Inkarnation in kontextuellen Theologien

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Vorlesung Christologie und
Gotteslehre 3
Das Verständnis von Inkarnation in
kontextuellen Theologien
Prof. Dr. Lucia Scherzberg
Sommersemester 2010
Begriffe
• Kontextualität: Bezug auf „Text und Kontext“
• Theologie unter Berücksichtigung des
„Kontextes“, d.h. sozialer, politischer,
ökonomischer und kultureller Bedingungen
• Inkulturation = theologischer Neologismus
• zusammengesetzt aus Enkulturation oder
Akkulturation (Hereinwachsen in die Kultur im
Sozialisationsprozess; A. = auch Assimilation
an eine fremde Kultur) und Inkarnation
Wiederholung
• Problem: Wie können Menschlichkeit und
Göttlichkeit in Jesus gedacht werden? Was
bedeutet Inkarnation Gottes in einem Menschen?
Mögliche Antworten
• Hypostatische Union als inneres Moment der
allgemeinen Begnadigung des geistigen
Geschöpfs (Karl Rahner)
• Ausdruck von Gottes Gegenwart inmitten seines
Volkes (Schechina-Theologie)
Heute
Versuche, dieses Problem mit Hilfe von Bildern
und Symbolen aus anderen Kulturen und
Religionen zu lösen (Beispiele)
• Afrikanische Christologie: Jesus als Ahn
• Indische Christologie: Jesus als Avatar
Christologie in der afrikanischen
Theologie: Jesus als Ahn
• Traditionelle Ahnenverehrung in Afrika:
Verbindung zwischen Lebenden und Toten einer
Familie
Eintreten der Verstorbenen für die Lebenden bei
den Gründerahnen, Mitbestimmung des
Schicksals der Lebenden
Hintergrund
• Ureinheit aller auf das Leben wirkenden Kräfte
Hintergrund
• Ureinheit aller auf das Leben wirkenden Kräfte
• Gleichgewicht der Kräfte
Hintergrund
• Ureinheit aller auf das Leben wirkenden Kräfte
• Gleichgewicht der Kräfte
• Kanalisierung der Kräfte durch Symbolbildung
Hintergrund
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•
Ureinheit aller auf das Leben wirkenden Kräfte
Gleichgewicht der Kräfte
Kanalisierung der Kräfte durch Symbolbildung
Gott = Garantie des Gleichgewichts der Kräfte
Gott = Bewahrer des Lebens
Hintergrund
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•
Ureinheit aller auf das Leben wirkenden Kräfte
Gleichgewicht der Kräfte
Kanalisierung der Kräfte durch Symbolbildung
Gott = Garantie des Gleichgewichts der Kräfte
Gott = Bewahrer des Lebens
Gott ist der Ur-Ahn
Masken für die Ahnenverehrung
(Gabun)
Maskenfest in Benin
Ngontang-Maske aus Gabun
Gabun
Jean-Marc Ela (1936-2008) u. Kossi J.
Tossou
• Ahnenverehrung
konstituiert die
Beziehungen zwischen
lebenden und verstorbenen
Familienmitgliedern
• = symbolische Erfahrung
von Wirklichkeit, das
Unsichtbare wird „Welt“
• Gestaltung der Gegenwart
im Lebensfluss mit den
Ahnen
• Plädoyer für die Aufnahme
des Ahnenkultes in die
Heiligenverehrung
Charles Nyamiti: Christ as our ancestor
• Systematische Christologie auf dem Boden
afrikanischen Christentums
• Verwendung von Begriffen aus den
traditionellen afrikanischen Religionen
• Ahnenverehrung = bestimmte Struktur von
Beziehung
• Diese Struktur von Beziehung beschreibt auch
die Beziehung zwischen Gott und den
Menschen
Charles Nyamiti
• Jesus = Bruder-Ahn der Menschen, Verhältnis der
Nachkommenschaft zum Vater-Ahn
• Zwischen Gott und den Menschen auch
Verhältnis der Nachkommenschaft – wird durch
Jesus Christus rettende Beziehung
• Perfekte Beziehung zwischen Vater und Sohn
• Zwei-Naturen-Lehre markiert den Unterschied zur
traditionellen Ahnenschaft
• Sakrale Kommunikation zwischen Ahn und
Nachkommen
Eucharistie
Bénézet Bujo
geb. 1940 im Kongo
Professor für Moraltheologie in
Fribourg
Jesus als der Proto-Ahn
• Ahnen sind die Vorfahren, die rechtschaffen und
gottesfürchtig gelebt haben.
