion ist uns deutlich geworden, dass diese Thematik unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden muss. Deshalb ist unseres Erachtens auch eine differenzierte Stellungnahme notwendig. Die Kommunen/staatlichen Organe sind unter dem Gesichtspunkt des Rechts daraufhin anzusprechen, dass sie auch gegenueber den Muslimen das Grundrecht auf freie Religionsausuebung nach Artikel 16,2 des Grundgesetzes zu achten und zu schuetzen haben. Fuer den Erhalt der demokratischen Substanz unseres Staates ist es notwendig, im Blick zu behalten, dass es nicht ins Belieben des Staates gestellt ist, dieses Grundrecht zu gewaehren oder auch nicht, sondern dass es durch den Staat (und alle staatlichen Organe) geachtet und geschuetzt wird. Wegen Inanspruchnahme eines Grundrechts darf in unserer Gesellschaft niemandem ein Nachteil erwachsen beziehungsweise niemand angefeindet werden. Spezifisch fuer islamisches Verstaendnis ist, dass der Ezan-Ruf als ritueller Ruf zum Gebet selbst schon Bestandteil des islamischen Pflichtgebetes ist. Unter rechtlichem Gesichtspunkt ist http://www.pbnetz.de unseres Ermessens unstrittig, dass der oeffentliche Ezan-Ruf Teil der rechtlich geschuetzten freien Ausuebung der Religion ist. Fuer diese Religionsausuebung in der Oeffentlichkeit gilt im uebrigen der Rahmen der allgemeinen Gesetze (Bundesimmissionsschutzgesetz und andere). Die Kirchengemeinden sind unter dem Gesichtspunkt der nachbarschaftlichen Verstaendigung ueber diese islamische Religionspraxis daraufhin anzusprechen, alles zu tun, den Gemeindemitgliedern zu helfen, den Sinn des Ezan-Rufes zu verstehen und das Recht auf oeffentliche Ausrufung zu achten. Nach unserer Erfahrung wirkt die Ausrufung des Ezan auf viele Menschen befremdend und weckt Bedrohungsgefuehle; andere Menschen erfreuen sich an diesem Sprechgesang in arabischer Sprache - auch in kulturellaesthetischer Hinsicht. Fuer eine Wuerdigung unter religioesem Gesichtspunkt ist es wichtig, den Wortlaut des Ezan-Rufes zu verstehen: (Text in deutscher und arabischer Sprache siehe beiliegendes Blatt -3-). Ferner ist es gut zu wissen, dass die bisherige Praxis des EzanRufes innerhalb der Moschee unter islamischreligioesem Gesichtspunkt fuer die Muslime ein unbefriedigender Notbehelf ist. Wir moechten ausserdem dazu ermutigen, alle Gelegenheiten zur Begegnung zwischen Christen und Muslimen wahrzunehmen und zu nutzen - speziell dort, wo sie von Muslimen angeboten werden. Wo Kirchengemeinden Runde Tische initiiert haben oder daran teilnehmen, sollten sie darauf achten, dass Vertreter der Moschee-Gemeinden zur Teilnahme eingeladen werden. Unter dem Gesichtspunkt der angestrebten guten Nachbarschaft moechten wir auch die MoscheeGemeinden bitten, ein nachbarschaftliches Einvernehmen und Miteinander zu gestalten. Es ist das Recht der Moschee-Gemeinden, den Ezan-Ruf oeffentlich auszurufen. Freilich waere sorgfaeltig zu ueberlegen, zu welchen Tageszeiten und wie oft im Jahr und mit welcher Lautstaerke dieses Recht in Anspruch genommen werden soll. Diesbezuegliche Absprachen muessen genau eingehalten werden. Im Bewusstsein unserer eigenen Versaeumnisse bitten wir die Moschee-Gemeinden darum, Ruecksicht zu nehmen auf die Schwierigkeiten der nicht-islamischen Nachbarschaft fuer eine fuer sie immer noch neue, noch unbekannte Religionspraxis. In Wuerdigung der in der Vergangenheit unternommenen Versuche regen wir an, dass die Moschee-Gemeinden auch in Zukunft sich durch Tage der Offenen Tuer der Moschee und anderes bekanntmachen und durch Teilnahme am gemeinsamen gesellschaftlichen Leben Verstaendnis und Vertrautheit in der Bevoelkerung wachsen lassen. So weit ist der Stand unserer Ueberlegungen gediehen. Wir sind angewiesen auf Rueckmeldungen und Erfahrungsberichte. Wir sind bereit, Anregungen zu bedenken. Wir gruessen sehr herzlich gezeichnet Hartmut Dreier, Pfarrer und Islambeauftragter im Kirchenkreis Recklinghausen, 45770 MarlHuels, Bachstr.7a, Tel.02365/42256 gezeichnet Bernd Neuser, Pfarrer und Islambeauftragter im Kirchenkreis Dortmund-Nordost, Hessische Str.141, DortmundEving, Tel.0231/850587 gezeichnet Johannes Weissinger, Pastor und Islambeauftragter