Buch 1.indb - AkadMed.com

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Kapitel 1
BIOCHEMIE DER ERNÄHRUNG
H. Grunicke
1. Einführung: Ernährung und
Stoffwechsel, Stoffwechsellagen
Belebte Materie zeichnet sich thermodynamisch
durch einen hohen Ordnungsgrad, d. h. niedrige
Entropie aus. Die Aufrechterhaltung derartiger
Ordnungszustände ist nur bei dauernder Energiezufuhr möglich. Daraus folgt, dass schon unsere bloße körperliche Existenz in Abwesenheit
zusätzlicher Arbeitsleistungen energieabhängig
ist. Der tatsächliche Energiebedarf des menschlichen Organismus geht schon unter Grundumsatzbedingungen, nicht zuletzt wegen der Bedürfnisse der stoffwechselaktiven Organe, Zentralnervensystem, Herz, Leber, Niere, weit über
die zum Strukturerhalt notwendige Energie hinaus und wird durch motorische Aktivität und
Stress zusätzlich gesteigert.
Der menschliche Organismus gewinnt die für
die Körperfunktionen notwendige Energie durch
Oxidation verschiedener Energiesubs­trate, die
mit der Nahrung zugeführt werden müssen. Nun
erfolgt beim Menschen die Nahrungsaufnahme
nicht kontinuierlich, sondern nur im Rahmen einer Mahlzeit mit anschließender Resorption der
Nahrungsstoffe. Nach Abschluss der Resorption
folgt eine unterschiedlich lange Zeit der Nahrungskarenz, eine physiologische Hungerphase,
die durch die nächste Mahlzeit beendet wird.
Während dieser Postresorptions- oder Hungerphase darf die Zufuhr von Energiesubstraten
jedoch nicht unterbrochen werden. Das gilt insbesondere für die Organe mit hohem Energiebedarf wie Herz, Niere und Zentralnervensystem
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(ZNS), wobei das ZNS hinsichtlich der von ihm
verwertbaren Energiesubstrate besonders wählerisch ist und auf eine stetige Anlieferung von
Glukose angewiesen ist. Damit Hungerphasen
überstanden werden können, muss der Organismus während der Resorptionsphase Energiespeicher anlegen, aus denen während der Nahrungskarenz der Energiebedarf, bzw. auch die
Bereitstellung bestimmter Energiesubstrate wie
der Glukose für das ZNS gewährleistet wird. Die
Bildung dieser Energiespeicher erfolgt in hierfür
spezialisierten Organen und erfordert eine Vielzahl von Enzymen. Für die Mobilisierung der
Energiesubstrate aus den Speichern sind andere
Enzymsysteme verantwortlich.
Naturgemäß macht es keinen Sinn, dass
während der Speicherung die Entspeicherungsmechanismen aktiv sind. Offensichtlich sind organübergreifende Steuerungsmechanismen notwenig, die sicherstellen, dass während der Anlage
der Speicher die Entspeicherungsmechanismen
ausgeschaltet sind und umgekehrt bei Mobilisierung der gespeicherten Energiesubstrate
die speichernden Aktivitäten blockiert werden.
Diese Aufgaben obliegen bestimmten Hormonen
und Stoffwechselprodukten, deren Ausschüttung und Aktivität jeweils typische Stoffwechsel­
lagen definieren.
Eine solche typische Stoffwechsellage ist die
Phase nach einer Mahlzeit, während der Resorption der Nahrungsstoffe bei motorischer Ruhe.
Während dieser Zeit stehen dem Organismus
mehr Energiesubstrate zur Verfügung als er zur
Deckung des Energiebedarfes benötigt. Daher
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werden die überschüssigen Energieträger für die
Bildung der Energiespeicher verwendet. In dieser Situation sorgt in erster Linie Insulin dafür,
dass alle zur Energiespeicherung notwendigen
Systeme aktiviert und die zur Entspeicherung
verwendeten Mechanismen gehemmt werden.
Der Stoffwechsel in der Resorptionsphase ist in
Kapitel 5 beschrieben.
In der Postresorptionsphase muss auf die
Energiespeicher zugegriffen werden. Die hierzu
notwendigen Regelmechanismen erfolgen bei
motorischer Ruhe im Wesentlichen durch Glukagon und Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin). Der Stoffwechsel in der Postresorptions­
phase ist in Kapitel 6 dargestellt.
Die Energieverhältnisse ändern sich bei motorischer Aktivität. Hierdurch entsteht schlagartig ein erhöhter Energiebedarf. Zu dessen
Deckung wird die Speicherbildung auch in der
Resorptionsphase gehemmt und zusätzlich die
Bereitstellung von Energiesubstraten aus den
Energiespeichern erhöht. Die Steuerung dieser
Mechanismen übernehmen die Katecholamine.
2. Nahrungsmittel, Nahrungsstoffe,
Einteilung der Nahrungsstoffe
Der Organismus braucht aber Nahrungsstoffe
nicht nur als Energiesubstrate, sondern ist mit
der Tatsache konfrontiert, dass alle Körperbestandteile einem ständigen Ab- und Wiederaufbau unterworfen sind. Für die Erhaltung
der Körpersubstanz muss mit der Nahrung das
notwendige Baumaterial zugeführt werden. Unter diesen Bausubstraten kommt Substanzen
besondere Bedeutung zu, die der Organismus
nicht selbst synthetisieren kann. Hierzu zählen
die essentiellen Aminosäuren, die essentiellen
Fettsäuren (für Details zu diesen Verbindungen
siehe Lehrbücher der Biochemie) und die Mineralien, insbesondere Calcium und Phosphat für
den Aufbau der Knochensubstanz.
Es ist jedoch zu betonen, dass der Organismus bei den mit der Nahrung zugeführten organischen Verbindungen nicht zwischen Ener-
gie – und Bausubstraten unterscheidet. Diese
Unterteilung ist von didaktischem Nutzen und
hilfreich bei Bedarfsermittlungen.
Neben den Energie– und Bausubstraten benötigt der menschliche Organismus noch eine
Reihe von Stoffen, die in geringen Mengen im
Wesentlichen für katalytische Zwecke verwendet werden. Zu diesen sogenannten Wirksubs­
traten zählen die Vitamine, die Spurenelemente
wie Eisen, Kupfer, Mangan, Zink, Jodid, Selen
u. a. m., sowie Mineralien wie Natrium, Kalium,
Magnesium, Chlorid.
Bezüglich der Nahrung unterscheiden
wir zwischen den Nahrungsmitteln wie Milch,
Fleisch, Brot etc. und den Nahrungsstoffen. Während die Nahrungsmittel komplexe Stoffgemische darstellen, sind Nahrungsstoffe chemisch
definierte Verbindungen oder Verbindungsklassen wie Kohlenhydrate, Lipide, Proteine, Vitamine etc. Bei den Nahrungsstoffen
können wir nochmals zwischen resorbierbaren und nichtresorbierbaren, d. h. unverdaulichen Stoffen unterscheiden. Die unverdaulichen Nahrungsstoffe werden als Bal­
laststoffe bezeichnet. Hierzu zählen vor allem Bestandteile pflanzlicher Zellwände und
Fasern (Biesalski, 2004). Die Tatsache, dass sie
unverdaulich sind, bedeutet nicht, dass die Ballaststoffe nur unnötigen Ballast darstellen. Von
Ernährungswissenschaftlern wird die Wichtigkeit einer ausreichenden Zufuhr von Ballaststoffen immer wieder betont (Kluthe, 2004). Einige
Ballaststoffe haben ein hohes Wasserbindungsvermögen, sie quellen daher im Darm und beeinflussen auf diese Weise die Darmmotilität, sowie
die Viskosität des Chymus und der Faeces. Andere
haben Ionenaustauschaktivität und binden z. B.
