2013/2014 SINFONIEKONZERTE 2. KONZERT RING C DONNERSTAG, 13. FEBRUAR 2014, 20 UHR EIVIND GULLBERG JENSEN DIRIGENT GABRIELA MONTERO KLAVIER 2. KONZERT RING C DONNERSTAG, 13. FEBRUAR 2014, 20 UHR NDR LANDESFUNKHAUS NIEDERSACHSEN, GROSSER SENDESAAL NDR RADIOPHILHARMONIE DIRIGENT: EIVIND GULLBERG JENSEN SOLISTIN: GABRIELA MONTERO KLAVIER JOHANNES BRAHMS | 1833 – 1897 Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15 (1854, 1856/57) I. Maestoso II. Adagio III. Rondo. Allegro non troppo Spieldauer: ca. 50 Minuten Pause EDVARD GRIEG | 1843 – 1907 Lyrische Suite für Orchester op. 54 (1891, 1894/1903) I. Hirtenknabe. Andantino espressivo II. Norwegischer Bauernmarsch. Allegretto marcato III. Notturno. Andante IV. Zug der Zwerge. Allegro marcato Spieldauer: ca. 15 Minuten JEAN SIBELIUS | 1865 – 1957 Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105 (1918/24) Adagio – Un pochettino meno adagio – Vivacissimo – Adagio – Allegro molto moderato – Vivace – Presto – Adagio Spieldauer: ca. 20 Minuten Zum Auftakt: Beikircher Vor allen Ring-C-Konzerten führt der Kabarettist und Musikwissenschaftler Konrad Beikircher das Publikum in das Programm des Abends ein. Immer um 19 Uhr im Kleinen Sendesaal (Eintritt frei). Das Konzert wird aufgezeichnet und am 30. März 2014 um 11.00 Uhr auf NDR Kultur gesendet. (Hannover: 98,7 MHz) IN KÜRZE Hannover, 22. Januar 1859: Im Hoftheater bringt der 25-jährige Pianist und Komponist Johannes Brahms, unter der Leitung seines Freundes Joseph Joachim, sein Erstes Klavierkonzert zur Uraufführung – der Weg bis dahin war lang und mühsam gewesen. 1854 hatte Brahms das Werk als Klaviersonate konzipiert und später vergeblich versucht, aus der überdimensionalen Sonate eine Sinfonie zu formen. Schließlich gestaltete er daraus das d-Moll-Klavierkonzert, das mit seinem ungestümen Beginn gleich alle damaligen Erwartungshaltungen negierte: dröhnende Paukenwirbel, abrupte, wild trillernde Streicherfiguren, rhythmische wie harmonische Unausgewogenheit – und erst nach knapp 100 Takten entpuppt sich 05 diese gigantische Sinfonik mit dem Einsatz des Klaviers überhaupt als Konzert. In sich gekehrt ist das Adagio, ein, so Brahms, „sanftes Porträt“ Clara Schumanns. Den Schlusssatz darf dann der Pianist eröffnen, ein ebenso virtuoses wie elegantes Bravourstück in Rondoform. Edvard Grieg schrieb im Laufe seines Lebens 66 „Lyrische Stücke“ für Klavier. Er bringt in diesen Miniaturen die verschiedensten Empfindungen und Erlebnisse zum Klingen und zeichnet darin zugleich ein vielfältiges Bild seiner norwegischen Heimat, mit deren Naturschönheit, Volksmusik und Sagenwelt. Als Dirigent führte Grieg einige seiner „Lyrischen Stücke“, in orches trierter Fassung und 1903 von ihm zur „Lyrischen Suite“ zusammengestellt, mehrfach auf. 1924 dirigierte Jean Sibelius die Uraufführung seiner Siebten Sinfonie. Das einsätzige, äußerst komprimierte Werk hebt mit einer aufsteigenden Moll-Skala in den Streichern an, aus der sich ein dichtes Netz an motivischem Material entfaltet, das die gesamte Sinfonie durchzieht. „Etwas Neues, Revolutionäres in der Geschichte der Sinfonie“, hier „endet das dur-moll-tonale Zeitalter unumgänglich, aber auf was für eine großartige Weise“, resümiert der Musikwissenschaftler Veijo Murtomäki über die finale Komposition: Mit der Siebten setzte Sibelius einen gewaltigen Schlusspunkt unter seine Sinfonien – Ende der 1920er Jahre stellte er, 30 Jahre vor seinem Tod, sein kompositorisches