im Kirchenkreis Luenen, Kuemperheide 4, Luenen, Tel.02306/44861 Seite 16 pbnetz - das politische Bildungsnetz Siegen ... [Gruppe 1 - islamische Gemeinde Gruppe 4 - Anwohner (Gegner 2)] In Siegen hingegen entspricht die Regelung fuer den Gebetsruf, so der Mainzer Rechtsprofessor HansWerner Laubinger, dem Grundgesetz und der Rechtsprechung zum Glockenlaeuten. Dort darf der Muezzin dreimal taeglich ueber Lautsprecher rufen, aber analog einem hoechstrichterlichen Urteil ueber Glokkengelaeut - nicht lauter als mit 69 Dezibel. Das entspricht etwa einem lauten Staubsauger. Ruf des Muezzin in Bayern unwahrscheinlich [Gruppe 1 - islamische Gemeinde Gruppe 3 - Anwohner (Gegner 1) Gruppe 6 - Kirchen (Gegner) Gruppe 8 - Parteien (Gegner)] MUENCHEN. In Oldenburg hat jetzt eine tuerkische Gemeinde die Erlaubnis erhalten, die muslimischen Glaeubigen am Freitag per Muezzin-Ruf vom Minarett der Moschee herab zum Gebet einzuladen. In Bayern gibt es keine Anzeichen dafuer, dass diese Praxis Schule machen koennte. Juristisch waere der Gebetsruf jedoch kaum zu verhindern, wie Nachfragen in drei Muenchner Ministerien ergaben. Der Verzicht auf diese Praxis wird von Muslimen vor allem mit Ruecksicht auf die religioesen Gefuehle der christlichen Bevoelkerungsmehrheit begruendet. Es gibt aber auch das Argument, dass der Ruf des Muezzin mit dem Laeuten von Kirchenglocken vergleichbar sei und deshalb im Rahmen der freien Religionsausuebung geduldet werden muesse. Das Muenchner Innenministerium sieht keine grundsaetzliche Handhabe gegen den Ruf des Muezzin. Quelle: (katholische) Kirchenzeitung Koeln, 2.August 1996, S.3. Oldenburg - Freitags erschallt der Gebetsruf [alle Gruppen] Die tuerkische Diyanet-Gemeinde in Oldenburg hat als eine der wenigen islamischen Vereine in Deutschland die Genehmigung zum freitaeglichen Gebetsruf erhalten. Wie der Auslaenderbeauftragte der niedersaechsischen Stadt, Werner Vahlenburg, bestaetigte, darf der Moscheeverein freitags um 12.30 Uhr zwei Minuten lang den Gebetsruf per Lautsprecher erschallen lassen. Nach Ansicht Vahlenburgs gehoert die Moschee zu den moderaten islamischen Richtungen, die unterstuetzt werden muessten. Der Gebetsruf gehoere zur freien Religionsausuebung. Eine Anwohnerbefragung habe es nicht gegeben: Schliesslich muss ein Atheist die Kirchenglocken ja auch ertragen. In Oldenburg leben rund 3000 Muslime, von denen etwa 100 Familien dem Moscheeverein angehoeren. Nach Einschaetzung Mohammed Salim Abdullahs vom Soester Zentralinstitut Islam-Archiv in Deutschland ist die Oldenburger islamische Gemeinde die erste niedersaechsische, die eine Genehmigung fuer den Gebetsruf erhalten hat. In Deutschland gebe es rund 2400 Gebetsraeume sowie 27 Moscheen mit Minarett und Kuppel. Das Essener Islaminstitut fuer Tuerkeistudien teilte mit, vermutlich haetten rund zwei Dutzend Moscheevereine einen Antrag auf Verkuendigung per Lautsprecheranlage gestellt. Die meisten Kommunen verweigerten aber eine Genehmigung. Haeufig http://www.pbnetz.de verzichteten die Moscheen von sich aus auf einen Antrag, weil sie den Gebetsruf in einer ueberwiegend christlichen Welt nicht als sinnvoll ansaehen. Andere Muslime wiederum fuerchteten Konfrontationen mit der Nachbarschaft. In Deutschland sei es ueblich, den Gebetsruf innerhalb der Moschee verkuenden zu lassen. KNA Quelle: (katholische) Kirchenzeitung Koeln, 16.August 1996, S.8. Gebetsruf in Dortmund [Gruppe 1 - islamische Gemeinde] Dort wurde bereits 1993 per Ordnungsverfuegung der Gebetsaufruf von zahlreichen Moscheen genehmigt. Gebetsruf in Hamm [Gruppe 1 - islamische Gemeinde] In Hamm ist die oeffentliche Preisung Allahs schon seit drei Jahren selbstverstaendlich. Kleine Anfrage Landtag NRW vom 17.Maerz 1997 Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache 12/1876 12.Wahlperiode [Gruppe 8 - Parteien (Gegner)] Kleine Anfrage 656 der Abgeordneten Tanja Brakensiek, Thomas Mahlberg und Klaus Stallmann CDU Muezzin-Ruf Die Bevoelkerung in vielen Teilen des Landes ist derzeit stark verunsichert ueber die massive und offenbar koordinierte Ausbreitung der Muezzin-Rufe an islamischen Moscheen. Anders als das Glockengelaeut christlicher