CHEMIE IN UNSERER ZEIT © WIL EY-VC H Verla g Gmb H & Co . KGaA , Wein heim DOI: 10.1002/ciuz.201000507 Betrachtung aus meereschemischer Perspektive Der globale Kohlenstoffkreislauf im Anthropozän A RNE K ÖRTZINGER Die Existenz des globalen Klimawandels gehört inzwischen praktisch zum Alltagswissen. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Medien neue Klima-Warnsignale verkündet hätten, und auch in unserer persönlichen Wahrnehmung müssen wir nicht lange nach Hinweisen auf die Veränderlichkeit des Klimas suchen. Beim kausalen Zusammenhang zwischen gegenwärtigem Klimawandel und menschlichen (anthropogenen) Aktivitäten, der längst nachgewiesen ist und in der Wissenschaft nicht mehr diskutiert wird, hinkt die öffentliche Wahrnehmung selbst diesseits des Atlantiks allerdings noch hinterher. Manche Überraschung birgt indes ein Einblick in die Details des globalen Kohlenstoffkreislaufs aus meereskundlicher Perspektive. In diesem Artikel stelle ich daher wesentliche Eigenschaften des marinen Kohlenstoffkreislaufs und wichtige Aspekte der Biogeochemie des marinen CO2-Systems vor. Dabei werden auch die ozeanische Aufnahme von anthropogenem CO2 diskutiert und biogeochemische Konsequenzen der damit einhergehenden Ozeanversauerung beleuchtet. ABB. 1 AT M OS PH Ä R I S C H E S CO 2 A M M AU N A - LOA O B S E RVATO R I U M Jahr 118 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim enschliche Aktivitäten haben seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem markanten und sich bis heute stetig beschleunigenden Anstieg atmosphärischer Treibhausgas-Konzentrationen und damit zu einem zusätzlichen anthropogenen Treibhauseffekt geführt. Dabei ist CO2 das bei weitem wichtigste anthropogene Treibhausgas und zeigt einen Anstieg von vorindustriellen ~280 ppmv auf heutige Werte von mehr als 385 ppmv (Abbildung 1). Dieses entspricht einem zusätzlichen Treibhauseffekt von +1,7 W m–2. Weitere positive Beiträge durch andere Treibhausgase aus anthropogenen Quellen wie Methan, Halogenkohlenwasserstoffe, Lachgas und troposphärisches Ozon (zusammen +1,3 W m–2) halten sich in etwa die Waage mit negativen (d.h. kühlenden) Beiträgen (–1,4 W m–2) vor allem durch atmosphärische Aerosole. Der resultierende anthropogene Strahlungsantrieb von +1,6 W m–2 ist als wesentlicher Grund für den beobachteten Klimawandel identifiziert worden. Im Jahr 2006 überschritten anthropogene CO2-Emissionen erstmals die Marke von jährlich 8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (Die Angabe erfolgt üblicherweise in Gigatonnen oder Petagramm Kohlenstoff pro Jahr (1 Gt C a–1 = 1 Pg C a–1)) (Abbildung 2). Diese unvorstellbare Menge entspricht einer Emission von mehr als 55.000 t CO2 pro Minute oder 4,6 t je Weltbürger und Jahr (ein Bundesbürger liegt übrigens bei 9,8 t jährlich, ein US-Amerikaner bei stolzen 19,0 t). Interessanterweise entspricht der beobachtete atmosphärische CO2-Anstieg (Abbildung 1) nur etwa gut der Hälfte dieser anthropogenen CO2-Emissionen (Abbildung 2). Diese sogenannte „airborne fraction“ zeigt, dass die eine Hälfte der Emissionen in andere Reservoire des globalen Kohlenstoffkreislaufs verschwindet. Als derartige Senken kommen nur die terrestrische Biosphäre und der Weltozean in Frage, da die Lithosphäre auf sehr viel längeren, geologischen Zeitskalen von Jahrmillionen mit der Atmosphäre wechselwirkt. In der terrestrischen Biosphäre ist die M < Monatsmittel der atmosphärischen CO2-Konzentration (in ppmv), gemessen in ca. 3400 m Höhe über dem Meer auf dem Vulkan Mauna Loa in Hawaii, U.S.A. Die seit 1958 lückenlos erhobenen Daten zeigen neben dem natürlichen Jahresgang vor allem einen nahezu exponentiellen Anstieg, der eine unmittelbare Folge anthropogener CO2-Emissionen ist. Die Angabe in ppmv (= parts per million by volume) bezeichnet Millionenstel Volumenanteile (exakt: Molenbruch) von CO2 in Luft. Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 KO H L E NS TO F F K R E IS L AU F Situation sehr heterogen und komplex, zumal hier gegenläufige und schwer zu quantifizierende anthropogene Quellen (z.B. die Brandrodung tropischen Regenwaldes in Südamerika und Südostasien) und Senken (durch Steigerung der Photosyntheserate von Pflanzen unter erhöhtem CO2) wirksam werden. Im Folgenden möchte ich mich auf den marinen Kohlenstoffkreislauf und die ozeanische CO2-Senke beschränken und diese hinsichtlich ihrer Größe, ihrer Detektion, der chemischen Aspekte sowie der biogeochemischen Konsequenzen charakterisieren. Das marine CO2-System Kohlendioxid löst sich wie alle Gase im Meerwasser. Warum also spricht man so hochtrabend vom „marinen CO2-System“ [1]? Nun, jede CO2-haltige Limonade gibt die Antwort – sie schmeckt sauer. Chemisch betracht verbirgt sich hinter dem sauren Geschmack die Reaktion von CO2 mit Wasser unter Bildung von Kohlensäure, einer zweibasigen Säure, die in zwei Stufen dissoziiert: CO2 + H2O → HCO3– + H+ HCO–3 + H2O → CO32– + H+ Neben physikalisch gelöstem CO2 (und Spuren von H2CO3) existieren im Wasser folglich die Formen HCO3– (Hydrogencarbonat) und CO32– (Carbonat). Der pH-Wert bestimmt dabei, in welchen Verhältnissen die drei Spezies CO2, HCO3– und CO32– vorliegen. Da dieser bei Meerwasser im Bereich 7,8–8,4 liegt, hat HCO3– den größten Anteil (ca. 90 %), ge- ABB. 2 B EG R I F F E | G EO C H E M I E | Die Salinität wird gemäß Konvention von 1978 („Practical Salinity Scale“) durch hochpräzise Messung des Leitfähigkeitsverhältnisses zwischen Meerwasser und einer definierten KCl-Lösung (32,4356 g KCl in 1 kg Lösung) bestimmt. Die Skala ist so definiert, dass die praktische Salinität von S = 35,000 bei 15 °C einem Leitfähigkeitsverhältnis von 1 entspricht. Eine praktische Salinität von S = 35,000 entspricht übrigens einem wahren Salzgehalt von 35,17 g kg–1 Meerwasser. Die Gesamtalkalinität ist strikt definiert als die Anzahl der Mole an H+-Ionen, die dem Überschuss der Protonenakzeptoren (korrespondierende Basen schwacher Säuren mit einer Dissoziationskonstante K ≤ 10–4,5, bei 25 °C und Ionenstärke I = 0) über Protonendonatoren (Säuren mit K > 10–4,5) in einem Kilogramm Meerwasser entspricht [2]. Sie beinhaltet folglich sämtliche im Meerwasser vorhandenen Säure-Base-Systeme. Die in der Definition der praktischen Alkalinität (Gleichung s. S. 120) berücksichtigten Säure-Base-Systeme repräsentieren im Meerwasser stets >99,5 % der Gesamtalkalinität. Ausnahmen finden sich z.B. in Regionen mit erhöhten Konzentrationen von NH4+ oder HS– (anoxische Wässer). folgt von CO32– (ca. 10 %). Gelöstes CO2 selbst liegt als einzige