Der Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Synthese von Antikörpern gegen Brucella abortus * H . KRÖGER u n d D. PAPANASTASIU Biochemisches Institut der Universitä Freiburg im Breisgau (Z. N a t u r f o r s c h . 2 3 b , 69—72 [1968] ; e i n g e g a n g e n a m 30. M a i 1967) 1. 3H-Thymidin und 3H-Cytidin werden sehr rasch in die DNS bzw. RNS der Rattenmilz eingebaut. 2. Während der Erstimmunisierung mit Brucella abortus ist der Nucleinsäure-Stoffwechsel in der Rattenmilz gesteigert; die DNS-Synthese nimmt wesentlich mehr zu als die der RNS. 3. Die Basen-Zusammensetzung der Kern-RNS wird durch Immunisierung leicht verändert. 4. Während der Zweitimmunisierung mit Brucella abortus ist der Nucleinsäure-Stoffwechsel in der Rattenmilz ebenfalls gesteigert; die RNS-Synthese erreicht das Maximum schneller, die DNSSynthese langsamer als bei der Erstimmunisierung. In früheren Untersuchungen konnten wir zeigen, daß Milzzellen von Kaninchen, die mit Alkoholdehydrogenase immunisiert worden waren, in vitro Antikörper gegen dieses Enzym bilden 1 . Da diese in vitro-Synthese durch Actinomycin D gehemmt wird, halten wir bei der Antikörper-Bildung eine DNS **-abhängige RNS-Synthese für unerläßlich 2 . Im Rahmen unserer Arbeiten über den Ursprung der Information für die Antikörper-Synthese berichten wir hier über den Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Erst- und Zweitimmunisierung. Methoden 1. Immunisierung In den meisten Fällen injizierten wir weiblichen Wistar-Ratten als Antigen inaktivierte Keime von Brucella abortus (Stamm Bude 19). Zur Erstimmunisierung erhielten die Tiere subcutan per 100 g Körpergewicht 1ml Keimsuspension (1 • 1011 Keime/ml) ; zur Zweitimmunisierung gaben wir 3 Monate später noch 0,75 ml Antigen/100 g Körpergewicht. Bei einigen Versuchen wurde ein Extrakt aus Azotobacter vinelandii als Antigen verwendet. Wir injizierten pro Ratte intravenös an zwei aufeinander folgenden Tagen je 2,5 mg Extrakt-Protein. Die Gewinnung des Bakterien-Extraktes ist in einer anderen Arbeit beschrieben 3. 2. Isolierung der Nucleinsäuren Die Tiere erhielten — wenn nicht anders vermerkt — intravenös 10 juC 3H-Thymidin bzw. 3H-Cyti* Über einen Teil dieser Untersuchungen wurde berichtet auf der Herbsttagung der Gesellschaft für Biologische Chemie, Marburg 1966. ** Abkürzungen: A = Adenin; C = Cytosin; DNS = Desoxyribonucleinsäure; G = Guanin; RNS = Ribonucleinsäure; U = Uracil. 1 H. WERCHAU U. H. KRÖGER, Biochem. Z. 3 4 1 , 1 8 4 [ 1 9 6 5 ] . 2 H . WERCHAU U. H . KRÖGER, Biochem. Z. 3 4 2 , 3 8 7 [ 1 9 6 5 ] . 3 H . KRÖGER, D. PAPANASTASIU U. R . RINGELMANN, Zentrbl. Bakteriol., I. Orig., im Druck. din/100 g Körpergewicht. Zu den jeweils angegebenen Zeiten wurden sie getötet und die Milzen entnommen. Die DNS wurde nach dem Verfahren von S C H M I D T 4 THANNHAUSER isoliert. Zur Hydrolyse erhitzten wir die DNS mit 2 ml 5-proz. Trichloressigsäure 15 Min. auf 90 °C. Nach dem Zentrifugieren wurden im Überstand Radioaktivität (s. unten) und Desoxyribose-Gehalt (Diphenylamin-Test5) ermittelt. Die Gesamt-RNS isolierten wir aus der Milz nach dem Verfahren von D A V I D S O N und S M E L L I E 6. Die einzelnen RNS-Fraktionen wurden in Anlehnung an die