Kirchen beinhaltet der Muezzin-Ruf eine religioese Aussage, naemlich ein Bekenntnis zu Allah und zu Mohammed, also zum Islam. Der Ruf soll teilweise bis zu fuenfmal am Tag ueber Lautsprecher verbreitet werden. Weite Teile der Bevoelkerung befuerchten dadurch nicht nur eine erhebliche Laermbelaestigung, sondern auch eine Beeintraechtigung ihrer kulturellen Identitaet, ihrer (negativen) Religionsfreiheit und des Grundrechts auf koerperliche Unversehrtheit. Das Neben- und Miteinanderleben zwischen deutscher und auslaendischer Bevoelkerung wird hierdurch nachhaltig gestoert. Es waere sicher im Zuge eines guten Zusammenlebens sinnvoller, von seiten der Muslime auf den Ruf zu verzichten, als Zeichen der Ruecksichtnahme gegenueber den Gefuehlen der hier lebenden deutschen Bevoelkerung. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: • Welche Grenzen sieht die Landesregierung hinsichtlich der Haeufigkeit und Lautstaerke dieser Rufe? • In welchen Staedten in Nordrhein-Westfalen wird der Ruf ueber Lautsprecher bereits durchgefuehrt und wie oft am Tage? • Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung ueber Proteste aus der Bevoelkerung? • Welche Moeglichkeiten sieht die Landesregierung, die Grundrechte, insbesondere die (negative) Religionsfreiheit der Bevoelkerung zu schuetzen? Tanja Brakensiek Thomas Mahlberg Klaus Stallmann Datum des Originals: 11.03.1997/Ausgegeben: 18.03.1997 Seite 17 pbnetz - das politische Bildungsnetz Kleine Anfrage Landtag NRW vom 21.Maerz 1997 Duesseldorf, den 21.03.1997 [Gruppe 1 - islamische Gemeinde Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)] Kleine Anfrage (Dr.Hisham Hammad; Jamal Karsli, Buendnis 90/Die Gruenen) Religionsfreiheit Mit fast 3 Millionen Muslimen ist die Islamische Gemeinde nach der Evangelischen und der Katholischen Kirche die drittgroesste Religionsgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Dass die Moslems eigene Rituale, Symbole und religioese Beduerfnisse haben, wie jede andere Religionsgemeinschaft auch, ist zum einen eine Selbstverstaendlichkeit, zum anderen entspricht es den Grundprinzipien eines freiheitlich demokratischen Rechtsstaats. Leider besteht noch immer eine grosse Unkenntnis innerhalb der christlichen Bevoelkerungsmehrheit der BRD, was zu groben Fehlinterpretationen und dadurch wiederum zu Aengsten fuehrt. So kommt es, dass der Islam immer wieder in Verbindung gebracht wird mit Horrorvisionen von Fundamentalismus, Rueckstaendigkeit und Eroberung. Er wird somit zu einem neuen Feindbild hochstilisiert. Dies widerspricht dem tatsaechlichen Geist des Islam, der gepraegt ist von Toleranz und Frieden. Opfer von alldem werden viele Menschen, die zum Teil schon in der zweiten und dritten Generation, in Deutschland zu Hause sind. Es erschwert ihre Integration, durch ihr religioeses Bekenntnis werden sie marginalisiert. Ausgrenzung statt Dialog und gegenseitigem Verstaendnis. Der bessere Weg zu einer Entkrampfung und einer Normalisierung des Verhaeltnisses zum Islam ist das Aufeinander zugehen, das Kennenlernen, der Dialog mit dem unbekannten Nachbarn, gleich welchen Glaubens dieser ist. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: • Gilt der Artikel 4 des Grundgesetzes zur freien Religionsausuebung allein fuer das Christentum, oder auch fuer andere Religionen wie Judentum und Islam? • Sieht die Landesregierung im Ruf eines Muezzins (im Islam ein Bestandteil des Gebets) eine Bedrohung oder Belaestigung fuer Nicht-Moslems in NRW? • Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung ueber Gespraeche und Dialoge, die das friedliche Zusammenleben von Christen und Moslems foerdern? • Beeintraechtigt die freie Religionsausuebung von Moslems oder Juden die Grundrechte der Bevoelkerung? • Wie kann das Grundrecht auf freie Religionsausuebung gegenueber negativer Polemik und Aufhetzung durch gesellschaftliche Gruppierungen und Einzelpersonen in diesem Zusammenhang geschuetzt werden? gezeichnet: 2 Unterschriften Gebetsruf verteidigt [Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)] Duesseldorf - Der oeffentliche islamische Gebetsruf gefaehrdet das Christentum in Deutschland nicht. Dies unterstreicht