Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Gerhard-Mercator-Universität - Gesamthochschule - Duisburg Nr. 246 Umweltschützer als Zielgruppe des ökologischen Innovationsmarketing - Ergebnisse einer Befragung von BUND-Mitgliedern - Gerhard Bodenstein/Helmut Elbers/ Achim Spiller/Anke Zühlsdorf Gerhard-Mercator-Universität -GH- Duisburg Fachbereich Wirtschaftswissenschaft Fachgebiet Marketing & Konsum Duisburg Februar 1998 2 Inhaltsverzeichnis Seite Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... 3 Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................................. 4 1 Untersuchungsziele ............................................................................................................... 5 2 Zum Stand der ökologischen Konsumforschung ............................................................... 7 2.1 Umweltpolitische Forschungsprämissen.......................................................................... 7 2.2 Sozialwissenschaftliche Methodik ................................................................................. 10 3 Umweltschützer: Einstellung und Verhalten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung... 12 3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der allgemeinen Bevölkerungsbefragung................ 12 3.2 Befragung von BUND-Mitgliedern................................................................................ 15 3.2.1 Zum Untersuchungsdesign...................................................................................... 15 3.2.2 Umweltbewußtsein.................................................................................................. 18 3.2.3 Umweltverhalten ..................................................................................................... 23 3.2.3.1 Handlungsfelder nachhaltigen Konsums.......................................................... 23 3.2.3.2 Zusammenfassende Bewertung........................................................................ 31 3.2.4 Bestimmungsgründe des Umweltverhaltens ........................................................... 34 3.2.5 Eine Schwierigkeitshierarchie ökologischen Verhaltens ........................................ 37 4 Umweltschützer als Innovatoren: Eine diffusionstheoretische Betrachtung ................ 39 5 Exkurs: Zur strategischen Ausrichtung des BUND......................................................... 48 6 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse ................................................................... 51 Literaturverzeichnis............................................................................................................... 50 Anhang .................................................................................................................................... 54 3 Abbildungsverzeichnis Seite Abb. 1: Verteilung des Material- und Energieverbrauchs auf die verschiedenen Bedürfnisfelder in Deutschland.......................................................................................... 9 Abb. 2: Einstellung zum Umweltschutz in Deutschland 1996 ................................................ 13 Abb. 3 : Korrelationen zwischen Einkommen und Umweltverhalten nach Haushaltsgröße ... 14 Abb. 4: Mitgliederentwicklung des BUND.............................................................................. 17 Abb. 5: Ungestützter Bekanntheitsgrad von umweltfreundlichen Kennzeichnungen bei Lebensmitteln................................................................................................................... 19 Abb. 6: Ungestützter Bekanntheitsgrad von umweltorientierten Textilunternehmen.............. 19 Abb. 7: Informationsverhalten zum Umweltschutz ................................................................. 20 Abb. 8: Wahrgenommene persönliche Umweltbelastung........................................................ 21 Abb. 9: Risikowahrnehmung durch die Bevölkerung.............................................................. 21 Abb. 10: PKW-Besitz pro Kopf im Vergleich ......................................................................... 24 Abb. 11: Bahnnutzung im Vergleich........................................................................................ 24 Abb. 12: Kreuztabelle für den Zusammenhang zwischen Öko-Wissen und angegebenen Kaufverhalten ................................................................................................................... 26 Abb. 13: Vergleichendes Umweltprofil von BUND-Mitgliedern und Gesamtbevölkerung.... 33 Abb. 14: Persönliche Lebensstileinschränkungen und Handlungsbarrieren im Umweltschutz................................................................................................................... 34 Abb. 15: Clusteranalyse für die BUND-Mitglieder ................................................................. 36 Abb. 16: Handlungspyramide im Umweltschutz ..................................................................... 38 Abb. 17: Funktionen des BUND .............................................................................................. 49 Abb. 18: Wirtschaftskooperationen des BUND aus Sicht der Mitglieder ............................... 50 Abb. 19: Umweltpolitische Prioritäten der BUND-Mitglieder................................................ 51 4 Abkürzungsverzeichnis AGÖL = Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau, Darmstadt ANOG = ANOG-AG für naturnahen Obst-, Gemüse- und Feldfruchtanbau e. B., Bonn BBU = Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz BUND = Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V., Bonn CO2 = Kohlendioxid FCKW = Fluorchlorkohlenwasserstoff FR = Frankfurter Rundschau GEPA = Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH GFK = Gesellschaft für Konsumforschung, Nürnberg IÖW = Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, Berlin KEA = Kumulierter Energieaufwand KZfSS = Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie LZ = Lebensmittelzeitung MIPS = Materialintensität pro Serviceeinheit NABU = Naturschutzbund Deutschland e. V., Bonn UWF = UmweltWirtschaftsForum w&v = Werben und Verkaufen WiSt = Wirtschaftswissenschaftliches Studium WISU = Wirtschaft und Studium WWF = World Wide Fund for Nature WZB = Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung GmbH, Berlin ZAU = Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 5 1 Untersuchungsziele Die Bedeutung des organisierten Umweltschutzes für die Umweltpolitik in Deutschland ist seit längerer Zeit sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der politischen Auseinandersetzung unstrittig.1 Die großen, mitgliederstarken Umweltschutzverbände GREENPEACE, BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND,2 NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND,3 WORLD WIDE FUND FOR NATURE,4 BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ,5 aber auch kleinere, häufig auf Spezialthemen fokussierte Institutionen wie die VERBRAUCHERINITIATIVE oder der VERKEHRSCLUB DEUTSCHLAND haben erheblich zur breiten Politisierung der Ökologiediskussion beigetragen. Über Formen des direkten Protests (z. B. Demonstrationen, Kaufboykott), besonders aber durch Medien- und Lobbyarbeit haben sie seit Mitte der 70er Jahre eine umfassende gesellschaftliche Diffusion des Umweltschutzgedankens erzielt. Der sicherlich auffälligste Beleg dafür ist die Partei der GRÜNEN, die sich seit 1979 als - nach Wählerstimmen - drittstärkste politische Kraft etabliert hat.6 So unbestritten und inzwischen auch in den Sozialwissenschaften hinreichend analysiert die politische Bedeutung des organisierten Umweltschutzes ist, so gering ist dessen Beachtung im Hinblick auf marktliche Prozesse. Dabei lassen sich verschiedene Ebenen unterscheiden. Umweltschutzverbände können: • durch Verbraucherinformation zur Ökologisierung von Konsumentscheidungen beitragen, • in Form einer ökologischen Unternehmensberatung den betrieblichen Umweltschutz fördern,7 • eigene Vermarktungsanstrengungen für umweltfreundliche Produkte unternehmen (z. B. Panda-Versand des WWF8 oder ökologische Subskriptionskonzepte wie GREENFREECE, der Kühlschrank von FORON und GREENPEACE)9 und 1 2 3 4 5 6 7 Vgl. Stamm, K.-H., Alternative Öffentlichkeit, Frankfurt a. M., New York 1988, S. 154 ff. BUND. NABU. WWF. BBU. Vgl. hierzu Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Umweltgutachten 1996, Stuttgart 1996, S. 226 Vgl. Fußer, A., BUND und Hertie: Als grüner Lotse auf einem Containerschiff? Bericht einer (noch) ungewöhnlichen Zusammenarbeit, in: Wild, W., Held, M. (Hrsg.), Umweltorientierte Unternehmenspolitik - Erfahrungen und Perspektiven, Tutzinger Materialien Nr. 72, Tutzing 1993, S. 58 - 62 und Will, S., Hertie und BUND - eine Kooperation im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie, 6 • durch das Konsumverhalten ihrer eigenen Mitglieder zur Verbreitung ökologischer Innovationen beitragen. Speziell der letzte Punkt ist für Deutschland im Schrifttum bisher u. W. nicht umfassend untersucht.10 Studien aus den USA sind aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen Ausgangssituation nur begrenzt übertragbar.11 Sie zeigten jedoch interessante Ergebnisse. Der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten (Korrelationswert = 0,59) und zwischen Wissen und Verhalten (0,61) ist demnach für Umweltverbandsmitglieder ausgesprochen hoch.12 Im folgenden soll daher der Frage nachgegangen werden, wie sich die Mitglieder eines Umweltschutzverbandes in ihrer Rolle als Konsumenten verhalten, inwieweit sie sich in ihrem Umweltbewußtsein von dem Durchschnitt der Bevölkerung abheben und ob ihnen die Funktion ökologieorientierter Konsuminnovatoren zukommt.13 Durch die Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. konnte - in Form einer schriftlichen Befragung - direkt auf die Mitglieder eines der führenden Umweltschutzverbände Zugriff genommen werden. Auf Basis eines ausführlichen Fragebogens wurden Einstellungen und Verhaltensweisen für zahlreiche ökologische Handlungsfelder erhoben. Vergleichswerte zur Einordnung dieser Ergebnisse liefert eine im Vorfeld (1996) durchgeführte allgemeine Bevölkerungsbefragung.14 Bei der Gegenüberstellung der Daten zeigen sich interessante Parallelen, aber auch weitreichende Unterschiede in Bewußtsein und Verhalten. 8 9 10 11 12 13 14 FFU-Report 94-6 der FU Berlin, Berlin 1994 und Aulinger, A., (Ko-)Operation Ökologie: Kooperationen im Rahmen ökologischer Unternehmenspolitik, Marburg 1996. Der Panda-Versand des WWF erzielt einen Jahresumsatz von ca. 120 Mio. DM mit Ökoprodukten, der Greenpeace-Verlag ca. 10 Mio. und der BUND-Laden rund 1 Mio; vgl. Hüchtker, I., Umweltverbände setzen auf Service, in: BUNDmagazin, Nr. 4/1997, S. 29. Vgl. Härlin, B., Die Greenfreeze-Erfahrung, in: Hellenbrandt, S., Rubik, F. (Hrsg.), Produkt und Umwelt. Anforderungen, Instrumente und Ziele einer ökologischen Produktpolitik, Marburg 1994, S. 221 232. Vgl. die Ergebnisse bei Kals, E., Verantwortliches Umweltverhalten, Weinheim 1996, S. 101. Vgl. de Haan, G., Kuckartz, U., Umweltbewußtsein, Opladen 1996, S. 105 f. Vgl. ebenda. Erste deutsche Sondierungsstudien ergeben geringere Werte, vgl. ebenda, S. 114. Der Anteil der Umweltverbandsmitglieder an der Gesamtbevölkerung liegt bei ca. 1,2 %, vgl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Jahresgutachten 1996, a. a. O., S. 232. Vgl. die ausführliche Dokumentation in Bodenstein, G., Spiller, A., Elbers, H., Strategische Konsumentscheidungen: Langfristige Weichenstellungen für das Umwelthandeln - Ergebnisse einer empirischen Studie, Diskussionsbeitrag des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg Nr. 234, Duisburg 1997. 7 Zunächst soll jedoch ein kursorischer Überblick über die zur Zeit diskutierten Modelle der ökologischen Konsumforschung und damit auch über die eigene Forschungskonzeption gegeben werden. In der sozialwissenschaftlichen Analyse des umweltbezogenen Verbraucherhandelns finden sich unterschiedliche Ansätze und Bewertungsmaßstäbe, ohne deren Kenntnis eine Einordnung der später referierten Ergebnisse nicht möglich ist. 2 Zum Stand der ökologischen Konsumforschung Die umweltbezogene Konsumforschung ist durch relativ unterschiedliche Herangehensweisen gekennzeichnet, die sich im wesentlichen auf zwei Ausgangspunkte zurückführen lassen. Zum einen geht es um die Frage, welche inhaltlichen Themenfelder aufgegriffen und welche Bewertungsmaßstäbe an Umweltbewußtsein und Umweltverhalten gelegt werden. Hier kann zwischen einer traditionellen, eher an symbolischen Problemstellungen orientierten und einer auf die neueren Konzepte des nachhaltigen Wirtschaftens bezogenen Richtung unterschieden werden. Zum anderen gibt es verschiedene sozialpsychologische Modelle, die der Forschung zugrunde liegen können. Hier kann grob in eine makro- und eine mikrosoziologische Richtung differenziert werden. 2.1 Umweltpolitische Forschungsprämissen Zunächst zur inhaltlichen Konkretisierung: Die neuere Diskussion um die Ökologisierung von Konsumhandlungen ist bereits in den Kontroversen der 60er und 70er Jahre angelegt, die u. a. Fragen des qualitativen Wachstums, der Ressourcenverknappung, der Überflußgesellschaft und der Lebensqualität zum Gegenstand hatten. Solche grundsätzlichen Überlegungen zum Beginn der Umweltdiskussion sind jedoch später der Abfall- und Schadstoffokussierung (Mehrweg, Phosphate, FCKW usf.) zum Opfer gefallen. Mit der Debatte um ein sustainable development und stoffstromorientierte Nachhaltigkeitskriterien werden zwar heute weitreichende politische Handlungsziele für eine zukunftsfähige Lebensweise vorgeschlagen 8 („Faktor 10“),15 auf der Ebene der Akteure dominieren jedoch noch immer Mülltrennung und Einzelstoffsubstitution. Dieser Zwiespalt charakterisiert auch die umweltorientierte Konsumforschung. In vielen Untersuchungen werden die neueren Forschungsergebnisse der naturwissenschaftlichen Ökologiediskussion nicht zur Kenntnis genommen. Die Vorstellungen über die prioritären Handlungsfelder eines umweltorientierten Konsumhandelns sind ausgesprochen defizitär; mit Umweltschutz werden in der Konsumforschung wie auch in der Bevölkerung Themenfelder wie Abfallverwertung oder Kunststoffvermeidung verbunden, die i. S. der Nachhaltigkeitsdebatte eher randständig sind. Der Nachhaltigkeitsbegriff bezieht sich im Ausgangspunkt auf die sog. Managementregeln für Sustainability:16 - Stoffeinträge in die Umwelt dürfen die Funktionen der Ökosphäre nicht beeinträchtigen und damit die Assimilationskapazität des Ökosystems nicht überschreiten. - Die Abbaurate erneuerbarer Ressourcen darf die Regenerationsrate nicht überschreiten, so daß eine Beibehaltung des ökologischen Realkapitals gewährleistet ist. - Nicht erneuerbare Ressourcen sind nur in dem Umfang zu verwenden, wie gleichzeitig ein physisch äquivalenter Ersatz in Form erneuerbarer Rohstoffe oder deren höherer Produktivität geschaffen wird. Trotz unterschiedlicher Interpretation dieser Grundsätze kommen verschiedene Studien übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß eine global verträgliche Wirtschaftsstruktur eine drastische Reduktion des Stoff- und Energieverbrauchs voraussetzt. Als Beispiel sei ein einfaches Rechenexempel angeführt, das die Herausforderungen der globalen Ressourcenreduktion 15 16 Vgl. Bleischwitz, R. et al., Zukunftsfähiges Deutschland, Wuppertal 1995. Trotz aller Differenzen bei der Interpretation des Begriffs sowie konträrer Vorstellungen über die anzuwendenden Instrumente besteht ein breiter politischer Konsens über die Notwendigkeit, Umweltgüter inter- und intragenerativ ausgeglichener zu verteilen. Hinzu kommt die Einsicht in die zunehmenden Interdependenzen sozialen, ökonomischen und ökologischen Fortschritts. Letztlich wird deutlich, daß der gegenwärtige ökonomische Entwicklungspfad den Kriterien einer dauerhaften Entwicklung nicht gerecht wird. Der Wirtschafts- und Lebensstil der westlichen Industrienationen ist nicht global verallgemeinerungsfähig. Vgl. ausführlich zur Begriffsgeschichte Harborth, H.