flüchtige, d.h. mit der Atmosphäre austauschende, Komponente bei weniger als 1 % Anteil. Diese Verhältnisse (auch Speziation genannt) sorgen dafür, dass Meerwasser recht gut gepuffert ist, sich sein pH-Wert bei Zufuhr von Säure oder Base also vergleichsweise wenig ändert. Damit unterscheidet sich Meerwasser grundlegend von Süßwasser (Stichwort: saure Seen), dem ein solches Puffersystem weitgehend fehlt. Wer im Meer lebt, musste sich evolutionär also nicht auf größere pH-Schwankungen einstellen. W E LT W E I T E CO 2 - E M I S S I O N E N 6 5 1. Ölkrise 2. Ölkrise 2. Weltkrieg -1 CO 2 -Emissionen [Pg C a ] 7 1. Weltkrieg Gesamt Kohle Erdöl Erdgas 8 Weltwirtschaftskrise 9 4 3 2 1 2000 1990 1980 1970 1960 1950 1940 1930 1920 1910 1900 1890 1880 1870 1860 1850 0 Jahr Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 www.chiuz.de Entwicklung weltweiter CO2-Emissionen aus der Verbrennung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas im Zeitraum 1850–2006 (Daten aus [16]). Diese belegen eine Verzehnfachung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Deutlich zu erkennen sind auch die Auswirkungen globaler Wirtschaftskrisen auf die jährlichen Emissionsraten. © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 119 Die CO2-Speziation im Meerwasser hat erhebliche biogeochemische Auswirkungen und ist daher von großem Interesse. Für eine vollständige Charakterisierung stehen vier Messgrößen zur Verfügung: pH-Wert, gelöster anorganischer Kohlenstoff (Synonyme: DIC, CT, TCO2, ∑CO2), Gesamtalkalinität (Synonyme: TA, AT) sowie CO2-Partialdruck (pCO2). Außerdem sind die Löslichkeit von CO2 (HenryKonstante K0) sowie die beiden Dissoziationskonstanten der Kohlensäure (K1 und K2) sehr präzise für Meerwasser bestimmt worden. Meerwasser besitzt bei einer mittleren Salinität von 35 eine Ionenstärke von 0,72. Das reale Verhalten weicht daher gravierend von dem einer ideal verdünnten Lösung ab. Aktivitätskoeffizienten, die für zweiwertige Ionen teilweise bei 0,1 und für dreiwertige sogar nur bei 0,01 liegen, können daher nicht über theoretische Modelle abgeschätzt werden, und auch ihre experimentelle Bestimmung ist außerordentlich aufwändig. Meereschemiker verwenden daher stöchiometrische Gleichgewichtskonstanten, die als Funktion von Temperatur und Salzgehalt experimentell bestimmt und in Einheiten von Mol pro Kilogramm Lösung („Molinität“) ausgedrückt werden. ABB. 3 DA S CO 2 - S YS T E M 20 0 2400 2350 0 40 2300 3 8. (3) (1) (4) (5) 0 80 2200 1 8. 0 8. 1950 9 7. 8 7. 2000 7 7. 2050 00 10 6 7. 2100 -1 DIC [µmol kg ] Parameterraum des CO2-Systems mit den Messgrößen DIC auf der Abszisse und TA auf der Ordinate. Sind DIC (Gesamtmenge des gelösten anorganischen Kohlenstoffs) und TA (Maß für das Säurebindungsvermögen von Meerwasser) festgelegt, so sind auch die beiden anderen Messgrößen pH (rote Isolinien) und pCO2 (blaue Isolinien, in µ atm) eindeutig bestimmt. Die Vektoren zeigen die Auswirkungen wichtiger natürlicher Prozesse im Parameterraum des CO2-Systems: Abgabe/Aufnahme von CO2 an/aus Atmosphäre (1,2), Primärproduktion (3), Respiration (4), Kalzifizierung (5) und Kalklösung (6). 120 | DIC beschreibt die Gesamtmenge des gelösten anorganischen Kohlenstoffs und ist somit eine buchhalterische Größe, die Zu- oder Abfuhr von Kohlenstoff im gelösten anorganischen Kohlenstoffreservoir anzeigt. Konventionsgemäß wird die nur in Spuren vorkommende echte Kohlensäure, H2CO3, dem etwa 600-fach höher konzentrierten physikalisch gelösten CO2(aq) zugeschlagen. TA ist ein Maß für das Säurebindungsvermögen von Meerwasser und beruht zu ca. 95 % auf den Anionen der Kohlensäure. Eine anschauliche Erklärung dieser etwas sperrigen Größe findet sich bei Wolf-Gladrow et al. [2]. Es ist also ganz überwiegend das CO2-System, welches die Pufferwirkung von Meerwasser hervorruft. Die beiden anderen Messgrößen – pH und pCO2 – sind temperaturabhängig und stark antikorreliert: pCO2 = 0 60 2250 2150 1900 DIC = [CO2(aq)] + [HCO–3] + [CO32–] TA = [HCO–3] + 2[CO32–] + [B(OH)4–] + [OH–] – [H+]… pH = –log[H+] (2) 8. 2 -1 TA [µmol kg ] (6) Möglich ist dieses allein aufgrund des Gesetzes der konstanten Proportionen (Marcet-Prinzip), nachdem sich die relative Zusammensetzung von Meersalz nicht mit dem Salzgehalt ändert, sondern über den gesamten Weltozean (mit sehr wenigen und zudem geringfügigen regionalen Ausnahmen) im Rahmen der Messgenauigkeit konstant ist. Die Salinität ist daher ein präziser Parameter für die Beschreibung der Salzmatrix und somit auch der Aktivitätskoeffizienten gelöster Komponenten. Werden zwei der vier Messparameter des marinen CO2Systems gemessen, so kann mit Hilfe der bekannten Konstanten die vollständige Speziation berechnet werden. Zwei der vier Messparameter – DIC und TA – sind temperaturunabhängige Massenerhaltungsgrößen: © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim [CO2(aq)] K0 Der pCO2 beschreibt gemäß dem Henryschen Gesetz den im Gleichgewicht mit der gelösten CO2(aq)-Konzentration vorliegenden CO2-Partialdruck der Gasphase. Vergleicht man – etwa im Oberflächenozean – diesen MeerwasserpCO2 mit dem tatsächlich in der Atmosphäre vorliegenden pCO2, so kann unmittelbar eine Aussage zum CO2-Gleichgewicht zwischen Ozean und Atmosphäre getroffen werden. Sind die CO2-Partialdrücke in beiden Phasen identisch, so liegt Equilibrium vor. Sind sie hingegen unterschiedlich, d.h. liegt kein Gleichgewicht vor, so kommt es zum Nettogasaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre. Die Messung der CO2-Partialdruckdifferenz als thermodynamischer Antrieb des CO2-Gasaustauschs ist somit von besonderem Interesse. Mit Hilfe gängiger Parameterisierungen des CO2Transferkoeffizienten als Funktion der Windgeschwindigkeit (und Temperatur) kann aus dem chemischen Disequilibrium der Atmosphäre-Ozean-Gasaustausch als CO2-Flussdichte berechnet werden. www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 KO H L E NS TO F F K R E IS L AU F Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 G E N AU I G K E I T D E R M E S S PA R A M E T E R Parameter (natürlicher Schwankungsbereich) Messprinzip Genauigkeit Richtigkeit („precision“) („accuracy“) pH (7.8–8.2) Potentiometrisch bzw. spektrophotometrisch nach Zugabe von pH-Indikator Potentiometrische Titration ±0,0004 ±0,002 ±1 μmol kg–1 ±3 μmol kg–1 CO2-Extraktion durch Ansäuerung + coulometrische CO2-Titration Gas-Wasser-Equilibration + Infrarotdetektion (NDIR) des CO2 in Gasphase ±1 μmol kg–1 ±2 μmol kg–1 ±0,5 μatm ±2 μatm TA (2200– 2450 μmol kg–1) DIC (2000– 2400 μmol kg–1) pCO2 (200–500 