ein gestern in Duesseldorf veroeffenthttp://www.pbnetz.de lichtes gemeinsames Papier der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen. Als Einladung zum Gebet seien der Ruf des Muezzin und christliches Glockengelaeut vergleichbar. Quelle: Koelner Stadt-Anzeiger, 21.Oktober 1998, Seite 8. (katholische) Kirchenzeitung Aachen 1.November 1998 Seite 7. (Christlich Islamischen Gesellschaft e.V.. URL: http://home.tonline.de/home/chrislages/welcome.htm.) M 15 Religionsfreiheit - Was erfordert sie von den Religionen und von der Gesellschaft? [alle Gruppen] "Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden." So lautet Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der die Religionsfreiheit als Menschenrecht anerkennt. Dieses Recht auf Religionsfreiheit beinhaltet sowohl das Recht des Einzelnen, eine Religion frei zu wählen und öffentlich auszuüben, als auch das Recht der Religionen, sich frei und eigenständig zu entfalten. Die Entwicklung der Religionsfreiheit in der Geschichte der verschiedenen Religionen ist komplex. Heute ist Religionsfreiheit gefestigt durch die UNMenschenrechtserklärung ebenso wie durch zahlreiche Erklärungen von Religionsgemeinschaften, unter ihnen die katholische Kirche. So erklärt das Zweite Vatikanische Konzil, "daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als Einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen nach seinem Gewissen zu handeln" (Erklärung über die Religionsfreiheit "Dignitatis Humanae", 2). Religion wird als eine eigenständige Größe verstanden, die sowohl das persönliche als auch das gesellschaftliche Leben weitgehend mitbestimmt. Das erkennt auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO an, wenn sie in ihrem 2. Artikel Religion nicht einfach mit politischer oder sonstiger Überzeugung gleichsetzt, sondern sie nach der Rasse, der Farbe, dem Geschlecht und der Sprache als einen eigenständigen Unterscheidungsfaktor erwähnt und in Artikel 18 ausdrücklich das Recht auf Religionsfreiheit zugesteht. Daneben hat weltweit in den letzten 20 Jahren der politische, soziale und kulturelle Einfluß der Religionen zugenommen. Fast alle geopolitischen Änderungen der letzten Jahrzehnte stehen direkt oder indirekt auch in Seite 18 pbnetz - das politische Bildungsnetz Beziehung mit den Weltreligionen (siehe z. B. Iran, Afghanistan, Naher Osten, Sudan, Brasilien, Philippinen, Polen und der Ostblock, Indien, Pakistan ...). Diese Tatsache kann man von Fall zu Fall, oder auch allgemein, je nach Einstellung als positiv oder negativ bewerten; man darf sie aber auf keinen Fall übergehen. Im Folgenden sollen nun einige spezifische Aspekte der Religionsfreiheit etwas näher untersucht werden. 1. Religionsfreiheit - ein grundlegendes Menschenrecht Das Recht auf Religionsfreiheit wird des öfteren als ein grundlegendes Menschenrecht bezeichnet. Eine solche Wertung geht zunächst auf das Wesen der Religion selbst zurück, die sich als Antwort der Menschen auf den Anspruch einer transzendenten Wahrheit versteht. Da der Mensch, mit Vernunft und Gewissen begabt (Artikel 1 der UN-Menschenrechtserklärung), als Person es als seine Pflicht empfindet, nach der Wahrheit zu suchen, muß ihm auch das Recht zustehen, die in den Religionen offenbarte Wahrheit zu bekunden. Das Recht auf Religion ist somit in der Würde des Menschen begründet, so wie alle anderen Menschenrechte. Insofern Religionen die Menschenwürde, die in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung zwar erwähnt (Präambel), aber nicht begründet wird, ihrerseits begründen, sind sie ein zusätzlicher Garant der Menschenrechte, und ist Religionsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht. 2. Religionsfreiheit - Religionen haben Recht auf Öffentlichkeit Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zeigt verschiedene Dimensionen der Religionsfreiheit auf. So wird festgehalten, daß jeder Mensch das Recht hat, seine Religion "allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden". Es widerspricht also dem Recht auf Religionsfreiheit, wenn aus ideologischen oder anderen Gründen Religion einfach mit individueller Moral oder persönlicher Meinung gleichgesetzt und in den Bereich des Privaten verdrängt wird. Religionsfreiheit beinhaltet Recht auf Öffentlichkeit für den Einzelnen und für die religiösen Gemeinschaften. - Dieses Thema wird im dritten Kapitel ausführlicher behandelt. 