-J., Dauerhafte Entwicklung statt globaler Selbstzerstörung: eine Einführung in das Konzept des "Sustainable Development", 2. Aufl., Berlin 1993 und die zusammenfassende Übersicht bei Vornholz, G., Majer, H., Sustainable Development - Zur Konzeption einer ökologisch tragfähigen Entwicklung, in: WISU, Nr. 7/1994, S. 626 - 632. Vgl. Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Verantwortung für die Zukunft. Wege zum nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen, Bonn 1993, S. 25 f., Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Umweltgutachten 1994, Bundestagsdrucksache 12/6995, S. 84 und Vornholz, G., Majer, H., a. a. O., S. 630 f. 9 verdeutlicht, wenn man inter- und intragenerative Verteilungsgerechtigkeit ernst nimmt:17 Die weltweiten CO2-Emissionen betragen heute rd. 20 Mrd. Tonnen pro Jahr. In den Industrieländern liegt die Pro-Kopf-Emission durchschnittlich bei ca. 16 t p. a., in den Entwicklungsländern bei ca. 1 t. Nach den von der deutschen Politik akzeptierten Erkenntnissen der Klimaforschung müssen die weltweiten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 halbiert werden, damit die Erwärmung der Erdatmosphäre nicht außer Kontrolle gerät.18 Zugleich wird aber die Erdbevölkerung von heute ca. 5 Mrd. auf möglicherweise rund 10 Mrd. Menschen ansteigen.19 Bei gleichem Recht auf CO2-Emission für alle Menschen ergibt sich, daß die Pro-KopfEmission in den Industrieländern auf ungefähr 1/16 des heutigen Wertes sinken müßte. Da CO2 mit end of the pipe-Technologien kaum begrenzt werden kann, bedeutet dies eine entsprechende Reduktion des Verbrauchs fossiler Energieträger. Ähnliche Größenordnungen werden auch an anderer Stelle und auf politischer Ebene diskutiert.20 Der entscheidende Unterschied zu traditionellen Ansätzen der Konsumforschung ist, daß es mit dem Fokus auf die generelle Reduktion von Stoff- und Energieströmen möglich wird, die vielfältigen Konsumfelder auf ihre umweltpolitische Relevanz zu untersuchen und vergleichend zu bewerten. Für die Diskussion um ein nachhaltiges Verbraucherverhalten liefern solche Daten Hinweise auf Reduktionsfelder und Prioritäten. Abb. 1 zeigt die Ergebnisse einer Studie, die den durchschnittlichen Ressourcen- und Energieverbrauch pro Kopf auf wichtige Bedürfniskategorien herunterbricht. 17 18 19 20 Die folgenden Ausführungen gehen auf einen Vortrag von R. Loske auf einem Workshop des BUND und des Wuppertal-Instituts zum Thema "Zukunftsfähiges Deutschland/Sustainable Germany" am 09.03.1994 in Frankfurt zurück (Mitschrift des Verfassers), vgl. auch Matthes, F. C., Nachhaltige Energiewirtschaft, in: Nutzinger, H. G. (Hrsg.), Nachhaltige Wirtschaftsweise und Energieversorgung, Marburg 1995, S. 154. Vgl. Nutzinger, H. G., Zahrnt, A., Ökologisch-soziale Marktwirtschaft und Instrumente der Umweltpolitik, in: Kurz, R., Zahrnt, A. (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt, Bonn 1994, S. 10. Vgl. Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Deutschen Bundestages (Hrsg.), a. a. O., S. 37, wo sogar ein Bevölkerungswachstum auf 15 Mrd. Menschen für möglich gehalten wird. Es gibt aber auch deutlich niedrigere Schätzungen. Die Bandbreite der Prognosen verdeutlicht ein neuer UN-Bericht, vgl. dazu Simonitsch, P., Die Zahl der Menschen auf der Erde wächst - oder sie sinkt, in: FR vom 07.02.1998, S. 26. Vgl Schmidt-Bleek, F., Wieviel Umwelt braucht der Mensch? MIPS - das Maß für ökologisches Wirtschaften, Berlin 1994, Baccini, P., Brunner, P. H., Metabolism of the Anthroposphere, Berlin, Heidelberg u. a. 1991 und Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Deutschen Bundestages (Hrsg.), a. a. O., S. 56. 10 Abb. 1: Verteilung des Material- und Energieverbrauchs auf die verschiedenen Bedürfnisfelder in Deutschland Bedürfnisfeld Materialverbrauch Energieverbrauch 29 % 20 % 13 % 9% 6% 6% 5% 12 % 32 % 20 % 17 % 12 % 6% 5% 4% 4% Wohnen Ernährung Freizeit Gesundheit Bekleidung Gesellschaftliches Zusammenleben Bildung Sonstiges Quelle: Eigene Darstellung nach Bleischwitz, R. et al. a. a. O., S. 74 ff. In den im weiteren vorgestellten Studien haben wir - soweit möglich - versucht, die sozialpsychologische Umweltbewußtseinsforschung auf diese Nachhaltigkeitsebene und die angesprochenen zentralen Problemfelder zu beziehen. Auf diesem Weg lassen sich diejenigen Handlungsfelder identifizieren, in denen die privaten Haushalte schwerpunktmäßig Materialströme induzieren und Energie verbrauchen.21 Es sind Fragen wie Haustyp, Wohnungsgröße, Heizungsart und -nutzung, Verkehrsträgerbesitz, Flugverkehr und regionale, ökologisch produzierte Lebensmittel, die für die realen Effekte des Konsumhandelns ausschlaggebend sind. Dagegen sind die häufig abgefragten Kriterien wie Benutzung von Plastiktüten, Dosengetränken, Kauf von Milchmehrwegflaschen, Waschmittelwahl, Teilnahme am Dualen System, Fahrgeschwindigkeit, Autokatalysator u. ä. von eher symbolischer Bedeutung. Beispielhaft verdeutlicht: Ein Urlaubsflug in die Karibik konterkariert die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Innenstadt für Jahrzehnte; gegen den Kauf von Eigenheimen und Autos wirken die häuslichen Abfalltrennbemühungen wie „Peanuts“. 2.2 Sozialwissenschaftliche Methodik Neben der Frage des Bewertungsmaßstabes ist die zugrundeliegende sozialwissenschaftliche Methodik wichtig für die Einordnung der Ergebnisse. Die Umweltbewußtseinsforschung analysiert in einer makro-soziologischen Variante die Herausbildung von ökologiebezogenen Lebensstilen. Diese werden als relativ dauerhafte Verhaltens- und Selbstdarstellungsmuster begriffen, nach denen Gruppen von Menschen ihr Alltagsleben organisieren. In Le21 Vgl. Raimund Bleischwitz et al., a. a. O., S. 74 ff. 11 bensstilen spiegeln sich sowohl objektive Bedingungslagen als auch subjektive Möglichkeiten, eigene Werte und Ziele zu verfolgen. Die umweltbezogene Lebensstilforschung knüpft zunächst an die von INGLEHART (1977) postulierte These der „stillen Revolution“ an, nach der konsumfernere, post-materialistische Werte wie Selbstverwirklichung, soziale Anerkennung oder Erlebnisorientierung mit den nachwachsenden Generationen an Dominanz gewinnen und damit gleichzeitig umweltfreundlichere Lebensweisen begründen.22 Heute muß diese Vision eines grundlegenden gesellschaftlichen Wertewandels als widerlegt und als Artefact der politischen Diskussion der 70er Jahre gelten. Die realen Entwicklungen sind eher durch Stichworte wie Pluralisierung der Lebensstile, Werteerosion und Individualisierung zu beschreiben, wobei in den diversen Lebensstilgruppen höchst unterschiedliche Kombinationen umweltfreundlichen und umweltschädlichen Verhaltens zu beobachten sind; ein Gemisch, das mit der Bezeichnung ökologisch-ambivalente Patchwork-Lebensstile treffend etikettiert wird.23 Die Kerngruppe der Ökopioniere ist in keiner Lebensstilgruppe mehrheitsfähig, ihr disperser Anteil am Gesamt der Bundesbürger wird auf deutlich unter 10 % geschätzt.24 Die - im folgenden im Vordergrund stehende - mikro-soziologische Richtung fokussiert im Gegensatz zur Lebensstilforschung auf die einzelnen Akteure und analysiert die Zusammenhänge zwischen Bewußtsein (Einstellung) und Handeln. Forschungsschwerpunkte bilden die Größe des umweltorientierten Marktsegmentes, die Suche nach Einflußfaktoren, insbesondere die Analyse der sozialen Basis des Umweltbewußtseins (Ausbildungsniveau, Alter, Geschlecht usw.) und die Abhängigkeiten zwischen Einstellung und konkretem Handeln. Formuliert man einfache Fragen zur generellen Bedeutung des Umweltschutzes, so stufen sich ca. 90 % der Bundesbürger als umweltbewußt ein.25 Bei Studien, die sich „härterer“ Kriterien (konkrete Wissensfragen, tatsächliches umweltpolitisches Engagement etc.) bedienen, ist der Anteil der umweltbewußten Bürger jedoch eher mit der oben referierten Lebensstilforschung vergleichbar: Weniger als 10 % der Konsumenten haben sich bisher ernsthaft mit Umweltschutzfragen auseinandergesetzt.26 Umstritten ist vor allem der Zusammenhang zwischen Umweltbewußtsein und -verhalten. I. d. R. ist er wenig ausgeprägt; zusätzlich finden sich erhebliche Unterschiede im Umwelthandeln 22 23 24 25 Vgl. den Überblick bei Wiswede, G., Der „neue Konsument“ im Lichte des Wertewandels, in: Szallies, R., Wiswede, G. (Hrsg.), Wertewandel und Konsum, Landsberg/Lech 1990, S. 11 - 40. Vgl. Reusswig, F., Die Gesellschaft der Lebensstile. Zur modernen Lebensstilforschung und ihrer ökologischen Bedeutung, in: Politische Ökologie, Nr. 33/1993, S. 6 - 9. Vgl. Gillwald, K., Ökologisierung von Lebensstilen, WZB-Paper FS III 95-408, Berlin 1995, S. 18. Vgl. ebenda, S. 30. 12 des einzelnen Individuums, das mal mehr und mal weniger umweltfreundlich agiert: Patchwork-Handeln auch auf der Ebene der Akteure. Diese Inkonsistenzen lösten eine Art pragmatische Wende in der Umweltbewußtseinsforschung aus: Gesucht wurde nach Barrieren, die den postulierten Bewußtseins-Verhaltens-Zusammenhang behindern könnten; etwa: fehlende Kenntnisse, mangelnde Akzeptanz von Eigenverantwortung, Habitualisierungen, Trittbrettfahrerverhalten, vermutete Effizienznachteile, Echtheitszweifel usw.27 Viele dieser Probleme können auf ein defizitäres Umweltmarketing (z. B. auf Abschöpfungspreisstrategien, geringe Distributionsdichte, fehlende Beratung) oder auch auf allgemeine Infrastrukturmängel (z. B. Trennung von Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeitangeboten) zurückgeführt werden. 3 Umweltschützer: Einstellung und Verhalten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 3.1 Zusammenfassung der Ergebnisse der allgemeinen Bevölkerungsbefragung Die Grundkonzeption der nachfolgend referierten Studien zielt auf die Verbindung von Einstellungsforschung und Nachhaltigkeitsdebatte. Wir haben - soweit möglich - die prioritären Determinanten ökologischen Konsums einbezogen und nach ihrem Anteil am Material- und Energieverbrauch bewertet. Hinsichtlich der Befragungszielgruppe sind wir zweistufig vorgegangen. Zunächst wurden 1996 in einer mündlichen Befragung 287 Personen interviewt, die nach Quotenvorgaben ausgewählt wurden und - tendenziell - repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung stehen. Die Ergebnisse dieser Studie sind bereits an anderer Stelle ausführlich wiedergegeben und werden daher im folgenden nur zusammenfassend aufgeführt. Die allgemeine Bevölkerungsbefragung ergab stichworthaft folgende Zusammenhänge:28 • Das Wissen um ökologische Zusammenhänge und insbesondere das umweltbezogene Marktwissen der Verbraucher (z. B. Umweltprodukte/-kennzeichen) ist auffallend gering. 26 27 28 Vgl. unten. Vgl. z. B. Bänsch, A., Marketingfolgerungen aus den Gründen des Nichtkaufs umweltfreundlicher Konsumgüter, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Nr. 4/1990, S. 360 - 379. Vgl. ausführlich Bodenstein, G. et al., a. a. O., S. 42 ff. 13 • Die gefühlsmäßige Betroffenheit der Bürger ist gespalten: Auf der einen Seite gibt es eine große Verunsicherung und erhebliche Ängste; auf der anderen Seite steht die geringe direkte (eigene) Wahrnehmung von Umweltproblemen. Vieles deutet auf den hohen Stellenwert der Medien für die Vermittlung der Umweltschutzdiskussion hin. • Auch bei den Fragen zur Handlungsbereitschaft zeigt sich ein differenziertes Bild. Einer hohen Verbreitung einfacher Maßnahmen (z. B. Beteiligung an Unterschriftenaktionen) steht die geringe Bereitschaft zu weitreichendem Engagement gegenüber. • Insgesamt ist der Anteil der ernsthaft umweltorientierten Bürger, bei denen ein etwas tiefergehendes Involvement in den Umweltschutz zu vermuten ist, sehr gering. Die bei weitem größte Gruppe ist die der Mitläufer, die zwar eine sehr positive affektive Bewertung des Umweltschutzes aufweist, aber aufgrund fehlender Kenntnisse und Handlungsbereitschaften nicht als aktiver Promotor in Frage kommt. Abb. 2: Einstellung zum Umweltschutz in Deutschland 1996 BewußtseinsTypen Clustergröße Kurzcharakteristik • hohes Umweltwissen • ausgeprägtes und vielfältiges Engagement (Spenden, Demonstrationen, fast alle sind Mitglied einer Umweltschutzorganisation) Umweltorientierte 8% • selbstkritische Einschätzung des eigenen Verhaltens, große Angst vor Umweltverschmutzung • sehr hohes Bildungsniveau, kleinere Haushaltsgröße • sehr positive affektive Bewertung des Umweltschutzes (z. B.: sehr häufig Angst vor Umweltverschmutzung, hohes Risikobewußtsein, Wut auf die Verantwortlichen, Umwelt eher wichtiger als Wirtschaftswachstum) Mitläufer 56 % • aber weitgehend passiv und • fast ohne Umweltwissen • gleichgültige oder ablehnende Haltung zum Umweltschutz (mehr als die Hälfte glaubt, daß Medien beim Umweltschutz übertreiben, halten Umweltschützer überwiegend für Besserwisser, starke Präferenz für Wirtschaftswachstum, Neigung zu Fatalismus und Hedonismus) Ablehner 36 % • fast kein Umweltwissen • kein Engagement • älter, leicht unterdurchschnittliches Bildungsniveau Quelle: Bodenstein, G., Spiller, A., Elbers, H., a. a. O., S. 58 • Vergleicht man Bewußtsein und Handeln, zeigen sich folgende Ergebnisse: Es gibt zwar einen Zusammenhang zwischen den typischen, gesellschaftlich verbreiteten Umwelthandlungen (z. B. Abfalltrennung) und dem Umweltbewußtsein, aber keine (auch noch so schwache) Korrelation zwischen Umweltbewußtsein und dem Umweltgesamtverhalten i. S. des Nachhaltigkeitsansatzes. 14 • Nur die kleine Gruppe der Umweltorientierten verhält sich auch bei den energie- und materialintensiven Feldern (Wohnen, Verkehr) etwas ökologischer, was angesichts der geringen Clustergröße nicht auf den Gesamtzusammenhang durchschlägt. • Eine hochsignifikante Korrelation besteht allerdings zwischen Umweltverhalten und Haushaltseinkommen. In den zentralen Handlungsfeldern Wohnen und Verkehr geht ein steigendes Einkommen mit einer erheblich höheren Umweltbelastung einher. Die Korrelation zwischen Haushaltseinkommen und Gesamtverhaltensindex beträgt 0,28; der Zusammenhang fällt noch deutlicher aus, wenn man die Zahl der Personen pro Haushalt berücksichtigt und damit auf das pro-Kopf-Einkommen rekurriert. Dann liegt die Korrelation zwischen 0,42 und 0,76: ein für die Umweltforschung ausgesprochen hoher Zusammenhang! Abb. 3: Korrelationen zwischen Einkommen und Umweltverhalten nach Haushaltsgröße Pearsons R Signifikanzniveau 1 Person 0,5051 0,000 Haushaltsgröße 2 Personen 3 Personen 4 Personen 0,4132 0,4673 0,4230 0,000 0,004 0,050 5 Personen 0,7619 0,028 Quelle: Bodenstein, G. et al., a. a. O., S. 81 Insgesamt handelt es sich um ein eher ernüchterndes Ergebnis. Offensichtlich ist die Wirkung der ökologischen Einstellung auf das Umweltverhalten (i. S. eines nachhaltigen Umweltschutzes) eher gering und wird durch Hintergrundvariablen wie das Einkommen überdeckt. Größer ist der Zusammenhang zwischen den traditionellen Handlungsfeldern des Umweltschutzes und der Einstellung. Aus dieser gespaltenen Konsistenz zwischen Einstellung und Verhalten können zwei sich widersprechende Schlußfolgerungen gezogen werden: • In den für den nachhaltigen Konsum wichtigen Bereichen (Wohnen, Verkehr usf.) sind Verhaltensänderungen nur sehr schwer zu erreichen, da sie für den Einzelnen mit hohen (Transaktions-)Kosten verbunden sind. Die Wirkung des Umweltbewußtseins reicht an dieser Stelle nicht aus, die ökonomischen Barrieren und die Bequemlichkeitshürde der Bürger zu überspringen.29 Notwendig wären direkte Eingriffe des Staates auf der Verhaltensebene, z. B. durch ordnungsrechtliche Regelungen (z. B. Stoffverbote) und marktliche Anreizmechanismen (z. B. Öko-Steuern).30 29 30 So etwa Diekmann, A., Preisendörfer, P., Persönliches Umweltverhalten. Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, in: KZfSS, Nr. 2/1992, S. 226 - 252. Zum umweltpolitischen Instrumentenmix des Staates vgl. Kemper, M., Das Umweltproblem in der Marktwirtschaft: wirtschaftstheoretische Grundlagen und vergleichende Analyse umweltpolitischer Instrumente in der Luftreinhalte- und Gewässerschutzpolitik, Berlin 1989. 15 • Das ökologische Wissen und die Betroffenheit der meisten Bürger ist gering; Motivation und Engagement sind bisher nur bei einer kleinen Kerngruppe von Umweltschützern vorhanden. Insofern ist auch nur dort tatsächlich mit Verhaltensänderungen zu rechnen. Die Hoffnung auf eine Konsumwende muß nicht aufgegeben werden, sie setzt jedoch erhebliche Informations- und Motivationsmaßnahmen voraus. Die Untersuchung der Mitglieder eines großen Umweltschutzverbandes und damit derjenigen Personen, die durch überdurchschnittliche Kenntnisse und ein hohes Involvement charakterisiert sein müßten, trägt möglicherweise zur Klärung der Frage bei, welche Relevanz den Konsumenten bei der Ökologisierung des Wirtschaftens zukommen kann. Zeigen sich hier größere Verhaltensfortschritte oder reicht auch bei BUND-Mitgliedern das ökologische Bewußtsein nicht für eine nachhaltige Konsumwende aus? Politisch engagierte Umweltschützer sind insofern eine gute Testgruppe für die Möglichkeiten und Grenzen einer Veränderung des Verbraucherverhaltens. 3.2 Befragung von BUND-Mitgliedern 3.2.1 Zum Untersuchungsdesign Die Befragung von Umweltverbandsmitgliedern zum Umweltbewußtsein und -verhalten zielt in erster Linie auf die Analyse der Handlungsrelevanz von Einstellungsänderungen. Ihr liegt die Hypothese zugrunde, daß die Mitgliedschaft in einem Umweltverband ein valider Indikator für ein hohes Umweltbewußtsein ist. Das Cluster der Umweltorientierten in der Gesamtbevölkerung ist relativ klein und wohl kaum in einer anderen Form so eindeutig zu identifizieren. Mit der Betrachtung von Umweltverbandsmitgliedern wird darüber hinaus eine interessante Zielgruppe des ökologieorientierten Innovationsmarketing erfaßt. Bekanntermaßen verläuft die Diffusion umweltfreundlicher Produkte eher zögernd, so daß durch die Analyse und Beschreibung einer wichtigen Käufergruppe Hinweise für die Markteinführung von Umweltprodukten gewonnen werden können.31 Aus Marketingsicht interessiert die Eignung von Umweltverbandsmitgliedern als Pionierkäufer mit entsprechenden Meinungsführeraktivitäten. 31 Theoriegeleitete Erklärungsmuster für die Barrieren bei der Vermarktung ökologischer Produkte finden sich bei Spiller, A., Ökologieorientierte Produktpolitik, Marburg 1996. 16 Schließlich gibt die Untersuchung dem BUND - in Form eines Exkurses - Hinweise für eigene Schritte i. S. der Mitgliederinformation und der Verbandsstrategie, z. B. hinsichtlich zukünftiger Themenschwerpunkte und Social-Marketingkampagnen.32 Durchgeführt wurde die Befragung in schriftlicher Form in den Monaten Januar und Februar 1997. Dabei wurde ein mit der allgemeinen Bevölkerungsbefragung (vgl. oben) weitgehend identischer Fragebogen verwendet, um Vergleichswerte für die Kerngruppe der Umweltschützer zu gewinnen.33 Zur Beantwortung des Fragebogens dürften die Probanden ca. 1 Stunde benötigt haben. Angeschrieben wurden 250 Mitglieder des BUND, die über 18 Jahre alt sind und dem Verband mindestens 5 Jahre angehören, nach einer Zufallsauswahl.34 Die Rücklaufquote betrug 48,8 % (122 verwertbare Antworten) und liegt damit erheblich höher als bei vergleichbaren schriftlichen Untersuchungen. Die positive Resonanz kann zum einen auf das hohe Interesse am Befragungsthema und zum anderen auf ein unterstützendes Begleitschreiben der BUND-Geschäftsführung zurückgeführt werden. Der BUND ist mit 228.543 Mitgliedern der zweitgrößte deutsche Umweltverband.35 GREENPEACE verfügt zwar über erheblich mehr (Förder-)Mitglieder (ca. 500.000), jedoch ist zu berücksichtigen, daß der Anteil der aktiven Mitarbeiter beim BUND besonders hoch ist. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, die engagierte Kerngruppe der Umweltschützer zu erfassen, bei einer Befragung von BUND-Mitgliedern gut.36 Der BUND wurde 1975 gegründet und ist ein föderal und demokratisch strukturierter Verband, der in erheblichem Maße auf die ehrenamtliche Mitarbeit seiner Mitglieder angewiesen ist. Die Zahl der Verbandsmitglieder nimmt kontinuierlich, wenn auch mit stark schwankenden Wachstumsraten zu. Räumlich ist der BUND speziell in Bayern und Baden-Württemberg stark vertreten, während die Präsenz in 32 33 34 35 36 Zum Social-Marketing vgl. Meffert, H., Marketing. 8. Aufl., Wiesbaden 1998, S. 1183 ff. Der Fragebogen ist in Anhang 1 wiedergegeben. Ein Vergleich der Altersstruktur der Stichprobe mit der Mitgliedsstatistik des BUND zeigt nur geringe Unterschiede; es haben etwas mehr jüngere Mitglieder geantwortet, während sich Personen über 70 Jahre weniger beteiligt haben. Vgl. BUND (Hrsg.), Mitgliederstatistik 1996, Bonn 1997, S. 1.; zur Übersicht über die deutschen Umweltverbände vgl. Cornelsen, D., Anwälte der Natur, Umweltschutzverbände in Deutschland, München 1991, Leonard, M., Umweltverbände. Zur Organisation von Umweltinteressen in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1986, Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Umweltgutachten 1996, a. a. O., S. 222 ff., Hengsbach, F. et al., Die Rolle der Umweltverbände in den demokratischen und umweltethischen Lernprozessen der Gesellschaft, Stuttgart 1996 und Anhang 2. Auch ist zu vermuten, daß sich an der Befragung eher die engagierten Mitglieder als die "Karteileichen" beteiligt haben. 17 den neuen Bundesländern gering ist.37 Insgesamt kann man einen deutlichen Anstieg der Mitgliederzahl bis Mitte der 80er Jahre beobachten.38 Danach ging der prozentuale Mitgliederzuwachs beständig zurück, um Mitte der 90er Jahre seinen Tiefpunkt zu erreichen. Das Wachstum von 4,1 % im Jahr 1996 wird vom BUND auf eine verstärkte Mitgliederwerbung zurückgeführt.39 In soziodemographischer Hinsicht dominiert im BUND wie auch in anderen Umweltverbänden der wirtschaftlich abgesicherte Mittelstand mit hohem Bildungsniveau, speziell Angehörige sozialer und pädagogischer Berufe.40 Abb. 4: Mitgliederentwicklung des BUND Zeitpunkt Mitgliederzahl Netto-Zuwachs p. a. in % 31.12.1982 73.169 12,8 31.12.1985 121.844 12,5 31.12.1990 194.648 8,4 31.12.1991 203.332 4,5 31.12.1992 209.370 3.0 31.12.1993 213.478 2.0 31.12.1994 215.306 0,9 31.12.1995 219.472 1,9 31.12.1996 228.543 4,1 Quelle: Böhl, M., Trendanalyse: Wo wächst der BUND? in: BUNDSCHAU, Nr. 4/1997, S. 20 f. Inhaltlich teilt sich die Befragung in zwei größere Abschnitte. Der erste Teil der Untersuchung richtet sich auf die Ermittlung des Umweltbewußtseins, operationalisiert als Einstellungskonstrukt. Im zweiten Teil geht es um das Verhalten der Probanden. Hier liegt der Fokus auf einer breiten, an den ökologischen Schwerpunkten orientierten Erfassung der Handlungsfelder. Die Auswertung erfolgte computergestützt mittels des Statistikprogramms SPSS für Windows. 37 38 39 40 Vgl. Böhl, M., Trendanalyse: Wo wächst der BUND? in: BUNDSCHAU, Nr. 4/1997, S. 19-21. Interessant ist, daß Tschernobyl (1986) dem BUND keinen Mitgliederaufschwung brachte. Vgl. Böhl, M., a. a. O., S. 20. Vgl. auch Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Jahresgutachten 1996, a. a. O., S.232. 18 3.2.2 Umweltbewußtsein Der Erhebung des Umweltbewußtseins liegt das klassische Drei-Komponenten-Modell der Einstellungsforschung zugrunde:41 Umweltwissen, emotionale Betroffenheit und Handlungsbereitschaft. Kognitive Komponente: Für die allgemeine Bevölkerung hatten wir einen insgesamt sehr niedrigen Wissensstand festgestellt. Im Vergleich dazu sind die Kenntnisse der BUND-Mitglieder wesentlich umfangreicher und detaillierter und zwar auch dann, wenn man berücksichtigt, daß der Wissensstand bei einer schriftlichen Befragung durch Bedenkzeit und Informationsmöglichkeiten generell höher ausgewiesen wird. So geben bei der Frage nach Kennzeichen für die Umweltfreundlichkeit von Lebensmitteln nur wenige Probanden den "GRÜNEN PUNKT" an (3,4 % gegenüber 24,4 % in der Gesamtbevölkerung), deutlich häufiger werden dagegen die validen Kennzeichen des ökologischen Landbaus (DEMETER: 52,9 % gegenüber 9,8 %, BIOLAND 43,7 % gegenüber 9,4 %) erwähnt.42 Auch Spezialzeichen wie etwa ECOVIN oder Themen wie der Streuobstwiesenanbau werden hier genannt. 41 42 Vgl. zur Einstellungsmessung den Überblick bei Geise, W., Einstellung und Marktverhalten, Thun u. a. 1984. Zum Vergleich: Der ungestützte Bekanntheitsgrad von Handelsmarken wie A&P (49 %), Die Weißen (43 %), Erlenhof (35 %) und Tandil (35 %), aber auch der marktführenden Zahncrememarken Colgate (44,4 %), Signal (41,7 %) und Blend-a-med (41 %) liegt in der allgemeinen Bevölkerung in einer ähnlichen Höhe; vgl. o. V., Marke ist Marke, in: w & v, Nr. 7/1996, S. 26 und o. V., Das Lachen der Nation hat drei Namen, in: w & v, Nr. 18/1996, S. 94. 19 Abb. 5: Ungestützter Bekanntheitsgrad von umweltfreundlichen Kennzeichnungen bei Lebensmitteln Kennen Sie Bezeichnungen oder Kennzeichnungen, die auf die Umweltfreundlichkeit von Lebensmitteln hinweisen (Mehrfachantworten möglich!) Nennungen in Prozent der Fälle 63 51,6 Demeter 52 42,6 Bioland Blauer Engel 30 24,6 18 14,8 Aus ökologischem Anbau 15 12,3 Naturland 7 5,7 Ecovin 5 4,1 Naturkind je 4 je 3,3 Streuobstwiesen, Neuland, Grüner Punkt, Reformkost je 3 je 2,5 Agöl, Anog, Füllhorn, FCKW-frei, Gepa, ohne Konservierungsstoffe, Mehrwegzeichen Hervorhebung der für die Umweltfreundlichkeit von Lebensmitteln gültigen Bezeichnungen durch Fettdruck Quelle: Eigene Erhebung Ähnlich fällt das Ergebnis bei der Frage nach ökologischen Textilanbietern aus.43 Hier kennen 20,7 % den Marktführer HESS NATUR gegenüber 4,5 % in der Gesamtbevölkerung. Auch die übrigen Unternehmen dieses Segments werden - wenn auch nicht häufig - genannt. Der absolute Wissensstand ist hier jedoch erheblich geringer als im Lebensmittelbereich. Auffällig ist, daß sich die Bemühungen der großen Sortimentsversender OTTO, QUELLE und NECKERMANN in der Befragung nicht niederschlagen. Abb. 6: Ungestützter Bekanntheitsgrad von umweltorientierten Textilunternehmen Nennen Sie bitte Unternehmen, die sich Ihrer Meinung nach durch besondere Umweltschutzbemühungen auszeichnen. (Mehrfachantworten möglich!) Nennungen in Prozent der Fälle Hess Natur 25 20,7 Britta Steilmann 17 14,0 Waschbär 7 5,8 Alb Natur 6 5,0 Panda Versand 5 4,1 Green Cotton 4 3,3 Quelle: Eigene Erhebung 43 Vgl. zu Ökotextilien die Übersicht bei Klemisch, H., Voß, C., Öko- und Soziallabelling in der Textilund Bekleidungsbranche, Dokumentation des Wissenschaftsladens Bonn e. V., Bonn 1997. 20 Schließlich zielen auch die Resultate der Frage nach umweltorientierten Handelsunternehmen in die gleiche Richtung:44 Es liegen viele Spezialkenntnisse vor (z. B. Waschbär 14,8 %, Panda-Versand 10,7 %; viele weitere Nennungen); zudem werden weniger nicht-ökologisch orientierte Unternehmen fälschlich genannt. Den großen - konventionellen - Handelsunternehmen ist es wiederum nur begrenzt gelungen, bei der Kerngruppe der Umweltorientierten als relevante Ökoanbieter wahrgenommen zu werden. TENGELMANN wird zwar von 15,6 % der Probanden genannt; im Vergleich zu den sehr viel kleineren Ökospezialisten ist dies jedoch kein überzeugendes Ergebnis. Auf HERTIE entfallen nur 9 % der Nennungen, obwohl das Unternehmen seit langen Jahren mit dem BUND im Bereich der Sortimentspolitik und Öffentlichkeitsarbeit kooperiert und diese Zusammenarbeit verbandsintern Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen war.45 Zusammenfassend und durch die Frage nach der Selbsteinschätzung des Informationsverhaltens gestützt (vgl. Abb. 7) läßt sich feststellen, daß Umweltverbandsmitglieder erheblich größere Informationsanstrengungen als die allgemeine Bevölkerung auf sich nehmen. Die relativ hohen absoluten Werte "alternativer" Anbieter bei der ungestützten Befragung sind ein valider Indikator für umweltorientierte Einkaufsbemühungen und -erfahrungen. Sehr auffällig ist die sehr geringe Nennung "konventioneller" Unternehmen, was für ein erhebliches Glaubwürdigkeitsdefizit spricht. Offensichtlich stehen diejenigen, die sich mit Umweltschutzproblemen auseinandersetzen, den tradierten Anbietern sehr skeptisch gegenüber. Dies hat Folgen für die Ausgestaltung des Innovationsmarketing (vgl. Kapitel 4). Abb. 7: Informationsverhalten zum Umweltschutz Über die Umweltschädlichkeit von Produkten mache ich mir wenig Gedanken. Befragte Allg. Bevölkerung BUND-Mitglieder Quelle: 44 45 stimme voll und ganz zu 1,4 % stimme eher zu 16,7 % teils, teils 0,8 % 3,3 % 10,7 % 10,8 % stimme eher stimme ganz und nicht zu gar nicht zu 47,7 % 23,3 % 37,7 % 47,5 % Eigene Erhebung Zur gatekeeper-Rolle des Handels siehe Hansen, U., Die Rolle des Handels als Gatekeeper in der Diffusion ökologisch orientierter Marketingkonzepte, in: Gottlieb Duttweiler Institut (Hrsg.), Ökologie im vertikalen Marketing, Rüschlikon 1990, S. 145 - 174. Vgl. Will, S., a. a. O., passim. 21 Emotionale Komponente: Die erste Frage richtet sich hier auf die direkte persönliche Beeinträchtigung durch Umweltprobleme im täglichen Leben. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zeigen sich nur geringe Unterschiede. Offensichtlich ist es nur in wenigen Fällen die persönliche Leidensgeschichte (Verkehrslärm, Wohnraumbelastung durch Schadstoffe o. ä.), die zum Engagement für einen Umweltverband führt - ein für uns überraschendes Ergebnis. Abb. 8: Wahrgenommene persönliche Umweltbelastung Fühlen Sie sich in Ihrem Alltag durch Umweltbelastungen beeinträchtigt? Befragte sehr stark stark mittel nicht so sehr Allg. Bevölkerung BUND-Mitglieder 2,4 % 2,5 % 20,2 % 32,2 % 50,9 % 48,3 % 23,7 % 15,3 % überhaupt nicht 2,8 % 1,7 % Quelle: Eigene Erhebung Deutlich anders fällt die emotionale Bewertung der Umweltproblematik aus, wenn sie losgelöst vom eigenen direkten Erfahrungshintergrund erfolgt. Umweltverbandsmitglieder empfinden erheblich mehr Wut auf die Verantwortlichen, akzentuieren die Risiken neuer Techniken deutlich stärker und fast alle haben Zukunfstängste (nur 2,4 % geben an, keine Angst zu haben gegenüber 16 % in der Gesamtbevölkerung). Dies schlägt sich auch reflektierend auf die Eigenwahrnehmung nieder: Hier dominiert eine gespaltene Bewertung des eigenen Handlungsbeitrags, weil man wohl um die eigenen Anstrengungen weiß, aber auch die Notwendigkeiten und Grenzen kennt. Abb. 9: Risikowahrnehmung durch die Bevölkerung Im folgenden lese ich Ihnen einige Statements vor, die so oder ähnlich von anderen Befragten geäußert wurden. Bitte sagen Sie mir, welchen Sie zustimmen könnten und welche Sie ablehnen? (in Klammern die Prozentwerte für die Gesamtbevölkerung) Ich habe häufig richtig Wut auf die Verantwortlichen, weil so wenig für den Umweltschutz getan wird. Die Risiken der neuen Technologien wie Atomkraft und Gentechnologie werden vielfach stark übertrieben. Wenn ich an die Zukunft denke, macht mir die Umweltverschmutzung richtig Angst. Ich habe häufig ein schlechtes Gewissen, weil ich mich im Alltag nicht so umweltfreundlich verhalten kann, wie ich das gerne möchte. Quelle: Eigene Erhebung stimme voll und ganz zu 34,4 (19,9) stimme eher zu teils, teils stimme stimme ganz eher nicht und gar zu nicht zu 9,8 2,5 (20,6) (4,5) 36,1 (40,4) 17,2 (14,6) 1,7 (7,3) 3,3 (12,6) 11,5 (16,1) 25,6 (28,0) 57,9 (36,0) 51,6 (33,8) 13,9 (11,5) 26,3 (43,2) 28,7 (38,7) 19,7 (7,0) 33,6 (17,1) 1,6 (12,2) 19,7 (23,3) 0,8 (3,8) 4,1 (9,4) 22 In die gleiche Richtung zeigen die Ergebnisse bei der Frage nach möglichen Reaktanzeffekten: • Wirtschaftswachstum ist wichtiger als Umweltschutz - es stimmen (nur?) 36,9 % gegenüber 69 % in der Gesamtbevölkerung zu, • Medien übertreiben beim Umweltschutzthema - auch hier etwas weniger Zustimmung (22,3 % gegenüber 31 %) und • Es wird zuviel Wirbel um Umweltschutz gemacht - es sind (nur?) 8,3 % der BUND-Mitglieder gegenüber 22 % der Bevölkerung einverstanden. Keine Differenzen sind bei der Frage zu erkennen, ob die Verantwortung für den Umweltschutz bei Staat und Industrie oder beim Bürger liegt. Offensichtlich ist dies eine Frage der politischen Grundeinstellung, d. h. der Bewertung individueller Einflußmöglichkeiten in der modernen Gesellschaft und nicht des Umweltbewußtseins.46 Sehr auffällig ist der Pessimismus der BUND-Mitglieder. 47,9 % stimmen dem Statement zu: "Die Welt ist nicht mehr zu retten" (25 % in Gesamtbevölkerung). Offensichtlich werden die Erfolge im Umweltschutz insgesamt, aber auch die eigenen Handlungsbeiträge als nicht ausreichend eingeschätzt. Umweltschutzengagement ist zumindest teilweise auch Ausdruck einer skeptisch-distanzierten Zukunftserwartung. Handlungsbereitschaft:47 Neben der Mitgliedschaft im BUND zeigt sich auch ansonsten ein ausgeprägtes Engagement, was sich in der größeren Spendenbereitschaft (59 % spenden neben dem BUND-Mitgliedsbeitrag Geld für Umweltschutzzwecke gegenüber 12,2 % gesamt) und im Sozialverhalten bemerkbar macht. Es gibt im BUND niemanden, der seine Mitbürger nicht wenigstens ab und zu auf ihr ökologisches Fehlverhalten aufmerksam macht. Trotzdem bewerten die BUND-Mitglieder ihr eigenes ökologisches Engagement verhalten. Die Einschränkungen im Lebensstil werden als nicht sehr gravierend angesehen. Nur 9 % geben an, große oder sehr große Beschränkungen hinzunehmen (7 % in der Gesamtbevölke- 46 47 Hier zeigt sich, daß die Abgrenzung der Kerngruppe der Umweltschützer anhand der wahrgenommenen persönlichen Eigenverantwortung (sind Staat und Industrie oder die Bürger persönlich verantwortlich) nicht überzeugen kann. Vgl. gegensätzlich dazu Wimmer, F., Umweltbewußtsein und konsumrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen, in: Brandt, A. et al. (Hrsg.), Ökologisches Marketing, Frankfurt, New York 1988, S. 44 - 85. Operationalisiert als umweltpolitisches Engagement. 23 rung).48 Deutlich wird aber auch, daß wesentlich weniger BUND-Mitglieder keine Einbußen auf sich nehmen (4,2 % zu 14,3 % gesamt). Bei der konkreten Frage, um welche Einschränkungen es sich handelt, werden hauptsächlich die Bereiche Mobilität (55,0 %) und Einkaufsverhalten (32,5 %) genannt.49 19,2 % nehmen finanzielle Opfer für den Umweltschutz in Kauf. Fazit: Das Umweltbewußtsein der BUND-Mitglieder ist - erwartungsgemäß - deutlich höher als das der Gesamtbevölkerung. Der Wissensvorsprung ist ausgeprägt; zudem scheinen die BUND-Mitglieder gegenüber den Werbeanstrengungen konventioneller Hersteller, die die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte betonen, kritischer eingestellt zu sein. Überraschend ist die sehr skeptische Grundhaltung von knapp der Hälfte der Befragten, die meinen, daß die Welt nicht mehr zu retten sei. Dennoch ist die ökologische Handlungsbereitschaft der BUNDMitglieder durchaus beachtlich, wenn auch die Selbsteinschätzung differenziert ausfällt. Nachfolgend gehen wir der Frage nach, ob das deutlich ausgeprägtere Umweltbewußtsein im Alltag entsprechend umgesetzt wird. 3.2.3 Umweltverhalten 3.2.3.1 Handlungsfelder nachhaltigen Konsums Der zweite Schwerpunkt der Studie liegt auf der Analyse des Umweltverhaltens der BUNDMitglieder und einem entsprechenden Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Im ersten Schritt werden dazu die zentralen Lebensbereiche Mobilität, Wohnen, Ernährung, Bekleidung und Abfall separat ausgewertet. Mobilität: Hier sind der Besitz und die Nutzung der verschiedenen Verkehrsträger relevant. Sowohl die von uns vorgenommene Bevölkerungsumfrage als auch eine neue, breit angelegte Schweizer Studie verweisen auf den außerordentlich geringen Beitrag des Umweltbewußtseins auf das Verkehrsverhalten. So resümiert FRANZEN das Schweizer Ergebnis:50 Auf die 48 49 50 Interessant ist dabei, daß viele BUND-Mitglieder bei der offenen Frage nach persönlichen Einschränkung angeben, daß für sie der Verzicht auf ein Auto keine Einschränkung, sondern ein Gewinn an Lebensqualität darstellt. Vgl. dazu Sachs, W., Die vier E`s. Merkposten für einen maßvollen Lebensstil, in: Politische Ökologie, Nr. 33/1993, S. 69 - 72. Diese Frage sowie die Frage nach den Handlungsbarrieren waren in der allg. Bevölkerungsbefragung nicht enthalten. Vgl. Franzen, A., Umweltbewußtsein und Verkehrsverhalten, Zürich 1997, S. 141 f. 24 tägliche Verkehrsmittelwahl zum Arbeitsort, die Höhe der gefahrenen Jahreskilometer und den Benzinkonsum übt das Umweltbewußtsein keinen, auf die PKW-Anschaffungsentscheidung, die Nutzungshäufigkeit pro Woche, die Wahl des Verkehrsmittels für den Haushaltseinkauf und das Abschalten des Motors bei Wartezeiten einen schwachen Einfluß aus. In unserer allgemeinen Studie war ebenfalls kein Einfluß der ökologiebezogenen Einstellung auf das Gesamtverkehrsverhalten nachweisbar. Diese negativen Resultate werden bei der Befragung von BUND-Mitgliedern nur teilweise bestätigt. • Die Anzahl der Autos pro Haushalt liegt etwas unter dem Bevölkerungsdurchschnitt; diese Abweichung ist aber nicht signifikant. Abb. 10: PKW-Besitz pro Kopf im Vergleich Befragte Allgemeine Bevölkerung BUND-Mitglieder PKW-Besitz pro Person (Mittelwert) 0,645 0,492 Quelle: Eigene Erhebung • Die Fahrleistung mit dem PKW liegt bei BUND-Mitgliedern bei 11.700 km im Jahr gegenüber 14.308 in der allg. Bevölkerung signifikant niedriger. • Positiv ist die signifikant (0,27) stärkere Nutzung der Bahn (Abb. 11) Abb. 11: Bahnnutzung im Vergleich Bahnnutzung in Kilometern pro Jahr (Angaben in Prozent) gar keine <1.000 <5.000 <10.000 <20.000 Allgemeine 26,6 42,0 19,9 9,4 2,4 Bevölkerung BUND8,2 35,2 33,6 13,1 7,4 Mitglieder >20.000 0,7 2,5 Quelle: Eigene Erhebung • Das Flugzeug wird vor allem europa- und weltweit weniger genutzt; es gibt weniger extreme Vielflieger. Insgesamt ist eine Verkehrswende bei der Untersuchungsgruppe jedoch nicht zu erkennen. Gleichzeitig zeigen aber zwei andere Fragen, daß die BUND-Mitglieder sehr wohl um die ökologische Relevanz des Verkehrs wissen. Bei der - offenen - Frage nach den Einschränkungen, die sie zugunsten des Umweltschutzes in Kauf nehmen, wird in erster Linie der Mobilitätsbereich genannt (55 % der Nennungen). Auch bei der Frage nach den persönliche Hand- 25 lungsbarrieren steht das Verkehrsverhalten an erster Stelle (47 % der Nennungen). Es wird deutlich, daß die Form der Mobilität als zentraler Umweltschutzparameter in dieser Zielgruppe erkannt ist.51 Man weiß um die Problematik speziell der automobilen Fortbewegung und unternimmt erste kleinere Schritte. Zugleich ist die Umstellung jedoch so schwierig, daß kaum jemand mit seinem Umweltverhalten zufrieden ist. Die Dissonanz zwischen erkannter Problemrelevanz auf der einen und dem eigenen Handlungsbeitrag auf der anderen Seite ist ausgeprägt und wird von den Umweltverbandsmitgliedern auch als solche wahrgenommen. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die vielfältigen praktischen Widerstände, die von den einzelnen Haushalten nur ansatzweise überwunden werden können. Individuelle Verhaltensänderungen stoßen hier an ihre Grenzen. Ohne verbesserte staatliche Rahmenbedingungen wird eine dynamische Entwicklung zu einem anderen Verkehrsverhalten ausbleiben. Ernährung: Bei der Ernährung ist vor allem der Fleischverzehr umweltrelevant, da hier Flächenverbrauch, Energieeinsatz und Bodenschädigung durch Gülle um ein Mehrfaches größer sind als bei pflanzlichen Nahrungsmitteln. Außerdem determinieren Art und Umfang der Verpackung, der Lagerung (insb. Tiefkühlung) und des Transports den Einsatz von Rohstoffen und Energie. Schließlich geht es um den Kauf kontrolliert-ökologisch angebauter Nahrungsmittel. Im Gegensatz zum Verkehrsbereich sind beim Ernährungsverhalten deutliche Unterschiede zur Gesamtbevölkerung zu erkennen. So liegt der energieintensive Fleischkonsum signifikant niedriger (z. B. 18 % Vegetarier gegenüber 4,2 % in der Gesamtstichprobe); 46,7 % nutzen keine oder selten Tiefkühlfertigprodukte (32,1 % gesamt). 92,6 % der BUND-Mitglieder bemühen sich um den Einkauf von Lebensmitteln aus der Region (64,4 % in der Vergleichsgruppe). Auch unverpackte Lebensmittel werden stärker bevorzugt (83,5 % gegenüber 70,3 %). Besonders aufschlußreich ist das Kaufverhalten bei Lebensmitteln aus kontrolliert ökologischem Anbau. 70,5 % der Befragten geben an, immer, häufig oder doch zumindest manchmal 51 Aufschlußreich ist, daß auch der Flugverkehr bei den offenen Fragen häufig als Problemfeld benannt wird (insgesamt 24 mal). 26 solche Erzeugnisse zu kaufen. In der Grundgesamtheit sind es nur 43,1 %. Dieser Unterschied ist hochsignifikant (Korrelation = 0,33) und dürfte in der Realität noch größer sein, weil im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung eine deutliche Korrelation zwischen der Kenntnis umweltbezogener Lebensmittelkennzeichen und dem angegebenen Kaufverhalten vorhanden ist (0,38). Wie die nachfolgende Kreuztabelle zeigt, sind von den 86 Probanden, die angeben, wenigstens manchmal ökologische Nahrungsmittel zu kaufen, immerhin 77 in der Lage, zumindest ein richtiges Label zu nennen, 39 kennen sogar 3 oder mehr Zeichen. Abb. 12: Kreuztabelle für den Zusammenhang zwischen Umweltwissen und Kaufverhalten Kaufhäufigkeit genannte Kennzeichen 0 1 2 3 4 5 6 und mehr Summe immer oft manchmal selten nie Summe 0 0 1 0 1 0 1 3 5 4 15 10 5 2 2 43 4 7 11 10 4 4 0 40 5 9 11 3 1 0 0 29 4 1 2 0 0 0 0 7 18 21 40 23 11 6 3 122 Lesebeispiel: Von den 3 Personen, die immer Öko-Lebensmitel kaufen, kann einer 2, einer 4 und einer mehr als 6 Kennzeichen nennen. Quelle: Eigene Erhebung Wohnverhalten: Hier sind die Wohnraumgröße (pro Kopf) und die Art der Wohnung wichtig. Der Verbrauch der knappen Ressource Boden ist bei alleinstehenden Einfamilienhäusern c. p. gegenüber Mehrfamilienhäusern größer, ebenso der Material- und Energieverbrauch. Für die energiebedingte Umweltverschmutzung sind daneben die Art des Energieträgers und der Heizenergie- und Stromverbrauch entscheidend. Die BUND-Mitglieder wohnen deutlich häufiger in alleinstehenden Einfamilienhäusern als die Vergleichsstichprobe (32,8 zu 15,0 %). Dies dürfte jedoch in erster Linie auf den Wohnort zurückzuführen sein. Der Anteil der BUND-Mitglieder, die auf dem Land leben, liegt erheblich höher als in der allgemeinen Stichprobe, die an dieser Stelle eine Verzerrung aufweist. Auch hinsichtlich der Wohnfläche pro Kopf, die etwas (aber nicht signifikant) unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung liegt, ist kein Effekt des Umweltbewußtseins zu erkennen. Auch der Heizenergieverbrauch ist durchschnittlich. Beim Stromverbrauch liegen die Umweltverbandsmitglieder signifikant günstiger; hier machen sich möglicherweise Einspar- 27 bemühungen bezahlt. Bei den genutzten Energieträgern sind keine grundsätzlichen Abweichungen zu erkennen, allerdings gibt es zwei Probanden, die alternative Formen (Rapsöl/Solarenergie) nutzen. Fazit: Die BUND-Mitglieder wohnen und heizen i. d. R. auf konventionelle Weise und unterscheiden sich zumeist nicht signifikant von der Gesamtbevölkerung. Nur beim Stromverbrauch zeigen sich Verbesserungen. Die vereinzelten Anstrengungen zur Nutzung alternativer Energiequellen schlagen auf die Gesamtheit der Verbandsmitglieder nicht durch. Textilien: Abgefragt wurde die Höhe (Menge) des Textilienkonsums, der Kauf von SecondHand-Kleidung und von ökologisch hergestellten Textilien. Bei einem in der Selbsteinschätzung niedrigeren Modebewußtsein ist der Verbrauch an Kleidung bei den BUND-Mitgliedern geringer als in der Gesamtbevölkerung. Sie greifen zudem etwas häufiger zu SecondHand-Kleidung, wenn auch insgesamt auf niedrigem Niveau. Signifikante Unterschiede zeigen sich insbesondere beim Kauf ökologischer Textilien: Zumindest manchmal kaufen 48,4 % der BUND-Mitglieder solche Produkte (26,6 % gesamt). Dies korrespondiert mit dem Wissen um entsprechende Öko-Label (46 % kennen mindestens einen Anbieter). Der hohe Zusammenhang zwischen Wissen und Einkauf schlägt sich im Korrelationswert von 0,41 nieder. Insgesamt sind die Unterschiede im Textilbereich deutlich. Während in der Gesamtbevölkerung kaum Ansätze zum umweltfreundlichen Verhalten zu erkennen sind und der Marktanteil ökologischer Textilien entsprechend niedrig liegt, haben BUND-Mitglieder die Bedeutung dieses Themenfeldes offensichtlich wahrgenommen. Der hohe Bekanntheitsgrad entsprechender Anbieter deutet auf ein ausgeprägtes Involvement hin. Abfall: Erfaßt wurden Recyclingverhalten, Kompostierung und abfallarmer Einkauf. Organische Abfälle werden von 74,8 % der BUND-Befragten kompostiert (in der Gesamtbevölkerung nur 28,6 %). Dieser Unterschied hängt auch, aber nicht allein von der Wohnform ab (mehr BUND-Mitglieder wohnen in Einfamilienhäusern). Bei Verhaltensweisen, die sich in der allgemeinen Bevölkerung bereits durchgesetzt haben (Altpapier- und Glasrecycling, Sondermüllentsorgung), verhalten sich die BUND-Mitglieder noch vorbildlicher. So praktizieren bei Altpapier und Einwegflaschen alle Probanden ein korrektes Entsorgungsverhalten. Im Abfallbereich hat sich somit das Handeln, das von der Politik, in den Medien und auch im 28 eigenen Verband massiv propagiert wurde, bei den BUND-Mitgliedern fast vollständig durchgesetzt. Vergleich der Verhaltensindizes zwischen den BUND-Mitgliedern und der Gesamtbevölkerung Gesamtverhaltensindex nach Befragung 175 207 150 125 100 208 218 285 263 13 233 232 248 Gesamtverhaltensindex 75 50 404 127 25 0 -25 226 -50 -75 N= 266 83 allg. Bevölkerung BUND-Mitglieder Befragung unter 29 Die BUND-Mitglieder verhalten sich insgesamt deutlich umweltfreundlicher als die allgemeine Bevölkerung. Es gibt bei ihnen auch wesentlich weniger Ausreißer nach oben; d.h. daß sie fast alle in einem, offensichtlich für sie akzeptablen Handlungsrahmen bleiben. Abfallindex nach Befragung 4 256 3 305 2 1 Abfallindex 0 -1 -2 N= 285 allg. Bevölkerung 118 BUND-Mitglieder Befragung unter Im Bereich Abfall hat sich das umweltfreundliche Verhalten, d.h. das Trennen der Abfälle, unter den BUND-Mitgliedern sehr stark und in der allgemeinen Bevölkerung schon recht deutlich durchgesetzt. Ein Unterschied ist dennoch erkennbar: Umweltschützer praktizieren im Abfallbereich die gängigen Methoden und mehr. Ernährungsindex nach Befragung 3 2 1 Ernährungsindex 0 -1 -2 10 -3 N= 282 97 allg. Bevölkerung BUND-Mitglieder Befragung unter 30 Im Bereich „Ernährung“ sind die BUND-Mitglieder deutlich ökologischer als die Gesamtbevölkerung. Textilindex nach Befragung 6 180 185 207 72 4 208 113 24 96 202 206 68 7 70 111 331 2 171 347 391 133 168 Textilindex 0 388 126 -2 N= 279 allg. Bevölkerung 122 BUND-Mitglieder Befragung unter Bei den Textilien ist die Bereitschaft, auch auf ökologisch produzierte Waren zurückzugreifen, deutlich im umweltfreundlicheren Verhalten zu erkennen. Verkehrsindex nach Befragung 10 207 9 8 208 218 7 285 6 233 5 263 261 238 Gesamtindex Verker 4 232 3 404 368 168 169 2 1 0 -1 -2 -3 N= 278 115 allg. Bevölkerung BUND-Mitglieder Befragung unter 31 Bei der Mobilität sind die Handlungsbarrieren größer als in den Bereichen Textil, Ernährung und Abfall; somit ist das Verhalten der BUND-Mitglieder nur noch wenig besser als das der allgemeinen Bevölkerung. Wohnindex nach Befragung 15 13 207 10 204 Wohnungsindex 5 84 65 95 263 195 8 248 191 6 80 290 400 157 148 404 150 162 402 0 -5 N= 285 115 allg. Bevölkerung BUND-Mitglieder Befragung unter Beim Wohnen hat sich das umweltfreundliche Verhalten auch bei den BUNDMitgliedern noch nicht durchgesetzt. Hierbei spielt im wesentlichen eine Rolle, daß die BUND-Mitglieder häufiger in alleinstehenden Einfamilienhäusern wohnen als die Vergleichsgruppe. 