Kraniozervikale Manifestation eines Non-Hodgkin-Lymphoms

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Zahnmedizin
Differenzialdiagnostik nicht entzündlicher Schwellungen im Kopf-Halsbereich
Kraniozervikale Manifestation
eines Non-Hodgkin-Lymphoms
Marcus Stephan Kriwalsky, Martin Kunkel
ließ sich klinisch und radiologisch (Orthopantomogramm) nicht ausmachen.
Sonographisch (Abbildungen 2 a und b)
stellte sich eine 3,6 Zentimeter im größten
Durchmesser ausgedehnte, echoarme, in
großen Teilen homogene Raumforderung
mit dorsaler Schallverstärkung und ausgeprägter Vaskularisierung dar. Sonopalpatorisch imponiert sie zur Umgebung adhärent,
das heißt, auf Druck des Schallkopfes ließ
sich das Gewebe um den Knoten nicht mehr
verdrängen. Der sonographische Befund
entsprach am ehesten einem deutlich vergrößerten Lymphknoten mit Umgebungsinfiltration. Zusätzlich ließen sich ipsilateral
multiple weitere vergrößerte Lymphknoten
bis 1,7 cm Durchmesser darstellen.
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen den differentialdiagnostischen Blick
der Leser schulen.
Die Entfernung des Befundes erfolgte in Intubationsnarkose von extraoral über einen
dorsalen Zugang unterhalb der Äste des
Nervus facialis. Aufgrund der Adhärenz des
Tumors am Nervus accessorius und der Vena
iugularis interna mussten diese beiden anatomischen Strukturen reseziert werden. Abbildung 3 zeigt den entfernten Tumor, der
im Anschnitt eine schwartig-glasige Peripherie und zentral eine Nekrose aufweist.
Das Ergebnis der histopathologischen Untersuchung ergab schließlich ein großzelliges B-Non-Hodgkin-Lymphom. Es schloss
Fotos: Kunkel
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Abbildung 1: Äußerer Aspekt der derben
Schwellung am kaudalen Pol der linken
Ohrspeicheldrüse. Dieser Befund war über
Monate langsam progredient.
Eine 84-jährige Patientin wurde mit einer
über mehrere Monate zunehmenden,
schmerzlosen Schwellung am kaudalen Pol
der linken Ohrspeicheldrüse unter der Verdachtsdiagnose eines Speicheldrüsentumors vorgestellt. Klinisch imponierte eine
etwa 3,5 Zentimeter durchmessende noduläre Raumforderung von höckriger Oberfläche, derber Konsistenz und nur schlechter Verschieblichkeit. Die Haut über dem Befund war nicht gerötet. Intraoral erschien
das Speicheldrüsenostium unauffällig, es
konnte klarer Speichel exprimiert werden.
Ein dentogener Fokus als potenzielle Ursache einer entzündlich bedingten Läsion
zm 99, Nr. 6 A, 16.3.2009, (696)
Abbildung 2:
Die Abbildungen A
und B zeigen jeweils
einen sonographischen Horizontalschnitt am kaudalen
Parotispol im größten
Durchmesser des
Befundes. In A stellt
sich die dorsale
Schallverstärkung
als Ausdruck des
homogenen Gewebsaufbaus, in B die
Binnenstruktur mit
ausgeprägter
Vaskularisation dar.
sich ein vollständiges Staging an, so dass
sich abschließend ein Stadium IIa nach AnnArbor ergab. Die Abbildung 4 zeigt die immunhistologische Darstellung von CD20,
einem Oberflächenmarker der B-Zell-Reihe
auf nahezu sämtlichen malignen Zellen.
Zur Einleitung der systemischen Therapie
wurde die Patientin den Kollegen der Hämatologie/Onkologie vorgestellt. Es erfolgte
eine Chemotherapie nach dem R-CHOPSchema und nachfolgend die Radiotherapie
der zervikalen Lymphknotenstationen.
Diskussion
Maligne Lymphome bezeichnen eine Gruppe von Erkrankungen, die auf der Basis klonaler Expansion von Zellen verschiedener
Entwicklungsstadien des hämatopoetischen
respektive lymphatischen Systems entstehen. Bei über 90 Prozent handelt es sich um
Neoplasien der B-Zell-Reihe [Hartmann et
al., 2002]. Die Untergruppen der Non-
Hodgkin-Lymphome treten mit einer Inzidenz um 5-10/100 000 Einwohner auf und
haben einen Häufigkeitsgipfel im fortgeschrittenen Lebensalter [Rüdiger and Müller-Hermlink, 2002]. Ätiologisch spielen
Immundefekte, Virusinfektionen (EpsteinBarr-Virus), Strahlenbelastung und durch
Translokation entstandene Hybridgene eine
Rolle. Das onkologische Therapieprotokoll
orientiert sich vor allem am Stadium der
Erkrankung, wobei vor allem die Zahl der
betroffenen Lymphknotenregionen, die Lokalisation oberhalb und/oder unterhalb des
Zwerchfells und der Organbefall in diese
Klassifikation eingehen.
Das führende klinische Symptom maligner
Lymphome im Kopf-Hals-Bereich ist die progrediente Lymphknotenschwellung. Es handelt sich typischerweise um derbe, auf
Palpation nicht schmerzhafte, vergrößerte
Lymphknoten, für die sich keine adäquate
Ursache einer (chronisch) entzündlichen
Reaktion findet oder die nach Beseitigung
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Abbildung 3:
OP-Präparat: Nach
der Entnahme stellt
sich die höckrige
Oberfläche des irregulär begrenzten
Knotens dar.