3. Religionsfreiheit - Schutz gegen Totalitarismus Da Religionen in ihrem Selbstverständnis eine höhere, übergeordnete Wahrheit zur Sprache bringen, können sie auch in gewisser Weise das Verhältnis des Einzelnen zum Staat prägen. Nicht der Staat ist die Quelle der Menschenrechte, sondern die menschliche Person. Darüber hinaus können Religionen in ihrer Eigenständigkeit die Menschenrechte begründen. Sie dürfen daher nicht vom Staat für seine Zwecke vereinnahmt, domestiziert oder instrumentalisiert werden. Religionsfreiheit - in ihrer positiven Bedeutung - ist somit ein Schutz gegen Totalitarismus, politischen (z. B. Kommunismus) ebenso wie religiösen (z. B. Fundamentalismus). http://www.pbnetz.de 4. Religionsfreiheit - Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft Den Religionen das Recht auf öffentliche Ausübung zugestehen, bedeutet Demokratie fördern, wenn entsprechende Religionen auf die in der Transzendenz begründete Gleichheit aller Menschen hinweisen. So können sie andere Möglichkeiten des Zusammenlebens aufweisen, beispielsweise sich in Diktaturen für demokratische Strukturen einsetzen (Chile, Brasilien, Ost-Timor ...) oder in Demokratien aus religiösen Werten heraus alternative Wege für eine gerechtere Gesellschaft aufzeigen (soziales Engagement religiöser Gemeinschaften ...). International können Religionen andere Gesichtspunkte geltend machen und ihre Stimme für die Stimmlosen erheben (UNWeltkonferenzen ...). Religionen können ebenfalls andere Wege für Konfliktlösungen finden helfen (Friedenstreffen in Sarajevo, Papstbesuch in Kuba ...). Vor allem aber können sie den Sinn für Menschenrechte schärfen (Kolumbien, Südafrika ...). Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang der Einsatz vieler religiös geprägter Gruppen und Vereinigungen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Viele kommen zur Überzeugung, "daß man ohne die Hilfe der traditionellen Religionen nicht zu einer Veränderung des menschlichen Verhaltens kommen wird, denn die Antriebssysteme [Motivationen] des Einzelnen sind stark mit den von den Religionen vermittelten Wertsystemen korreliert; und daß die säkulare spätmoderne Religion des rationalen Egoismus nicht in der Lage sein wird, die drängenden Probleme in den Griff zu bekommen, liegt auf der Hand" (Vittorio Hösle: Moral und Politik, S. 1069). 5. Religionsfreiheit - unverzichtbarer Wert für plurikulturelle Gesellschaften Durch das Recht auf Religionsfreiheit können die großen Weltreligionen sich in plurikulturellen Gesellschaften frei entfalten. So werden religiöse und kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede in aller Öffentlichkeit klar erkennbar; Toleranz, interkultureller Dialog und Verständigung werden gefördert. Auf diesen positiven Beitrag der Weltreligionen kann keine plurikulturelle moderne Gesellschaft verzichten. Der Pluralismus beinhaltet aber das Risiko, daß Unterschiede verwischt anstatt respektiert werden. Indem Religionen gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz und Respekt propagieren sowie Möglichkeiten des Zusammenlebens aufzeigen, können anstehende kulturelle Konflikte gelöst werden. Eine Bedingung hierfür ist allerdings, daß die Religionen selbst in ihrem eigenen Denken und Handeln Religionsfreiheit gewähren und fördern. Wenn Religionen die Religionsfreiheit begründen und fördern, kann das nicht mit Gleichgültigkeit oder Relativismus (Relativierung ihrer selbst) verwechselt werden. Im Gegenteil, nur die gegenseitige Anerkennung gesteht den verschiedenen Religionen ihr eigenständiges Dasein im plurikulturellen Kontext zu. Seite 19 pbnetz - das politische Bildungsnetz 6. Religionsfreiheit - auch ein religiöser Wert Damit Religionen positiv befreiend wirken können, sowohl individuell als auch gesellschaftlich, sowohl privat als auch öffentlich, ist es ihre Pflicht, Religionsfreiheit für sich selbst und für die anderen Religionen zu beanspruchen; Religionsfreiheit