3.2.3.2 Zusammenfassende Bewertung Ein pauschales Urteil zum ökologieorientierten Lebensstil der Umweltverbandsmitglieder und damit zum Zusammenhang zwischen Umweltbewußtsein und -verhalten läßt sich nicht fällen. Vielmehr zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen den einzelnen Handlungsfeldern. Das Bemühen der BUND-Mitglieder um individuellen Umweltschutz ist unverkennbar und schlägt sich besonders im Abfall-, Ernährungs- und Textilbereich nieder. Hier erweist sich, daß speziell das erheblich ausgeprägtere Umweltwissen handlungsrelevant wird. Vergleicht man z. B. den Kauf ökologischer Produkte in den beiden Gruppen, so kann man durchaus Ansätze einer Konsumwende erkennen. Abb. 13 gibt einen vergleichenden Überblick über diese Verbrauchsbereiche. 32 33 Abb. 13: Vergleichendes Umweltprofil von BUND-Mitgliedern und Gesamtbevölkerung U we tsc utz Ve a te M ittelw e rt S ta n d a rd a b w e ic h . A ltpapier gebe ich zum R ecycling 1 ,0 3 (1,3 4 ) 0 ,1 8 (0,7 4 ) Ich fahre auf d er A utobahn nicht schneller als 13 0 E inw egflaschen bringe ich zum C o ntain er b zw. g ebe ich zum R ecycling 3 ,0 7 (3,2 0 ) 1 ,0 4 (1,2 5 ) 1 ,0 2 (1,3 3 ) 0 ,1 6 (0,7 3 ) Ich kaufe Leb ensm ittel aus kontrolliert öko log ischem A nbau 2 ,9 5 (3,6 3 ) 0 ,9 6 (0,8 9 ) B atterien und L euchtstoffröhren gebe ich zum S onderm üll 1 ,1 9 (1,7 0 ) 0 ,4 9 (1,0 9 ) Ich kaufe E nergiesparlam pen 2 ,6 9 (3,5 3 ) 1 ,1 4 (1,3 3 ) Ich kaufe W aschm ittel im B aukastensystem 3 ,1 4 (4,2 2 ) 1 ,5 9 (1,2 6 ) Ich kaufe ökologisch herg estellte Textilien 3 ,5 0 (4,1 3 ) 0 ,9 8 (0,8 9 ) Ich kaufe M ilch in G lasflasche n 2 ,5 9 (3,7 6 ) 1 ,5 5 (1,3 0 ) Ich kaufe unverpackte Leb ensm ittel 2 ,6 1 (3,0 8 ) 0 ,8 5 (0,9 2 ) Ich kaufe K leidung in S e cond-H and Läden 4 ,0 6 (4,5 7 ) 1 ,0 4 (0,7 8 ) Ich w ähle be im E inkau f Lebensm ittel aus der R egion 2 ,3 0 (3,1 4 ) 0 ,7 2 (0,9 6 ) B U N D -M itg lie d e r im m er 1 nie 2 3 4 5 G e sa m tb e vö lke run g (W e rte in K la m m ern ) Quelle: Eigene Erhebung Anders sieht der Zusammenhang für Mobilitäts- und Wohnentscheidungen aus. Die wenigen Fortschritte schlagen auf die Gesamtbelastung kaum durch. Angesichts der hohen umweltpolitischen Bedeutung gerade dieser beiden Handlungsfelder ist das Resultat ernüchternd. Die Gründe lassen sich nur vermuten: • Die offenen Fragen nach Lebensstileinschränkungen und Handlungsbarrieren (vgl. Abb. 14) zeigen, daß die Bedeutung des Verkehrsbereichs den BUND-Mitgliedern in hohem Maße bewußt ist.52 Auch die Verhaltensalternativen dürften hinlänglich bekannt sein. Die 52 Auffällig ist, daß auch die ökologische Belastung des Flugverkehrs von den BUND-Mitgliedern wahrgenommen wird. Immerhin 20 % der Befragten geben dieses Feld bei den offenen Fragen an. 34 Reichweite individueller Bemühungen - die Kunst des richtigen Verhaltens in den falschen Strukturen53 - scheint hier an ihre Grenzen zu stoßen. • Auch BUND-Mitgliedern dürfte die ökologische Bedeutung des Wohnens nur ansatzweise, nämlich in Bezug auf den Energieverbrauch, deutlich sein. Wohnungsform und -größe werden bei den offenen Fragen nach Einschränkungs- und Barrierefeldern nur ein einziges Mal genannt, obwohl sie wesentliche Folgen für die Ökobilanz des Haushalts haben.54 Ähnliche Ergebnisse bei der Befragung der Gesamtbevölkerung deuten darauf hin, daß hinsichtlich der ökologischen Relevanz der Wohnstruktur eine gesellschaftliche Wissenslücke vorliegt und erheblicher Aufklärungsbedarf besteht. Abb. 14: Persönliche Lebensstileinschränkungen und Handlungsbarrieren im Umweltschutz In Kauf genommene Einschränkungen im Lebensstil Mobilitätsbereich Einkaufsverhalten Finanzielle Opfer Energieverbrauch Nennungen 66 39 23 15 Mülltrennung Freizeitbereich Bequemlichkeit 9 7 2 Sonstige Einschränkungen 3 Persönliche Handlungsbarrieren Nennungen Mobilitätsbereich Höhere Preise Einkaufsverhalten Infrastrukturelle Barrieren, Distributionsdichte Zeitmangel Bequemlichkeit Energieverbrauch, Berufliche Zwänge u.ä. Sonstige Barrieren 57 35 22 je 13 12 11 je 10 25 Quelle: Eigene Erhebung 3.2.4 Bestimmungsgründe des Umweltverhaltens Während im vorangegangenen Kapitel der generelle Vergleich von Umweltverbandsmitgliedern und der Gesamtbevölkerung im Vordergrund stand, geht es im folgenden um die Unterschiede innerhalb der Stichprobe. Die BUND-Mitglieder sind keine homogene Gruppe, sondern differieren hinsichtlich der Einstellungs- und Verhaltenswerte erheblich. Eine Clusteranalyse zeigt z. B., daß es ein Segment relativ uninformierter, kaum betroffener und wenig handlungsbereiter Mitglieder gibt (immerhin 21 % der Befragten), die deutlich von den ande53 54 Vgl. Winterfeld, U. v., Ökologisches Handeln - oder: Über die Kunst des richtigen Verhaltens in den falschen Strukturen, in: IÖW/VÖW Informationsdienst, Nr. 1/1992, S. 15. Vgl. auch mit weitreichenden Vorschlägen Bracke, D, Krane, M., Aus der Traum vom Eigenheim? in: Zukünfte, Nr. 20/1997, S. 25 - 27. 35 ren Befragten abweichen. Die übrigen 79 % der engagierten Mitglieder lassen sich ihrerseits in drei Gruppen unterteilen. Abb. 15 auf Seite 32 stellt die Ergebnisse im Überblick vor. Die erste Gruppe (19 % „Informierte Kerngruppe“) zeichnet sich durch ein durchgängig hohes Umweltwissen aus. Hier wird die Verhaltenswirksamkeit der kognitiven Komponente sichtbar, z. B. beim Zusammenhang zwischen guten Anbieterkenntnissen im Bereich ÖkoTextilien und dem entsprechenden Kaufverhalten. Ein zweites Cluster (24 % „Handlungsbereite Kerngruppe“) wird durch seine ausgesprochen hohe Handlungsbereitschaft und durch die persönliche (direkte) Betroffenheit von Umweltproblemen charakterisiert. Emotional sind diese Personen sehr stark in den Umweltschutz involviert. Das Umweltwissen ist auffallend gespalten: im Lebensmittelbereich sehr gut, sonst eher durchschnittlich. Dies wirkt sich unmittelbar auf das Verhalten aus, denn beim Kauf von Nahrungsmitteln vermögen diese Probanden besonders zu überzeugen. Eine relativ große Gruppe (36 % „Emotional Betroffene“) zeichnet sich durch einen vergleichsweise niedrigen Wissensstand aus. Dem Umweltschutz wird zwar eine ausgesprochen hohe Bedeutung zugemessen und auch eine entsprechende Handlungsbereitschaft ist vorhanden, im tatsächlichen Verhalten schlägt sich dies jedoch nur teilweise nieder. Die Informationslücken stehen einem konsistent umweltfreundlichen Handeln entgegen. Das vierte Segment (21 % „Passive Mitglieder“) überrascht insbesondere durch seine Größe. Der Zusammenhang zwischen dem geringen Umweltbewußtsein dieser Gruppe und ihrem vergleichsweise deutlich schlechteren Umweltverhalten ist ausgeprägt. Zu vermuten ist, daß bei diesen Personen Motive wie Gewissensberuhigung durch die Mitgliedschaft in einem Umweltverband, Anpassung an das soziale Umfeld u. ä. im Vordergrund stehen. Möglicherweise handelt es sich auch teilweise um das Resultat aktiver Mitgliederwerbung (z. B. DirectMailing, Haustürwerbung u. ä.), mit der wenig involvierte Bürger für die Mitgliedschaft gewonnen werden. Abb. 15: Clusteranalyse für die BUND-Mitglieder Cluster Engagierte (involvierte) Mitglieder Kriterien Clusterbildende Merkmale Clusterbeschreibende Merkmale Umweltverhalten Informierte Kerngruppe Handlungsbereite Kerngruppe • Durchgängig hohes Umweltwissen • Durchschnittliche Betroffenheit • Durchschnittliche Handlungsbereitschaft • Durchschnittliche Merkmalsausprägungen • Umweltwissen nur im Lebensmittelbereich • Hohe Betroffenheit, auch im persönlichen Alltag • Hohe Handlungsbereitschaft • Empfinden mehr Wut auf die Verantwortlichen • Machen sich viele Gedanken über die Umweltverträglichkeit von Produkten Vergleichsweise deutlich besseres Umweltverhalten: etwas geringere Wohnfläche, weniger PKW´s, mehr Öko-Lebensmittel, deutlich mehr Energiesparlampen und Öko-Textilien, etwas mehr Second-Hand Kleidung, geringerer Fleischkonsum Vergleichsweise deutlich besseres Umweltverhalten: geringere Wohnfläche, weniger PKW´s, deutlich mehr ÖkoLebensmittel, mehr Energiesparlampen, unverpackte Lebensmittel und SecondHand Kleidung, geringerer Fleischkonsum 19 % = 43.500 24 % = 54.800 Clustergröße Quelle: Eigene Erhebung Passive Mitglieder Emotional Betroffene • Geringer Wissensstand • Hohe emotionale Bewertung des Umweltschutzes • Durchschnittliche Handlungsbereitschaft • Haben häufiger ein schlechtes Gewissen aufgrund des eigenen Verhaltens • Kaum Umweltwissen • Keine Betroffenheit (weder direkt noch indirekt) • Keine Handlungsbereitschaft • Haben weniger Zukunftsangst • Finden z. T., daß Technikrisiken übertrieben werden • Empfinden deutlich weniger Wut auf die Verantwortlichen • Machen sich weniger Gedanken über die Umweltschädlichkeit von Produkten Vergleichsweise das schlechteste Im Vergleich zu den übrigen involUmweltverhalten: höhere Wohnfläche, vierten Mitgliedern etwas schlechteres Umweltverhalten: höhere Wohn- mehr PKW´s, weniger Öko-Lebensfläche, deutlich mehr PKW´s, weniger mittel, Energiesparlampen und ÖkoTextilien, mehr Fleischkonsum Öko-Lebensmittel, höherer Fleischkonsum 36 % = 82.200 21 % = 48.000 37 Insgesamt verweist dieser Analyseschritt einmal mehr auf die Bedeutung der kognitiven Einstellungskomponente für das Umweltverhalten. Ohne ein marktrelevantes Umweltwissen wird Umweltschutzhandeln nur Stückwerk bleiben. Das Umweltbewußtsein ist allerdings nicht die einzige Erklärungsvariable für das Verhalten. Zentrales Ergebnis der allgemeinen Bevölkerungsbefragung war die Überdeckung der Einstellung durch andere Hintergrundfaktoren, insbesondere durch die hochsignifikante Korrelation zwischen Umweltverhalten und Haushaltseinkommen (aber auch durch Geschlecht und Wohnort). In den zentralen Handlungsfeldern Wohnen und Verkehr geht ein steigendes Einkommen mit einer erheblich höheren Umweltbelastung einher.55 Dieser Effekt trifft teilweise auch auf die BUND-Mitglieder zu. Besonders bei der Zahl der PKW´s pro Person, bei der Fahrleistung, beim Flugverkehr innerhalb Deutschlands und bei der Wohnform sind deutliche Korrelationen vorzufinden. 3.2.5 Eine Schwierigkeitshierarchie ökologischen Verhaltens Betrachte man die Ausgangsfrage nach der Relevanz des Umweltbewußtseins für das Handeln, stimmen die Ergebnisse verhalten optimistisch. Sie zeigen, daß die Verbreitung des Umwelthandelns bei Umweltverbandsmitgliedern erheblich über einzelne Schritte im Abfallbereich hinausgeht und damit größere Lebensstilrelevanz gewinnen kann. Deutlich wird aber auch, daß die Verhaltensbarrieren in den unterschiedlichen Handlungsfeldern differieren. Abb. 16 skizziert eine entsprechende Handlungspyramide für den privaten Umweltschutz.56 55 56 Für die BUND-Mitgliedschaft ist festzustellen, daß die Einkommenstruktur ähnlich wie in unserer allgemeinen Bevölkerungsbefragung ausfällt. Haushalte mit einem Einkommen zwischen 4.000 und 7.500 DM sind etwas stärker vertreten, während sehr niedrige und sehr hohe Einkommen seltener anzutreffen sind. Vgl. auch die Versuche zum Nachweis einer Verhaltenshierarchie durch eine Guttman-Skala bei Fejer, S., Stroschein, F.-R., Die Ableitung einer Guttman-Skala für sozial- und ökologiebewußtes Verhalten, in: planung und analyse, Nr. 1/1991, S. 5-12 und die Kritik bei Haan, G. de, Kuckartz, U., a. a. O., S. 116 ff. 38 Abb. 16: Handlungspyramide im Umweltschutz H andlung sbarrieren W ohnen gesellschaftliche D iffusion M obilität Textilien E rnährung A b fall verm eid en A b fall trennen Quelle: Eigene Darstellung Die Abbildung gibt allerdings nur einen groben Einblick in die Handlungsdynamik. Auf den ersten drei Stufen sind noch relativ eindeutige Zuordnungen möglich. Durch den massiven politischen Druck und mit entsprechenden PR-Investitionen ist über einen langen Zeitraum hinweg die Abfalltrennung gesellschaftlich durchgesetzt worden. Mit der Einführung des Dualen Systems wurde die Bedeutung des Recycling abschließend festgeschrieben - gleichzeitig wurde die hohe latente Bereitschaft zur Abfallvermeidung eher konterkariert.57 Auch bei Umweltschützern ist die Abfalltrennung das dominierende, fast vollständig durchgesetzte Handlungsfeld. Im Gegensatz zur Gesamtbevölkerung geht das Engagement bei vielen BUND-Mitgliedern über die Abfalltrennung hinaus und umfaßt Ansätze des abfallarmen Kaufverhaltens und den Ernährungsbereich. Auch bei der Bekleidung geben immerhin fast die Hälfte der Befragten an, ab und zu auf Ökotextilien zurückzugreifen. Angesichts des geringen Angebots ist heute kaum mehr zu erwarten. 57 Zu einer ganzheitlichen Abfallvermeidungsstrategie vgl. Wollny, V., Abschied vom Müll. Perspektiven der Abfallvermeidung und eine ökologische Stoffflußwirtschaft, Göttingen 1992. 39 Die Segmente Wohnen und Mobilität sind differenziert zu betrachten. Die Einordnung erfolgt hier unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Verhaltensänderung, diese bleibt in den beiden Bereichen aufgrund der hohen Handlungsbarrieren auch bei BUND-Mitgliedern bis heute aus. Es gibt allerdings zahlreiche Einzelfragen (z. B. Energiesparen, Nutzung des ÖPNV) mit hoher Verbreitung. Eine grundsätzliche Ökologisierung scheitert jedoch an der geringen öffentlichen Beachtung und den hohen Handlungsbarrieren. Eine Hierarchie ökologischer Verhaltensformen nährt die Hoffnung auf eine weitere Diffusion des Umweltschutzes. Nach der „Foot in the door-Technik“ sollte im Rahmen eines SocialMarketing die schrittweise Verbreitung der entsprechenden Handlungsweisen propagiert werden. Es gibt aber auch gegenläufige Tendenzen, die auf eine Stagnation bzw. auf Brüche innerhalb der Gesellschaft hindeuten. Noch immer befinden sich viele Umweltprodukte in einer Marktnische. Einige Verhaltensweisen scheinen nicht von der Kerngruppe der Umweltschützer auf die Gesamtbevölkerung überzuspringen. Hinweise für dieses zentrale Problem des ökologischen Innovationsmarketing liefert die betriebswirtschaftliche Diffusionsforschung. 