Schaffen ganz ein. 06 07 EIVIND GULLBERG JENSEN GABRIELA MONTERO KLAVIER Seit der Saison 2009/10 ist Eivind Gullberg Jensen Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie. Das gemeinsame künstlerische Wirken findet weit über Hannover hinaus höchste Beachtung. So waren beispielsweise die Auftritte beim International Bergen Festival von größtem Erfolg gekrönt – sowohl 2012 als auch das Konzert 2010, in dem die NDR Radiophilharmonie unter ihrem Chefdirigenten und mit Gabriela Montero als Pianistin Edvard Griegs a-Moll-Klavierkonzert aufführte. Neben seinen hiesigen Verpflichtungen arbeitet Eivind Gullberg Jensen mit vielen weiteren renommierten Orchestern und Solisten zusammen. Auch in dieser Saison ist er von namhaften Orchestern zu Gastdirigaten eingeladen worden, darunter zum wiederholten Male die Münchner Philharmoniker (mit Leif Ove Andsnes), das Orquestra Sinfónica do Porto Casa da Música (mit Martin Gru binger), das BBC National Orchestra of Wales, das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra sowie das Orquestra Sinfônica do Estado de São Paulo (mit Mari Eriksmoen). Eine Tournee mit dem Orchestre de Chambre de Lausanne und dem Oboisten Lucas Macías Navarro führte ihn jüngst u. a. nach Fribourg und Genf. Ob sie nun mit bedeutenden Orchestern wie dem New York Philharmonic, dem Philharmonia Orchestra oder dem Gewandhausorchester Leipzig konzertiert, im Wiener Konzerthaus oder in der Londoner Wigmore Hall Recitals gibt oder auch gemeinsam mit Itzhak Perlman und Yo-Yo Ma bei der Amtseinführung (2009) von Barack Obama spielt: Die Auftritte der aus Caracas (Venezuela) stammenden Gabriela Montero werden stets zum besonderen Ereignis. Die Zuhörer vermag sie dabei nicht nur mit ihren Interpretationen des klassischen Klavier-Repertoires, sondern auch mit ihren Improvisationen zu faszinieren. Den Anstoß dazu, ihre schon in der Kindheit entwickelte Fähigkeit zu improvisieren auch dem Konzertpublikum zu präsentieren, erhielt sie von der Grande Dame des Klaviers, Martha Argerich, die über die Pianistin konstatiert: „Ich bin selten so einem Talent wie Gabriela begegnet.“ In jüngster Zeit ist Gabriela Montero, die heute in den USA lebt, auch als Komponistin tätig. 2011 brachte sie gemeinsam mit der Academy of St Martin in the Fields ihre Tondichtung für Klavier und Orchester „ExPatria“ zur Uraufführung, die sich mit den politischen und humanitären Verhältnissen in ihrem Heimatland auseinandersetzt. CHEFDIRIGENT DER NDR RADIOPHILHARMONIE Jean Sibelius, um 1920 08 ROMANTIK – STRAHLEND UND GEBROCHEN DAS KLAVIERKONZERT NR. 1 VON JOHANNES BRAHMS Verstörender konnte ein Instrumentalkonzert im 19. Jahrhundert kaum beginnen. Wie sollte man den finsteren Einstieg, die abrupt abbrechenden Streicherfiguren, die wütenden Trillerfiguren, das Donnern der Pauken und den unerbittlichen Orgelpunkt in den Bässen, mit denen Johannes Brahms’ Erstes Klavierkonzert beginnt, interpretieren? Brahms’ Zeitgenossen jedenfalls müssen fassungslos gewesen sein, als sie 1859 mit seinem ersten, sämtliche Erwartungshaltungen negierenden Beitrag zur Gattung des Klavierkonzerts konfrontiert wurden. So zumindest fängt kein brillantes Virtuosenkonzert an. Fast 100 Takte lang überlässt Brahms zunächst das Wort dem Orchester – und der Hörer spürt: Hier wird nicht etwa der rote Teppich für den Solisten ausgerollt, sondern ein Star selbst hat seinen Auftritt, hier wird nichts vorbereitet, hier geht es bereits um