haben sie dabei nicht nur zu tolerieren, sondern auch von innen her zu bejahen. Nur wenn die Entscheidung für eine bestimmte Religion aus freien Stücken und aus innerer Überzeugung geschieht, hat sie für diese Religion einen Wert und ist sie sinnvoll. Zu Recht beinhaltet die Religionsfreiheit, daß jeder Mensch "die Freiheit (hat), seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln" (Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte). Wenn die Freiheit, die Religion zu wechseln, nicht aus dem religiösen Verständnis der Religionen selbst begründet wird, verfallen diese leicht in ideologische Intoleranz, die persönliche und gesellschaftliche Konflikte herbeiführen oder verschärfen kann. Religionsfreiheit schließt ihrerseits die Möglichkeit mit ein, keiner Religion anzuhängen; dies ergibt sich unter anderem auch aus der Meinungs- und der Gewissensfreiheit. Auch die Position der Areligiosität muß seitens der Religionen akzeptiert werden können. 7. Religionsfreiheit - positiv für die Entwicklung der Menschheit Entgegen verschiedenen Theorien haben die Religionen eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Sie tragen nämlich zu deren Entwicklungen und Umwälzungen bei, ähnlich wie Wirtschaft und Kultur. Soll die Entwicklung weltweit in Richtung größerer Achtung der Menschenrechte gehen, dann müssen die Religionen als eigenständige Größen in Staat und Gesellschaft anerkannt und gefördert werden. Religionsfreiheit muß verlangt, geschützt und verteidigt werden, denn unser Jahrhundert hat klar gezeigt, daß Religionen, trotz aller nicht zu leugnenden negativen Aspekte, immer noch eine menschenwürdigere Welt erwarten bzw. anstreben. (Commission luxembourgeoise "Justice http://www.restena.lu/justpaix/) et Paix". URL: M 16 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Vereinte Nationen, 1948) [alle Gruppen] Artikel 18: Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden. (Commission luxembourgeoise "Justice http://www.restena.lu/justpaix/) http://www.pbnetz.de et Paix". URL: M 17 Religionsfreiheit und Staat-KircheBeziehung [alle Gruppen] Historisch hat sich die Religionsfreiheit in Europa im Kampf gegen Staatskirchen und Staatsreligionen herausgebildet. Im säkularen, weltanschaulich neutralen Staat aber ist die Religionsfreiheit die Basis auch der korporativen Rechte der Kirchen im weltlichen Bereich, denn nach christlichem Verständnis drängt Religion nach Gemeinschaft, öffentlicher Verkündigung und Dienst am Gemeinwesen und in all dem nach Organisation und Selbstbestimmung der Religionsgemeinschaften. Aus der Religionsfreiheit folgt aber nicht ein bestimmtes institutionelles Verhältnis von Staat und Kirche. Auch ein System der vollkommenen (aber nicht feindlichen) Trennung von Staat und Kirche (Kirchen als Vereine, keine staatliche Förderung) kann Religionsfreiheit gewährleisten. Umgekehrt kann aus der Religionsfreiheit auch nicht abgeleitet werden, der Staat müsse dem Bereich des Religiösen uninteressiert und indifferent gegenüberstehen. Die Religionsfreiheit verbietet dem Staat aber jedenfalls die Schlechterstellung (Diskriminierung) der Religionsgemeinschaften im Vergleich zu anderen Verbänden (bezüglich der Rechtsstellung, der Förderung, der Teilhabe am allgemeinen pluralistischen Prozeß der Meinungs- und Willensbildung). [Klaus Schlaich, Evangelisches Soziallexikon] Der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte sowie die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern ist vom Religionsbekenntnis unabhängig. Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer religiösen Übung oder zur Benützung einer religiösen Eidesformel gezwungen werden. Anderseits darf aber den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen; eine Ausnahme hiervon bildet [der deutsche] GrundgesetzArtikel 4 III, wonach niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. (...) Die Kultfreiheit im engeren Sinne ist nicht schrankenlos. Sie darf aber nicht Gegenstand anderer als vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein, die in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind. Keinesfalls darf die