4 Umweltschützer als Innovatoren: Eine diffusionstheoretische Betrachtung Ein wesentliches Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, Hinweise auf Barrieren für die Verbreitung ökologischer Konsummuster zu finden. Die Umweltbewußtseinsforschung hat zwar eine Vielzahl von Friktionen untersucht, die den unterstellten Zusammenhang zwischen Bewußtsein und Verhalten behindern könnten (Habitualisierungen, vermutete Effizienznachteile, Verdrängungsmechanismen, geringe Distributionsdichte, mißbräuchliches Umweltmarketing usw.), sie hat sich im Rahmen dieser Barrierenforschung jedoch i. a. an den Einstellungs- und Verhaltensweisen von Einzelpersonen orientiert (methodischer Individualismus), ohne den Interaktionsmustern und Gruppenrelationen auf der Mikroebene sonderliche Beachtung zu schenken. Darüber hinaus hat sie ihrem zentralen Untersuchungsgegenstand, der ökologischen Handlungsalternative, zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet: Die Vorteilhaftigkeit von Öko-Innovationen wird in der Regel unterstellt und ihre Wahrnehmbarkeit vorausgesetzt. Die fehlende Akzeptanz gerät dann zum beklagenswerten Nicht-Wollen oder Nicht- 40 Können der Verbraucher, die einmal mehr die Chance zur Verbesserung der Lebensqualität mittels Konsumentscheidung nicht ergreifen. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der vorgestellten Untersuchung sowie am Paradigma der Diffussionsforschung, die die Verbreitung von materiellen und immateriellen Innovationen in Sozialsystemen untersucht und in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen (Anthropologie, Soziologie, Kommunikationsforschung, Ökonomie) Anwendung findet.58 Wir hoffen, damit vor allem Hypothesen für die o. g. Forschungsdefizite zu generieren. 59 Drei Fragestellungen strukturieren die folgenden Ausführungen: 1. Wie schnell werden sich ökologische Innovationen nach den Erkenntnissen der Diffusionsforschung verbreiten? 2. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen werden ökologische Produkte und Konsummuster überhaupt als Neuerungen wahrgenommen und welche Auswirkungen haben fehlende Kenntnisse auf die Diffusion? 3. Eignen sich Mitglieder von Umweltschutzverbänden - die über ein relativ gutes Umweltwissen verfügen - aus Sicht des Marketing als prozeßakzelerierende Promotoren? Die ersten beiden Fragen sind zunächst weitgehend abstrakt von der vorliegenden Untersuchung zu sehen. Hier werden die Grundlagen für das Verständnis ökologieorientierter Verbreitungsprozesse gelegt. Ad 1: Ein zentrales Untersuchungsfeld der Diffusionsforschung ist die Analyse des Zusammenhangs zwischen den Merkmalen der Innovation und der Verbreitungsgeschwindigkeit/Diffusionsrate.60 Schon ein oberflächlicher Blick auf reale Diffusionsprozesse macht deutlich, daß Neuerungen unterschiedlich schnell akzeptiert werden. Modelliert ergeben sich entweder Exponentialfunktionen (z. B. für Innovationen mit hoher Primärnachfrage) oder sförmige Verbreitungsverläufe (logistische Modelle, z. B. bei zunächst nur zögerlicher Akzeptanz durch die potentiellen Nachfrager). S-förmige Wachstumskurven kennzeichnen die Aus58 59 60 Vgl. Bodenstein, G., Der Annahme- und Verbreitungsprozeß neuer Produkte, Frankfurt/M. usf. 1972. Vgl. auch Bodenstein, G., Spiller, A., Nachhaltiges Konsumverhalten: Forschungsansätze und Diffusionsbarrieren, in: Ökologisch Wirtschaften, Nr. 3/1996, S. 8 - 11 und Belz, F. et al., Von der Öko-Nische zum ökologischen Massenmarkt im Bedürfnisfeld Ernährung, IWÖ-Diskussionsbeitrag Nr. 40, St. Gallen 1997. Vgl. hierzu und zum folgenden Bodenstein, G., Diffusionsforschung, in: Poth, L. (Hrsg.), Marketing, Kapitel 25, 2. Aufl., Neuwied 1988 und Gierl, H., Diffusion, in: Tietz, B. et al. (Hrsg.), Handwörterbuch des Marketing, 2. Aufl., Stuttgart 1995, Sp. 471 f. 41 breitung vieler fundamentaler Neuerungen. Fünf dimensionale Kategorien, die die Diffusion vornehmlich beeinflussen, wurden in empirischen Studien isoliert: • Komplexität, • relativer Vorteil, • Kompatibilität, • Beobachtbarkeit und • Teilbarkeit. Die Komplexität bezeichnet einmal die Menge der (neuen) Eigenschaften und zum anderen das damit verknüpfte Beurteilungs- und Anwendungswissen bei Nachfragern. Für die meisten ökologischen Innovationen läßt sich formulieren: Die Produktkomplexität ist durch die Optimierung der gesamten Produktlinie (Wertschöpfungskette) sehr hoch, insbesondere das damit direkt verbundene Beurteilungswissen. Demgegenüber erscheint das notwendige Anwendungswissen bei vielen Öko-Innovationen eher gering, da der Gebrauch sich kaum von traditionellen Erzeugnissen unterscheidet (z. B. bei Textilien, Lebensmitteln usf.). Auch der relative Vorteil kann als mehrdimensionales Konstrukt operationalisiert werden. Er umfaßt beispielsweise geldwerte Aspekte, aber auch gebrauchstechnische Komponenten (Lebensdauer, Handhabung, Energieverbrauch, Reparaturfähigkeit usw.) und solche des psycho-sozialen Spektrums (Mode - resp. Designqualität, Prestigewert etc.). Bei vielen umweltfreundlichen Innovationen ist der Vorteil gegenüber traditionellen Substituten nicht unmittelbar ersichtlich; langfristige Nutzenerwartungen (Lebensdauer, Redistribution) haben es zumeist schwer, sich gegenüber kurzfristigen Nachteilen (höherer Preis, Echtheitszweifel) zu behaupten. Der einzige relative Vorteil, der am Markt eine größere Rolle zu spielen scheint, ist der mit dem Umweltschutz häufig eng verknüpfte Gesundheitsaspekt (z. B. bei Lebensmitteln). Die Kompatibilität bezeichnet das Ausmaß der Übereinstimmung einer Innovation mit den Normen, Gewohnheiten, Bedürfnissen und Erfahrungen der intendierten Zielgruppe. Zur Strukturierung der Mehrdimensionalität dieser Kategorie werden wirtschaftliche, technische oder soziokulturelle Gesichtspunkte unterschieden. Gerade strategische Konsumentscheidungen61 (z. B. in den Bereichen Wohnen, Verkehr und Hobby) haben nach unseren Untersuchungen hohe umweltbezogene Bedeutung. Da hier spezifische Investitionen und Langfrist- 42 bindungen die Bedürfnisfelder strukturieren, die zudem durch Vertrautheit, Gewöhnung und soziale Beziehungsmuster hoch emotional aufgeladen sind, haben es umweltgerechtere Alternativen i. a. schwer, sich durchzusetzen. Die Beobachtbarkeit kennzeichnet den Grad, in dem Innovationen durch die soziale Umgebung wahrgenommen werden können. Die Benutzung des Fahrrades oder die Sonnenkollektoren auf dem Dach signalisieren eine ökologische Orientierung. Die Dimension wird bisweilen auch als Mitteilbarkeit beschrieben: Dies charakterisiert umfassender, wie sich die Vorteile einer Neuerung kommunizieren lassen. Dabei vermittelt die symbolische Kommunikation die Innovation über die Medien, während die natürliche Kommunikation die direkte Augenscheinnahme und Begutachtung bezeichnet. Gerade Umwelteigenschaften sind vielen Erzeugnissen nicht unmittelbar anzusehen, behauptete Vorteile bewähren sich - wenn überhaupt allenfalls beim Ge- oder Verbrauch. In der Sprache der Informationsökonomie: Umweltqualitäten entziehen sich sowohl beim Kauf als auch bei der Verwendung nicht selten der menschlichen Wahrnehmung, sie haben für den durchschnittlichen Nachfrager Placebo-Charakter.62 Die Dimension Teilbarkeit steht für die Möglichkeit zum probeweisen Versuch, beispielsweise durch Kostproben, Anwendungsprüfungen, Testfahrten o. ä. Auch hier haben es viele Öko-Innovationen schwer, da die Vorteile sich entweder kaum unmittelbar erschließen (ökologische Nahrungsmittel), erst bei längerfristigem Gebrauch deutlich werden (Energiespargeräte) oder als Externalitäten den potentiellen Käufer nicht unmittelbar tangieren (Schadstoffemissionen beim Auto). Die Diffusionsforschung bilanziert auf Grund der Untersuchung zahlreicher Ausbreitungsprozesse: Innovationen setzen sich um so schneller durch, je größer ihr relativer Vorteil, ihre Kompatibilität, Beobachtbarkeit und Teilbarkeit sind. Eine hohe Komplexität behindert dagegen die Diffusion. Schon die oben geleistete - sicherlich noch oberflächliche - Analyse der betreffenden Merkmalsausprägungen bei Umweltinnovationen zeigt, daß diese vielfach kaum für eine schnelle 61 62 Zu diesem Begriff vgl. Bodenstein, G., Spiller, A., Elbers, H., a. a. O., S. 91 Vgl. zu dieser Bewertung Tietzel, M., Weber, M., Von Betrügern, Blendern und Opportunisten - Eine ökonomische Analyse, in: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Nr. 2/1991, S. 109 - 137 und Spiller, A., a. a. O., S. 218 ff. 43 Akzeptanz sprechen. Euphorische Marktprognosen verbieten sich eigentlich völlig. Gleichwohl gab und gibt es im wissenschaftlichen wie im populären Schrifttum viele Autoren, die das schnelle Ergrünen der Märkte erwarten.63 Auch erweist sich die herausgearbeitete Schwierigkeitshierarchie ökologischen Verhaltens (vgl. Abb. 16) als weitgehend kompatibel mit den Ergebnissen der Diffusionsforschung, denn zweifellos sind Handlungen im unteren Bereich der Pyramide risikoloser, weniger komplex, leichter kommunizierbar und kompatibler mit den herrschenden Erwartungen und Normen als die der Pyramidenspitze. Ökologische Neuerungen, so das Fazit hinsichtlich der ersten Frage, werden sich in Abhängigkeit von den Ausprägungen der Innovationsmerkmale verbreiten. In den meisten Fällen ist von langsamen, eher S-förmigen Diffusionsverläufen auszugehen. Ad 2: Vor dem Hintergrund der Diffusionsforschung drängt sich zudem die Frage auf, ob und inwieweit Öko-Innovationen überhaupt als Neuerungen wahrgenommen werden. Verbreitungsprozesse werden gar nicht erst initiiert oder versanden, wenn die potentiellen Nachfrager Innovationsleistungen nicht erkennen (können), da die Vorteile gegenüber dem bisherigen Angebot nicht deutlich sind. Viele ökologieorientierte Neuheiten bei Lebensmitteln, Textilien oder Haushaltsgeräten unterscheiden sich von ihren konventionellen Substituten zumindest im Produktauftritt kaum. Derjenige, der um den innovativen Fortschritt nicht weiß, kann ihn am äußeren Erscheinungsbild nicht ablesen, es sei denn, er vertraut den Versprechungen der Werbung. Unsere Untersuchungen zeigen jeweils einen ausgeprägten Zusammenhang zwischen Umweltwissen und Umwelthandeln. BUND-Mitglieder handeln wohl nicht zuletzt deshalb ökologischer, weil sie über einen deutlich besseren Kenntnisstand verfügen. Zugespitzt formuliert: Wer die komplexen Beziehungsgeflechte einer ökologischen Bilanzierung nicht ansatzweise durchschaut, wer also wie der bei weitem größte Teil der Bevölkerung über zu wenig Beurteilungswissen verfügt,64 für den erschließen sich die Vorteile von Öko-Innovationen nicht, ihre innere Komplexität verhindert ihre Wahrnehmung. 63 64 Vgl. exemplarisch Arthur D. Little (Hrsg.), Ökologische Senkrechtstarter. Die Studie zu grünen Markterfolgen, Düsseldorf 1993. Vgl. Bodenstein, G., Spiller, A., Elbers, H., a. a. O., S. 42 - 46. 44 Insofern verwundert die eher marginale Behandlung der Wissenskomponente in der Umweltforschung. PREISENDÖRFER/FRANZEN65 betonen beispielsweise, daß das Umweltwissen in Faktenwissen, Wissen um Kausalzusammenhänge und um allgemeine sowie persönliche Handlungsalternativen disaggregiert werden könne, verweisen jedoch auf die Handlungsferne der beiden ersten Dimensionen. Selbst wenn man den schlecht operationalisierbaren Begriff der Handlungsferne akzeptiert: Das Umweltwissen ist eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung für eine konsistente Handlungsorientierung jenseits der beklagten Patchwork-Ebene. Diese Aussage wird eindrucksvoll durch die vorliegende Untersuchung gestützt, die für alle Cluster der BUND-Mitglieder eine Korrelation zwischen Wissen und Handeln nachweist.66 Im übrigen findet sie ihre Entsprechung in der Geschichte der Verbraucherbewegungen. Die Verbraucherinformation (auch als Gegeninformation) war und ist zentraler Bestandteil aller verbraucherpolitischen Konzepte.67 Fassen wir die Antwort auf die zweite Frage zusammen: Ökologische Neuerungen entziehen sich häufig der Wahrnehmung und der einfachen Beurteilung. Die BUND-Untersuchung zeigt im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, daß sich ein höherer Kenntnisstand als Bewertungsvoraussetzung auch im Verhalten bemerkbar macht. Ohne einen hinreichenden Kenntnisstand gewinnt die Diffusion keine Dynamik, der Verbreitungsprozeß bricht ab. Ad 3: Die Diffusionsforschung geht weiterhin davon aus, daß die Individuen eines Sozialsystems Innovationen sukzessiv in ihren Handlungskanon integrieren. Die zeitliche Verteilung der Erstübernehmer dient zur Bildung von Adopter-Typologien. Im allgemeinen werden fünf Adoptersegmente unterschieden:68 • Innovatoren (innovators), • Frühannehmer (early adopters), 65 66 67 68 Vgl. Preisendörfer, P., Franzen, A., Der schöne Schein des Umweltbewußtseins, in: Diekmann, A., Jaeger, C. C. (Hrsg.), Umweltsoziologie, Opladen 1996, S. 225. Vgl. die kompatiblen Ergebnisse bei Cezyp, M. H., Ökologieorientierte Profilierung im vertikalen Marketing - dargestellt am Beispiel der Elektrobranche, Frankfurt/Main usw. 1996, S. 113: „Bei einer clusterspezifischen Analyse kann der höchste ökologieorientierte Wissensstand den selektiven und anspruchsvollen Umweltkäufern zugesprochen werden“. Skeptischer dagegen Gillwald, K., a. a. O., S. 30 f. - m. w. Nachweisen; eher gegenteilig die Zusammenfassung bei Kuckartz, U., Umweltbildung und Umweltbewußtsein. Konsequenzen empirischer Studien zum Verhältnis von Umweltwissen, Umweltbewußtsein und Umweltverhalten, Forschungsgruppe Umweltbildung FU-Berlin, Papers 94-102, Berlin 1994. Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang darauf, daß die Wissenskomponente in der Kognitiven Psychologie als Teilmenge des Einstellungskonstrukts zumeist sehr oberflächlich operationalisiert wird. Vgl. zur Verbraucherpolitik Stauss, B., Verbraucherinteressen: Gegenstand, Legitimation und Organisation, Stuttgart 1980. Vgl. Gierl, H., a. a. O., Sp. 472. 