Gallensäuren. Schließlich hat eine ballaststoffreiche Nahrung in der Regel einen höheren Sättigungseffekt als eine ballaststoffarme Nahrung.
Da der Gehalt an Energiesubstraten bei ballaststoffreicher Ernährung in der Regel niedriger ist
als der von ballaststoffarmen Nahrungsmitteln,
schützt eine ballaststoffreiche Ernährung vor einer unerwünschten Überernährung und deren
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Folgeerscheinungen: Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheiten.
3. Biologische Wertigkeit der Nahrung
Aus den geschilderten biochemischen Funktionen der Ernährung ergibt sich eine Reihe von
Kriterien zur Beurteilung der biologischen Wertigkeit einer Nahrung:
Die Nahrung sollte isokalorisch sein, d. h.
den Energiebedarf zur Deckung des Grundumsatzes, darüber hinausgehender Arbeitsleistungen und der Wärmeproduktion befriedigen. Sie
sollte aber weder hypo- noch hyperkalorisch
sein. Sowohl eine Unter- als auch eine Überernährung sind auf die Dauer mit der Gesundheit
nicht vereinbar.
Die Nahrung sollte eine ausreichende Zufuhr der essentiellen Bausubstrate garantieren.
Zur Deckung des Bedarfes an essentiellen Aminosäuren werden vom jungen Erwachsenen
täglich ca. 0,8 g Protein/kg Körpergewicht benötigt. Für Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere gelten höhere Werte (WHO, FAO, UNO Report, 1985). Der Bedarf von älteren Menschen ist
noch Gegenstand von laufenden Diskussionen.
Diese Mengenangabe geht davon aus, dass eine
gemischte Kost bestehend aus tierischem und
pflanzlichem Eiweiß zugeführt wird. Tierisches
Eiweiß hat generell eine höhere biologische
Wertigkeit als pflanzliches Protein. Biologisch
hochwertige Proteine sind reich an essentiellen
Aminosäuren und enthalten diese in einem molaren Verhältnis, in dem sie vom menschlichen
Organismus zur Proteinbiosynthese verwendet
werden. Es gibt verschiedene Methoden zur Bestimmung der biologischen Wertigkeit von Protein, z. B. die Messung der Stickstoffretention
nach Verabreichung einer bestimmten Proteinmenge oder Fütterungsversuche an Ratten. Unabhängig von der Messmethode zeigen tierische
Proteine generell eine höhere biologische Wertigkeit als pflanzliche Eiweiße. Als Faustregel
gilt daher, dass von der täglich zuzuführenden
Proteinmenge ca. 50 % tierisches Eiweiß sein
Biochemie der Ernährung
sollten. Bei rein vegetarischer Ernährung ist daher der Zusammensetzung der Proteine größte
Aufmerksamkeit zu widmen.
Zur Deckung des Bedarfes an essentiellen
Fettsäuren werden täglich etwa 0,8 –1 g Fett pro
kg Körpergewicht benötigt. Pflanzliche (nicht
gehärtete) Fette sind im Allgemeinen reich an
ungesättigten und auch mehrfach ungesättigten
essentiellen Fettsäuren, ebenso einige tierische
Fette wie Fischöl und Hühnerfett. Von den mehrfach ungesättigten Fettsäuren zeichnen sich die
ω-3-Fettsäuren (z. B. Linolensäure) durch eine
gefäßprotektive Wirkung aus. Ein Verhältnis
von ω-6- (z. B. Linolsäure) zu ω-3-Fettsäuren von
5 : 1 scheint im Sinne der Gefäß- und kardioprotektiven Wirkung besonders günstig zu sein und
wird daher von Ernährungswissenschaftlern
empfohlen (Enig et al., 1991). Eine Reihe pflanzlicher Fette und Öle zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an ω-3-Fettsäuren aus. Vereinfacht
lässt sich somit sagen, dass von dem täglichen
Bedarf von 0,8 –1 g Fett pro kg Körpergewicht
möglichst viel ungehärtetes pflanzliches Fett
oder Fischfett sein sollte. Als quantitatives Maß
ist das Verhältnis von Lipiden mit mehrfach ungesättigten (polyunsaturated) Fettsäuren zu
solchen mit gesättigten (saturated) Fettsäuren,
der sogen. P/S-Quotient sinnvoll. Dieser Quotient sollte möglichst > 1 sein. Derzeit liegt er
bei durchschnittlicher Kost bei 0,33 (Biesalski,
2004).
Für den Aufbau der Knochensubstanz sollten täglich 0,8 g Calcium und 3,7 g Phosphat zugeführt werden.
Schließlich ist für eine ausreichende Zufuhr
an Wirksubstraten (Vitamine, Spurenelemente
und Mineralien) mit der Nahrung Sorge zu tragen. Zur Feststellung des Bedarfes an Wirksubstraten sei auf die einschlägigen Empfehlungen
der Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft
für Ernährung, 1991; National Academy of Sciences, 1980) verwiesen. Es sei jedoch betont, dass
Hypovitaminosen und Mangelerscheinungen an
bestimmten Spurenelementen in den entwickelten Industrieländern bei Erwachsenen extrem
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selten sind, so dass eine Supplementierung über
Nahrungsergänzungsstoffe – mit Ausnahme
von einer Jodid-Zufuhr in den betreffenden Jodmangelgebieten – nicht erforderlich ist. Dies gilt
natürlich nicht für Menschen, die durch Alter
oder Krankheit unselbständig sind. In diesen
Fällen ist der Gehalt insbesondere an labilen Vitaminen bei der Zubereitung und dem Transport
der Nahrung, aber auch die ausreichende Nahrungsaufnahme zu überwachen.
Die geschilderten Erfordernisse werden am
besten durch eine gemischte Kost erfüllt („Vollkost“ nach dem Prinzip der vollwertigen Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung,
1991). Bei dieser gemischten Kost sollten Proteine etwa 15 %, Fette 30 % und Kohlenhydrate
55 % des Energiebedarfes decken. Bei zu geringer Kohlenhydratzufuhr werden zur Deckung
des Glukosebedarfes resorbierte Aminosäuren
zur Glukoneogenese verwendet, was zu einer Beeinträchtigung der Proteinbiosynthese führen
kann. Ferner kommt es zu einer Ketoazidose, da
die Ketonkörpersynthese stimuliert wird (siehe
Kapitel 6 ).
4. Nahrungsstoffe als Energieträger
4.1. Energiebedarf
Der Energiebedarf errechnet sich als Summe
von Grundumsatz, Erhaltungsbedarf und Leistungsbedarf.
