Amendment zur Phase IV-Studie zum Stellenwert der Ganzhirnbestrahlung in der Primärtherapie primärer ZNS-Lymphome mit Hochdosis-Methotrexat (G-PCNSL-SG-1) Amendment Nr. Datum des Amendments Datum der Finalversion des Protokolls Nr. bei der Ethikkomission 4 30.06.2006 18.03.2003 (Amendment 3) ck. 179-17a 1. Zusammenfassung der Veränderungen Ziele des Amendments sind: A) Die Erhöhung der geplanten Patientenzahl auf 302 Patienten in der primären Auswertungspopulation b) Die Erweiterung der Primärtherapie mit Hochdosis-Methotrexat (HDMTX) als Monotherapie um Ifosfamid in beiden Studienarmen für alle Zyklen 2. Begründung der Veränderungen Ad A) Im Studienprotokoll (Protokollversion vom 18.3.2003) sollten 302 auswertbare Patienten rekrutiert werden. Aufgrund des Studiendesigns können drop outs in der vorgeschalteten HDMTX-Phase (identische Behandlung für alle Patienten) oder in der eigentlichen Studienphase (Randomisierung in Abhängigkeit vom Ansprechen auf HDMTX) auftreten. Die Dokumentation der bisherigen Patientenverläufe zeigt, dass von 376 rekrutierten Patienten 320 Patienten in die eigentliche Studienphase hätten eintreten müssen. Die restlichen 56 Patienten sind zwar rekrutiert, aber noch nicht lange genug in der Studie. Eine aktuell durchgeführte intensive Nachrecherche zeigt, dass 50% (161/320) dieser Patienten entsprechend der Randomisierung in der zweiten Studienphase behandelt werden. Aufgrund der großen Zahl von drop outs in der ersten Studienphase erscheint die Wahl der intent to treat-Population als primäre Auswertungspopulation problematisch. Zudem kann die Wahl dieser Population für Nichtunterlegenheitsstudien zu antikonservativem bias führen: Das intent to treat-Prinzip führt zu einer Verringerung der beobachteten gegenüber den tatsächlichen Unterschieden bei Therapievergleichen. Dieses Prinzip ist daher bei Überlegenheitsstudien konservativ, nicht aber bei Äquivalenz- bzw. Nichtunterlegenheitsstudien, bei denen es zu einem Bias in Richtung des „erwünschten“ Studienergebnisses führen kann. 1 Abweichend vom ursprünglichen Studienprotokoll ist es daher in dieser Studie sinnvoll, nicht die intent to treat-Population, sondern die per protocol-Population als primäre Auswertungspopulation festzulegen. Diese Population wird im Rahmen eines teilweise verblindeten Daten-reviews (outcome wird nicht offen gelegt) allein aufgrund der ProtokollCompliance definiert. Dieses Vorgehen wird auch von Prof. Dr. U. Mansmann (jetzt LMU München), der die ursprüngliche Studienplanung in Berlin durchführte, ausdrücklich befürwortet. Es müssten daher zur Erzielung der geplanten statistischen Power insgesamt 604 Patienten rekrutiert werden. Bezogen auf die 376 bisher rekrutierten Patienten, müssten also noch 228 weitere Patienten nachrekrutiert werden. Ad B) Aufgrund der seit der Initiierung der Studie publizierten Daten ist eine bessere Wirksamkeit der Kombinationstherapie versus Monotherapie mit HDMTX bei den primären ZNS-Lymphomen anzunehmen. Eine Fortführung der Primärtherapie mit einer Monotherapie erscheint aufgrund dieser Daten nicht mehr zeitgemäß. Ifosfamid ist wegen seiner ausgewiesenen Aktivität gegen maligne Lymphome (die bereits vor mehreren Jahren zu einer Zulassung für diese Indikation geführt hat) einerseits und der guten Penetration in das zentrale Nervensystem andererseits (Yule et al. 1997) der am besten geeignete Kombinationspartner