Der Anschnitt des
Tumors zeigt ein für
maligne Lymphome
eher untypisches Bild.
Zentral findet sich
eine eingeblutete
Nekrosezone, ein
Phänomen, das
ansonsten eher bei
Metastasen solider
Tumoren auftritt.
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Zahnmedizin
Fazit für die Praxis
I Neben der Mundhöhle und der unmittelbaren Perioralregion sollte die zahnärztliche
Untersuchung auch Pathologien der Kopfspeicheldrüsen und der Halslymphknoten
einbeziehen.
I Besondere Aufmerksamkeit erfordern
Raumforderungen, bei denen keine eindeutige entzündliche Ursache erkennbar ist.
Hier sollte immer an ein Tumorgeschehen
gedacht werden.
I Maligne Systemerkrankungen sind ein
diagnostisches Dilemma, da sie initial oft nur
unspezifische Symptome aufweisen. Die
„schmerzlose Schwellung“ ist immer Anlass,
nach Systemerkrankungen zu fahnden.
Abbildung 4: Die histologische Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus dem Tumor mit der immunhistochemischen Anfärbung CD20-positiver Zellen. Die histologische Abbildung wurde von Prof.
Dr. Andrea Tannapfel, Direktorin des Instituts für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum, zur
Verfügung gestellt.
einer adäquaten Ursache persistieren. Es
kann sich, wie im vorliegenden Fall um eine
singuläre dominierende Lymphknotenschwellung handeln, es können aber auch
mehrere Halsregionen oder zusätzlich andere Bereiche des Körpers betroffen sein. Die
Lymphknotenvergrößerung betrifft daher
mitunter auch Bereiche, die nicht typischerweise mit reaktiven Lymphknotenschwellungen in Verbindung gebracht werden,
beispielsweise die Masseter-Region oder
den Nacken. Daneben treten auch bis zu 30
Prozent der malignen Lymphome im KopfHals-Bereich primär extranodal auf und finden sich dann insbesondere im lymphatischen Gewebe des Waldeyer´schen Rachenrings, den Nasennebenhöhlen und den
Kopfspeicheldrüsen.
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zm 99, Nr. 6 A, 16.3.2009, (698)
Im vorliegenden Fall war die kraniozervikale
Lymphknotengruppe unmittelbar caudal
des unteren Parotispols betroffen, so dass
sich neben den Überlegungen zu typischen
Ursachen einer Lymphknotenpathologie
zunächst anhand des klinischen Untersuchungsbefundes auch die Frage eines Speicheldrüsentumors stellte. Sonographisch
ließ sich allerdings eine eindeutige Abgrenzung der Raumforderung von der Glandula
Parotis erkennen.
In der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
stellen sowohl nodale als auch extranodale
Manifestationen maligner Lymphome ein
erhebliches differenzialdiagnostisches Problem dar, da sie klinisch nur schwer gegen
chronisch entzündliche Infiltrate oder
Lymphknotenreaktionen abzugrenzen sind.
Die initiale Verkennung als Lymphknotenschwellung infolge einer unspezifischen
oder odontogenen Infektion ist häufig naheliegend und löst ganz regelmäßig zunächst
einmal zahnärztliche Diagnostik und gegebenenfalls auch Behandlungsmaßnahmen
aus. Im Verlauf sind maligne Lymphknotenvergrößerungen oder auch extranodale Infiltrate zwar regelmäßig progredient, allerdings können sich entzündliche Episoden
überlagern und damit eine Befundverkleinerung durch die Rückbildung der entzündlichen Begleiterscheinungen vorgetäuscht
werden. Eine fehlende „adäquate“ Ursache
oder aber der ausbleibende Therapieerfolg
trotz vermeintlich adäquater Maßnahmen
sollte daher die Aufmerksamkeit auf ein
neoplastisches Geschehen lenken.
Für die zahnärztliche Praxis demonstriert
dieser Fall aufgrund der Erstmanifestation
einer malignen Systemerkrankung im KopfHals-Bereich die Bedeutung der extraoralen
Untersuchung. Es ist hierbei völlig unerheblich, ob der Befund im Rahmen der Erstuntersuchung klinisch der Parotis oder der
regionalen Lymphknotengruppe zugeordnet wurde. Entscheidend war es, zu erkennen, dass eine Erkrankung vorliegt, die
weitergehende Diagnostik erfordert.
Dr. Dr. Marcus Stephan Kriwalsky
Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel
Klinik für Mund-, Kiefer- und
plastische Gesichtschirurgie
Ruhr-Universität Bochum
Knappschaftskrankenhaus
Bochum-Langendreer
In der Schornau 23-25
44892 Bochum
[email protected]
[email protected]
Literatur
Hartmann, F., Hiddemann, W.,
Pfreundschuh, M., Rübe, C. and Trümper, L.:
Maligne Lymphome. Onkologe, 8 (Suppl 1),
S21-S27 (2002).
Rüdiger, T. and Müller-Hermlink, H.K.:
Die WHO-Klassifikation maligner Lymphome.
Radiologe, 42, 936-942 (2002).
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