Der Grundumsatz (GU) wird 12 –14 Stunden
nach der letzten Nahrungsaufnahme, liegend,
bei motorischer Ruhe und Indifferenztemperatur
27– 31 °C gemessen. Alternativ zum Grundumsatz wird gelegentlich der Ruhe-Nüchtern-Umsatz
(RNU) bestimmt. Die Messung des RNU erfolgt
im Sitzen bei 24 – 26 °C Raumtemperatur und in
leichter Bekleidung. Die Werte des RNU in kJ/min
liegen etwa 5 % über denen des GU. Die unter diesen Bedingungen gemessene Arbeit umfasst die
chemische Arbeit für Synthesen bei Wachstum,
Umbau und Speicherung, osmotische Arbeit bei
Transportprozessen und mechanische Arbeit
(Herz-Kreislauf, Atmung, Erhaltung des Muskeltonus). Der RNU macht etwa 60 –75 % des Gesamtenergieumsatzes aus. 50 % des RNU entfällt
auf den Energiebedarf von ZNS, Leber, Niere und
Herz. Grundumsatz und Ruhe-Nüchtern-Umsatz
sind abhängig von Alter, Geschlecht, Körpergewicht, Körperfettmasse, psychischem Zustand
und Bluthormonspiegeln, insbesondere von Katecholaminen und Thyroxin. Vereinfachte Berechnungsformeln für den Grundumsatz wurden
von der WHO publiziert (WHO, 1985). Der Grundumsatz eines erwachsenen, 75 kg schweren Mannes liegt nach dieser Berechnung bei ca. 7250 kJ/d
(1734 kcal/d).
Der Erhaltungsbedarf errechnet sich aus der
zusätzlichen Energiemenge, die für Nahrungsaufnahme, Verdauung und Resorption, Regeneration von Geweben, Thermoregulation sowie
postprandiale Thermogenese und unvermeidbare motorische Aktivitäten aufgewendet werden muss.
Der Leistungsbedarf entsteht durch eine über
den Erhaltungsbedarf hinausgehende motorische Aktivität, sowie physiologische Leistungen
durch Wachstum, Schwangerschaft und Laktation.
So beträgt der Energiemehrbedarf bei Büroarbeit etwa das 1,4-fache, bei schwerer körperlicher Arbeit, etwa im Baugewerbe das 3 – 6-fache
des Grundumsatzes (Noack, 2004).
Die Messung des Energieverbrauches erfolgt
in der Regel indirekt durch Bestimmung der
Sauerstoffaufnahme. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil die Energiegewinnung nahezu ausschließlich durch Oxidation der Energiesubstrate, im Wesentlichen Kohlenhydrate, Fette
und Proteine erfolgt. Durch Kalorimetrie lässt
sich die bei der Oxidation der einzelnen Energiesubstrate freiwerdende Energie als Wärme
bestimmen. Die durchschnittlichen Brennwerte
betragen für Kohlenhydrate 17,2 kJ (4,1 kcal)/g;
für Fette 38,9 kJ (9,3 kcal)/g und für Proteine
22,6 kJ (5,4 kcal)/g. Der physiologische Brennwert der Proteine liegt allerdings unter dem kalorimetrisch gemessenen Bruttoenergiewert, da
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ein Teil der bei der Oxidation der Aminosäuren
gewonnenen Energie für die Harnstoffsynthese
aufgebracht werden muss und ferner ein Teil
des aufgenommenen Proteins in Form nicht resorbierter Aminosäuren und deren Stoffwechselprodukten ausgeschieden wird. Der physio­
logische Brennwert der Proteine ist daher mit
17,2 kJ (4,1 kcal)/g anzusetzen. Errechnet man
die beim Verbrauch von einem Liter Sauerstoff
bei der Oxidation der einzelnen Energiesubstrate freigesetzte Energiemenge, so ergeben sich
als sogenannte energetische Äquivalente Werte
von 21,0/19,7/19,3 kJ für Glukose, Triolein und
Alanin und damit ein Durchschnittswert von
20 kJ (4,8 kcal)/l O2 (Noack, 2004). So lässt sich
über den Sauerstoffverbrauch die Höhe des
Energieumsatzes etwa unter Grundumsatz-Bedingungen ermitteln.
Die Bestimmung des sogenannten Respira­
torischen Quotienten in der Atemluft erlaubt die
Identifikation des zum Zeitpunkt der Messung
vom Organismus verwendeten Energiesubstrates. Der Respiratorische Quotient ist definiert
als das Verhältnis von gebildeten mol CO2 zu
verbrauchten mol O2. Die Werte errechnen sich
aus der Stöchiometrie der biologischen Oxidation definierter Energiesubstrate und betragen
für Glukose 1,0; für Palmitinsäure 0,696 und für
Alanin 0,83. Diese Werte entsprechen den Werten der Hauptenergiesubstrate: Kohlenhydrate,
Triglyzeride, Proteine. Durch Messung der arteriovenösen Differenz von O2 und CO2 lässt sich
mit Hilfe des respiratorischen Quotienten das
bevorzugte Energiesubstrat einzelner Organe
in den verschiedenen Stoffwechsellagen bestimmen.
4.2. Energiegewinnung
Der Organismus ist keine Wärmekraftmaschine. Er kann die bei der Oxidation der Substrate freiwerdende Wärme nicht zum Antrieb
endergoner (energieverbrauchender) Reaktionen verwenden. Aus diesem Grunde versucht
der Organismus, einen möglichst großen Teil
Biochemie der Ernährung
der bei der Oxidation freiwerdenden Energie in
Form von chemischer Energie zu speichern. Er
bewerkstelligt dies durch Kopplung der exergonen Oxidation mit der endergonen Synthese
„energiereicher“ Phosphate. Diese sind Adenosintriphosphat (ATP) und im Muskel Kreatinphosphat. Die im ATP, bzw. Kreatinphosphat
gespeicherte Energie kann nun zum Antrieb
endergoner Reaktionen verwendet werden. Der
thermodynamische Wirkungsgrad der Energie­
gewinnung aus den Energiesubstraten der Nahrung ergibt zum Beispiel für Glukose bei aerobem Abbau 58 – 64 %. Diese Werte errechnen
sich aus der freien Energie der Glukoseoxidation
unter physiologischen Konzentrationen für Glukose, O2 und CO2 mit ∆G’ = 2866,5 kJ und einer
ATP-Ausbeute von 30 – 32 mol/mol Glukose, für
die unter physiologischen Konzentrationen von
ADP, ATP, Phosphat in Abhängigkeit von den zugrunde gelegten lokalen Konzentrationen zwischen 1658 bis 1840 kJ aufzubringen wären.
Die Verwendung von chemischer statt Wärmeenergie bringt erhebliche Vorteile. So lässt
sich chemische Energie speichern und im Gegensatz zu Wärme auch ohne wesentliche Verluste transportieren.
Zusammenfassend: Der Organismus gewinnt die notwendige Energie durch Oxidation
der mit der Nahrung zugeführten Energiesubs­
trate. Die bei der Oxidation freiwerdende Energie wird zum Aufbau der „energiereichen“ Phosphate ATP und Kreatinphosphat benutzt. Die bei
der Spaltung von ATP und Kreatinphosphat freiwerdende Energie wird zum Antrieb endergoner
(energieverbrauchender) Prozesse eingesetzt.
