1.6. Religionsfreiheit, Religionskritik, Religionswechsel

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Com Unity Spirit- Interreligiöse Konferenz Graz 2013
Ergebnisprotokoll des Workshops in der Konferenz
a. Informationen zum Workshop
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Titel des Workshops: 1.6 Religionsfreiheit, Religionskritik, Religionswechsel: Wie ist das Menschenrecht der
Religionsfreiheit staatlich sowie in den Religionsgemeinschaften selbst verwirklicht?
ModeratorIn: Michael Kern
Chairperson: Dr. Karl Schwarz
DolmetscherIn: Sarah Woywood
ProtokollführerIn: Hana Oprešnik
Angemeldete TeilnehmerInnen: Tabaalite Driss, Reiter-Haas Christine, Ingruber Astrid, Nseir Michael,
Thekkeparambil Jacob, Heitz Bernhard, Baghajati Amina, Gray Breda, Anderwald Heinz, Köksal Brigitte,
Schwarz Karl, John Einathan, Roloff Carola, Amos Clare, Manocha Kishan, Reich Carole, Eschraghi Armin,
Schenuda Assad, Joshi Mukundrai, El-Heliebi Mohamed, Giettler Hermann, Ali Soleiman, Cikaric Ibrahim
Tatsächlichen TeilnehmerInnen:
b. Inhaltliche Ergebnisse des Workshops
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Einleitung durch Dr. Karl Schwarz (11 Punkte, siehe Handout)
Fragen und Kommentare zur Einleitung:
o Wie viele Bekenntnisgemeinschaften gibt es? Wie ist das Verhältnis?
 Das staatliche Anerkennungsgesetz wurde 1998 verändert, es gibt 2 Stufen. Zur
Registrierung als eingetragen Bekenntnisgemeinschaft sind 300 Mitglieder notwendig, für
die gesetzliche Anerkennung 2 Promille der Bevölkerung. Scientology z.B. ist vereinsrechtlich
organisiert. Insgesamt sind 15 Gemeinschaften gesetzlich anerkannt.
o In dem Vereinigten Königreich (UK) gibt es keine offizielle Registrierung für Religionen. Was ist der
Vorteil der Registrierung? Man kann schließlich auch ohne staatliche Anerkennung seine Religion
ausüben.
 Anerkannte Religionsgemeinschaften sind Körperschaften öffentlichen Rechts in Österreich
und haben das Recht, Religionsunterricht zu erteilen.
o Ist Religion in der Verfassung definiert, wie ist Religion definiert? Wer entscheidet die Grenze
zwischen zwei Religionen?
 Es gibt in der Verfassung keine Definition. Es ist von „Kirchen“ und
„Religionsgemeinschaften“ die Rede, die Begrifflichkeiten kommen aus der Judikatur. Der
Übertritt ist zweistufig: Zuerst der Austritt vor staatlicher Instanz, dann der Eintritt in die
neue Religion (durch Taufe, Riten etc.). Exklusivitätsgrundsatz: Das österreichische Recht
verbietet Mehrfachangehörigkeit.
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Ist es nicht ein Widerspruch zur Religionsfreiheit und persönlichen Freiheit, dass Glaube
anerkannt/registriert werden muss? Der Staat kontrolliert den Prozess, das ist eine Art Zensur. Und
welche Rolle spielen nicht religiöse Menschen in dieser Debatte? Sie sind Teil der Debatte und
sollten daran teilnehmen.
 > diese Frage ist Grundlage für eine folgende Diskussion
o Wie sieht es derzeit mit den 7-Tages-Adventisten aus?
 Sie sind eine Bekenntnisgemeinschaft, da sie nicht groß genug sind.
o Eine Verständnisfrage zum Wechsel. Wie kann eine Familie, z.B. aus dem Iran, die sich nicht dem
Islam zugehörig fühlt, ihre Zugehörigkeit beenden? Ist das ein formeller, diskreter Akt?
 Das ist ein heikler Punkt im Zusammenhang mit der katholischen Kirche, die ursprünglich
keinen Austritt kannte. Deshalb gibt es den Staat als Rechtsschutz, das muss den Religionen
abverlangt werden. Auch im Islam gibt es Statuten über die Beendigung der Mitgliedschaft.
Wir müssen auf Rechtsschutz pochen.
Beiträge zur Diskussion: Religionsfreiheit
o Durch das positive Klima in Graz und die vielen Initiative wird Religionsfreiheit hier als Standard
gesehen. Das Problem ist dass Immigranten dieselben Freiheiten nicht in ihren Heimatländern
haben. Die Möglichkeit, frei zu wählen, sollte Standard sein. In der Theorie ist das schon längst
festgelegt (Menschenrechtskonventionen von UNO und EU), in der Praxis allerdings nicht.
Religionsfreiheit, inklusive Religionswechsel muss in allen Staaten ausgeführt werden.
o Man muss alles im Kontext sehen, wir denken im europäischen Kontext und dürfen nicht für andere
Länder Hausaufgaben vorschreiben. Die Voraussetzung für Religionskritik und -wechsel ist
Religionsfreiheit. In islamisch geprägten Ländern ist Politik nicht von Religion getrennt, das ist ein
Problem. Wir sehen nach dem arabischen Frühling den Aufbau von Demokratie.
o Religionsfreiheit ist Menschenrecht, es ist kein universelles Recht sondern universelles Recht. Man
kann das nicht mit kulturellen Differenzen wegreden.
o In Nigeria kam das Problem mit westlicher Kultur auf nachdem über das Alter von Ehen gesprochen
wurde. Gewisse Rechte sind universell, es spielt keine Rolle wo man herkommt. In manchen
Gesellschaften wird Kultur nicht von Religion getrennt, und wenn man die Religion verlässt, verlässt
man auch die Kultur. Es reicht nicht, Gesetzte zu machen, man muss Kultur und Sichtweise ändern.