Religionsübung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Die Kultfreiheit steht auch den Religionsgesellschaften als Kollektivrecht zu. Der Staat gewährleistet die ungestörte Religionsübung und sichert die rechtmäßige Religionsübung durch strafrechtliche Bestimmungen. - Die religiöse Vereinigungsfreiheit hindert den Staat nicht, den Religionsgesellschaften je nach ihrer Bedeutung eine verschiedene Rechtsstellung zuzuerkennen, insbesondere ihnen z. T. die Stellung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft einzuräumen. (...) Den Religionsgesellschaften wird für die inneren Angelegenheiten Autonomie gewährt, sie sind jedoch den für alle geltenden Staatsgesetzen unterworfen. Sie können aber dem Staat durch Vereinbarung eine Mitwirkung (etwa bei der Besetzung von Kirchenämtern) zugestehen. Seite 20 pbnetz - das politische Bildungsnetz [Erwin Melichar, Lexikon für Theologie und Kirche] (Commission luxembourgeoise "Justice http://www.restena.lu/justpaix/) et Paix". URL: M 18 Muslimischer Gebetsruf per Lautsprecher? [Gruppe 6 - Kirchen (Gegner)] Muslime fordern, dass auch in Deutschland die Einladung zum rituellen Gebet per Lautsprecher ertönen darf. Geht es dabei um ein "Stück Heimat" im fremden Land, um Gleichbehandlung mit den christlichen Kirchen im Blick auf das Glockenläuten oder um mehr? 1. Das muslimische Gebet (arab. salaat) hat wenig mit dem christlichen Verständnis vom Gebet gemeinsam. Es ist vielmehr eine - möglichst öffentliche - Demonstration der Unterwerfung unter Gott (wie ihn Muslime verstehen) und seinen Willen. Die betende Gemeinschaft ist nach traditionellem Verständnis immer auch zugleich eine politische Gemeinde. Mit dem Gebet können deshalb, vor allem beim Hauptgebet am Freitag, gesellschaftspolitische Themen und Aufrufe verbunden werden. 2. Der Aufruf (arab. adhaan) zum Gebet gehört nach allgemeiner muslimischer Auffassung zum Gottesdienst hinzu. In der modernen Welt ist es aber letztlich nicht mehr sinnvoll, den Gebetsruf außerhalb der Moschee ertönen zu lassen. Denn normalerweise trägt jeder Mensch eine Uhr, und die muslimischen Gebetszeiten liegen zeitlich fest. Für konservative Muslime ist der Gebetsruf aber mehr als nur die Einladung zum Gebet. Er ist ein öffentliches Bekenntnis zum Islam und zu seiner Überlegenheit. Da das Gebet eine gesellschaftliche Dimension hat, gilt dies auch für den Ruf zum Gebet. 3. Dies wird am Inhalt des islamischen Gebetsrufes deutlich: Er beginnt mit einem mehrmaligen "Allahu Akbar", d.h. "Gott ist der Größte". Damit wird der Anspruch Gottes (im islamischen Verständnis) über die Gesellschaft betont: Die (in diesem Fall: deutsche) Gesellschaft hat sich den Geboten Gottes unterzuordnen! Dies wird unterstrichen durch das ebenfalls im Gebetsruf zitierte Glaubensbekenntnis "Es gibt keine Gottheit außer Gott, und Muhammed ist der Gesandte Gottes". - Der Gebetsruf muss auf arabisch gerufen werden, weshalb ihn Deutsche nicht verstehen und vielleicht als "exotisch und interessant" empfinden mögen. Er ist aber ein öffentliches Bekenntnis zu Gott (im islamischen Sinne) und bekundet damit einen Machtanspruch auf Durchsetzung des Willens Gottes in der Gesellschaft. Der Gebetsruf ist also nicht rein "religiös" (im modernen, westlichen Verständnis), sondern hat eine politische Komponente. 4. Der Gebetsruf kritisiert indirekt - für Muslime aber sehr bewusst - den christlichen Glauben an die Dreieinigkeit Gottes und an die Gottessohnschaft Jesu Christi. Das "Es gibt keinen Gott außer Gott" ist eine öffentliche Kritik am christlichen Bekenntnis zur "Dreieinigkeit Gottes". Das Ausrufen Muhammeds als http://www.pbnetz.de eines Gesandten Gottes, welcher nach Christus lebte, degradiert Jesus Christus öffentlich zu einem "Gesandten unter vielen" und Vorläufer Muhammeds und leugnet ihn als den endzeitlichen Christus und Erlöser, wie er von Christen bekannt wird. Der islamische Gebetsruf ist deshalb ein öffentlicher Affront gegen glaubende Christen. 