μatm) Gegenwärtig mit modernen Methoden erreichbare Genauigkeit und Richtigkeit bei der (seegehenden) Messung der Parameter des marinen CO2-Systems [19]. Ebenfalls angegeben ist der typische Bereich, in dem die betreffenden Messparameter im offenen Ozean schwanken. ABB. 4 M A R I N E S CO 2 - S YS T E M Jahr 1750 1850 1900 1950 2000 2050 2100 8.2 600 8.1 a 500 pCO2 pH 8.0 400 pH pCO2 [µatm] 700 7.9 7.8 2400 2200 2150 TA [µmol kg-1] DIC [µmol kg-1] 300 2375 b 2350 2100 2325 DIC TA 2050 2000 2300 2275 HCO3- 2000 CO3210 x CO2* 300 250 1900 c 200 1800 150 1700 100 ΩCa ΩAr 0.8 d 0.6 7 6 5 4 0.4 0.2 3 ∂DIC/∂xCO2atm 2 ΩCalcit, Aragonit 1600 www.chiuz.de 350 CO3 2-, 10 x CO2* [µmol kg-1 ] 1950 2100 HCO3- [µmol kg-1] > Beobachtete und erwartete Veränderungen in den Eigenschaften des marinen CO2-Systems im kalten (blau) und warmen (rot) Oberflächenozean über den Zeitraum 1750 bis 2100. Die Berechnungen wurden für den Gleichgewichtsfall mit den beobachteten bzw. ab 2008 prognostizierten (IS92A) atmosphärischen CO2-Konzentrationen durchgeführt: (a) CO2Partialdruck (pCO2) und pH; b) DIC und TA; c) Konzentrationen der drei Spezies CO2(aq) (multipliziert mit Faktor 10), HCO3– und CO32–; d) CO2-Aufnahmefaktor (Verhältnis DIC-Zunahme zu Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration im Gleichgewicht) sowie Sättigungsgrad (Ω) von Calcit und Aragonit. (Abb. nach [17]). TA B . 1 ∂ DIC/∂ xCO2atm [µmol kg-1 ppmv-1] Die vier Messgrößen des marinen CO2-Systems können als sensitive „Sensoren“ für physikalische, chemische und biologische Vorgänge im Meer angesehen werden. So lassen sich die relevanten Prozesse – CO2-Austausch mit der Atmosphäre, CO2-Aufnahme durch Primärproduktion und Freisetzung aus Respiration, Kohlenstoffaufnahme bzw. -abgabe durch biogene Kalzifizierung und Auflösung von Kalk – im Parameterraum des CO2-Systems eindeutig als Vektoren abbilden (Abbildung 3). Nettoeffekte dieser Prozesse auf bestimmte Parameter können direkt identifizert werden. So beeinflusst z.B. die Aufnahme von (anthropogenem) CO2 aus der Atmosphäre DIC (↑), pH (↓) und pCO2 (↑), ist jedoch neutral für TA. Die Ausfällung (Präzipitation) von Kalk (Aufnahme von CO32–) verändert TA und DIC erwartungsgemäß im Verhältnis 2:1, führt aber gleichzeitig zu einer Erhöhung des pCO2 (Erniedrigung des pH). Durch die biogene Bildung von Kalk im Oberflächenozean kommt es also zu dem kontraintuitiven Effekt, dass dem Meerwasser DIC entzogen wird und gleichzeitig aufgrund des resultierenden pCO2-Anstiegs CO2 aus dem Meer in die Atmosphäre ausgast. Angesichts der gewaltigen Größe des marinen Kohlenstoffreservoirs sind Änderungen durch die Aufnahme von anthropogenem CO2 aus der Atmosphäre sehr klein. So führt der jährliche Anstieg von atmophärischem CO2 (~1,9 ppm pro Jahr im Zeitraum 1999–2008, Abbildung 1) im Oberflächenozean bei typischen DIC-Konzentrationen von 2000–2100 µmol kg–1 zu einem jährlichen DIC-Anstieg von nur ~1 µmol kg–1, also nur 0,5 ‰, die einer natürlichen jahreszeitlichen Variabilität in der Deckschicht von bis 5% gegenüberstehen. Dieser Sachverhalt stellt sehr hohe Ansprüche an die Qualität der Analytik für die vier CO2-Parameter. Dank jahrzehntelanger Entwicklung und Verbesserung werden heute bei den im Forschungseinsatz auf See zum Einsatz kommenden Standardverfahren sehr hohe Reproduzierbarkeiten („precision“) und absolute Richtigkeiten („accuracy“) erreicht (Tabelle 1). Die Veränderungen im marinen CO2-System, die durch die Aufnahme von anthropogenem CO2 bisher hervorgerufen wurden und für das 21. Jahrhundert noch zu erwarten sind, können für den Oberflächenozean unter Annahme thermodynamischen Gleichgewichts relativ gut abgeschätzt werden (Abbildung 4). Zur Berechnung wurden für die atmosphärische CO2-Konzentration bis 2007 Beobachtungen | G EO C H E M I E 1 © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 121 und ab 2008 jährlich um 1 % steigende Zuwachsraten (beginnend mit 2,0 ppmv a–1 in 2008 und endend mit 5,0 ppmv a–1 in 2100) angenommen. Ein solches Anstiegsszenario deckt sich weitgehend mit dem prominenten IS92A „busiABB. 5 G LO BA L E R KO H L E N S TO F F K R E I S L AU F Terrestrische Biosphäre 2950 (+101-140) 2.6 Atmosphäre 597(+165) ▲ 120 60 59.6 60 0.4 70 22.2 20 900(+18) 39 90.2 11 Marine Biosphäre 6.4 70.6 50 3 1.6 3.2 1.6 101 OberflächenOzean Tiefer Ozean 37100(+100) 0.2 Schematische Darstellung des globalen Kohlenstoffkreislaufs und seiner anthropogenen Störung mit Reservoirgrößen (in Gt C) und jährlichen Austauschflüssen (kursiv, in Gt C a–1). Anthropogene Reservoire und Flüsse sind in rot dargestellt (nach [15]). ABB. 6 B I O LO G I S C H E KO M P O N E N T E N – A L LG E M E I N BPP 120 CO2 39 HR NPP DIC BPP 50 AR Phytoplankton Zooplankton EP 108 58 Pflanzen AR 60 59.6 HR 650 Detritus HR DIC DOC Humus 2300 0.4 3 Terrestrische Biosphäre Detritus 11 11 DIC 0.01 Marine Biosphäre Sediment Schematische Darstellung der biologischen Komponenten des marinen und terrestrischen Kohlenstoffkreislaufes (nach [18]) mit Reservoirgrößen (weiße Zahlen, in Gt C) und jährlichen Austauschflüssen (gelbe Zahlen, in Gt C a–1) (BPP – Bruttoprimärproduktion, NPP – Nettoprimärproduktion, AR – autotrophe Respiration, HR – heterotrophe Respiration, EP – Exportproduktion). 122 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ness-as-usual“-Szenario des Weltklimarates (IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change [15]). Um der im Oberflächenozean beobachteten Spannbreite gerecht zu werden, wurden die Berechnungen für kaltes (3 °C, Salinität 34) und warmes Meerwasser (28 °C, Salinität 36) getrennt durchgeführt. Unter der Annahme, dass der CO2-Partialdruck im Oberflächenozean der angenommenen Entwicklung der atmosphärischen CO2-Konzentration folgt, wird sich im Oberflächenozean eine Erniedrigung des pH-Wertes um 0.3–0.4 Einheiten einstellen (Abbildung 4a), was mehr als einer Verdopplung der H+-Ionenkonzentration entspricht. Dieses Phänomen wird auch als „Ozeanversauerung“ bezeichnet und in der biogeochemischen Meeresforschung zur Zeit weltweit intensiv untersucht. Als Konsequenz der Aufnahme von anthropogenem CO2 kommt es zu einer Zunahme von DIC, die in warmem Wasser etwa um 2/3 größer ist als in kaltem (Abbildung 4b). Dieses ist im Wesentlichen eine Konsequenz der temperaturabhängigen Speziation des marinen CO2-Systems, deren Effekt sich im CO2-Aufnahmefaktor (Verhältnis DIC-Zunahme zu Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration im Gleichgewicht) ausdrückt (Abbildung 4d). Entgegen der Intuition sind es also vor allem