Die Energieausbeute, d. h. der thermodynamische Wirkungsgrad liegt nicht bei 100 %.
Mindestens 30 % der Energie wird in Form von
Wärme frei. Diese Wärme wird z. T. für die Thermoregulation benutzt. Eine Erniedrigung des
thermodynamischen Wirkungsgrades führt zu
einer Steigerung der Wärmeabgabe. Dies wird
physiologisch durch Entkopplungsproteine (uncoupling proteins, UCPs) bewirkt. Diese Proteine
entkoppeln – bis zu einem gewissen Grad – die
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Energiegewinnung durch die Atmungskette in
den Mitochondrien von der damit gekoppelten
oxidativen Phosphorylierung. Sie erniedrigen
den P/O-Quotienten, d. h. die pro mol O2 synthetisierten mol ATP.
Wie im Kapitel 3 beschrieben wurde, sind
bei der üblichen gemischten Kost die wesentlichen Energiesubstrate die Kohlenhydrate,
die in der Regel überwiegend in Form der Polymeren Stärke und Glykogen (α-glykosidische
Poly-(1 → 4),(1 → 6)-Glukose) oder in geringerem
Maße als Dimere wie Saccharose (α-Glukosyl(1 → 2)-β-Fruktosid)oderLaktose(β-Galaktosyl(1 → 4)-Glukosid) aufgenommen werden, ferner
die Triglyzeride und die Proteine.
Kohlenhydrate und Proteine werden bei der
Verdauung in ihre Monomere (Glukose, Fruktose, Galaktose, Aminosäuren) gespalten und
nach Resorption als solche zum Teil zur Energiegewinnung oxidiert.
Die Triglyzeride werden im Darm in Fettsäuren, Glycerin und Monoglyceride gespalten,
in der Darmmukosa zu Triglyzeriden resynthetisiert und als Bestandteile der Chylomikronen
in das Blut abgegeben. In der Peripherie werden
die Triglyzeride hydrolytisch gespalten und
nach Reveresterung vorwiegend im Fettgewebe
gespeichert. Bei Bedarf werden durch intrazelluläre Lipasen Fettsäuren aus den Speicherfetten freigesetzt, die als Energiesubstrate verwendet werden. Die Leber bildet aus Fettsäuren
Ketonkörper (β-Hydroxybutyrat, Azetoazetat),
die insbesondere bei Nahrungskarenz zur Energiegewinnung von Hirn, Herz, Muskel und Niere
dienen, wie in Kapitel 6.1 ausführlicher dargestellt ist.
Welche Energiebeträge durch Oxidation dieser Nährstoffe gewonnen werden können ergibt
sich aus den oben beschriebenen Brennwerten.
Zur Deckung des Energiebedarfes wäre es im
Prinzip gleichgültig, welches Energiesubstrat
verwendet wird, d. h. unter rein energetischen
Gesichtspunkten wären die Energiesubstrate
austauschbar. Allerdings gilt dies in der Praxis
nur in eingeschränktem Maße, da einige Organe
wie das ZNS oder die Erythrozyten auf eine ständige, ausreichende Glukosezufuhr angewiesen
sind. Aminosäuren können über die Glukoneogenese zur Glukosesynthese herangezogen werden, daher sind Kohlenhydrate und Proteine als
Energielieferanten untereinander austauschbar.
Für die Triglyzeride gilt das nur bedingt, da eine
Glukoneogenese aus (geradzahligen) Fettsäuren
nicht möglich ist und der Glyzerinanteil quantitativ unzureichend ist.
4.3. Energiespeicherung
Nach Aufnahme einer Mahlzeit, in der Resorptionsphase stehen dem Organismus mehr Energiesubstrate zur Verfügung, als zur Deckung des
unmittelbaren Energiebedarfes notwendig sind.
Die nicht für die unmittelbare Energieversorgung benötigten Nährstoffe werden zur Anlage
von Energiespeichern verwendet, von denen der
Körper während der Nahrungskarenz zehrt. Als
Energiespeicher dienen Glykogen, Triglyzeride
und Proteine.
Die Energiespeicherung erfolgt bevorzugt in
hierfür spezialisierten Organen. Glykogen wird
bevorzugt in der Leber und der Muskulatur gespeichert. Die maximale Speicheraktivität ist
begrenzt und beträgt für die Leber ca. 10 % des
Organgewichtes von etwa 1,5 kg, für den Skelettmuskel etwa 1 % des Organgewichtes von
ca. 30 kg bei einem erwachsenen Mann. Damit
verfügt der Organismus über maximal 450 g
Glykogen, was einer Energiereserve von 7560 kJ
(1800 kcal) entspricht, was nicht einmal dem
täglichen Energiebedarf bei ruhigem Sitzen, wofür etwa das 1,2-fache des Grundumsatzes benötigt werden, entspricht.
Die Speicherung von Triglyzeriden erfolgt in
erster Linie im Fettgewebe. Die Menge an gespeichertem Triglyzerid ist sehr variabel und beträgt
beim normalgewichtigen erwachsenen Mann
zwischen 8 und 14 kg, bei der Frau 10 – 20 kg. Das
entspricht einer gespeicherten Energiemenge
zwischen 317 600 kJ (75 906 kcal) und 794 000 kJ
(189 766 kcal), was theoretisch für den Energie-
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bedarf bei leichter Arbeit für 37– 94 Tage ausreichen würde. Unter biologischen Bedingungen
geht diese Rechnung nicht auf, da aus dem Triglyzerid allein der Glukosebedarf nicht gedeckt
werden kann. Dennoch stellt das Fettgewebe
einen gewaltigen, in der Tat den größten Energiespeicher dar.
Neben Glykogen und Triglyzerid dient körpereigenes Protein – vor allem im Sklelettmuskel als weiterer Energiespeicher. Von den rund
4,8 kg Muskelprotein eines erwachsenen Mannes sind ca. 2 kg für den Energiestoffwechsel
mobilisierbar. Das entspricht einer Energiereserve von 36 200 kJ (8 652 kcal) oder dem Energiebedarf für ca. 4 Tage. Allerdings gibt es kein
besonderes Speicherprotein, sondern es werden
bei Bedarf körpereigene, funktionelle Proteine
für den Energiebedarf verwendet.
Die Verwendung von Triglyzerid als Haupt­
energiespeicher erscheint äußerst sinnvoll. Im
Vergleich zu Kohlenhydrat und Protein hat Triglyzerid einen 2,2 – 2,3fach höheren Brennwert
pro g. Darüber hinaus lässt sich Fett sehr viel
raumsparender speichern als Glykogen oder
Protein. Dies folgt aus der geringen Wasserbindungskapazität von Fett verglichen mit Kohlenhydraten oder Protein. 1 Gramm Triglyzerid
bindet etwa 0,15 ml Wasser. Protein und Glykogen benötigen zur Speicherung ca. 5 bis 10 ml
Solvatationswasser pro g. 10 kg Fett enthalten
die gleiche Energiemenge wie 23,6 kg Glykogen.