Es geht nicht um Gesetzte sondern um Kultur.
o Wenn ich in ein arabisches Land gehe, und eine Kapelle bauen möchte, ist dann das Bewusstsein
schon so weit dass die Leute sagen „Es gibt Christen, die nicht aussteigen können. Ist es möglich, im
Sinne dieser Freiheit, sich dieser Community anzuschließen, ohne Verfolgung und Nachteile?“ Das
hat mit Bewusstseinsänderung zu tun.
o Es gab in der zeit des Propheten Christen, die aus Äthiopien nach Saudi-Arabien gekommen sind. Sie
sagten, dass sie beten wollten und der Prophet erlaubte es ihnen in seiner Moschee. Und das ist
100% historisch gesichert. Jetzt ist Saudi-Arabien aber anders.
o Damit es keine Missverständnisse gibt muss klar sein: Religionsfreiheit in Europa sind Früchte der
Demokratie, die wir durch viel Arbeit erreicht haben. Man muss in diesem Sinne über
Religionsfreiheit sprechen. Ich kann kein Obst verlangen, wenn der Baum (der Demokratie) nicht
gepflanzt wurde.
o Man kann Länder, in denen Christentum und Judentum fremd sind, nicht mit anderen vergleichen
(z.B. Marokko). Wir leben in einer globalen Welt und von Europa geht eine Botschaft aus, nicht nur
von Christen sondern auch von Muslimen. Zuerst muss Demokratie ankommen, dann
Religionsfreiheit. Der Koran ist wunderbar, Muslime sind schwierig. „Deine Religion gehört dir,
meine Religion gehört mir.“ Dieses Zitat aus dem Koran lese ich täglich. Was bedeutet das im Alltag.
Ich werde heute in Graz mit allen Muslimen beten und diesen Satz vorlesen. Aber das ist in SaudiArabien nicht umgesetzt. Aber durch die Globalisierung ändert sich viel. Mit der Zeit kommt
Religionsfreiheit. Aber die Frage ist, inwieweit sind normale Menschen, das einzusehen?
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Missionieren ist in Saudi-Arabien nicht erlaubt.
Der Kontext ist wichtig. Vieles kommt durch die Globalisierung, wir sind alle vernetzt und können
konvertieren. Am 15. Januar wurde beschlossen, dass Religionsfreiheit kein Kollektivrecht sondern
ein Individualrecht ist. Wir müssen zu den ursprünglichen religiösen Texten gehen und sie für das 21.
Jahrhundert interpretieren. Die Veränderung muss aus den Religionen selbst kommen. Man muss
inter- und intrareligiösen Dialog fördern.
Bei Religionsfreiheit geht es auch um Konflikte zwischen Kulturen. Der Widerstand kommt oft aus
der Idee, dass man seine Zivilisation vor fremder Kultur schützen muss.
Es gibt Menschen, die gewisse Skepsis oder Angst vor Juden oder Christen haben. Und in
Deutschland hat man Angst vor Muslimen. Was tut diese Konferenz? Was muss rauskommen?
Akzeptanz, Toleranz aber auch der Fakt, dass Religionsfreiheit in der Verfassung verankert sein muss.
Ist eine Aufklärung ohne blutige Dinge möglich? Durch das Internet? Wenn man etwas verändern
will braucht man Macht, und Macht = Ressourcen + Beziehungen. Diese Konferenz ist ein guter Start.
Man muss seine eigene Identität kennenlernen bevor man andere kennenlernen kann. Ich glaube
das Kennenlernen gibt dem Baum Erde, um zu wachsen.
In allen Verfassungen von Diktaturen war/ist Religionsfreiheit gegeben, und es hat trotzdem
Missbrauch gegeben. Die Freiheit wurde mit Füßen getreten. Die Freiheit zu implementieren ist das
eine, sie zu leben das andere. Es kommt nicht nur auf die Verfassung an.
Menschenrechte sind nichts westliches, sondern international.
Man versucht oft, Dinge zu bekämpfen die fremd sind. Ein Treffen, bei dem wir viel reden, ändert
nichts daran, dass Konflikte existieren.
c. Handlungsvorschläge des Workshops an Städte/Religionsgemeinschaften
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Wichtige Aspekte:
o Ressourcenverteilung
o Bildung
Handlungsempfehlungen für Politik, Verwaltung, Stadt:
o Dialog zwischen Staat und Religionen muss aufrecht erhalten bleiben
o Mehr Veranstaltungen um einander kennenzulernen z.B. Erfahrung mit MA17 (multireligiöses
Forum), Gesang und Dankbarkeit
o Berücksichtigung von Gendermainstreaming (min. 30% weibliche Teilnehmer auf dem Panel). Bei
Stellenausschreibungen betonen, dass man sich freuen würde, wenn die Entsendung von weiblichen
Repräsentanten begrüßt würde.
Handlungsempfehlungen für Religionsgemeinschaften:
o In Bezug auf Genderkonstruktion und –verhältnis schauen, wie sehr das in der Praxis gelebt wird.
Offener Diskurs mit Vergleich zu anderen Traditionen. Was ist Kultur, was ist Religion?
o Mehr weibliche Stimmen, Repräsentanteninnen & Führerinnen.
d. Hinweise auf bestehende Good Practices
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Keine konkrete Beispiele wurden genannt
e. In welchen Fragen bestand gegebenenfalls Dissens?
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