die Warmwasserregionen, die – trotz geringerer physikalischer CO2Löslichkeit – durch den höheren Aufnahmefaktor besonders stark zur Aufnahme von anthropogenem CO2 beitragen. Es ist in diesem Zusammenhang von Interesse festzuhalten, dass sich die Alkalinität (TA) bezüglich der Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre neutral verhält und daher vermutlich seit vorindustrieller Zeit kaum verändert hat. Die konkreten Verschiebungen in der Speziation des CO2-Systems sind in Abbildung 4c dargestellt und zeigen erwartungsgemäß eine erhebliche Abnahme von CO32–, eine leichte Zunahme von CO2(aq) und den größten Zuwachs für HCO3–. Betrachtet man etwa die Abnahme der CO32Konzentration, so wird die starke Änderung des Sättigungsstatus von Meerwasser bezüglich partikulärem Kalk deutlich. Dieser Sättigunggrad, auch als Ω bezeichnet (Verhältnis Ionenkonzentrationsprodukt zu stöchiometrischem Löslichkeitsprodukt), sinkt in der Projektion bis 2100 auf nahezu 50 % des vorindustriellen Wertes und erreicht im Falle von Aragonit in Kaltwasserregionen vermutlich gegen Ende des 21. Jahrhunderts bereits lösende Bedingungen (Ω < 1, Abbildung 4d). Dieses stellt eine starke Veränderung im chemischen Milieu von Meerwasser dar, die potenziell erhebliche Auswirkungen auf marine Kalzifizierer und somit das gesamte Ökosystem haben könnte (siehe Abschnitt „Biogeochemische Konsequenzen der anthropogenen CO2Aufnahme“). Der marine Kohlenstoffkreislauf Der marine Kohlenstoffspeicher ist der Gigant unter den globalen Kohlenstoffreservoiren (Abbildung 5), wenn man das sehr viel größere aber nur auf geologischen Zeitskalen von Jahrmillionen reaktive lithosphärische Reservoir außer www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 KO H L E NS TO F F K R E IS L AU F Acht lässt. So enthielt der (vorindustrielle) Ozean in Form von HCO3–, CO32– und CO2 etwa 65 mal mehr Kohlenstoff (38.000 Gt C) als die gesamte Atmosphäre (597 Gt C als CO2). Auch die terrestrische Biosphäre, also sämtliche Landpflanzen und die Humusschicht unseres Planeten, enthält in ihrer Biomasse nur etwa 8 % des im Ozean gelösten anorganischen Kohlenstoffs. Dies hat zur Folge, dass es letztlich der Ozean ist, der den atmosphärischen CO2-Gehalt bestimmt. Diese Steuerfunktion vollzieht sich jedoch nur auf der mittleren Wechselwirkungszeitskala von Ozean und Atmosphäre, die mit größenordnungsmäßig 500 Jahren charakterisiert werden kann. Es ist überaus interessant, die marine Komponente des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs mit der terrestrischen zu vergleichen (Abbildung 6). In beiden Biosphären finden wir eine Bruttoprimärproduktion, d.h. eine Produktion von Biomasse durch Pflanzen (sowie vor allem im Meer auch Blaualgen und autotrophe Bakterien), von etwa gleicher Größenordnung (108 vs. 120 Gt C a–1). Etwa die Hälfte dieser fixierten Materie und damit chemischen Energie wird für intrazelluläre Prozesse wie Zellatmung und Aufrechterhaltung der Zellstrukturen verbraucht. Die daraus resultierende Nettoprimärproduktion stellt jene Kohlenstoffmenge dar, die Primärproduzenten in den Biosphären als chemische Energie den Konsumenten (vor allem Tiere und Bakterien) zur Verfügung stellen. Auch diese Beträge sind in den beiden Biosphären erstaunlich ähnlich (50 vs. 60 Gt C a–1). Ein gravierender Unterschied wird erst deutlich, wenn man die vorhandene Biomasse betrachtet, die in den beiden Biosphären diese vergleichbaren Kohlenstoffumsätze betreibt. Hier steht einer Biomasse von 650 Gt C an Land eine sehr viel kleinere Biomasse von nur 3 Gt C im Meer gegenüber. Organismen im Meer besitzen also auf ihre Biomasse bezogen eine Produktivität, die gut 200 mal größer ist als die der Landpflanzen. Der Grund hierfür liegt in der Dynamik einzelliger Algen im Meer, die mit ihren hohen Wachstums- und Teilungsgeschwindigkeiten (bis zu einmal pro Tag und mehr) gegenüber den Bäumen an Land mit ihrer Masse an inaktivem Kernholz wie Miniatur-Chemoreaktoren anmuten. Was passiert nun mit den 50 Gt C, die jährlich im Weltozean von Primärproduzenten in organischen Kohlenstoff überführt werden (Abbildung 7)? Etwa 3/4 (38 Gt C a–1) werden unmittelbar in der lichtdurchfluteten Deckschicht des Ozeans von Konsumenten verstoffwechselt (Respiration) und als CO2 ins Meerwasser zurückgeführt. Die verbleibenden 11 Gt C a–1 werden überwiegend als sinkende Partikel (Detritus) und nur zu einem kleinen Teil als gelöster organischer Kohlenstoff (über Strömungen und Durchmischung) in das Ozeaninnere exportiert und damit der produktiven Zone und dem Kontakt mit der Atmosphäre entzogen. Dieser Kohlenstoffexport stellt die Nahrungsgrundlage des Lebens im Ozeaninneren dar, da hier – mit Ausnahme lokaler chemoautotropher Gemeinschaften an Hydrothermalquellen – keine Primärproduktion stattfindet. Der tiefe Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 | G EO C H E M I E Ozean hängt also gewissermaßen am Tropf der produktiven Deckschicht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass nur ein sehr geringer Anteil des aus der Deckschicht exportierten organischen Materials den Ozean über das Sediment dauerhaft verlässt (<0,1 Gt C a–1), während die restlichen >99 % von Konsumenten aufgenommen und als CO2 in den gelösten anorganischen Kohlenstoffpool zurückgeführt werden (Remineralisation). Die biologische Produktion im Ozean wirkt somit als Transportmechanismus, der jährlich 11 Gt C aus der Deckschicht (und damit der Atmosphäre) in den tiefen Ozean überführt. Man spricht auch von der „biologischen Pumpe“ (organische C-Pumpe). Im (vorindustriellen) Fließgleichgewicht des Ozeans („steady state“) wird diese in die Tiefe exportierte Kohlenstoffmenge über die Zirkulation und Ventilation des Ozeans wieder zur Atmosphäre zurückgeführt. Eine langfristige Entfernung von Kohlenstoff auf diesem Wege ist also nur über die Vergrabung im Sediment und somit den Eingang in die geologische Zeitskala möglich. Aufgrund der Existenz von kalkigem Plankton (sowohl Phyto- als auch Zooplankton) im Meer wird im Oberflächenozean jährlich zusätzlich 1 Gt C in Form von Kalk (Calcit, Aragonit, Ca-Mg-Carbonat) gebunden und in die Tiefe exportiert, wovon ca. 10 % im Sediment verschwinden. Aufgrund der retrograden Löslichkeit von Kalk (zunehmende Löslichkeit mit abnehmender Temperatur und zunehmendem Druck) und des Chemismus von Meerwasser ist der Oberflächenozean weltweit typischerweise um den Faktor ABB. 7 B I O LO G I S C H E KO M P O N E N T E N – D E TA I L L I E R T DIC [900] DOC[25] 38 HR POC[3] NPP 50 POC 1.0 DIC [900] DOC PIC