10 kg Triglyzerid nehmen ein Volumen von 11,5 l
ein. Die Speicherung der energieäquivalenten
Menge an Glykogen würde jedoch ein Volumen
von ca 260 l einnehmen. Hinzu kommt, dass
Fett ein schlechter Wärmeleiter ist und das sehr
ausgedehnte Unterhautfettgewebe die Wärmeverluste an die Umgebung reduziert, so dass
weniger Energie für die Thermoregulation aufgewendet werden muss.
4.4. Energiebilanz
Eine ausgeglichene Energiebilanz liegt vor, wenn
sich Energieaufnahme und Energieverbrauch
Biochemie der Ernährung
decken. Die Kontrolle erfolgt in der Regel über
das Körpergewicht, welches bei ausgeglichener
Energiebilanz im Kontrollzeitraum konstant
bleiben sollte. Ob dieses Körpergewicht ein erwünschtes Ausmaß hat, wird z. B. mit Hilfe des
„Body Maß Index (BMI)“ gemessen. Der BMI errechnet sich als der Quotient aus Körpergewicht
in kg dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Als Normalbereich gelten bei
Europäern Werte zwischen 18,5 und 25 kg/m2.
Für eine genauere Beurteilung des Ernährungszustandes steht eine Reihe zusätzlicher Parameter zur Verfügung (Schutz, 2004). Durch Reduktion der über die Nahrung zugeführten Energiemenge lässt sich – bei ausreichender Zufuhr an
essentiellen Nahrungsstoffen und Wirksubstraten – eine ausgeglichene Energiebilanz auf niedrigerem Niveau erzielen. Bei Nagern zeigt eine
solche Kalorienrestriktion eine signifikante Verlängerung der Lebensspanne. Ähnliche Effekte
wurden bereits bei Saccharomyces und Drosophila gefunden (Wood et al., 2004; Wolf, 2006).
Es wird diskutiert, dass diese Effekte auf einer
Induktion von „silent information regulators
(SIRTs)“ beruhen. SIRTs oder Sirtuine sind Histondeazetylasen und bewirken möglicherweise
eine Hemmung der Transkription von Genen,
deren Aktivität mit Alterungsprozessen korreliert ist (Wood et al., 2004; Wolf, 2006).
Übersteigt die zugeführte Energiemenge
den Energieverbrauch, liegt eine positive Ener­
giebilanz vor. Eine längere Zeit andauernde
positive Energiebilanz führt zu Übergewicht
und schließlich zur Adipositas mit einem stark
erhöhten Risiko an Diabetes, Hypertonie, koronaren Herzerkrankungen, Schlaganfall, verminderter Lungenfunktion und Malignomen zu
erkranken.
Eine länger andauernde negative Energiebi­
lanz führt zur Erniedrigung des Körpergewichtes und einer Umstellung des Stoffwechsels. Um
die Versorgung von Hirn und Erythrozyten mit
Glukose, von der pro Tag etwa 180 g benötigt
werden, zu gewährleisten, werden zunächst die
Glykogenreserven der Leber abgebaut. Diese
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sind mit ca. 150 g jedoch sehr gering und müssen durch Glukoneogenese aus Aminosäuren
ergänzt werden. Diese Aminosäuren können bei
Nahrungskarenz nur durch Abbau körpereigener Proteine gewonnen werden. Eine Umstellung
der Energieverwertung im Gehirn führt nun zu
einer drastischen Einsparung der Glukoneogenese aus Aminosäuren. Diese Einsparung wird
erreicht durch die Verwendung von Ketonkörpern als Energiesubstrate. Im Hunger ist die Lipolyse im Fettgewebe und damit die Freisetzung
von Fettsäuren erhöht. Die Fettsäuren dienen zur
Energieversorgung aller Organe – außer Hirn
und Erythrozyten. Ein Teil – ca 25 % – werden
von der Leber zu Ketonkörpern umgewandelt,
die von einigen Geweben wie Herz, Nieren und
Muskel ebenfalls als Energiequellen verwendet
werden können. Im Hirn erfolgt im Hunger eine
Induktion der Ketonkörper-(β-Hydroxybutyrat,
Azetazetat)verwertenden Enzyme. Dies erlaubt,
den Glukosebedarf des Hirns auf etwa die Hälfte
des Verbrauches bei ausgeglichener Energiebilanz zu senken und damit den Proteinabbau im
Muskel auf etwa ein Viertel des Normalwertes
zu reduzieren.
5. Substratfluss nach einer Mahlzeit
bei motorischer Ruhe
Nach einer Mahlzeit wird der Organismus
mit Energiesubstraten (Kohlenhydrate, insbesondere Glukose, Fette, Aminosäuren) überschwemmt. Unter diesen Bedingungen deckt
der Organismus seinen Energiebedarf überwiegend durch die Glukose als dominierendes Energiesubstrat. Bei motorischer Ruhe übersteigt
das Angebot an Energiesubstraten jedoch bei
weitem den momentanen Energiebedarf, daher
werden in dieser Stoffwechsellage die nicht zur
Energiegewinnung benötigten Substrate zur
Anlage von Energiespeichern verwendet. Die
Bildung der Energiespeicher (Glykogen, Triglyzerid, Protein) ist energieabhängig. Der Energiebedarf der Speicherung beträgt jedoch nur einen
Bruchteil der bei der Verwertung der Speicher
zur Verfügung stehenden Energiemenge. Die bei
der Synthese der Energiespeicher freiwerdende
Wärme bildet zusammen mit der gleichfalls
energieabhängigen Resorption der Nahrungsstoffe im Darm die sogenannte postprandiale
Wärme. Die Anlage der Energiespeicher wird
durch Insulin reguliert. Die Insulinsekretion
wird durch den Anstieg der Blutglukosekonzentration nach einer Mahlzeit stimuliert.
5.1. Stoffwechsel der Kohlenhydrate
Der Kohlenhydratanteil der Nahrung liegt in der
Regel bei über 50 %. Die Hauptmenge wird beim
Erwachsenen in Form der Polymere Stärke und
Glykogen zugeführt. Abhängig von den Ernährungsgewohnheiten wird ein mehr oder weniger großer, in der Regel jedoch geringerer Teil als
Disaccharide in Form von Saccharose und Laktose aufgenommen. Beim gestillten Säugling ist
allerdings Laktose die hauptsächliche Kohlenhydratquelle.
Glykogen und Stärke werden bei der Verdauung zu Glukose abgebaut und als solche resorbiert. Laktose wird in Glukose und Galaktose
gespalten. Die Galaktose wird nach Phosphorylierung in der Leber über UDP-Galaktose zu
UDP-Glukose epimerisiert und auf diese Weise
in den Glukosestoffwechsel geschleust. Zur
Energiegewinnung wird UDP-Glukose über
Glukose-1-phosphat in Glukose-6-phosphat umgewandelt und über Glykolyse und Zitratzyklus
abgebaut. UDP-Glukose ist direktes Substrat der
Glykogensynthese. Saccharose wird wie Laktose im Darm durch Disaccharidasen gespalten.