Eigentliches. Wer das Werk nicht kennt, könnte durchaus auf den Gedanken kommen, die ersten Takte einer Sinfonie zu hören. Ein Konzert mit der Tendenz zur großen sinfonischen Form, damit ist bereits ein Hauptwesenszug des Ersten Klavierkonzerts von Brahms angesprochen. Die Gewichtung der Rollen der Akteure verweist jedoch nicht nur auf neue Entwicklungen innerhalb der Gattung, sondern erzählt zugleich auch ein Stück Entstehungsgeschichte, denn was schließlich als Klavierkonzert veröffentlicht wurde, war zunächst als Klaviersonate, dann als Sinfonie konzipiert und wieder verworfen worden. Zu sehr sprengten Brahms’ Klangvorstellungen die Grenzen der Klaviersonate, zu groß hingegen war die Hürde, sich erstmals an eine Sinfonie, die Königsdisziplin der Instrumentalmusik, zu wagen. Zwanzig Jahre sollte es noch dauern, bis er tatsächlich, als Ergebnis eines nicht minder langwierigen Kompositionsprozesses, seine Erste Sinfonie vorlegte. Wie fließend aber für Brahms die Grenzen zwischen dem komprimierten Klaviersatz und den Ausdrucksmöglichkeiten des gesamten Orchesterapparats waren, hatte schon zu dieser Zeit Robert Schumann im Kern erkannt, der den jungen Brahms am Klavier mit seinen ersten beiden Klaviersonaten erlebte und seine Begeisterung daraufhin in einem Beitrag in der Neuen Zeitschrift für Musik unter dem Titel „Neue Bahnen“ zu Papier gebracht hatte. Schumann würdigte ein „ganz geniales Spiel, das 09 aus dem Clavier ein Orchester von wehklagenden und lautjubelnden Stimmen machte“ und sprach von „verschleierten Symphonien“. Das Erste Klavierkonzert kündet nicht nur von zähem Ringen mit der Form, sondern auch von einem Ringen mit sich selbst – wenn man denn biografische Bezüge zur Deutung bemühen möchte. Bereits der Brahms-Biograf Max Kalbeck hatte die Jahre um 1856 (und damit den Entstehungszeitraum des Klavierkonzerts) in Anspielung auf das innere Leiden des Komponisten als Brahms’ „Werther-Zeit“ bezeichnet. In diese Phase fallen widersprüchliche Empfindungen – der Schock angesichts des Selbstmordversuchs seines geschätzten Fürsprechers Schumann, das Aufkeimen zarter Bande mit Clara Schumann, die Trauer über den Verlust Robert Schumanns im Jahr 1856 wie auch das Nicht-zustande-Kommen einer festen Beziehung zu Clara. Man mag all dies durchaus bereits aus den ersten 100 Takten des Konzerts heraushören: die Erschütterung einerseits – der Paukenwirbel, das Zittern des Hauptthemas mit seinen vielen Trillern, das Abbrechen und immer wieder neu Ansetzen, aber auch das zornige Durchmessen des Tonraums – und andererseits die sanft wiegende Geste des Tröstens, des zur Ruhe Findens im Seitenthema. Diese widerstreitenden Pole, ob außermusikalisch gedeutet oder nicht, prägen den gesamten ersten Satz, der mit einer Spielzeit von deutlich über 20 Minuten das Herzstück des Werkes bildet (die von Brahms’ für diesen Satz erhaltenen Metronomangaben, die eine weitaus kürzere Dauer zur Folge hätten, haben sich in der Aufführungspraxis nicht durchgesetzt). Durchgehend einer Stimmung ist der zweite Satz gewidmet, ein lyrisches Adagio. Ursprünglich hatte Brahms es mit dem Zusatz „Benedictus, qui venit in nomine Domini“ überschrieben und damit verschiedene Deutungen ausgelöst. Zum einen verweist das Zitat aus der Messliturgie auf die Sphäre geistlicher Musik – von der eine solche innere Andacht nicht allzu weit entfernt ist. Zum anderen soll Schumann von seinen Freunden als „Dominus“ bezeichnet worden sein, dementsprechend wäre der in Schumanns Todesjahr entstandene zweite Satz als Reminiszenz an den geschätzten Kollegen zu verstehen. Unabhängig davon aber hatte Brahms Ende 1856 Clara gegenüber verraten: „Auch male ich an einem sanften Porträt von dir, das das Adagio werden soll.