Methode von G E O R G I E V et al. 7 gewonnen; bei diesen Versuchen wurden die Tiere 30 Min. nach der Injektion von 3H-Cytidin getötet. Alle RNS-Formen wurden zunächst zweimal mit Äthanol — Äther (3:1) und einmal mit 5-proz. Trichloressigsäure gewaschen; danach hydrolysierten wir die RNS mit 0,3 N KOH 18 Stdn. bei 30 °C. Das Hydrolysat, bis p H 1 mit 70-proz. HC104 versetzt, wurde zentrifugiert, der Uberstand mit 2 N KOH neutralisiert. Nach erneutem Zentrifugieren bestimmten wir im Uberstand die Radioaktivität (s. unten) und den Gehalt an Ribose (Orcinol-Test 8 ). Zur Radioaktivitäts-Bestimmung wurde 0,1 ml von der Probe in 10 ml eines Dioxan-Szintillators gegeben und im Tricarb-Flüssigkeits-Szintillations-Spektrometer (Packard) gemessen. Es ist jeweils die einfache Standardabweichung angegeben. 3. Basenanalyse Den Ratten wurde intraperitoneal 0,8 mC 32P-Orthophosphat injiziert; 30 Min. danach wurden sie getötet. Wie oben erwähnt, wurden die RNS-Fraktionen nach dem Verfahren von G E O R G I E V et al. 7 aus der Milz isoliert. Die Basen-Zusammensetzung der RNS-Arten ermittelten wir nach der Methode von K R Ö G E R et al.'9. 4 and G . SCHMIDT 83 S . J . THANNHAUSER, J . biol. Chemistry 161, [1945]. 5 Z. DISCHE, 6 J. N. 7 G . P . GEORGIEV, O . P . SAMARINA, M . I . LERMAN, M . N . SMIR- 8 W. 9 H. KRÖGER NOV, Mikrochem. 8 , 4 and R . M. DAVIDSON [1930]. S . SMELLIE, Biochem. J. 52, 599 and A. N. SEVERTZOV, Nature [London] 2 0 0 , 1 2 9 1 [ 1 9 6 3 ] . Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 2 5 8 , 1 1 7 MEJBAUM, [1939]. U. T H . LUCKING, Z. Naturforsdig. 22 b, 9 6 7 [1967]. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 3:17 PM 4. Präparate 32 3 P-Orthophosphat, H-Thymidin-(6-T) (spezifische Aktivität 1 , 9 - 5 C/mMol) und 3H-Cytidin-(G) (spezifische Aktivität 1,9 —4 C/mMol) bezogen wir von The Radiochemical Centre, Amersham, England. Herrn Prof. Dr. J . POTEL, Asta-Werk, Brackwede, danken wir für die Brucella abortus-Keime. Untersucht man während dieser Immunisierung die Nucleinsäuren in der Rattenmilz, so findet man deren Synthese bereits 24 Stdn. nach der AntigenInjektion erhöht (s. Abb. 2). Weitere 12 Stdn. spä- Ergebnisse A. Nucleinsäure-Stoffwechsel in von der Zeit Abhängigkeit Injiziert man Ratten 3 H-Thymidin oder 3H-Cytidin, so kann man die Radioaktivität schon kurze Zeit später in den Nucleinsäuren der Milz nachweisen (s. Abb. 1). Besonders das 3 H-Thymidin wird rasch von der DNS aufgenommen; der Einbau erreicht nach 60 Min. das Maximum. In weiteren 180 Min. ändert sich der Wert nur wenig. Bei der RNSSynthese liegt das Maximum für die Aufnahme des markierten Cytidin in der 45. Minute. Danach sinkt die spezifische Aktivität allmählich ab. Abb. 2. Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Erstimmunisierung mit Brucella abortus, o — o DNS, A — A RNS. Angegeben sind Mittelwerte von 8 — 12 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Thymidin bzw. 3H-Cytidin/ 100 g Körpergewicht; 20 Min. danach wurden sie getötet. 