Die Spaltprodukte sind Glukose und Fruktose.
Fruktose wird nach Phosphorylierung in der Leber mit Hilfe der Aldolase B in Dihydroxyazetonphosphat und Glyzerinaldehyd gespalten, die
über die Glykolyse in den Glukosemetabolismus
eingeschleust werden. Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit- was bei einer gemischten Kost
der Regel entspricht – steht somit der Glukosemetabolismus im Mittelpunkt des Stoffwechselgeschehens.
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Durch diesen Stoffwechsel werden die Monosaccharide Glukose, Galaktose und Fruktose
über Glykolyse und Zitratzyklus zu CO2 und
H2O abgebaut (Details vergleiche Lehrbücher
der Biochemie). Dabei wird das dominierende
Substrat, Glukose, von allen Organen zur Energiegewinnung verwertet. In den Erythrozyten
läuft der Glukoseabbau allerdings nur über die
Glykolyse zum Laktat, da diese Zellen wegen des
Fehlens von Mitochondrien das Pyruvat nicht
im Zitratzyklus weiter abbauen können. In praktisch allen anderen Zellen erfolgt die Energiegewinnung während der Resorptionsphase durch
den oxidativen Glukoseabbau, wobei der Löwenanteil des dabei gewonnen ATPs durch die oxidative Phosphorylierung gebildet wird. Hierbei
werden die bei der Glukoseoxidation gebildeten
Reduktionsäquivalente in Form von NADH über
die Atmungskette auf Sauerstoff übertragen. Die
dabei freiwerdende Energie wird durch die mit
der Atmungskette gekoppelte oxidative Phosphorylierung zur Synthese von ATP verwendet,
wobei – wie oben erläutert – etwa 30 mol ATP
pro mol Glukose gewonnen werden.
In der Regel stehen jedoch während der Resorptionsphase bei motorischer Ruhe wesentlich mehr Kohlenhydrate zur Verfügung als zur
Deckung des Energiebedarfes während dieser
Stoffwechsellage benötigt werden. Mit diesen
überschüssigen Kohlenhydraten werden die
Energiespeicher aufgefüllt. Diese Speicherung
erfolgt zunächst in Form von Glykogen, bevorzugt in der Leber und im Muskel.
Wie im Kapitel 4.3 beschrieben wurde, ist
die Speicherkapazität für Glykogen beschränkt.
Sind die Glykogenspeicher gefüllt, so wird der
Rest der mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate über die Liponeogenese zur Fettsynthese verwendet und als Triglyzerid im Fettgewebe gespeichert. Exzessive „Kohlenhydratmast“ führt somit zur Adipositas („Fettsucht“).
Biochemie der Ernährung
5.1.1. Regulation der Energiegewinnung und
-speicherung aus Kohlenhydraten
Welche Mechanismen sorgen dafür, dass sich die
Energielieferung an den Energiebedarf anpasst?
Wodurch erfolgt die Umschaltung von Glukoseabbau zu Speicherung in Form von Glykogen?
Wie „merkt“ der Körper, dass die Glykogenspeicherkapazität erschöpft ist und wodurch erfolgt
die Steuerung der Liponeogenese aus Kohlenhydraten?
Die wesentliche Regelgröße für den Energiestoffwechsel ist die intrazelluläre ATP- Konzentration bzw. das ATP : ADP + AMP Verhältnis.
Überschreitet der Quotient einen Schwellenwert,
werden Schrittmacherenzyme der Glykolyse
und des Zitratzyklus gehemmt. Eine weitere Regelgröße ist die NADH-Konzentration. Ein Anstieg von NADH signalisiert, dass die Kapazität
der Atmungskette zur Oxidation von NADH erschöpft ist. Eine weitere NADH-Lieferung durch
Glukoseabbau würde somit nicht zu einer Steigerung der Energiegewinnung beitragen. Erhöhte NADH-Spiegel hemmen eine Reihe von
Schlüsselenzymen des Zitratzyklus, ferner die
Einschleusung von Pyruvat in den Zitratzyklus
durch die Pyruvatdehydrogenase. Zusätzlich zur
Hemmung durch ATP und NADH bewirken sich
anstauende Metabolite des Glukosestoffwechsels wie Glukose-6-phosphat, Zitrat, Azetyl-CoA
und Oxalazetat eine Drosselung des Glukoseabbaus über Glykolyse und Zitratzyklus.
Wie bereits erwähnt, sind in der Regel mindestens 50 % der im Rahmen einer Mahlzeit aufgenommenen Nahrungsstoffe Kohlenhydrate,
insbesondere Glukose. Die im Darm resorbierte
Glukose flutet über die Pfortader zur Leber und
bewirkt dort eine Steigerung der Glukoseaufnahme, sowie neben einer Stimulation der Glykolyse insbesondere eine Aktivierung der Glykogensynthese. Die mit Hilfe eines Transportproteins, GLUT-2, aufgenommene Glukose wird
im Hepatozyten zu Glukose-6-phosphat phosphoryliert, welches Ausgangsprodukt aller von
der Glukose ausgehenden Stoffwechselwege ist.
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Kap. 1 H. Grunicke
Ein Teil des Glukose-6-phospates wird über Glykolyse und Zitratzyklus zur Energieproduktion
verwendet. Hat der energieliefernde Glukoseabbau seine Kapazitätsgrenze erreicht, kommt es
zum Anstau von Glukose-6-phosphat und einer
dadurch (mit)bewirkten Stimulation der Glykogensynthese. Allerdings reicht der Anstieg des
Glukose-6-phosphates nicht aus, um die volle
Aktivierung der Glykogensynthese zu erreichen.
Maßgeblich hierfür ist Insulin. Der in der Resorptionsphase erfolgende Anstieg der Blutglukosekonzentration bewirkt eine Ausschüttung
von Insulin aus den Depots im endokrinen Teil
des Pankreas. Insulin induziert die Glukokinase
und bewirkt damit einen weiteren Anstieg von
Glukose-6-phosphat, vor allem aber stimuliert
Insulin die Glukoseaufnahme im Muskel und
im Fettgewebe, aktiviert die Glykolyse, steigert
die Glykogensynthese vor allem in der Leber und
im Skelettmuskel und hemmt den Glykogenabbau. Die Steigerung der Glukoseaufnahme in
der Muskulatur und im Fettgewebe und der erhöhte Glukosemetabolismus in der Leber, dem
Fettgewebe und dem Muskel bewirken eine rasche Senkung des postprandialen Blutglukosespiegels. Insulin steigert die Glykogensynthese
durch Aktivierung einer Kaskade von Enzymen, die schließlich zu einer Überführung des
Schlüsselenzyms der Glykogensynthese, der
Glykogensynthase, in die aktive, dephosphorylierte Form führen. Gleichzeitig hemmt es den
Glykogenabbau durch Senkung des intrazellulären cAMP Spiegels. Insulin induziert Enzyme
der Glykolyse, d. h. steigert die Synthese dieser
Enzyme, was längerfristig bei Überernährung
mit kohlenhydratreicher Kost vor allem für die
Liponeogenese aus Kohlenhydraten bedeutsam
ist, wie später zu besprechen sein wird.