“ Von der düsteren Stimmung des 10 Johannes Brahms in den 1850er Jahren, der Entstehungszeit seines Ersten Klavierkonzerts. ersten Satzes zumindest ist nichts mehr übrig geblieben. Dafür sorgen der Wechsel von d-Moll hin zu lichtem D-Dur, die an einzelnen Stellen fast schon kammermusikalische Besetzung, die mit großen Bögen zusammengehaltenen Phrasen und die verhaltene Lautstärke. Nur zwei Mal schwingt sich der Satz kurz zum Forte auf, um sogleich wieder in sanftes Piano zurückzukehren. Hatte sich der Solopianist in diesen beiden ersten Sätzen extrem in das motivisch-thematische Geschehen einfügen müssen, um dabei an vielen Stellen fast schon mit dem Orchester zu verschmelzen, erhält er im dritten Satz doch noch Gelegenheit, als Virtuose zu brillieren. Brahms, selbst versierter Künstler an den Tasten (und im Übrigen Solist der Uraufführung seines Werkes), kannte die Konventionen schließlich gut genug, um weder dem Pianisten noch dem Publikum das vorzuenthalten, was von einem Konzert erwartet wurde. Und diesmal darf auch der Pianist selbst den Satz eröffnen und den Rhythmus vorgeben, der eine gute Portion ungarisches Temperament mitbringt. Dass Brahms ausgerechnet an diesem Satz besonders lange gefeilt hat, merkt man ihm nicht an. Im Grunde heterogene Elemente wie die Anklänge an die ungarische Volksmusik, kontrapunktische Techniken und wirkungsvolle Spielfiguren gehen eine glückliche Synthese ein, die das Konzert zu einem glänzenden Abschluss führt. EDVARD GRIEGS LYRISCHE SUITE FÜR ORCHESTER Keinen Begriff hielt er für besser geeignet, um den Stimmungsgehalt zahlreicher seiner Klavierstücke auf den Punkt zu bringen: Über dreieinhalb Jahrzehnte hinweg, von 1864 bis 1901, veröffentlichte Edvard Grieg zehn Bände mit pointierten Miniaturen, die er als „Lyrische Stücke“ bezeichnete. Insgesamt 66 Stücke umfasst die gesamte Sammlung. Am „Lyrischen“ hielt Grieg dabei beharrlich fest, vergeblich versuchte sein Verleger, ihm den – dem Umsatz zuträglicheren – Titel „Bunte Blätter“ schmackhaft zu machen. Für Grieg subsumierte sich im „Lyrischen“ all das, was er in seiner Musik auszudrücken suchte: Sentimentales, Romantisches natürlich, darüber hinaus aber auch Biografisches, persönliche Empfindungen, Erinnerungen – dies in enger Verbundenheit mit Griegs norwegischer Heimat, dem reichen Fundus der nordischen Volksmusik und der fantasievollen Sagenwelt. Der Geniestreich, einige dieser verdichteten Miniaturen vom Klavier auf das Orchester zu übertragen, geht im Grunde nicht auf Grieg, sondern auf einen seiner Dirigentenkollegen zurück. Anton Seidl fertigte im Jahr 1894 eine Orchesterfassung von vier „Lyrischen Stücken“ des fünften Heftes (op. 54) für die New Yorker Philharmoniker an. Als Grieg im Jahr 1903 die Partitur erstmals zu Gesicht bekam, zeigte er sich von der exzellenten Orchestrierung angetan, nahm jedoch einige Umarbeitungen vor, die seinen künstlerischen Inten- 11 tionen besser entsprachen. Und er ersetzte darüber hinaus eine der Nummern durch den „Gjetergutt“, den „Hirtenknaben“ (das erste Stück des Heftes). In dieser Form und unter dem Titel „Lyrische Suite“ brachte Grieg – der in seinen späten Lebensjahren die künstlerische