für HDMTX. Eine Kombinationstherapie aus HDMTX, Ifosfamid und weiteren Zytostatika wurde bereits in einer Phase II-Studie erfolgreich bei primären ZNS-Lymphomen eingesetzt (Pels et al. 2003). Sehr überzeugende Ergebnisse sind von der eigenen Arbeitsgruppe mit Ifosfamid bei einer Sonderform des primären ZNS-Lymphoms, dem intraokulären Lymphom, publiziert worden (Jahnke et al. 2005). Eine Interferenz mit der eventuell im weiteren Verlauf zu verabreichenden Ganzhirnbestrahlung ist bei Ifosfamid nicht bekannt. Bei der Auswertung der Studie wird die Gabe von Ifosfamid ein zusätzliches Stratum. 2 3. Individuelle Veränderungen Gesamtes Protokoll Im gesamten Protokoll wird die Bezeichnung „Hochdosis-Methotrexat-Therapie“ durch „Hochdosis-Methotrexat/Ifosfamid-Therapie“ ersetzt. 3.1 Kapitel 1, Allgemeine Angaben, Zusammenfassung: Bisher: Die Primärtherapie wurde als Monotherapie mit HDMTX beschrieben. Neu: Ifosfamid wird zu einem zusätzlichen festen Element der Primärtherapie. Daraus ergeben sich folgende Veränderungen: (…) Im Rahmen dieser Studie erhalten Patienten mit PCNSL sechs Zyklen Hochdosis-MTX (Tag 1, 4 g/m2)/Ifosfamid (Tag 3-5, 1,5 g/m2) und im ersten Zyklus zusätzlich Dexamethason (Tag –3 bis 6, 3 x 8 mg/die). 3.2 Kapitel 2.2, Prüfprodukte: Bisher: In den Kapiteln 2.2.1-2.2.4 wurden als Prüfsubstanzen HDMTX, Dexamethason, Cytarabin (Ara-C) und Strahlentherapie beschrieben. Neu: Als zusätzliches Therapielement wird Ifosfamid aufgenommen, das zusammen mit HDMTX in allen 6 Zyklen in beiden Studienarmen gegeben werden soll. 3.2, neue Kapitel: Kapitel 2.2.5 Ifosfamid (mit den Unterkapiteln Pharmakokinetik, 2.2.5.3. Nebenwirkungen). 2.2.5.1 Wirkungsweise, 2.2.5.2 2.2.5.1 Wirkungsweise Ifosfamid gehört zu der Oxazaphosphoringruppe. Der Hauptwirkungsmechnismus ist die Interaktion seiner alkylierenden Metaboliten mit DNS. Bevorzugte Angriffspunkte sind die Phosphodiesterbrücken der DNS. Es kommt zu DNS-Strangbrüchen und DNSQuervernetzungen. 2.2.5.2 Pharmakokinetik Ifosfamid ist ein Prodrug, das von dem hepatischen Cytochrom P450 (CYP) hydroxyliert werden muss. Dabei entsteht das zytotoxische Nitrogenmustard. Ifosfamid verteilt sich im gesamten Wasserkompartiment mit wenig Proteinbindung, aber auch im Fettgewebe. Aktive Metaboliten (4-Hydroxyifosfamid und Ifosfamidmustard) wurden bei 89% der Liquorproben von Kindern mit akuter lymphatischer Leukämie, Non-Hodgkin-Lymphom, Medulloblastom und Rhabdomyosarkom gefunden (Yule et al. 1997). Ifosfamid wird 3 überwiegend in der Leber metabolisiert und nur ca. 20% werden in unveränderter Form über die Niere ausgeschieden. 2.2.5.3. Nebenwirkungen Häufig: Myelosuppression, Nausea, Emesis, Alopezie. Seltener: Enzephalopathie, Schläfrigkeit, Azidose, hämorrhagische Zystitis mit Makrohämaturie, Nephropathie, tubulären Nierenfunktionsstörungen, Störungen der Spermatogenese. 3. 3 Abb. 1: Flussdiagramm der G-PCNSL-SG-1-Studie, Kästchen 2 von oben Bisher: 6 x MTX (4 g/m2 14-tägig) mit 3x8 mg Dexamethason/die über 10 Tage im Zyklus 1 Neu: 6 x MTX (4 g/m2, D1) und Ifosfamid (1,5 g/m2, D3-D5) 14-tägig mit 3x8 mg Dexamethason/die über 10 Tage im Zyklus 1 3.4 Kapitel 5.1, Einschlusskriterien Bisher: keine bekannte Allergie auf MTX oder Ara-C Neu: keine bekannte Allergie auf MTX, Ifosfamid oder Ara-C 3.5 Kapitel 6.4, Einzelheiten der Behandlung in den verschiedenen Studiengruppen Bisher: Die Primärtherapie wurde