5. Man kann dagegen einwenden, dass in einer multireligiösen Gesellschaft jeder Bürger die öffentliche Demonstration einer anderen Glaubensweise dulden muss. Dem sind jedoch Grenzen gesetzt, wie das "Kruzifix-Urteil" des Bundesverfassungsgerichtes deutlich gemacht hat. Der säkulare Staat beruht grundsätzlich auf der Trennung von staatlicher Ordnung und religiösen Überzeugungen. Zwar hat der Staat die Aufgabe, die Ausübung der Religion in einem dafür bestimmten "Rahmen" zu garantieren, aber sobald Religionen öffentliche Macht beanspruchen und öffentlich lautstark den Glauben anderer Bürger in Frage stellen, wird es problematisch, weil damit die Freiheit der Anhänger anderer Glaubensweisen berührt wird. 6. Zwischen der Darstellung des christlichen und des muslimischen Glaubens in der Öffentlichkeit ist ein wesentlicher Unterschied. Wenn Christen in einer genehmigten Demonstration auf Plakaten bekennen, dass "Jesus der Herr ist", so ist damit kein politischer Anspruch verbunden. Auch die christlichen Symbole wie das Kreuz beinhalten keinen öffentlichen Anspruch. Das Glockenläuten hat nicht einmal eine inhaltliche Aussage, sondern erinnert an Gott und lädt zum Gottesdienst ein. Der islamische Gottesdienst und die Einladung zu ihm beinhalten dagegen im traditionellen islamischen Verständnis immer einen Anspruch auf Veränderung der öffentlichen Ordnung. 7. Das Ausrufen des Gebetsrufes durch Lautsprecher ist eine moderne Sitte, die erst durch die neuzeitliche Technik möglich geworden ist. Sie ist auch in mehrheitlich islamischen Ländern nicht sehr sinnvoll, abgesehen vielleicht von ländlichen Gebieten, in denen der Bauer auf dem Feld keine Uhr trägt. Das Ausrufen per Lautsprecher ist letztlich eine öffentliche Demonstration des islamischen Glaubens und gehört zur islamischen Verkündigung ("Ruf" zum Islam und damit zur islamischen Ordnung). 8. Der muslimische Aufruf zum Gebet per Lautsprecher ist für einen islamischen Gottesdienst eindeutig nicht konstitutiv und sollte deshalb keine staatliche Unterstützung finden. Er ist eindeutig ein Mittel islamischer Propaganda, welches bei aller Toleranz den Rahmen des Zumutbaren sprengt. In einer deutschen Stadt, in der Muslime eine Minderheit sind und es vielleicht einige verstreute Moscheen gibt, ist es nicht sinnvoll, per Lautsprecher zum Gebet aufzurufen, da doch nicht alle Muslime es hören könnten. Auch das Glockenläuten dient heute letztlich nicht mehr seinem ursprünglichen Sinn, da alle Menschen eine Uhr haben und wissen, wann sie zum Gottesdienst zu gehen haben. Wohl nur noch ganz wenige Menschen lassen sich durch die Glocken zu einem persönlichen Gebet rufen. Sirenen haben die Glocken auch als Signale im Seite 21 pbnetz - das politische Bildungsnetz Falle von Gefahren (Brand usw.) abgelöst. Das Glokkenläuten ist ein Restbestand einer christlichen Kultur. Angesichts der zunehmenden Zurückdrängung dieser Sitte ist es nicht sinnvoll, eine neue Lärmbelästigung in Form von Gebetsruf per Lautsprecher einzuführen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass praktisch alle neueren christlichen Gemeinden auf Glocken verzichten. 9. Nach konservativer muslimischer Auffassung sollten Christen nicht öffentlich durch Glocken zu ihren Gottesdiensten einladen oder neue Kirchen in islamischen Ländern bauen dürfen. Im Laufe der Geschichte ist das Glockenläuten auch in Ländern, die einstmals ganz christlich waren (wie z.B. Ägypten) von den Regierenden über weite Strecken verboten worden. Erst unter dem Einfluss der Kolonialmächte erlangten die Christen wieder mehr Freiheiten, welche heute aber Schritt für Schritt eingeschränkt werden. In SaudiArabien ist es sogar streng verboten, christliche Gebetsräume einzurichten. Diese Situation ist zwar kein Grund, im Gegenzug auch Muslimen in Deutschland die Ausübung ihres Glaubens zu verweigern, aber die Rede von der "islamischen Toleranz" erscheint auf diesem Hintergrund in einem anderen Licht. Auch die Aussage, dass Muslime in Deutschland Glaube und Politik trennen würden, ist nicht glaubhaft. Dies mag für viele fromme Muslime gelten, aber nicht für den Islam an sich, in welchem Glaube und öffentliche Ordnung grundsätzlich zusammengehören. (Troeger, Eberhard: Muslimischer Gebetsruf per Lautsprecher? Lausanner Bewegung Deutschland. URL: http://www.lausannerbewegung.de/index.php?p=17) http://www.pbnetz.de Seite 22