EP DOC[700] 1.0 10 2 Schelf Detritus Tiefsee PIC POC 0.1 <0.1 DIC [37100] Detaillierte schematische Darstellung der biologischen Komponenten des marinen Kohlenstoffkreislaufes und seiner Kompartimente (DIC – gelöster anorganischer Kohlenstoff, DOC – gelöster organischer Kohlenstoff, PIC – partikulärer anorganischer Kohlenstoff, POC – partikulärer organischer Kohlenstoff). www.chiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 123 2–6 bezüglich Calcit übersättigt (Abbildung 4d), während der tiefe Ozean durchweg untersättigt ist und damit korrosiv auf Kalk wirkt. Die Lage des Sättigungshorizontes, bei dem die Kalksättigung bei 100 % liegt (Ω = 1), ist neben Temperatur und Druck vor allem von der Konzentration des Carbonations abhängig. Da der pH-Wert und somit die Carbonatkonzentration entlang der Tiefenwasserausbreitung vom Atlantik zum Pazifik als Folge der kumulativen CO2-Zufuhr aus Respirationsprozessen deutlich abnimmt, liegen die Lösungshorizonte für Calcit und Aragonit im Pazifik sehr viel flacher als im Atlantik. Dieses erklärt auch die weite Verbreitung ABB. 8 M A R I N E C- P U M PE N Tropischer Pazifik/Indik Nordatlantik Physikalische Pumpe Atmosphäre Ca2+ + 2HCO2– 3 → CaCO3 ↓ +CO2 + H2O Ozean Erwärmung Abkühlung Ozean Primärproduktion Corg CO2 Partikelexport Remineralisation Corg CO2 “rain ratio” Organische C-Pumpe Atmosphäre Anorganische C-Pumpe Atmosphäre Ozean Biokalzifikation Ca2+ + 2 HCO3- CaCO3 +CO2 + H2O Partikelexport Kalklösung Lysok CaCO3 + CO2 + H2O line Ca2+ + 2 HCO3- Schematische Darstellung der physikalischen und biologischen C-Pumpen und ihrer Wechselwirkung mit der thermohalinen Zirkulation („Global Ocean Conveyor“). Die biologische Pumpe ist in ihre beiden Teilkomponenten organische und anorganische C-Pumpe aufgeteilt. Die farbigen Pfeile zeigen lediglich die Richtung, nicht jedoch die Größe der resultierenden CO2-Flüsse. 124 | von Kalksedimenten im Atlantik und ihr großräumiges Fehlen im tiefen Pazifik. Der Vertikalexport von biogenem Kalk ist eine Komponente der „biologischen Pumpe“ (auch Alkalinitätspumpe oder anorganische C-Pumpe genannt), die neben dem unmittelbaren anorganischen Kohlenstofftransport auch als Ballastmaterial eine wichtige Rolle für den Vertikaltransport von partikulären organischen Kohlenstoff spielt. Beide Teile der „biologischen Pumpe“ – die organische und die anorganische C-Pumpe – bewirken einen vertikalen Nettoexport von DIC aus der ozeanischen Deckschicht in die Tiefe (Abbildung 8). In ihrer Wirkung auf atmosphärisches CO2 sind sie jedoch gegenläufig. Während die Produktion von organischer Substanz dem Meerwasser CO2 entzieht und somit den CO2-Partialdruck erniedrigt, was zur Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre führt, wirkt die biogene Abscheidung von Kalk genau in die entgegengesetzte Richtung: © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Der Nettoeffekt der Primärproduktion auf die Atmosphäre hängt folglich vom CaCO3/Corg-Verhältnis („rain ratio“) im exportierten Material ab. Eine wichtige Pumpe, die sogenannte „physikalische Pumpe“ (auch Löslichkeitspumpe) ist bisher unerwähnt geblieben (Abbildung 8). Um sie zu verstehen, muss das implizit bereits angedeutete Konzept der thermohalinen Ozeanzirkulation ins Spiel gebracht werden. Im Gegensatz zur windgetriebenen Zirkulation im Oberflächenozean handelt es sich hierbei um eine tiefreichende, dichtegetriebene (also durch Temperatur und Salzgehalt, daher thermohaline) Zirkulation, die auch als „Global Ocean Conveyor“ bezeichnet wird [3]. Dreh- und Angelpunkt dieser Zirkulation in einer vereinfachten Betrachtung ist die Tiefenwasserbildung, die im Winter vor allem im Nordatlantik (Labradorsee, Grönlandsee) stattfindet und Oberflächenwasser durch Abkühlung und Konvektion in die Tiefe bringt. Dort breitet es sich entlang des Dichtegradienten durch den gesamten Weltozean vom Nordatlantik bis in Indik und Pazifik aus, wo es großflächig in den Oberflächenozean auftreibt. Aus Kontinuitätsgründen resultiert im Oberflächenozean ein Rückstrom vom Pazifik und Indik bis in den Nordatlantik, wo sich das Förderband schließt. Diese große und sehr wichtige Umwälzbewegung läuft einer Zeitskala von 500– 1000 Jahren. Die Abkühlung bzw. Erwärmung von Meerwasser entlang der Umwälzbewegung führt nun aufgrund der Temperaturabhängigkeit der CO2-Löslichkeit zur Aufnahme von CO2 aus bzw. Abgabe an die Atmosphäre. In Kombination mit den C-Pumpen kommt es zu einem Transport von Kohlenstoff durch den Ozean. In dem vermuteten vorindustriellen „steady state“ kompensieren sich über die gesamte Ozeanoberfläche integriert die resultierenden CO2-Austauschflüsse aller Pumpen. Aufgrund des CO2-Anstiegs in der Atmosphäre ist jedoch zumindest die physikalische Pumpe gegenwärtig nicht mehr im Fließ- www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 KO H L E NS TO F F K R E IS L AU F | G EO C H E M I E dels ist angesichts der Grenzen der verwendeten experimentellen Methoden, sehr variabler beobachteter Reaktivitäten verschiedener Organismen sowie der ungeklärten Frage des Adaptationspotenzials der Arten bisher jedoch nicht möglich. Neben den Veränderungen im chemischen Milieu haben auch physikalische Faktoren großen Einfluss auf den marinen Kohlenstoffkreislauf. So wirkt die Temperaturerhöhung in vielfacher Weise ein: (1) Abnahme der physikalischen CO2-Löslichkeit: Dieser Effekt ist in Abbildung 4 bereits berücksichtigt und wird die Effizienz der „physikalischen Pumpe“ bis zum Ende des 21. Jahrhunderts etwa um 10 % reduzieren. (2) Zunahme der oberflächennahen Dichteschichtung: Biogeochemische Konsequenzen der Diese führt über eine Abnahme der vertikalen Nährstoffanthropogenen CO2-Aufnahme flüsse in die produktive Deckschicht zu reduzierter PriBeide Komponenten – die organische wie die anorganische märproduktion. Da jedoch im Ozean remineralisierte Nähr– der „biologischen Pumpe“ sind für die Umverteilung gestoffe aus der Tiefe immer auch mit dem stöchiometrischen waltiger Mengen an Kohlenstoff verantwortlich und daher Äquivalent an Respirations-CO2 assoziiert sind, entsteht hiervon hoher Klimarelevanz. Es ist kaum vorstellbar, dass unter dem globalen Klimawandel und den damit verbundenen durch kein CO2-Nettoeffekt. Änderungen in den physikalischen und chemischen Um(3) Die zunehmende Dichteschichtung hat jedoch noch weltbedingungen die marinen (wie die einen weiteren Effekt, der in einer höterrestrischen) Ökosysteme und ihre heren Verweildauer von Plankton im DIE AUSWIRKUNGEN VON CO 2 Stoffumsätze komplett unbeeinflusst