• Jesus verwirklicht das Ahnen-Ideal
• Spender von Heil und Leben
• Jesus = Proto-Ahn, neben ihm gibt es keinen
ebenbürtigen
• Dies ist in Jesu Leben wahrnehmbar und wird durch
Tod und Auferstehung bestätigt.
• Verwirklichung dessen, was die Ahnen anstrebten:neue Beziehung zu Gott und die Überwindung des Todes
• „Gott hat früher zu den Menschen in
Afrika in vielfältiger Weise, z.B. durch
die Ahnen, gesprochen und nun
durch Jesus Christus, seinen Sohn.“
JESUS CHRISTUS ALS HÄUPTLING
Inthronisation eines Häuptlings
Häuptling
• Häuptling = Wesen am Schnittpunkt der Welt
der Lebenden und der Welt der Ahnen
• Lebensförderer; ist zuständig für den
Zusammenhalt der Gemeinschaft
Jesus als Häuptling
• Jesus verwirklicht das Ideal des Häuptlings: Sieger
über das Böse, Verteidiger der Gemeinschaft
• Sohn und Abgesandter des größten Häuptlings
(als solcher selbst Häuptling)
• Mittler zwischen sichtbarer und unsichtbarer
Welt
• Von ihm fließt Leben in die Gemeinschaft
• außergewöhnlicher Weiser
CHRISTOLOGIE IN INDIEN
Beispiel: Jesus als Avatar
• Avatara (Sanskrit) = Hinabsteigen, Herabkunft,
Offenbarung
• In der religiösen Tradition Indiens:
Offenbarung Gottes in einer irdischen Gestalt,
um den Menschen zu begegnen und ihnen
Befreiung zu schenken
• Verwendung des Wortes für die Inkarnation
des Logos in Jesus
Indische Religionstradition
• Vielfältige Epiphanien des Göttlichen in der
Geschichte
• Unterschiedliche Bedeutsamkeit der Avatare
• Zehn Inkarnationen Vishnus, darunter Rama
und Krishna
• Verehrung Vishnus in seinen Avataren
Die zehn Avatare
des Vishnu
Vishnu
Krishna
Die Geburt Krishnas
• „Wenn Inder sich mit Jesus beschäftigen,
betrachten sie ihn spontan als einen Avatar. Es
ist ein indischer religiös-kultureller Zugang,
um unserer Erfahrung Jesu als einer
menschlich-göttlichen Person auf die Spur zu
kommen.“ (Michael Amaladoss)
Neue christliche Bedeutung des
Begriffs Avatar
• Im Avatar tritt Gott in menschlicher Weise zu den
Menschen in Beziehung.
• Im Avatar wird Gott in der Geschichte wirksam.
• Hineinnahme des Menschlichen/des Materiellen
in Gott
• Vollendung der Integration des Göttlichen und
Menschlichen in Jesus und des Göttlichen und
der Menschen in der Welt erst am Jüngsten Tag
Neue christliche Bedeutung des
Begriffs Avatar
• viele Offenbarungen Gottes, aber nicht in
gleicher Dichte
• viele Avatare – Jesus ist ein besonderer Avatar
aufgrund seiner Inkarnation
• Nicht: viele Inkarnationen – Jesus als
besondere
• Avatar = stärker inklusive Kategorie als
Inkarnation
Indien und Chalkedon
• Auslegung der Formel von Chalkedon, die das
Problem überwindet, wie Gottheit und
Menschheit Jesu sich zueinander verhalten
„Ich glaube, dass der indische Zugang ohne das
Entweder-Oder der Griechen auskommt, die
Gott und Mensch trennen und dann nicht
wissen, wie sie beide wieder
zusammenbringen sollen.“ (Amaladoss)
VIELEN DANK FÜR IHRE
AUFMERKSAMKEIT!
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