45 • Frühe Mehrheit (early majority), • Späte Mehrheit (late majority) und • Nachzügler, Zauderer (laggards). Ein Verbreitungsprozeß gilt als abgeschlossen, wenn auch die Zauderer die Innovation akzeptiert haben. Im Hinblick auf die Verbreitung ökologischer Konsummuster liegt es nun nahe, nach der Eignung der BUND-Mitglieder als mögliche Innovatoren zu fragen. Den Neuerern kommt eine zentrale Stellung im Diffusionsprozeß zu, da sie in der Regel ihre Produkterfahrungen kommunizieren und oft als Meinungsführer zur Beschleunigung oder Verlangsamung der Akzeptanz beitragen. Sie können weiterhin durch Demonstration umweltverträgliches Handeln legitimieren und liefern schließlich dem Anbieter ein erstes Feedback über die Aufnahme am Markt sowie das Kauf- und Nutzungsverhalten. Meinungsführer-Innovatoren haben also eine Doppelfunktion: Als Innovatoren erkennen sie die Vorteile einer Neuerung und demonstrieren diese durch den Kauf. Als Meinungsführer verstärken oder stören sie den Diffusionsprozeß durch word-of-mouth-Beeinflussung aufgrund ihrer Kenntnisse resp. ihres Expertentums. Untersuchungen zeigen, daß die negative Meinungsführerschaft besonders wirksam ist. Unzufriedenheit wird offenbar häufiger kommuniziert und entfaltet einen vergleichbar größeren Einfluß.69 Insgesamt liegt die Vermutung nahe, daß gerade in der Initialphase der Verbreitung die Wissenskomponente von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, da das Handeln nachfolgender Adoptersegmente u. U. stärker von gesellschaftlichen Konventionen im Sinne bereits akzeptierter Konsummuster geprägt wird. Angesichts der zahlreichen Verbreitungsbarrieren, so läßt sich konstatieren, ist eine gezielte Ansprache der Erstkäufer bei ökologischen Produkteinführungen aus der Sicht des Marketing unverzichtbar. Allerdings erweist sich die ex-ante Identifikation von Innovatoren als schwierig: Die im Rahmen der Zielgruppensegmentierung im Marketing klassischerweise genutzten sozioökonomischen und psychographischen Variablen haben sich in der Diffusions69 Vgl. Spiller, A., Beschwerdemanagement als Instrument der Kundenbindung, in: Bodenstein, G., Zühlsdorf, A. (Hrsg.), Relationship-Marketing, Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Gerhard-Mercator-Universität-Gesamthochschule Duisburg Nr. 239, Duisburg 1997, S. 54. 46 forschung kaum bewährt. Ähnlich wie in der Umweltforschung sind auch hier stringente Zusammenhänge zum Realverhalten allenfalls fallweise isolierbar.70 Dagegen entfalten verhaltensorientierte Katagorien (Mediennutzung, Produktbesitz, Zugehörigkeit zu Vereinen oder Initiativen, politisches Engagement usf.) wegen ihrer Handlungsnähe eine ungleich größere Erklärungskraft. Diese Tendenzaussage der Diffusionsforschung wäre mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie zumindest mit Blick auf das umweltpolitische Engagement der Befragten kompatibel. Zu beachten ist freilich, daß lediglich die Kerngruppe der BUND-Mitglieder ein deutlich abgehobenes Umweltverhalten zeigt. Nur diesen beiden Clustern und damit knapp 50 % der Mitglieder käme also das Etikett „Innovatoren“ zu. Bei weiteren Untersuchungen wäre zu berücksichtigen, daß die Diffusionsforschung eine Innovationsorientierung stets auf bestimmte Markt- oder Produktsegmente bezieht. Individuen besitzen mithin Interessenschwerpunkte, in denen sie bevorzugt als Innovatoren agieren und oft auch Meinungsführerfunktionen übernehmen.71 Bei Öko-Innovationen ist dieser Segmentbezug bisher kaum verfolgt worden. Die von uns formulierte Schwierigkeitshierarchie ökologischer Handlungsfelder stützt jedoch auch die Vorstellung einer Innovatoren- und Meinungsführerschaft für die einzelnen Segmente der Pyramide. Mit anderen Worten: Die Verbreitungsprozesse bei ökologischen Konsummustern können horizontal oder vertikal verlaufen, zwingend ist ein „trickle-up“ i. S. eines Aufbruchs zu strikteren Formen des Umwelthandelns offenbar nicht. Eng verknüpft mit der zuletzt diskutierten Fragestellung ist das Problem der Dauer und Reichweite bei der Diffusion ökologischer Innovationen. Umweltschützer beklagen i. a. die mangelnde Akzeptanz und damit die zögerliche Durchsetzung nachhaltiger Konsummuster. Hoffnungsfrohe Anbieter setzten auf das vielfach dokumentierte Umweltbewußtsein der Bevölkerung, das gemeinhin als Indiz für einen potentiell hohen Bedarf steht. Realiter sind beide Seiten enttäuscht, weil Öko-Innovationen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Entweder sie führen als Zusatzleistungen größerer Unternehmen aus Industrie und Handel hierzulande ein Schattendasein, indem sie allenfalls das ökologisch ambivalente PatchworkHandeln wechselnder Zielgruppen befriedigen, oder sie leben eine Nischenexistenz und errei70 71 Vgl. auch zur geringen Erklärungs- und Prognosekraft soziodemographischer Kriterien für Umweltbewußtsein und -verhalten Meffert, H., Bruhn, M., Das Umweltbewußtsein von Konsumenten - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Deutschland im Längsschnittvergleich, Arbeitspapier Nr. 99 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster 1996, S. 22. Vgl. u. a. Kroeber-Riel, W., Weinberg, P., Konsumentenverhalten, 6. Aufl. München 1996, S. 517 und 640. 47 chen die kleine, aber loyale Gruppe der Ökopioniere: ein für spezialisierte Anbieter allerdings durchaus profitables Segment. Daß für Umwelt-Innovationen eher langsame Diffusionsprozesse zu erwarten sind, wurde bei der Analyse der innovationsimmanenten Merkmalskategorien (vgl. o.) bereits dargestellt. Hinzu kommen hier sicherlich die zumeist wenig stringenten Marketingbemühungen der Anbieter, die per saldo den ökologischen Krisenszenarien wohl eher skeptisch gegenüberstehen und daher nur halbherzig agieren.72 Weniger umfassend diskutiert erscheint uns die Frage nach der Reichweite ökologischer Diffusionsprozesse. Pointierter formuliert: Warum bricht die Durchsetzung nach Abdeckung der Öko-Innovatoren vielfach ab oder degeneriert zu einem Patchwork-Mosaik, ohne die gewünschte Verbreitungsdynamik zu entfalten? Der Verweis auf die fehlende Wissensbasis und die übrigen Handlungsbarrieren ist an dieser Stelle sicherlich zutreffend. Aus der Perspektive der Diffusionsforschung möchten wir aber auf eine weitere Erklärungsmöglichkeit aufmerksam machen: Schon frühzeitig wurde bei der Analyse von Verbreitungsprozessen das Problem struktureller Differenzierungen von Sozialsystemen erörtert, das dazu führen kann, daß Diffusionsprozesse abbrechen oder zum Stillstand kommen. Dieses auch unter der Bezeichnung „Ausbreitung in inhomogenen sozialen Strukturen“73 diskutierte Phänomen wurde u. a. erklärt mit der fehlenden Durchmischung der Population, was zur Folge hat, daß die Gruppe der Innovatoren kaum Kontakte zu anderen Segmenten der Bevölkerung unterhält und dadurch (i. e. wegen der sozialen Distanz) auch die prozeßakzelerierende Dynamik der Meinungsführerschaft versandet. In anderer Terminologie: Die Öko-Pioniere leben gleichsam in einem Kokon, der sie nach außen abschottet, so daß weder ihre potentielle Meinungsführerschaft noch ihr Vorbildverhalten sozial wirksam werden (können). Wir befürchten, daß viele Umweltschützer den Versuch, ihr innovatives Verhalten im - nicht so engagierten - sozialen Umfeld zu propagieren, längst aufgegeben haben. Der langsame Diffusionsprozeß ist möglicherweise auch das Ergebnis einer sozial-ökologischen Isolation. 72 73 Die marktstrategischen Positionierungen haben wir an anderer Stelle ausführlicher dargelegt. Vgl. Bodenstein, G. Ökologische Qualität: Strategische Stringenz statt operativer Hektik, in: Bodenstein, G., Schreiber, K. (Hrsg.), Marketing Trendshop ’96 - Dokumentation -, Diskussionsbeiträge des FB Wirtschaftswissenschaft der Gerhard-Mercator-Universität-GH-Duisburg, Nr. 238, Duisburg 1997, S. 20-34. Coleman, J. S., Ausbreitung in inhomogenen sozialen Strukturen, in: Schmidt, P. (Hrsg.), Innovation, Diffusion von Neuerungen im sozialen Bereich, Hamburg 1976, S. 242-261. 48 Möglich, daß hier das verbreitete Mißtrauen vieler Verbraucher gegenüber der ergrünten Warenwelt und der Inflation von Umweltargumenten in der Unternehmenskommunikation auf die Träger der Botschaft irradiiert. Verstärkt wird diese Isolierung sicherlich, weil der hinreichend informierte Öko-Innovator seiner Umgebung nicht nur erfreuliche Nachrichten aus der alternativen Produktwelt vermitteln wird, sondern gleichzeitig ein Plädoyer für eine Änderung der Lebensstile in Richtung suffizienzstrategischer Ansätze halten müßte. In unserer Spaßgesellschaft wird der Spielverderber schnell zum Außenseiter. Ein Trost: In der Antike, so wird berichtet, soll der Überbringer schlechter Nachrichten bisweilen vom Leben zum Tode befördert worden sein. Eine Antwort auf die zuletzt aufgeworfenen Fragen konnte die vorliegende Untersuchung nicht geben, hier wären weitergehende Analysen nötig. Für das praktische Marketing bleibt zunächst festzuhalten, daß das Segment der umweltorientiert Handelnden klein ist und i. a. quer zu den klassischen Käufergruppen liegt, die durch Segmentierungsmodelle oder Typologien gewonnen werden. Mit der Überzeugung der ökologischen Kerngruppe ist darüber hinaus für den Massenmarkt wohl wenig gewonnen, da diese gleichsam eine Doppelhürde bildet: Einmal ist sie wegen der umfangreicheren Wissensbasis nur bei einer stringenten umweltpolitischen Ausrichtung als Nachfragepotential zu aktivieren, zum anderen eignet sie sich offenbar kaum zur Initiierung einer Diffusionsdynamik. Für ökologische Strategien auf Massenmärkten müssen offenbar andere Käufer als Innovatoren gewonnen werden. 5 Exkurs: Zur strategischen Ausrichtung des BUND Neben den bereits dargestellten Fragen wurden im Rahmen der Erhebung zwei zusätzliche Themen angesprochen, die mehr auf die strategische Ausrichtung des BUND zielen und weniger auf Umweltbewußtsein und -verhalten. Die erste Frage betrifft die umweltpolitische Funktion des BUND. In diesem Zusammenhang wird in der Politik seit einiger Zeit die Verstärkung einer kooperativen, auf den konstruktiven gesellschaftlichen Diskurs gerichteten Umweltpolitik gefordert.74 Der Sachverständigenrat für Umweltfragen spricht in seinem Jah- 74 Vgl. dazu aus Sicht des BUND z. B. BUND (Hrsg.), Umweltschutz im Unternehmen - Dialog vor Ort, BUND-Argumente, Bonn 1995, Kurz, R., Spiller, A., Ökologische Unternehmensführung, in: Kurz, R., Zahrnt, A. (Hrsg.), Marktwirtschaft und Umwelt, Bonn 1994, S. 49 ff.; eher skeptisch zu Kooperationsmodellen steht Thielemann, U., Unternehmerische Chemiepolitik zwischen Kooperation und Kon- 49 resgutachten 1996 von einem „Ende der Polarisierung“75 und der „Abkehr von überkommenen Freund-Feind-Schemata“.76 Gleichzeitig deutet jedoch einiges darauf hin, daß angesichts der Funktionsprinzipien der modernen Medienöffentlichkeit die Popularität des Umweltschutzes nicht zuletzt von der dissensorientierten Aufbereitung von Themen abhängt (vgl. Brent Spar).77 Interessant - weil verbandsintern umstritten - ist daher für den BUND, wie die Mitglieder die Rolle ihres/eines Umweltverbandes in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung einschätzen. Sie wurden gebeten, die vorgegebenen Funktionen Problemlöser, Lobbyist, Ankläger und Vermittler zu bewerten. Dabei zielen Lobbyist und Ankläger auf das eher traditionelle Bild eines strikten Konfliktes zwischen Umweltschützern auf der einen und Wirtschaft und Politik auf der anderen Seite. Vermittler und Problemlöser stehen dagegen für einen kooperativen Stil. Abb. 17: Funktionen des BUND Welche Rolle kommt aus Ihrer Sicht einem Umweltverband zu? (Mehrfachnennungen möglich!) Funktionstyp Nennungen in % der Befragten Problemlöser 57 % Lobbyist 59 % Ankläger 73 % Vermittler 59 % Quelle: Eigene Erhebung Durch die Zulassung von Mehrfachantworten konnten die Befragten auch Kombinationen aus Konflikt- und Kooperationsstrategien wählen. Tatsächlich zeigt sich, daß sie eine einseitige Funktionenzuschreibung in der Mehrzahl nicht stützen. 67 % der Probanden plädieren für ein Instrumentenmix, 19 % votieren ausschließlich für die konfliktäre Variante, 12 % für ein rein kooperatives Vorgehen. Offensichtlich sind die Mitglieder an dieser Stelle wesentlich weniger dogmatisch als es die harten internen Auseinandersetzungen innerhalb des BUND vermuten lassen. Es ist aber ebenso offensichtlich, daß die Rolle des David, der die mächtigen Interessen in Politik und Wirtschaft aufdeckt und angreift, nach wie vor tief verwurzelt ist und für unumgänglich gehalten wird (73 % Zustimmung). Das Votum des Sachverständigenrates für 75 76 frontation - Sinn und Grenzen kooperativer Subpolitik, in: oikos (Hrsg.), Kooperation für die Umwelt: Im Dialog zum Handeln, Chur, Zürich 1994, S. 123 - 144. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Jahresgutachten 1996, a. a. O., S. 235. Ebenda, S. 35. 50 ein Ende des polarisierten Diskurses greift aus Sicht der Mitglieder zu kurz. Es bedarf der schwierigen Gratwanderung zwischen beiden Strategietypen. Eine zweite Frage zur Ausrichtung im Spannungsfeld von Konflikt und Kooperation betrifft die vom BUND seit geraumer Zeit forcierte Zusammenarbeit mit Unternehmen. Beispiele für solche Wirtschaftskooperationen sind u. a.:78 • Die ökologische Unternehmensberatung des BUND für den Warenhauskonzern HERTIE im Rahmen einer ökologischen Unternehmensführung und insbesondere der Sortimentspolitik. • Die gemeinsamen Informationskampagnen zum Umweltschutz mit der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK). • Die Herausgabe von Informationsmaterialen gegen das Duale System Deutschland in Zusammenarbeit mit Body Shop. • Die Anzeigenschaltung und PR-Arbeit gemeinsam mit 16 namhaften Unternehmen (u. a. AEG, Werner&Merz, Otto-Versand) für eine ökologische Steuerreform vor der Bundestagswahl 1994. • Die PR-Aktion mit Tupperware Deutschland für den Einkauf von Frischware in Supermärkten in mitgebrachten Mehrwegbehältnissen. • Die kooperative Entwicklung eines Standardbierkastens mit der Brauerei Alpirsbacher Klosterbräu. Diese Aktionen sind Gegenstand heftiger verbandsinterner Auseinandersetzungen gewesen, die bis zum heutigen Tage anhalten. Während Teile des Verbandes auf die oben angesprochene Neuausrichtung der Umweltpolitik verweisen, sehen andere die Unabhängigkeit des BUND bedroht. Die Meinung der Mitglieder ist relativ eindeutig: 80,2 % der Befragten befürworten eine solche Zusammenarbeit. Dies bestätigt nochmals das Ergebnis, daß die BUND-Mitglieder für ein Instrumentenmix votieren und in dieser Hinsicht relativ undogmatisch sind. Sie räumen aber dem traditionellen Konfrontationskurs weiterhin eine zentrale Position ein und halten insofern die verschiedenen Optionen für politisch vereinbar. Abb. 18: Wirtschaftskooperationen des BUND aus Sicht der Mitglieder 77 78 Vgl. auch Spiller, A., a. a. O., S. 203. Vgl. hierzu und zum folgenden BUND (Hrsg.), Wirtschaftskooperationen, Bericht für die Bundesdelegiertenversammlung 1995, Bonn 1995. 51 Befürworten Sie die Zusammenarbeit des BUND mit Unternehmen (z. B. Hertie)? Ja 80,2 % Nein 19,8 % Quelle: Eigene Erhebung Der zweite Themenbereich im Rahmen dieses Exkurses betrifft die Gewichtung der verschiedenen umweltpolitischen Problemfelder. Bei dieser offen formulierten Frage waren Mehrfachantworten möglich. Da die Probanden bei den Fragen nach der persönlichen Schwerpunktsetzung bzw. den eigenen Handlungsbarrieren jeweils dem Verkehrsbereich höchste Priorität eingeräumt hatten, überrascht das in Abb. 19 wiedergegebene Ergebnis nicht. Abb. 19: Umweltpolitische Prioritäten der BUND-Mitglieder Welches Umweltthema sollte der BUND in nächster Zeit vordringlich angehen? (Mehrfachnennung möglich) Bereich Nennungen in % der Befragten Verkehr 51 % Landwirtschaft/Lebensmittel 30 % Energie 29 % Risikotechnologien (Atom- u. Gentechnik) 24 % Abfall 22 % Ökonomie/Ökosteuern 19 % Bodenschutz 17 % Naturschutz 16 % Wasserschutz 10 % Umweltbildung 8% Luftreinhaltung 8% Quelle: Eigene Erhebung Es dominiert eine sektorale, den traditionellen Handlungsfeldern verpflichtete Sichtweise. Auffällig ist z. B., daß die hohe verbandsinterne Bedeutung des Themas Wirtschaft (speziell Ökosteuern) bei den Mitgliedern nur zu einem kleineren Teil angekommen ist. 6 Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse Die vorliegende Untersuchung zielt im wesentlichen auf zwei Fragen: 1. auf den Zusammenhang zwischen Umweltbewußtsein und -verhalten am Beispiel der Kerngruppe der Umweltorientierten und 2. auf die Eignung von Umweltverbandsmitgliedern als Zielgruppe des ökologieorientierten Innovationsmarketing. 