oberflächennahen Ozean besteht. DieAUS DER ATMOSPHÄRE AUF bleiben können. Eine Reihe denkbarer se führt zu erhöhter LichtverfügbarDIE „BIOLOGISCHEN PUMPEN“ Rückkopplungsmechanismen ist idenkeit, was sich in Regionen mit LichtliIST UNGEKLÄRT tifiziert worden [17]. Allerdings liegen mitation (höhere Breiten) auswirken bisher für die wenigsten von ihnen gekönnte, sowie zu erhöhter Nutzungssicherte quantitative Erkenntnis vor. In effizienz in Gebieten, in denen Nähreinigen Fällen ist selbst das Vorzeichen der Rückkopplung stoffe gegenwärtig nicht aufgebraucht werden. Der Nettonoch unklar. effekt wäre eine verstärkte CO2-Aufnahme aus der AtmoEinen direkten Düngungseffekt, wie er bei Landpflansphäre. zen bekannt ist, entwickelt das anthropogene CO2 im Meer(4) Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit biochemischer Prozesse: Da der Faktor, um den sich die Reaktionswasser nicht, da die biologische Produktivität hier fast ausgeschwindigkeit bei Temperaturzunahme um 10 °C erhöht schließlich durch die Verfügbarkeit von Nährstoffen (N, P, (Q10-Wert), für Photosynthese und Phytoplanktonwachstum Fe etc.) und Licht limitiert ist. Ein indirekter Einfluss erhöhter CO2-Konzentrationen auf die Stöchiometrie des pro(1<Q10<2) deutlich kleiner ist als bei heterotropher (bakduzierten organischen Materials wurde bisher lediglich in terieller) Aktivität (2<Q10<3), wirkt sich die Erwärmung Einzelexperimenten beobachtet aber noch nicht im Ozean nicht gleichmäßig auf Produktion und Abbau von organinachgewiesen. Auf einer bereits deutlich breiteren experischer Substanz im Meer aus. Dieses könnte zu komplexen, mentellen Basis stehen Rückkopplungsmechanismen, die nichtlinearen Reaktionen in marinen Ökosystemen führen, auf der Abnahme des pH-Wertes (bzw. CO32–-Konzentratidie bisher jedoch kaum verstanden sind. on) im marinen Milieu (Abbildung 4) beruhen und unter dem Stichwort „Ozeanversauerung“ hochaktuell diskutiert Aufnahme und Detektion von werden. In vielen Kulturexperimenten konnte gezeigt weranthropogenem CO2 den, dass marine Kalzifizierer wie Coccolithophoriden Das chemische Aufnahmepotenzial des Weltozeans für an(Kalkalgen) auf erhöhten pCO2 mit reduzierter Kalkbildung thropogenes CO2 lässt sich aufgrund unseres detaillierten und zunehmenden funktionalen Fehlbildungen reagieren Verständnisses von Ozeanzirkulation und CO2-System ver[20]. Ein daraus möglicherweise erwachsender ökologigleichsweise recht gut abschätzen [4]. So wird das Weltscher Nachteil für kalkiges gegenüber kieseligem Phytomeer in einem zukünftigen Gleichgewichtszustand, der jeplankton könnte zu einer Verschiebung zwischen diesen doch erst nach >300 Jahren etabliert ist, ~85 % der seit Begroßen Säulen der marinen Primärproduktion führen und ginn der industriellen Revolution kumulativ emittierten über die Ballastwirkung von Kalk oder eine Verschiebung ~350 Gt C gelöst haben. Berücksichtigt man zusätzlich die im „rain ratio“ zu klimatischen Rückkopplungseffekten fühüber viele Jahrtausende unter dem Einfluss des sinkenden ren. Eine zuverlässige Extrapolation dieser Experimente auf pH-Wertes langsam ablaufende Rücklösung von Kalksedidie globale Raumskala sowie die Zeitskala des globalen Wanmenten, so steigt die Aufnahmekapazität auf ~90 %. Der gleichgewicht, da der abwärtsgerichtete Zweig der Zirkulation im Nordatlantik zusätzlich mit anthropogenem CO2 befrachtet wird, während der aufwärtsgerichtete Rückfluss noch auf dem vorindustriellen CO2-Niveau liegt, d.h. frei von anthropogenem CO2 ist. Diese Differenz treibt die gegenwärtige Aufnahme von anthropogenem CO2 in den tiefen Ozean. Bei den biologischen Pumpen ist bisher nicht geklärt, ob und in welche Richtung und welchem Umfang eine Reaktion auf den globalen Wandel stattfindet bzw. zukünftig zu erwarten ist. Mögliche Rückkopplungsszenarien mariner Ökosysteme werden im Folgenden diskutiert. Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 www.chiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 125 Eine auch nur halbwegs erschöpfende Darstellung der verschiedenen Methoden zur Quantifizierung von anthropogenem CO2 im Ozean würde an dieser Stelle erheblich zu weit führen. Dreh- und Angelpunkt aller Verfahren ist die Art und Weise, wie die Separation von natürlichem und anthropogenem CO2 vorgenommen wird. Wichtige Verfahren sind: – Rückrechnungsverfahren [6, 7]: Separation des Einflusses biologischer Prozesse auf DIC über bekannte Stöchiometrien und Separation der Auswirkungen von Wassermassenherkunft und Vermischungsprozessen auf DIC Ozean wird also letztlich den Löwenanteil der von der Menschheit emittierten CO2-Mengen aus der Atmosphäre entfernen und damit ihrer Klimawirksamkeit entledigen. Die Speicherfunktion des Weltozeans ist jedoch nicht unerschöpflich und kann daher nicht linear fortgeschrieben werden. So würde sich die ozeanische Gleichgewichtsaufnahme für eine kumulative Emission von 2000 Gt C auf ~78 % bzw. 88 % (ohne bzw. mit Kalklösung) reduzieren. Dem langfristigen Aufnahmepotenzial des Weltmeeres steht seine tatsächliche momentane Aufnahme gegenüber, die wie oben bereits angedeutet bei 40–50 % der Emissio- 80° 20° 60° 100° 140° 180° 140° 60° 100° 20° 0° 20° 80° 70° 70° 60° 60° 50° 50° 40° 40° 30° 30° 20° 20° 10° 10° 0° 0° 10° 10° 20° 20° 30° 30° 40° 40° 50° 50° 60° 60° 70° 70° 20° GMT 60° 100° 140° 180° 140° 100° 60° 20° 0° 20° 80° 2009 Juni 2 14:27:51 -108 -98 -84 -72 -60 -48 -36 -24 -12 12 0 24 36 48 60 72 84 96 108 Nettofluss / gC · m–2 · a–1 Abb. 9 Klimatologisches Jahresmittel der ozeanischen Quelle für atmosphärisches CO2 im Jahr 2000 (g C m–2 a–1). Die Analyse beruht auf ca. 3 Millionen Messungen des CO2-Partialdrucks im Oberflächenozean seit 1970. Über den Gesamtozean integriert ergibt sich eine CO2-Senke von 1,6 Pg C a–1 (aus [13]) nen liegt (Abbildung 5, [5]). Da es sich um einen Ungleichgewichtszustand handelt, sind kinetische Aspekte – Atmosphäre-Ozean-Gasaustausch, Zirkulation und Ventilation des Weltmeeres etc. – von entscheidender Bedeutung. Angesichts des gewaltigen natürlichen DIC-Hintergrundes (2000–2200 µmol kg–1) und dessen jahreszeitlicher Variabilität (bis zu 100 µmol kg–1 im Oberflächenozean) nimmt sich das anthropogene CO2-Signal im Ozean mit kumulativ 50–75 µmol kg–1 und jährlichen Anstiegsraten im Gleichgewichtsfall von 0,8–1,2 µmol kg–1 recht klein aus. Zudem ist anthropogenes CO2 von natürlichem CO2, wenn man von der unterschiedlichen 13C- und 14C-Isotopie absieht, chemisch nicht unterscheidbar. Die chemische Ozeanographie hat daher in den letzten Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um Methoden zur Quantifizierung von anthropogenem CO2 im Ozean zu entwickeln. 