Tätigkeit immer mehr vom Klavierspiel aufs Dirigieren verlegt hatte – den kleinen Zyklus mehrfach selbst zur Aufführung. Es sind vor allem ländliche Szenen und Naturerlebnisse, die hier ihren musikalischen Ausdruck finden – Szenen, die ohne die Charakteristika der norwegischen Landschaft und der geheimnisvollen Fabelwesen kaum denkbar wären. Der Hirtenjunge etwa, der zu Beginn der Suite vorgestellt wird, steht ganz im Einklang mit der klaren Gebirgswelt. Grieg hebt jedoch die schlichte Szenerie auf eine höhere Ebene: Die volksliedhafte Melodie überlässt er bewusst nicht der Flöte – dem Hirteninstrument überhaupt –, sondern er besetzt die Nummer ausschließlich mit Streichern und Harfe. Und das im Grunde eher naiv und schlicht anmutende Hauptthema verdichtet er durch extreme Chromatik und scharfe Dissonanzen hin zu einem 12 „Lyrischen Stücken“. Den in der nordischen Sagenwelt beheimateten Trollen setzt Grieg hier, wie der Musikwissenschaftler Ekkehard Kreft schreibt, ein „fratzenhaft verzerrtes Denkmal“. Mit huschenden Phrasen in der Flöte, Streicherpizzicati, gestopften Hörnern, polternden Bässen, starken dynamischen Kontrasten, aber auch einem geradezu sanftmütigen Mittelteil zeigt Grieg das vielschichtige Wesen der Trolle: mal leichtfüßig, mal wild stampfend, mal dämonisch, dann aber auch harmlos und fast schon sympathisch. Sie reißen den Hörer mit, zu fassen bekommt man sie jedoch nie. DIE SIEBTE SINFONIE VON JEAN SIBELIUS Letzte Beiträge, die ein Komponist zu einer Gattung leistete, sind häufig die gewichtigsten – ablesbar schon an den gewachsenen äußeren Dimensionen. Die siebte und letzte Sinfonie jedoch, die Jean Sibelius 1924, immerhin noch mehr als 30 Jahre vor seinem Tod, der Nachwelt hinterließ, ist mit gut 20 Minuten Spielzeit nicht nur bloß halb so lang wie seine ersten beiden Sinfonien, sondern überhaupt die kürzeste in seinem Schaffen. Als Sinfonie wollte er sie zunächst auch gar nicht bezeichnet wissen – bei der Uraufführung im März 1924 in Stockholm unter Leitung des Komponisten firmierte sie 13 noch unter dem Namen Fantasia sinfonica. Erst danach entschied er sich, der nach außen einsätzigen Form und der recht kurzen Spieldauer zum Trotz, für eine Katalogisierung des Werks als Sinfonie. Aus dem Skizzenbuch Edvard Griegs, Zeichnung seiner norwegischen Heimat. Dass auch Verknappung, Verdichtung, Intensivierung ein Mittel sein kann, um im Zenit des Schaffens ein musikalisches Vermächtnis zu hinterlassen, welches nicht nur Gesagtes zusammenfasst, sondern auch in die Zukunft weist, zeigt Sibelius’ Siebte Sinfonie ganz deutlich. Der finnische Musikwissenschaftler und Sibelius-Experte Veijo Murtomäki bewertete die Siebte als „etwas Neues, Revolutionäres in der Geschichte der Sinfonie“, hier endet „das dur-moll-tonale Zeitalter unumgänglich, aber auf was für eine großartige Weise!“ kleinen Drama, über dessen Inhalt der Hörer nur spekulieren kann. Im „Norwegischen Bauernmarsch“ schlägt Grieg für die „Lyrischen Stücke“ ungewohnt derbe Töne an. Der Titel „Gangar“ bezieht sich auf einen Volkstanz, der durch schweres Stampfen charakterisiert wird. Gleich zweimal baut sich ein gewaltiges Crescendo auf, das die geballte Kraft der Tanzbewegungen zum Ausdruck bringt. Auf das mysteriös-klangsinnliche Notturno folgt der „Zug der Zwerge“ bzw. der „Zug der Trolle“ („Trolltog“), eines der bekanntesten von Griegs Das rhythmische Stampfen der Trolle Edvard Griegs noch in den Ohren, ist der Hörer in Sibelius Siebter Sinfonie zunächst umso orientierungsloser. Der finnische Dirigent Jukka-Pekka Saraste fand für den schwerelosen Stil der Sinfonie den treffenden Begriff einer „Melodie ohne Gravitation, aber dennoch im Kraftfeld der von der Masse her unterschiedlichen Planeten existierend.