15 30 45 60 120 240 Minuten — Abb. 1. Einbau von 3H-Thymidin in DNS und 3H-Cytidin in RNS der Rattenmilz in Abhängigkeit von der Zeit, o —O DNS, A - A RNS. Angegeben sind Mittelwerte von 4 — 6 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Thymidin bzw. 5 fxC 3HCytidin/100 g Körpergewicht. B. Nucleinsäure-Stoffwechsel während der Erstimmunisierung Schon 4 Tage nach einer Injektion von Brucella a&ortas-Keimen sind im Serum von Ratten Antikörper nachweisbar. Der Titer erreicht am 12. Tag den höchsten Wert und bleibt bis zum 24. Tag noch relativ hoch (s. die anschließende Arbeit, diese Zeitschrift 1 0 ). ter liegt der Wert der DNS-Synthese dreifach über dem der Kontrollen. Die RNS-Synthese wird weniger stark aktiviert. 4 Tage nach der Antigen-Injektion — dem Zeitpunkt, an dem erstmalig Antikörper im Serum nachweisbar sind — hat sich der Nucleinsäure-Stoffwechsel in der Milz schon fast wieder normalisiert. Die Veränderungen bei der RNS-Synthese analysierten wir noch näher, indem wir die einzelnen Fraktionen der Milz-RNS betrachteten (s. Abb. 3). Die Synthese der Kern-RNS wird durch die Immunisierung stärker aktiviert als die der CytoplasmaRNS. Die beiden Fraktionen der Kern-RNS, die bei 50 °C und 65 °C isoliert wurden, unterscheiden sich kaum im Synthese-Verlauf. Um zu sehen, ob sich die Kern-RNS-Arten während der Immunisierung verändern, bestimmten wir ihre Basen-Zusammensetzung. Bei diesen Versuchen setzten wir zwei Antigene ein: Brucella abortusKeime und Azotobacter vinelandii-Extrakt. Aus 10 H. KRÖGER, D. PAPANASTASIU U . J . POTEL, Z. Naturforschg., im Druck. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 3:17 PM chung — nimmt der Antikörper-Titer im Serum der Ratten nach 5 Tagen zu; er erreicht das Maximum etwa am 9. Tag und nimmt zum 24. Tag hin allmählich wieder ab (s. die anschließende Arbeit, diese Zeitschrift 1 0 ). Ähnlich wie bei der Erstimmunisierung fanden wir auch hier, daß der Nucleinsäure-Stoffwechsel durch die Immunisierung angeregt wird (s. Abb. 4). Während die DNS-Synthese ihren höchsten Wert | SO S 70 iet o>*> $ r^ 50 40 t" 30 I 'o 20 10 5 0 6 12 24 36 48 72 Stdn. 108 »- 5 Abb. 3. Einbau von 3H-Cytidin in verschiedene RNS-Fraktionen der Rattenmilz während der Erstimmunisierung, o — o Cytoplasma-RNS, 50 °C-Fraktion, A — • 65 °C-Fraktion. Angegeben sind Mittelwerte von 15 — 20 Tieren. Die Tiere 3 erhielten i.v. 10 /uC H-Cytidin/100 g Körpergewicht; 30 Min. danach wurden sie getötet. Tab. 1 ist zu ersehen, daß sich immunisierte Tiere und Kontrollen in der Basen-Zusammensetzung ihrer RNS unterscheiden. Vergleicht man die Werte für die beiden Antigene, so weichen nur diejenigen der 65 °C-Fraktion voneinander ab; die Basen-Zusammensetzung für die RNS der 50 °C-Fraktion ist bei beiden Antigenen fast gleich. C. Nucleinsäure-Stoffwechsel während der Zweitimmunisierung Bei einer zweiten Injektion von Brucella abortusKeimen — 3 Monate nach der ersten Verabrei- Kontrolle A U C G A + U C + G 17,8* 22,7 29,2 30,3 0,68 50°C-Fraktion Bruc. abort. 14,7 20,0 31,6 33,7 0,50 4 3 2 1 0 12 24 36 48 72 96 Stdn. — Abb. 4. Nucleinsäure-Stoffwechsel der Rattenmilz während der Zweitimmunisierung mit Brucella abortus. O — O DNS, A - A RNS. Angegeben sind Mittelwerte von 8 — 12 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3H-Thymidin bzw. 3H-Cytidin/ 100 g Körpergewicht; 20 Min. danach wurden sie getötet. langsamer erreicht, nimmt die RNS-Synthese rascher zu als bei der Erstimmunisierung. Nach 4 Tagen liegen auch bei dieser Sekundär-Reaktion wieder normale Werte vor. Der Einbau des 3 H-Cytidin in die RNS-Fraktionen der Milz während der Zweitimmunisierung ist Azot. vinel. Kontrolle 15,3 19,7 31,4 33,6 0,50 23,1 25,9 25,3 25,7 0,96 65 °C-Fraktion Bruc. abort. 