126 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim – – – über Wassermasseneigenschaften (Temperatur, Salzgehalt etc.); Tracermethoden [8]: Nutzung anthropogener Tracer wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe als Analoga für anthropogenes CO2; Multiple Lineare Regressionsverfahren [9, 10]: Empirische Methode zur Separation des Anstiegs von anthropogenem CO2 in hydrographischen Daten aus zwei möglichst weit separierten Zeiträumen; 13 C-Isotopie [11, 12]: Ausnutzung des 13C-Suess-Effektes, der auf die Diskriminierung von 13C gegenüber 12C bei der photosynthetischen Fixierung von Kohlenstoff zurückzuführen ist. Bei der Verbrennung des sich daraus ableitenden organischen Materials fossiler Brennstoffe gelangt 13C-abgereichertes CO2 in die Atmosphäre – eine anthropogene Signatur, die bis in den Ozean verfolgt werden kann; www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 KO H L E NS TO F F K R E IS L AU F – Nettofluss von CO2 zwischen Atmosphäre und Ozean [13]: Messung der raumzeitlichen Variabilität der CO2Partialdruckdifferenz zwischen Atmosphäre und Ozean. Die resultierenden CO2-Flusskarten können global integriert und in die Nettoaufnahme von anthropogenem CO2 umgesetzt werden; – Atmosphärische O2/CO2-Methode [14]: Separation von terrestrischer und ozeanischer Senke für anthropogenes CO2 aus zeitlichen Trends atmosphärischer CO2 und O2-Konzentrationen. Alle Verfahren besitzen bekannte Schwachstellen und beruhen auf Annahmen, die teilweise kritisch diskutiert werden. Vor diesem Hintergrund und angesichts der zum Teil extrem unterschiedlichen Datenbasis und Herangehensweise ist es jedoch ausgesprochen beruhigend, dass die Er- im tropischen Ostpazifik oder nördlichen Arabischen Meer – beheimaten die korrespondierenden CO2-Quellen, die aus der Erwärmung kalten Auftriebswassers mit hohem Gehalt an Respiratons-CO2 gespeist werden. Über den gesamten Weltozean integriert ergibt sich ein Nettofluss von 1,6 ± 0,9 Gt C a–1. Da man für die vorindustrielle Situation von einer moderaten ozeanischen CO2-Quelle von 0,4 Gt C a–1 ausgeht, kann die mittlere anthropogene CO2-Aufnahme für das Referenzjahr 2000 auf 2,0 ± 1,0 Gt C a–1 abgeschätzt werden. Im Gegensatz zur CO2-Flusskarte (Abbildung 9), die ja im Wesentlichen den natürlichen Kohlenstoffkreislauf repräsentiert, separieren die Rückrechnungsverfahren die anthropogene Perturbation des Kreislaufes. Integriert man das kumulative anthropogene CO2 über die gesamte Wasser- 60°N 60°N 80 30°N 70 30°N 60 20 10 EQ | G EO C H E M I E 40 EQ 20 30 20 30 30°S 30°S 10 30 40 40 60°S 60°S 90°E 0 180° 20 90°W 40 60 –2 Mol · m 0° 80 Abb. 10 Säuleninventar von anthropogenem CO2 im Ozean (in mol C m–2). Besondere hohe Inventare werden in den Bildungsregionen von Tiefenwasser (Nordatlantik) und Antarktischem Zwischenwasser (30–50°S) gefunden. Das kumulative Gesamtinventar der farblich unterlegten Ozeangebiete betrug im Jahr 1994 118 ± 19 Pg C (aus [5]). gebnisse aller Methoden sehr stark konvergieren. Der letzte Bericht des Weltklimarates [15] gibt einen kanonischen Wert von 2,2 ± 0,5 Gt C a–1 für die ozeanische Senke von anthropogenem CO2 an. Zwei Abbildungen, die man ohne Zweifel als Ikonen der marinen Kohlenstoffforschung bezeichnen kann, illustrieren den erreichten Kenntnisstand: Auf der Basis von mehr als 3 Millionen im Zeitraum 1970–2007 von Dutzenden Forschergruppen weltweit durchgeführten pCO2-Messungen konnte eine klimatologische Karte des Ozean-Atmosphäre-Flusses für das Referenzjahr 2000 erstellt werden, (Abbildung 9, [13]). Diese zeigt als globales Muster der Verteilung natürlicher Quellund Senkenregionen für CO2 ein klares Abbild der Überlagerung der C-Pumpen. So zeigt der subpolare Nordatlantik durch das Zusammenwirken von „physikalischer Pumpe“ und „organischer C-Pumpe“ eine ausgeprägte CO2-Senke. Tropische Regionen – hier vor allem Auftriebsgebiete wie Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 säule bis zum Meeresboden (Abbildung 10), so wird vor allem der Eindringpfad entlang der thermohalinen Zirkulation erkennbar. Dieser liegt im subpolaren Nordatlantik, von wo sich das Tiefenwasser südwärts ausbreitet. In niederen Breiten des Indiks und Pazifiks ist anthropogenes CO2 hingegen auf den Oberflächenozean beschränkt, was die geringen Säuleninventare erklärt. Die Karte zeigt, dass die Bildung der sogenannten Zwischenwässer (z.B. das bei ca. 40– 50°S gebildete Antarktische Zwischenwasser) in nicht unerheblichem Umfang zum Eintrag von anthropogenem CO2 in den Ozean beiträgt. Integriert man das anthropogene CO2 aus Abbildung 10 über den gesamten Weltozean, so ergibt sich ein Inventar von 118 ± 19 Gt C, was etwa 48 % der kumulativen Emissionen im Zeitraum 1800–1994 entspricht. Ein Blick auf den anthropogen gestörten globalen Kohlenstoffkreislauf (Abbildung 5) zeigt unser gegenwärtiges www.chiuz.de © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 127 Verständnis von Bewegung und Verbleib des anthropogenen CO2 in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Von den Emissionen aus Verbrennung fossiler Brennstoffe (6,4 Gt C a–1) und geänderter Landnutzung (1,6 Gt C a–1) verbleiben 3,2 Gt C a–1 in der Atmosphäre, während 2,6 Gt C a–1 in die terrestrische Biosphäre und 2,2 Gt C a–1 in den Ozean verschwinden. Die terrestrische Biosphäre ist daher gegenwärtig eine leichte Nettosenke. Betrachtet man die Kumulation von anthropogenem CO2 in den verschiedenen Kompartimenten des globalen Kohlenstoffkreislaufs, so steht einem atmosphärischen Inventar von 165 Gt C ein ozeanisches von 118 Gt C gegenüber. Im terrestrischen Bereich ergibt sich kumulativ eine negative Gesamtsenke, da die Kohlenstoffverluste durch die bereits seit sehr langer Zeit betriebene geänderte Landnutzung (–140 Gt C) noch nicht durch neue Senken (+101 Gt C, vor allem CO2-Düngungseffekt) kompensiert wurden. Die langfristige Aufnahmekapazität der terrestrischen Biosphäre ist deutlich kleiner als die des Ozeans, da die verantwortlichen Prozesse an Land sehr viel schneller auf eine Sättigung zulaufen. Fazit Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe werden durch die Menschheit jährlich über 8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (Gt C) in Form von CO2 in die Atmosphäre emittiert. Die kumulativen Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution (~329 Gt C im Jahre 2006) haben zu einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration von 280 auf über 385 