bisher nur mit HDMTX durchgeführt. Neu: In der Primärtherapie ist jetzt zusätzlich zu HDMTX Ifosfamid zu verabreichen. Der Text verändert sich dadurch wie folgt: MTX/Ifosfamid Das vorliegende Protokoll beinhaltet die Anwendung hoher MTX-Dosen und erfordert eine entsprechende Expertise, die in der Regel nur auf internistischen hämatologisch-onkologischen Stationen vorhanden ist. In 14-tägigen Abständen werden 6 Zyklen (Zyklus = einzelne MTX/Ifosfamid-Gabe) hochdosierter systemischer MTX-Gabe (4 g/m2) am Tag 1 und Ifosfamid 1,5 g/m2 am Tag 3-5 appliziert. Im ersten Zyklus wird zusätzlich Dexamethason in einer Dosierung von 3 x 8 mg/Tag oral über 10 Tage verabreicht. Nach dem dritten und sechsten Zyklus erfolgen kernspin-/computertomographische Untersuchungen zur Beurteilung des Therapieerfolges, bei neurologischer Verschlechterung auch früher. Bei kompletter Remission nach 6 Zyklen MTX/Ifosfamid erfolgt die weitere Behandlung entsprechend der Randomisierung im Arm A1 mit WBRT beginnend minimal 4, maximal 7 Wochen nach Beendigung der MTX/Ifosfamid -Therapie oder im Arm A2 mit WBRT bei Rezidiv. Bei Progression zu jedem Zeitpunkt oder partieller Remission, stable disease oder Progression nach 6 Zyklen MTX/Ifosfamid erfolgt weitere Behandlung entsprechend der Randomisierung im Arm B1 mit WBRT oder im Arm B2 mit Hochdosis-Ara-C, sofern nicht individuelle Abbruchkriterien vorliegen. (…) • Die Hydrierung vor und nach Chemotherapie erfolgt mit dem Ziel, die Urinausscheidung zumindest innerhalb der 4 h vor Beginn der Chemotherapie und bis zum erfolgreichen 4 Leucovorin-Rescue (MTX-Spiegel im Serum <0,1 µM) über 100 ml/h zu halten. Hierzu werden 2,5 Liter/m2 Flüssigkeit in 24 h an Tag 1-5 infundiert beginnend 4 h vor Beginn der MTXInfusion. Die Flüssigkeit besteht aus 5%iger Glukose-Lösung plus 20 mval KCl/l plus 30 mval NaHCO3/l. Wenn die Urinausscheidung unter 100 ml/h liegt, wird die intravenöse Flüssigkeitsgabe um 25-50% gesteigert (…) • Die Voraussetzung für die Gabe von Ifosfamid ist ein Kreatininwert am Tag 3 im Normbereich (entsprechend dem Normwert des jeweiligen Labors) und ein normaler Verlauf der MTX-Ausscheidung! • An den Tagen 3-5 wird unmittelbar vor Ifosfamid sowie 4 und 8 h danach Mesna (Uromitexan) 400 mg als Bolus i.v. verabreicht. • Bei Leukopenie <1/nl wird der sofortige Einsatz von Granulozytenwachstumsfaktoren empfohlen (konventionelles G-CSF, z. B. Neupogen), sowie ein prophylaktischer Einsatz (konventionelles G-CSF Tag 6-10 oder Neulasta Tag 6) in allen darauf folgenden Zyklen. • Bei Thrombopenie Grad IV (<25/nl) ist die Ifosfamiddosis in allen darauf folgenden Zyklen auf 50% der ursprünglichen Dosis zu reduzieren (bei gleicher MTX Dosis). • Bei schweren Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit Ifosfamid stehen könnten (z.B. schwere akute zentrale Neurotoxizität), ist gegebenenfalls die Therapie mit MTX allein fortzuführen; in diesen Fällen sollte eine Rücksprache mit der Studienzentrale genommen werden. • Alle Toxizitäten (mit Ausnahme der Alopezie und Transaminasen bis Grad 2) müssen bis zum Beginn des jeweils nächsten Zyklus komplett zurückgebildet sein, ggf. sollte Rücksprache mit der Studienzentrale genommen werden. • Bei allen Toxizitäten, die zum Abbruch der Chemotherapie mit MTX und Ifosfamid (Phase I der Studie) führen, erfolgt die weitere Behandlung in der Phase II der Studie entsprechend der Randomisierung (Ara-C oder Bestrahlung), ggf. nach Rücksprache mit der Studienzentrale. Sollte zum Zeitpunkt des Abbruchs der Phase I der Behandlung bereits eine CR bestehen, muß das weitere Vorgehen mit der Studienzentrale abgestimmt werden. 