52 Ad 1: Der Befragung von 250 BUND-Mitgliedern liegt die Hypothese zugrunde, daß die Zugehörigkeit zu einem Umweltverband ein valider Indikator für ein hohes Umweltbewußtsein ist. Für ca. 80 % der Befragten trifft dies zu. Bei einer Operationalisierung des Umweltbewußtseins als Einstellungskonstrukt mit den drei Komponenten Umweltwissen, emotionale Betroffenheit und Handlungsbereitschaft heben sich diese Probanden erheblich von der Gesamtbevölkerung ab. Allerdings gibt es unterschiedliche Schwerpunkte: Rund 20 % der BUND-Mitglieder zeichnen sich durch ihr ausgesprochen hohes ökologisches Wissen, weitere 25 % durch ihre direkte persönliche Betroffenheit und hohe Handlungsbereitschaft und eine größere Gruppe von ca. 35 % durch ca. die ausgeprägte gefühlsmäßige Zustimmung zum Umweltschutz aus. Nur eine Gruppe von 20 % der Probanden erweist sich als umweltpolitisch eher desinteressiert. Das insgesamt hohe Umweltbewußtsein schlägt sich nur zum Teil im Verhalten nieder. Im Rahmen der tradierten konsumökologischen Handlungsfelder wie der Abfallpolitik, aber auch im Bereich der umweltorientierten Ernährung sind deutliche Unterschiede zur Gesamtbevölkerung zu erkennen. Hier kann man durchaus von einer Konsumwende sprechen. Auch bei der Ökologisierung des Bekleidungseinkaufs sind Fortschritte gegenüber der Allgemeinheit zu erkennen, wenngleich absolut auf einem niedrigen Niveau. Wenig Erfreuliches bieten die Segmente Verkehr und Wohnen, wo die geringen Umweltbemühungen der Probanden nicht zu einer durchschlagenden Veränderung gegenüber der Gesamtbevölkerung führen. Ad 2: Die Verbreitung innovativer Umweltprodukte verläuft in Deutschland insgesamt eher schleppend. Die einschlägige Forschung hat in den letzten Jahren zahlreiche Gründe für die Mißerfolge des Öko-Marketing aufgezeigt. Mit der vorliegenden Studie sollte auf eine - aus unsere Sicht bisher vernachlässigte - Perspektive aufmerksam gemacht werden: den Abbruch von Verbreitungsprozessen bei inhomogenen sozialen Gruppen. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, daß BUND-Mitglieder häufig Konsuminnovatoren bei ökologischen Produkten sind. Ablesbar ist dies zum einen am hohen Wissensstand und zum anderen an der Kaufhäufigkeit von umweltorientierten Lebensmitteln und insbesondere Textilien. Gerade letztere sind in der Gesamtbevölkerung fast überhaupt nicht verbreitet. Warum tragen jedoch die Umweltschützer so wenig zur weiteren Diffusion dieser Produkte bei? Hierauf haben wir einige Antworten formuliert, die im gegenwärtigen Forschungsstadium jedoch Hypothesencharakter haben: 53 • Nur die Kerngruppe der Umweltschützer verfügt über das notwendige Wissen, um den Innovationsgehalt der Umweltprodukte überhaupt einordnen und bewerten zu können. Es gibt erhebliche Informationsdifferenzen zwischen engagierten Umweltschützern und der übrigen Bevölkerung, die soziale Austauschprozesse und Meinungsführerverhalten der Innovatoren erschweren. • Unterschiedliche Informationsgrade gibt es auch bei anderen Innovationen. Bei ökologischen Produkten kommt hinzu, daß ihr Kauf auf Wertentscheidungen, Verantwortungsbereitschaft und abweichenden Lebensstilen beruht. Während Ratschläge von gut informierten Freunden beim Kauf eines neuen PCs i. d. R. dankbar angenommen werden, erscheinen die gleichen Hinweise auf die Umweltqualität bestimmter Produkte schnell als Besserwisserei und sozialer Druck. Möglicherweise haben viele Umweltschützer bei dem Versuch, ihr Umfeld zu überzeugen, bereits resigniert (sozial-ökologische Isolation). • Schließlich zeigt die Befragung, daß die BUND-Mitglieder den ökologischen Angeboten traditioneller (konventioneller) Unternehmen eher skeptisch gegenüberstehen und hauptsächlich auf spezialisierte Öko-Anbieter zurückgreifen. Fazit: BUND-Mitglieder sind als Zielgruppe für ein ökologisches Innovationsmarketing nur begrenzt - nämlich für hochspezialisierte Nischenanbieter - geeignet. Hersteller und Handelsunternehmen, die mit ihren Produkten auf eine Durchdringung des Gesamtmarktes abzielen, sind auf neue Verbreitungskonzepte angewiesen. Die zuletzt beschriebenen diffusionstheoretischen Erläuterungen haben vornehmlich Hypothesencharakter. Welches Ausmaß die sozial-ökologische Isolation der Umweltschützer tatsächlich einnimmt, muß durch weiterführende Analysen geklärt werden. 54 Literaturverzeichnis Arthur D. Little (Hrsg.), Ökologische Senkrechtstarter. Die Studie zu grünen Markterfolgen, Düsseldorf 1993 Aulinger, A., (Ko-)Operation Ökologie: Kooperationen im Rahmen ökologischer Unternehmenspolitik, Marburg 1996 Baccini, P., Brunner, P. H., Metabolism of the Anthroposphere, Berlin, Heidelberg u. a. 1991 Bänsch, A., Marketingfolgerungen aus den Gründen des Nichtkaufs umweltfreundlicher Konsumgüter, in: Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Nr. 4/1990, S. 360 379 Belz, F. et al., Von der Öko-Nische zum ökologischen Massenmarkt im Bedürfnisfeld Ernährung, IWÖ-Diskussionsbeitrag Nr. 40, St. Gallen 1997 Bleischwitz, R. et al., Zukunftsfähiges Deutschland, Wuppertal 1995 Bodenstein, G., Der Annahme- und Verbreitungsprozeß neuer Produkte, Frankfurt/M. usf. 1972 Bodenstein, G., Diffusionsforschung, in: Poth, L. 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Fühlen Sie sich in Ihrem Alltag durch Umweltbelastungen beeinträchtigt? sehr stark stark 2,5 % 3. 32,2 % 5. nicht so sehr 48,3 % 15,3 % überhaupt nicht 1,7 % Spenden Sie für Umweltschutzbelange zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag Geld? Ja: 4. mittel 59,5 % Nein: 40,5 % Machen Sie andere Menschen (Verwandte, Bekannte, Freunde oder auch Fremde) auf ihr Fehlverhalten in bezug auf den Umweltschutz aufmerksam? sehr häufig häufig manchmal selten nie 6,6 % 25,4 % 57,3 % 10,7 % 0% Kennen Sie Bezeichnungen oder Kennzeichnungen, die auf die Umweltfreundlichkeit von Lebensmitteln hinweisen? (Mehrfachnennungen möglich!) Nein Ja, und zwar _________________________________ ___________________________________________________________ 6. Nennen Sie bitte einige Unternehmen, die sich nach Ihrer Auffassung durch besondere Umweltschutzbemühungen auszeichnen! (Mehrfachnennungen möglich)! Textilunternehmen: _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ Handelsunternehmen: _____________________________________________________________ _____________________________________________________________ 59 7. Nehmen Sie zugunsten des Umweltschutzes Einschränkungen in ihrem Lebensstil hin? sehr große 1,7 % 8. große 7,5 % mittel 55,8 % geringe 30,8 % keine 4,2 % Falls Sie Einschränkungen in Kauf nehmen, um welche handelt es sich? _________________________________________________________________ _________________________________________________________________ 9. Im folgenden werden einige Statements genannt, inwieweit stimmen Sie diesen zu oder inwieweit lehnen Sie diese ab? (Angaben in Prozent) Die Medien übertreiben beim Umweltschutzthema doch ziemlich Wenn ich an die Zukunft denke, macht mir die Umweltverschmutzung richtig Angst Das Verhalten des einzelnen Bürgers spielt im Umweltschutz keine große Rolle, viel wichtiger ist, daß Staat und Industrie damit beginnen Die Risiken der neuen Technologien wie Atomkraft und Gentechnologie werden vielfach stark übertrieben Ich glaube, die Welt ist nicht mehr zu retten Es wird heute zuviel Wirbel um den Umweltschutz gemacht Ich habe häufig richtig Wut auf die Verantwortlichen, weil so wenig für den Umweltschutz getan wird Im Zweifel ist Umweltschutz wichtiger als Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzsicherheit Ich habe häufig ein schlechtes Gewissen, weil ich mich im Alltag nicht so umweltfreundlich verhalten kann, wie ich das gerne möchte Über die Umweltschädlichkeit von Produkten mache ich mir wenig Gedanken stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils stimme stimme ganz eher und gar nicht zu nicht zu 0,8 5,0 16,5 31,4 46,3 51,6 26,3 19,7 1,6 0,8 3,3 5,0 23,9 31,4 36,4 1,7 3,3 11,5 25,6 57,9 7,4 2,5 14,9 3,3 25,6 2,5 31,4 26,4 20,7 65,3 34,4 36,1 17,2 9,8 2,5 34,4 28,7 27,9 7,4 1,6 13,9 28,7 33,6 19,7 4,1 0,8 3,3 10,7 37,7 47,5 60 10. a) b) c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) n) Im folgenden Fragenkomplex sind einige Aussagen zu Ihrem konkreten Verhalten zusammengestellt. Bitte kreuzen Sie an, inwieweit die nachstehenden Aussagen auf Sie zutreffen. (Angaben in Prozent) Altpapier gebe ich zum Recycling Ich fahre auf der Autobahn - wenn es der Verkehr zuläßt - schneller als 130 Einwegglasflaschen bringe ich zum Container bzw. gebe ich zum Recycling Ich kaufe Lebensmittel aus kontrolliert-ökologischem Anbau Batterien und Leuchtstoffröhren gebe ich zum Sondermüll Ich kaufe Energiesparlampen Ich kaufe Waschmittel im Baukastensystem Ich kaufe ökologisch hergestellte Textilien Ich kaufe Milch in Glasflaschen Ich kaufe unverpackte Lebensmittel Ich kaufe Kleidung aus Second-HandLäden Ich wähle beim Einkauf Lebensmittel aus der Region Wie oft nutzen Sie die Möglichkeit, Verpackungsmaterialien im Geschäft zurückzulassen? Wie oft kommt es vor, daß Sie Dinge, die Sie getrennt sammeln könnten, in den Restmüll werfen? immer oft manchmal selten nie 96,7 12,5 3,3 15,8 0,0 41,7 0,0 25,8 0,0 4,2 97,5 2,5 0,0 0,0 0,0 2,5 35,2 32,8 23,8 5,7 85,2 10,7 4,1 0,0 0,0 11,5 24,8 40,2 12,8 26,2 18,0 12,3 12,8 9,8 31,6 2,5 12,3 33,6 36,0 15,6 36,9 2,5 0,0 18,9 52,9 10,7 10,7 28,1 18,8 15,6 14,0 24,6 18,0 2,5 45,9 6,6 65,5 20,5 6,6 0,8 8,3 17,4 23,1 37,2 14,0 0,0 0,8 7,4 59,8 32,0 11. Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen zu Ihrer persönlichen Mobilität! a) Wieviele Autos zählen zu Ihrem Haushalt ?_____ Stück b) Welche Autotypen sind in Ihrem Haushalt vorhanden ? (Bitte genaue Bezeichnung, z.B. VW Golf) _______________________________________________________ c) Wie hoch ist die Gesamtfahrleistung pro Jahr mit dem PKW, mit dem Sie hauptsächlich fahren? ______________ km d) Wie oft nutzen Sie den Verkehrsträger Flugzeug durchschnittlich pro Jahr? ________ mal innerhalb Deutschlands ________ mal innerhalb Europas ________ mal weltweit 61 e) Wieviele Kilometer legen Sie insgesamt im Jahr durchschnittlich mit der Bundesbahn zurück? 8,2 % gar keine 35,2 % weniger als 1.000 km 33,6 % 1.000 bis unter 5.000 km 13,1 % 5.000 bis unter 10.000 km 7,4 % 10.000 bis unter 20.000 km 2,5 % 20.000 km und mehr f) Besitzen Sie ein Motorrad/Mofa? g) Wenn ja, wie hoch ist Ihre durchschnittliche Gesamtfahrleistung pro Jahr? Ja: 7,6 % Nein: 92,4 % __________________ km 12. Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen zu Ihrer persönlichen Ernährung! a) Wie oft essen Sie Fleisch im Rahmen Ihrer Hauptmahlzeit? ___ x pro Woche b) Wie oft verwenden Sie in Ihrem Haushalt Tiefkühlprodukte? ___ x pro Woche selten oder gar nicht c) Wieviele Getränkedosen kaufen Sie durchschnittlich? ___ Stück pro Woche selten o. gar keine d) Kompostieren Sie Ihre organischen Abfälle? Ja: 13. Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen zu Ihrer persönlichen Wohnsituation! a) In welchem Haustyp wohnen Sie an Ihrem Hauptwohnsitz? b) 74,8 % Alleinstehendes Einfamilienhaus: 32,8 % Einfamilien-Reihenhaus 11,5 % Mehrfamilienhaus 55,7 % Nein: 25,2 % Wie groß ist Ihre Gesamtwohnfläche (inkl. Zweit- und Ferienwohnungen)? ______________ qm 62 14. Bitte beantworten Sie folgende Fragen zu Ihrem persönlichen Energie- und Wasserverbrauch a) Womit wird ihr Haus/ihre Wohnung beheizt? Fernwärme b) 9,0 % Öl 32,0 % Gas 54,1 % Kohle 0,8 % Strom (Wenn ja weiter mit Frage 14 d) 2,5 % sonstiges, und zwar.......... 1,6 % Wie hoch ist für den Hauptwohnsitz Ihre 2-Monats-Abschlagszahlung für Strom (ggf. inkl. Gas)? (Nicht beantworten, wenn mit Strom geheizt wird!) _____________________________ DM c) Wie hoch ist Ihre Heizkostenrechnung für den Hauptwohnsitz im letzten Jahr gewesen? Ohne Wartungskosten! (Nicht beantworten, wenn mit Strom geheizt wird!) _____________________________ DM d) (Bitte nur beantworten, wenn mit Strom geheizt wird!) Wie hoch ist Ihre Stromkostenrechung für einen 2-Monats-Abschlagszeitraum? _____________________________ DM 15. Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen zu Ihrer Bekleidung! a) Wie würden Sie Ihr eigenes Modebewußtsein einschätzen? sehr hoch 0,0 % b) hoch mittel niedrig sehr niedrig 5,7 % 54,9 % 32,8 % 6,6 % Wieviele der folgenden Bekleidungsstücke kaufen Sie bzw. bekommen Sie in etwa pro Jahr geschenkt? (Mehrfachnennungen möglich!) _________ Anzüge/Kostüme _________ Jacken/Sakkos/Blazer _________ Hemden/Blusen/T-Shirts 63 _________ Pullover _________ Hosen/Röcke _________ Schuhe (Paar) Statistische Fragen: 1. Geschlecht des Befragten/der Befragten Weiblich: 2. 49,2 % Männlich 50,8 % Wie alt sind Sie? 18 - 24 Jahre 25 - 29 Jahre 30 - 34 Jahre 35 - 39 Jahre 40 - 44 Jahre 45 - 49 Jahre 50 - 54 Jahre 55 - 59 Jahre 60 - 64 Jahre 65 - 69 Jahre 70 Jahre und älter 3. Wieviel Personen leben in Ihrem Haushalt? 1 Person 23,8 % 4. 8,2 % 20,5 % 16,4 % 16,4 % 9,0 % 8,2 % 7,4 % 7,4 % 2,5 % 3,3 % 0,8 % 2 Personen 3 Personen 4 Personen 28,7 % 19,7 % 19,7 % 4,9 % 6 Personen 2,5 % 7 Personen 0,8 % Welchen Schulabschluß haben Sie? (Nur den höchsten Bildungsabschluß angeben!) noch in schulischer Ausbildung Volksschule/Hauptschule Realschule oder gleichwertig Fachhochschul- oder Hochschulreife Hochschule/Universität 5. 5 Personen Welchen Beruf üben Sie aus? 0,0 % 5,7 % 20,5 % 27,9 % 45,9 % 64 Student/Schüler arbeitslos Rentner Handwerker Hausfrau Angestellter leit. Angestellter Kaufmann/-frau Beamte Akademiker 6. Wo liegt ungefähr Ihr monatliches Haushaltseinkommen? (Bitte summiertes Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder) bis unter 1.000 bis unter 2.500 bis unter 4.000 bis unter 7.500 bis unter 10.000 bis unter über 7. 12,8 % 0,9 % 6,0 % 6,0 % 10,3 % 18,8 % 2,6 % 3,4 % 13,7 % 25,6 % 1.000 DM 2.500 DM 4.000 DM 7.500 DM 10.000 DM 15.000 DM 15.000 DM 2,5 % 22,7 % 21,8 % 37,0 % 11,8 % 3,4 % 0,8 % Wieviele Einwohner hat Ihr Wohnort? unter 5.000 Einwohner 5.000 bis unter 20.000 Einwohner 20.000 bis unter 100.000 Einwohner 100.000 bis unter 500.000 Einwohner über 500.000 Einwohner 21,0 % 23,5 % 26,9 % 15,1 % 13,4 % 65 Anhang 2: Strukturdaten der deutschen Umweltverbände Organisation Gründung Mitgliederzahl79 Hauptamtliche Mitarbeiter80 Einnahmen in Mio. DM 1987 1994 1987 1994 1987 1994 Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) 1972 300.000 200.000 0,1 0,25 3 3 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) 1975 140.000 216.000 3,17 16,7 16 41 Greenpeace Deutschland 1980 80.000 500.000 7,5 71,2 22 120 Naturschutzbund Deutschland 1899 140.000 197.000 2,6 20,3 60 52 Umweltstiftung Word Wide Fund for Nature Deutschland 1961 55.000 104.000 7,5 27,5 42 92 Quelle: 79 80 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Umweltgutachten 1996 Bei Greenpeace und WWF Fördermitglieder. Bei BUND und NABU nur Mitarbeiter in den Bundesgeschäftsstellen - auf regionaler Ebene sind weitere Mitarbeiter beschäftigt.