ppmv geführt. Diese Erhöhung führt zu einem zusätzlichen anthropogenen Treibhauseffekt in Höhe von 1,7 W m–2. Von den drei auf der Zeitskala von Jahrhunderten austauschenden Kohlenstoffreservoiren Atmosphäre, terrestrische Biosphäre und Ozean ist der Ozean bei weitem das größte. Seine Aufnahmekapazität für die bisherigen kumulativen CO2-Emissionen liegt bei etwa 85 %. Berücksichtigt man zusätzlich die Auflösung mariner Kalksedimente, so erhöht sich dieser Anteil auf ~90 %. Diese Aufnahmekapazität erreicht der Ozean aufgrund seiner langsamen Durchmischung jedoch erst nach vielen Jahrhunderten. Seine gegenwärtige Aufnahme liegt bei 2,2 ± 0,5 Gt C a–1 und umfasst mit 118 ± 19 Gt C (im Jahr 1994) knapp 50 % der kumulativen Emissionen. Das CO2-System des Meerwassers umfasst die chemischen Spezies HCO3–, CO32– und CO2(aq), welche etwa im Verhältnis 100:10:1 vorliegen. Daraus resultiert die pH-puffernde Eigenschaft des Meerwassers sowie seine hohe Aufnahmekapazität für anthropogenes CO2. Mit Hilfe von vier chemischen Messgrößen kann das marine CO2-System analytisch sehr präzise beschrieben werden. Diese Messgrößen dienen als sensitive „Sensoren“ für physikalische, chemische und biologische Vorgänge im Meer. Im marinen Kohlenstoffkreislauf sind größere natürliche Prozesse aktiv, die Kohlenstoff mit der Atmosphäre austauschen und im Innern der Ozeans umverteilen. Diese Prozesse werden auch als „Pumpen“ bezeichnet und sowohl 128 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim durch physikalische als auch biologische Faktoren angetrieben. Während die „physikalische Pumpe“ unmittelbar durch die Aufnahme von anthropogenem CO2 aus der Atmosphäre verstärkt wird, ist dieses für die beiden „biologischen Pumpen“ bisher ungeklärt. Eine Vielzahl von potenziellen Konsequenzen des globalen Wandels (Temperaturanstieg, marine CO2-Aufnahme, Ozeanversauerung) auf marine Ökosysteme sind identifiziert worden. Diese werden gegenwärtig intensiv hinsichtlich ihrer Klimasensitivität sowie ihres Rückkopplungspotenzials auf das Klima untersucht. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die „biologischen Pumpen“ sich unter dem Einfluss des globalen Wandels nicht verändern werden. Zusammenfassung Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe werden durch die Menschheit jährlich über 8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff (Gt C) in Form von CO2 in die Atmosphäre emittiert. Die kumulativen Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution haben zu einem Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration geführt, die einen zusätzlichen anthropogenen Treibhauseffekt zur Folge hat. Von den drei auf der Zeitskala von Jahrhunderten austauschenden Kohlenstoffreservoiren Atmosphäre, terrestrische Biosphäre und Ozean ist der Ozean bei weitem das größte. Das CO2-System des Meerwassers umfasst die chemischen Spezies HCO3–, CO32– und CO2(aq). Daraus resultiert die pH-puffernde Eigenschaft des Meerwassers sowie seine hohe Aufnahmekapazität für anthropogenes CO2. Mit Hilfe von vier chemischen Messgrößen kann das marine CO2-System analytisch sehr präzise beschrieben werden. Diese Messgrößen dienen als sensitive „Sensoren“ für physikalische, chemische und biologische Vorgänge im Meer. Im marinen Kohlenstoffkreislauf sind größere natürliche Prozesse aktiv, die Kohlenstoff mit der Atmosphäre austauschen und im Innern der Ozeans umverteilen. Diese Prozesse werden auch als „Pumpen“ bezeichnet und sowohl durch physikalische als auch biologische Faktoren angetrieben. Während die „physikalische Pumpe“ unmittelbar durch die Aufnahme von anthropogenem CO2 aus der Atmosphäre verstärkt wird, ist dieses für die beiden „biologischen Pumpen“ bisher ungeklärt. Eine Vielzahl von potenziellen Konsequenzen des globalen Wandels (Temperaturanstieg, marine CO2-Aufnahme, Ozeanversauerung) auf marine Ökosysteme sind identifiziert worden. Diese werden gegenwärtig intensiv hinsichtlich ihrer Klimasensitivität sowie ihres Rückkopplungspotenzials auf das Klima untersucht. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass die „biologischen Pumpen“ sich unter dem Einfluss des globalen Wandels nicht verändern werden. Summary By burning of fossil fuels humankind emits more than 8 billion tons of carbon (Gt C) in the form of CO2 to the atmosphere. Since the onset of the industrial revolution the cumulative emissions have led to an increase of the atmospheric CO2 concentration which corresponds to an additional radiative forcing in the atmosphere. Of the three reservoirs which www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 118 – 129 KO H L E NS TO F F K R E IS L AU F exchange carbon on the time scale of centuries – atmosphere, terrestrial biosphere, and ocean – the ocean is by far the largest. The marine CO2 system comprises the chemical species HCO3–, CO32–, and CO2(aq). This gives rise to the pHbuffering nature of seawater as well as its high uptake capacity for anthropogenic CO2. Four measurement parameters of the marine CO2 system are available for an accurate analytical characterization. These parameters also provide a means of sensing the role of physical, chemical, and biological drivers for the marine carbon cycle. The marine carbon cycle features major natural processes that exchange carbon with the atmosphere and re-distribute it throughout the ocean. These are known as “pumps” and driven by physical and biological factors. While the “physical pump” is inevitably enhanced by the oceanic uptake of anthropogenic CO2, even the sign of the response is currently not clear for the “biological pumps”. A host of potential consequences of global change (temperature rise, ocean carbonation, ocean acidification) have been identified. These are currently studied intensively with respect to their climate sensitivity as well as the climate feedback potential. [13] [14] [15] [16] [17] Schlagworte Klimawandel, Ozean, Kohlenstoffkreislauf, Kohlendioxid, fossile Brennstoffe, Treibhauseffekt [18] Literatur [1] R. Zeebe und D. 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Seine Arbeitsgebiete sind der marine Kohlenstoffkreislauf und seine anthropogene Störung, die Rolle von Sauerstoff als biogeochemischer Schalter und sensitiver Indikator für Klimawandel im Ozean sowie die Entwicklung und Erprobung autonomer Ozeanbeobachtungsansätze. Korrespondenzadresse: Leibniz-Institut für Meereswissenschaften Düsternbrooker Weg 20 24105 Kiel Telefax: 0431-600-4202 E-Mail: [email protected] © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim | 129