“ Die vermeintlich eindeutigste Aussage treffen die Streicher in den allerersten Tönen der Sinfonie: Sie stimmen unisono eine Tonleiter in a-Moll an, bewe- gen sich gemächlich aufwärts, bleiben jedoch nicht nach Erreichen des Grundtons stehen, sondern steigen weiter, blicken gleichsam über den Tellerrand und sind sogleich in entlegenen Tonarten angekommen. Ab hier ist der Hörer aufgefordert, sich in einer üppig blühenden Klanglandschaft zurechtzufinden. Manches drängt ans Licht, ein ornamentales Thema der Holzbläser etwa, eine Streicherhymne, die sich jedoch in ihren gedehnten Notenwerten der Fasslichkeit entzieht, ein erhabenes Posaunenthema, eine zunächst unscheinbar wirkendes absteigendes Motiv. Alles hat Bedeutung in diesem organisch anmutenden Gebilde, wird an späterer Stelle wieder aufgegriffen und gewandelt – selbst die Skala des Anfangs. Bemerkenswert ist dabei, wie schwer dem Hörer etwas haften bleibt. Grund dafür ist sicherlich unter anderem das, was Saraste „Melodie ohne Gravitation“ nannte. Immer wieder verschleiern Liegetöne und Synkopen das eigentliche Metrum, und auch die Harmonik erscheint flüchtig, nicht greifbar. Eine Grobstruktur, als Unterteilung in drei Binneneinheiten (Adagio – Un pocchettino meno adagio – Allegro molto moderato), wird durch die Wiederkehr des Posaunenthemas markiert. Im drit14 NDR RADIOPHILHARMONIE AKTUELL … Neu in der NDR Radiophilharmonie: die Geigerin Eriona Jaho Eriona Jaho wurde 1982 in der albanischen Hauptstadt Tirana geboren. Ihre künstlerische Instrumentalausbildung absolvierte sie an der Folkwang Universität der Künste in Essen, wo sie bei Vesselin Paraschkevov studierte. Von 2009 bis 2012 erweiterte sie dort ihr musikalisches Profil mit einem Aufbaustudium der Kammermusik bei Andreas Reiner und legte das Konzertexamen ab. Ihre erste Festanstellung trat die junge Musikerin 2008 bei den ersten Violinen im Folkwang Kammerorchester Essen an. Anschließend führte der Weg von Eriona Jaho dann nach Norddeutschland. Bevor sie 2012 Mitglied der ersten Violinen der NDR Radiophilharmonie wurde, hatte sie beim Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck die Position der Vorspielerin der zweiten Violinen inne. Neben ihrer Tätigkeit bei der NDR Radiophilharmonie ist Eriona Jaho eine gefragte Kammermusikerin und tritt darüber hinaus auch solistisch auf. 15 Sibelius’ Haus Ainola, in dem u. a. seine Siebte Sinfonie entstand, im finnischen Winter. ten Teil schließlich vermeint man allmählich Land unter den Füßen zu spüren. Fragmente heiterer nordisch anmutender Tanzszenen werden durch die verschiedenen Stimmen geführt, bevor nach einer gewaltigen Schlusssteigerung die Sinfonie in ungebrochenem C-Dur ausklingt. Ruth Seiberts DIE NDR RADIOPHILHARMONIE 1. VIOLINEN Kathrin Rabus* N.N.* Vladimir Lazov** N.N.** Michael Pohl Kazuo Muranaka Friedemann Kober Viola Mönkemeyer Hiroto Yashima Laurent Plettner Frank Wedekind Bogdan Dragus Friederike Kosak Eriona Jaho 16 2. VIOLINEN Oliver Kipp* Ladislaus Kosak* Theresia Stadlhofer** Rudolf Theby Uwe Fietkau Volker Mutschler Katrin Strobelt Rosario Hernández Kristina Altunjan Julie Tetens Nóra Bacsovics N.N. BRATSCHEN Dimitar Penkov* Anna Lewis* Christian Pohl** Moshe Ben-Dor Monika Worlitzsch Friedrich Stenger-Lutz Upendo Liebsch Carolin Frick Miriam Tanase Lena Thies FLÖTEN Heike Malz* Christoph Renz* Sabine Bleier Sarenka Siberski TROMPETEN OBOEN Kerstin Ingwersen* Roberto Baltar* Kiyoshi Matsubara Mirjam Budday POSAUNEN Emil Haderer* N.N.