21,2 22,6 28,6 27,6 0,78 Azot. vinel. 19,5 24,0 26,8 29,7 0,77 Tab. 1. Basenverhältnisse bei der 50 °C- und 65 °C-Fraktion der RNS aus der Rattenmilz während der Erstimmunisierung. Angegeben sind Mittelwerte von 10—20 Tieren. 36 Stdn. nach der s.c. Injektion von Bruc. aftorf.-Keimen bzw. der erst. i.v. Injektion von Azot. wne/.-Extrakt (zweite Injektion 24 Stdn. nach der ersten) erhielten die Tiere i.p. 0,8 mC 32P-Orthophosphat; 30 Min. danach wurden sie getötet. * % der Nucleotid-Summe. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 3:17 PM in Abb. 5 dargestellt. Die Synthese der Kern-RNS wird durch die erneute Injektion von Antigen erheblich gefördert; die Werte der 50 °C-Fraktion z.B. nehmen innerhalb von 2 Tagen um das 21/2-fache zu. f 7 45 o ^ 40 ce 25 20 15 10 5 0 12 24 36 46 Stdn. 72 » Abb. 5. Einbau von 3 H-Cytidin in verschiedene RNS-Fraktionen der Rattenmilz während der Zweitimmunisierung, o —O Cytoplasma-RNS, • - • 50 °C-Fraktion, A - A 65 ^ - F r a k tion. Angegeben sind Mittelwerte von 8 — 12 Tieren. Die Tiere erhielten i.v. 10 /uC 3 H-Cytidin/100 g Körpergewicht; 30 Min. danach wurden sie getötet. Diskussion läßt sich eine gesteigerte DNS- und RNS-Synthese in der Milz eher nachweisen als Antikörper im Serum zu finden sind. Die DNS-Synthese ist bei der Primär- und Sekundär-Reaktion stärker angeregt als die der RNS. M A C H und V A S S A L L I n - 1 2 stellten ebenfalls fest, daß bei der Immunisierung von Ratten mit Haemophilus pertussis die DNS-Synthese in der Milz stark erhöht ist. Während der Erstimmunisierung unterscheiden sich die DNS- und RNS-Synthese nur in der Intensität, nicht aber in ihrem Verlauf. Bei der Zweitimmunisierung ist das Verhältnis so, daß das Maximum der RNS-Synthese dem der DNS-Synthese vorausgeht. Diese Befunde lassen sich so deuten: Zu Beginn der Sekundär-Reaktion sind bereits kompetente Zellen für die Bildung der Antikörper gegen Brucella abortus vorhanden. Das erneut verabreichte Antigen löst somit bei der Zweitimmunisierung direkt die Synthese spezifischer Messenger-RNS aus. Die gesteigerte DNS-Synthese bei der SekundärReaktion dient vermutlich der Produktion weiterer kompetenter Zellen. Die Basenanalyse der DNS-ähnlichen RNS aus der Rattenmilz ergab, daß sich die Zusammensetzung dieser RNS durch die Immunisierung leicht ändert. Demnach läßt sich die erhöhte RNS-Synthese während der Antikörper-Bildung nicht auf eine allgemeine Zellproliferation zurückführen. Bei der Erst- und Zweitimmunisierung von Ratten mit inaktivierten Keimen von Brucella abortus Die Untersuchungen wurden unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Bundesministerium für Wissenschaftliche Forschung und die Stiftung Volkswagenwerk. 11 12 B. 975 MACH and P. [1965]. VASSALLI, Proc. nat. Acad. Sei. USA 54, B . MACH and P. VASSALLI, Science [Washington] [1965]. Unauthenticated Download Date | 2/13/17 3:17 PM 150, 622