Die Beendigung der Glykogenbildung wird
zum Teil durch das Glykogen selbst bewirkt. Ab
einer bestimmten Speichermenge stimuliert das
Glykogen direkt (Muskel) oder indirekt (Leber)
eine Überführung der aktiven Glykogensynthase in die inaktive, phosphorylierte Form. Von
entscheidender Bedeutung ist jedoch der Abfall
der Blutzuckerkonzentration, der wiederum zu
einer raschen Erniedrigung des Insulinspiegels
führt. Insulin wird im Serum durch reduktive
Spaltung sehr rasch abgebaut. Die Halbwertzeit
von zirkulierendem Insulin beträgt 7–15 Minuten (Molnar et al., 1972).
Wie bereits mehrfach erläutert wurde, ist die
Speicherkapazität für Glykogen begrenzt. Überschüssiges, mit der Nahrung zugeführtes Kohlenhydrat wird zur Liponeogenese verwendet
und als Triglyzerid im Fettgewebe gespeichert.
Dabei finden – vor allem in der Leber – Glykogensynthese und Liponeogenese aus Kohlenhydrat nicht in voneinander abgesetzten Phasen,
sondern weitgehend parallel statt.
Die Liponeogenese aus Kohlenhydrat verwendet Metabolite der Glykolyse. Das in der Glykolyse gebildete Pyruvat wird durch die Pyruvatdehydrogenase zu Azetyl-CoA oxidiert, welches
Ausgangssubstrat für die Synthese langkettiger
(bevorzugt C16 und C18) Fettsäuren ist. Der Glycerolanteil des Triglyzerids stammt ebenfalls
aus der Glykolyse und wird durch Reduktion
und Dephosphorylierung von Dihydroxyazetonphosphat gebildet. Die Fettsäuresynthese
aus Pyruvat ist ein komplexer Prozess, bei dem
das im Cytosol gebildete Pyruvat über einen bestimmten Transporter in das Mitochondrium
geschleust werden muss, um von der Pyruvatdehydrogenase zu Azetyl-CoA oxidiert werden
zu können. Da die Fettsäuresynthese wieder im
Cytosol stattfindet, muss das Azetyl-CoA wieder aus dem Mitochondrium hinausgebracht
werden, was nach Reaktion mit Oxalazetat zu
Zitrat erfolgt, welches dann im Cytosol wieder
in Azetyl-CoA und Oxalazetat gespalten wird.
Für die biochemischen Details sei auf Lehrbücher der Biochemie verwiesen. Für die Fett­
säuresynthese ist NADPH erforderlich, welches
über den Hexosephosphatweg generiert wird,
der gleichfalls vom bereits mehrfach erwähnten
Glukose-6-phosphat abzweigt. Insulin induziert
Schlüsselenzyme der Glykolyse und der Fettsäuresynthese und aktiviert somit die Liponeogenese aus Kohlenhydrat.
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Biochemie der Ernährung
Die in der Leber gebildeten Triglyzeride werden in Form der VLDL-Lipoproteine an das Blut
abgegeben. In extrahepatischen Geweben – in
der Resorptionsphase bei motorischer Ruhe vor
allem im Fettgewebe – wird mit Hilfe der Lipoproteinlipase der Triglyzeridanteil des VLDL
gespalten. Die freiwerdenden Fettsäuren werden von der Fettzelle aufgenommen und intrazellulär zu Triglyzeriden reverestert, die nun als
Energiespeicher zur Verfügung stehen. Die Lipoproteinlipase wird durch Insulin induziert, das
somit alle wesentlichen Schritte bei der Liponeogenese aus Kohlenhydrat stimuliert. Gleichzeitig hemmt Insulin durch Senkung des cAMP
Spiegels die Lipolyse im Fettgewebe.
Außer in der Leber findet die Liponeogenese
aus Kohlenhydraten vor allem im Fettgewebe
statt. Auch dieser Prozess wird durch Insulin
als Haupthormon der Resorptionsphase stimuliert. Insulin steigert die Glukoseaufnahme in
die Fettzellen durch Aktivierung des Glukosetransporters GLUT-4. Nur ein geringer Teil der
aufgenommenen Glukose wird von der Fettzelle
für die Energiegewinnung verbraucht. Der Löwenanteil der Glukose wird zur Liponeogenese
verwendet, wobei die gleichen Prozesse wie in
der Leber ablaufen, nur mit dem Unterschied,
dass das synthetisierte Triglyzerid in der Fettzelle verbleibt und nicht als Lipoprotein an das
Blut abgegeben wird.
5.2.
Stoffwechsel der Lipide
Lipide werden mit der Nahrung ganz überwiegend in Form von Triglyzeriden aufgenommen,
daher werden wir uns hauptsächlich mit dem
Stoffwechsel dieser Verbindungen befassen. Die
im Rahmen einer Mahlzeit aufgenommenen
Triglyzeride werden nach Spaltung in Fettsäuren, Monoglyzeride und Glycerin, in Form von
sogenannten gemischten Mizellen resorbiert.
In den Mukosazellen erfolgt eine Resynthese
zu Triglyzeriden, die anschließend als Bestandteile der Chylomikronen über die Lymphe an das
Blut abgegeben werden. Im Fettgewebe werden
die Triglyzeride der Chylomikronen durch die
schon erwähnte Lipoproteinlipase gespalten.
Die Fettsäuren werden von der Fettzelle aufgenommen und zu Triglyzeriden resynthetisiert.
Allerdings wird nicht der gesamte Triglyzeridanteil der Chylomikronen gespalten. Ein Rest
von etwa 20 % verbleibt in den so genannten
Chylomikronen-Remnants. Diese werden zur
Leber transportiert, dort aufgenommen, und die
Triglyzeride nach Spaltung und Resynthese von
der Leber als Bestandteil der VLDL-Lipoproteine abgegeben. Durch diesen Mechanismus wird
eine nahezu vollständige Deponierung des Nahrungsfettes im Fettgewebe ermöglicht. Insulin
kontrolliert die Triglyzeridspeicherung im Fettgewebe durch Induktion der Lipoproteinlipase
und Aktivierung der Triglyzeridsynthese.
Die mit der Nahrung aufgenommenen ungesättigten Fettsäuren werden bevorzugt zur
Synthese von Phospholipiden verwendet, die
wesentliche Bestandteile der Membranen und
der Lipoproteine sind. Die Arachidonsäure sowie die essentiellen Fettsäuren Linolsäure und
Linolensäure dienen darüber hinaus als Ausgangssubstrate für die Biosynthese der Prosta­
glandine, Thromboxane und Leukotriene.
Mit der Nahrung aufgenommenes Cholesterin wird von der Mukosazelle in Chylomikronen verpackt und gelangt nach Abspaltung
des Triglyzeridanteiles der Chylomikronen als
Bestandteil der Chylomikronen-Remnants zur
Leber. In der Leber wird ein Teil des Cholesterins
zu Gallensäuren metabolisiert oder als freies
Cholesterin mit der Gallenflüssigkeit ausgeschieden. Ein Teil wird die Leber als Bestandteil
der VLDL-Liproteine verlassen, die nach Umbau
zu den LDL-Lipoproteinen das Cholesterin auf
extrahepatische Gewebe verteilen.