* Gerhard Zolnhofer Christian Heilmann VIOLONCELLI Christoph Marks* Nikolai Schneider* Jan Hendrik Rübel** Sebastian Maas Carsten Jaspert Oliver Mascarenhas Christian Edelmann Amanda Anderson KLARINETTEN Ulf-Guido Schäfer* Til Renner* Klaus Kirschvink Franz Bumann TUBA Peter Stadlhofer* FAGOTTE Uwe Grothaus* Malte Refardt* Antonia Zimmermann Michael Grünwald PAUKEN Klaus Reda* Raimund Peschke* KONTRABÄSSE Jürgen Normann* N.N.* Rüdiger Ludwig** Alexander Karow Albert Sommer Georg Elsas N.N. Stefan Schultz* Fabian Neuhaus* Wilhelm Kammerer Jörn Schulze HARFE Birgit Bachhuber* 17 HÖRNER Johannes-Theodor Wiemes* Daniel Adam* Susanne Thies Johannes Otter Margje Imandt Henrich Schaefer SCHLAGZEUG Wolfgang Schneider* Oliver Arlt* VORSTAND Carsten Jaspert Peter Stadlhofer Susanne Thies * Konzertmeister(in) oder Solist(in) ** stellvertretende(r) Konzertmeister(in) oder Solist(in) KONZERTVORSCHAU IMPRESSUM Ihr nächstes Konzert im Ring C Herausgegeben vom Norddeutschen Rundfunk Programmdirektion Hörfunk Bereich Orchester und Chor | NDR Radiophilharmonie 3. KONZERT RING C DONNERSTAG, 13. MÄRZ 2014, 20 UHR NDR, GROSSER SENDESAAL NDR RADIOPHILHARMONIE DIRIGENT: EIVIND GULLBERG JENSEN SOLIST: GAUTIER CAPUÇON VIOLONCELLO KERRY TURNER „Karankawa“, Tondichtung für Orchester EDWARD ELGAR Violoncellokonzert e-Moll op. 85 SERGEJ RACHMANINOW Sinfonische Tänze op. 45 3. KONZERT RING U/ 3. KONZERT RING POPS DONNERSTAG, 20. FEBRUAR 2014, 20 UHR FREITAG, 21. FEBRUAR 2014, 20 UHR NDR, GROSSER SENDESAAL 18 NDR POPS ORCHESTRA DIRIGENT: FRANK STROBEL SOLIST: DOMINIQUE HORWITZ GESANG BACKGROUND: JEMMA ENDERSBY KATJA SYMANNEK MINERVA DIAZ PÉREZ Dominique Horwitz singt Robert Mitchum „Sunny“, „Lady Marmalade“ u. a. 2. KONZERT RING BAROCK FREITAG, 28. MÄRZ 2014, 18 UHR HERRENHAUSEN, GALERIEGEBÄUDE NDR RADIOPHILHARMONIE NDR CHOR DIRIGENT: BERNARD LABADIE SOLISTEN: ANNA LUCIA RICHTER SOPRAN ROBIN BLAZE COUNTERTENOR MARTIN PLATZ TENOR DOMINIK KÖNINGER BASS JOHANN SEBASTIAN BACH „Der Gerechte kommt um“, Motette für Chor und Orchester Messe G-Dur für Soli, Chor und Orchester BWV 236 GEORG FRIEDRICH HÄNDEL Te Deum D-Dur („Dettinger Te Deum“) für Soli, Chor und Orchester HWV 283 Karten erhalten Sie beim NDR Ticketshop und den üblichen Vorverkaufskassen. www.ndrticketshop.de Die NDR Radiophilharmonie im Internet: ndr.de/radiophilharmonie Bereich Orchester, Chor und Konzerte Leitung: Andrea Zietzschmann NDR Radiophilharmonie Abteilungsleitung: Matthias Ilkenhans Redaktion des Programmheftes: Andrea Hechtenberg Der Einführungstext ist ein Originalbeitrag für den NDR. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des NDR gestattet. Fotos: Colin Bell | EMI Classics (Titel, S. 7) Klaus Westermann | NDR (S. 6) culture-images/Lebrecht (S. 8, 10, 14) akg images (S. 12) Issy Fotografie (S. 15) NDR | Markendesign Gestaltung: Klasse 3b Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co. Druck: Nehr & Co. GmbH Die Konzerte der NDR Radiophilharmonie hören Sie auf NDR Kultur Hören und genießen Foto: © [M] Stockbyte, Stefano Stefani | Photodisc, ccvision In Hannover auf 98,7 Weitere Frequenzen unter ndr.de/ndrkultur