3.6 Kapitel 9.3, Vorgesehene Auswertungsverfahren Bisher: Alle in die Studie aufgenommenen und randomisierten Patienten werden nach intention to treat-Aspekten ausgewertet, d.h. Komplettremissionsraten und Remissionszeiten unter MTX-, Ara-C- und Strahlentherapie werden auf die Gesamtheit aller in den jeweiligen Arm der Studie eingeschlossenen Patienten bezogen Neu: Als primäre Auswertungspopulation wird die per protocol-Population festgelegt. Diese Population wird im Rahmen eines teilweise verblindeten Datenreviews (outcome wird nicht offengelegt) allein aufgrund der Protokoll-Compliance definiert. Zusätzlich werden alle 5 Patienten auch nach intention to treat-Aspekten ausgewertet, d.h. Komplettremissionsraten und Remissionszeiten unter MTX-, Ara-C- und Strahlentherapie werden auf die Gesamtheit aller in den jeweiligen Arm der Studie eingeschlossenen Patienten bezogen. 3.7 Anhang 16.1, Aufklärungsbogen zur Teilnahme Abschnitt 1, Ziele der Studie Bisher: Die besten Ergebnisse in der Erstbehandlung der Lymphome des zentralen Nervensystems werden durch die Kombination von Chemotherapie mit dem Zytostatikum Methotrexat und einer Schädelbestrahlung erreicht. Neu: Die besten Ergebnisse in der Erstbehandlung der Lymphome des zentralen Nervensystems werden durch die Kombination von Chemotherapie, die das Zytostatikum Methotrexat beinhaltet, und einer Schädelbestrahlung erreicht. Abschnitt 2, Ablauf der Behandlung Bisher: Am Anfang der Behandlung erhalten zunächst alle Patienten 6 Zyklen einer MethotrexatTherapie. Verabreicht wird dabei Methotrexat (4 g/m2) über 4 Stunden als intravenöse Infusion. Eine solche Infusion Methotrexat entspricht einem Zyklus. Neu: Am Anfang der Behandlung erhalten zunächst alle Patienten 6 Zyklen einer Methotrexat/Ifosfamid-Therapie. Verabreicht wird dabei Methotrexat (4 g/m2) am Tag 1 über 4 Stunden und Ifosfamid 1,5 g/m2 an den Tagen 3-5 über 3 Stunden als intravenöse Infusionen. Eine solche Infusion Methotrexat und drei Infusionen Ifosfamid entsprechen einem Zyklus. Abschnitt 3. Einzelne Therapieformen Es kommt hinzu: neuer Unterabschnitt 3.1.3 Ifosfamid. Häufige Nebenwirkungen von Ifosfamid sind Blutbildungsstörungen, Übelkeit, Erbrechen, und Haarausfall. Die früher häufig beobachtete Entzündung der Harnblasenschleimhaut mit möglicher Blutung in den Urin (hämorrhagische Zystitis) ist seit der prophylaktischen Gabe von Mesna (Uromitexan) selten geworden. In seltenen Fällen kann es, meist vorübergehend, zu einer Einschränkung der Nierenfunktion und einer Störung der Gehirnfunktion mit Schläfrigkeit und Verwirrtheit kommen. Literatur Yule SM et al. Cyclophosphamide and ifosfamide metabolites in the cerebrospinal fluid of children. Clin Cancer Res 1997;3:1985-1992 Pels H et al. Primary central nervous system lymphoma: Results of a pilot and phase II study of systemic and intraventricular chemotherapy with deferred radiotherapy. J Clin Oncol 2003;21:4489-4495 6 Jahnke K et al. Pharmacokinetics and efficacy of ifosfamide or trofosfamide in patients with intraocular lymphoma. Ann Oncol 2005;16:1974-1978 Prof. Dr. E. Thiel Prof. Dr. M. Weller Prof. Dr. P. Martus PD Dr. A. Korfel 7