Eine Reduktion des Cholesterinanteiles in
der Nahrung führt in der Regel nur zu einer geringfügigen ca. 10 %igen Senkung des Plasmacholesterinspiegels, da bei geringerer Cholesterinaufnahme die endogene Cholesterinsynthese
aktiviert wird. Allerdings sind „Cholesterinsensitive“ Individuen bekannt, die stärker auf
13
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Kap. 1 H. Grunicke
eine cholesterinarme Diät reagieren. Bei einer
Steigerung der Cholesterinzufuhr werden die
körpereigene Cholesterinsynthese so wie die Expression des LDL-Rezeptors reprimiert, so dass
– ausgenommen bei Cholesterin-sensitiven Individuen – eine Steigerung der Cholesterinaufnahme um ca. 100 mg/Tag nur zu einem relativ
geringen Anstieg des Plasmacholesterins um ca.
2 mg/dl führt (Warburg et al., 2004).
5.2.1. Regulation der Lipidspeicherbildung
Wie im Kapitel 4.3 erläutert wurde, ist der Triglyzeridspeicher von ganz besonderer Bedeutung
für die Sicherstellung der Energieversorgung. Es
ist daher nicht überraschend, dass sowohl Bildung wie Abbau dieser Speicher unter strenger
Kontrolle stehen. Dabei erfolgt die Regulation
der Fettsäure- und der anschließenden Triglyzeridsynthese sowohl auf metabolischer als auch
auf hormonaler Ebene.
Insbesondere bei fettarmer Ernährung ist
eine stark erhöhte Liponeogenese aus Glukose
zu beobachten. Wie unter oben beschrieben, ist
die Oxidation von Pyruvat zu Azetyl-CoA durch
die Pyruvatdehydrogenase ein Schlüsselereignis
bei der Biosynthese von Fettsäuren aus Glukose.
Dieser Schritt wird durch Insulin aktiviert. Das
geschwindigkeitsbestimmende Enzym der Fettsäuresynthese aus Azetyl-CoA ist die AzetylCoA-Carboxylase. Dieses Enzym wird metabolisch durch Zitrat aktiviert und durch langkettige, aktivierte Fettsäuren (Azyl-CoA) gehemmt.
Die Aktivierung durch Zitrat ist sinnvoll, da ein
erhöhter Zitratspiegel signalisiert, dass der Zitratzyklus mit größtmöglicher Kapazität läuft
und eine weitere Einschleusung von Azetyl-CoA
in den Zitratzyklus nicht zu einer Stimulation
der Energiegewinnung führen kann. Eine Erhöhung des Spiegels an aktivierten Fettsäuren
zeigt an, dass eine weitere Steigerung der Fettsäurebiosynthese nicht erforderlich ist.
Hunger und motorische Aktivität führen zu
Stoffwechsellagen, in denen der Körper auf die
Energiespeicher zur Deckung des Energiebedar-
fes zurückgreifen muss. Unter diesen Bedingungen wird die Energiespeicherung zu Gunsten der
Energieversorgung zurückgefahren. Bei Energiemangelzuständen, die zu einer Erhöhung der
AMP-Konzentration führen, wird die ATP-verbrauchende Fettsäurebiosynthese durch Inaktivierung der Azetyl-CoA-Carboxylase mit Hilfe
der AMP-abhängigen Kinase (AMPK) gedrosselt.
Die nachfolgenden Schritte der Fettsäurebiosynthese werden von einem Multienzymkomplex, der Fettsäuresynthase, katalysiert. Dieses
Enzym wird metabolisch durch erhöhte Spiegel
von aktivierten Fettsäuren gehemmt, während
Insulin die Fettsäuresynthase induziert. Insulin
induziert die Transkription der Fettsäuresynthasegene durch Aktivierung des Transkriptionsfactors SREBP-1 c (sterol response element
binding protein). Auch die Induktion der Glukokinase durch Insulin erfolgt wahrscheinlich
durch Aktivierung von SREBP-1 c. Dieser Transkriptionsfaktor ist ebenfall an der Induktion
des ersten Enzyms der Triglyzeridsynthese,
der Glycerophosphat-Azyltransferase beteiligt
(Horton et al., 2003). Phosphorylierung durch die
AMP-abhängige Proteinkinase (AMPK) hemmt
dieses Enzym.
Zusammenfassend: Die Bildung der Triglyzeridspeicher wird metabolisch durch Zitrat
und AMP, hormonell durch Insulin stimuliert.
Die Größe der Fettspeicher ergibt sich im
Prinzip aus dem Gleichgewicht zwischen Synthese und Abbau über die Lipolyse. Wie adipöse
Individuen zeigen, ist die Kapazität der Lipidspeicher jedoch fast unbegrenzt. Bei Menschen,
die über längere Zeit eine ausgeglichene Energiebilanz aufweisen und folglich ein konstantes Körpergewicht zeigen, sind jedoch offenbar
noch weitere Regelmechanismen wirksam, welche die Größe der Fettspeicher kontrollieren. Ein
Teil dieser Regulation scheint durch das Leptin wahrgenommen zu werden (Aguilera et al.,
2008). Das vom ob-Gen kodierte Peptidhormon
wird hauptsächlich im weißen Fettgewebe synthetisiert und an das Blut abgegeben. Die Menge
des gebildeten Leptins ist proportional zur Kör-
14
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perfettmasse. Übergewichtige Personen weisen
höhere Blut-Leptinspiegel auf als Normalgewichtige. Eine Verringerung der Energiezufuhr
bewirkt eine Erniedrigung der Leptinsynthese
und damit der Plasmakonzentration an Leptin.
Die Leptinsynthese wird durch Insulin und Glukokortikoide induziert. Leptin bindet an Rezeptoren im Zentralnervensystem und peripheren
Geweben, u. a. in den Nieren, dem Fettgewebe
und der Lunge. Im Hirn findet sich eine hohe
Dichte an Leptinrezeptoren im Hypothalamus
und im Plexus chorioideus. Im Hypothalamus
reprimiert Leptin u. a. die Synthese des Neuropeptid Y. Neuropeptid Y übt einen stark appetitsteigernden Effekt aus. Leptin kann somit über
seine appetitzügelnde Wirkung die Aufnahme
der Energiesubstrate reduzieren und damit die
Größe der Fettspeicher beeinflussen. Die Bindung von Leptin an periphere Rezeptoren scheint
in diesen Geweben den Energieverbrauch zu stimulieren. Der diesem Effekt zugrunde liegende
Mechanismus ist noch unklar. Deletion oder Inaktivierung der Leptinallele bei der Maus führt
bei den Tieren zur Fettsucht (obese mice). Damit
ist im Tierversuch ein Zusammenhang zwischen
Fettspeicherung und Leptinwirkung erwiesen.
Beim Menschen scheint dieser Zusammenhang
aber komplexer zu sein. Bei adipösen Patienten
fand sich – wie bereits erwähnt – bislang keine
Erniedrigung der Leptinspiegel. Eine Resistenz
des Leptinrezeptors als mögliche Ursache der
Adipositas wäre denkbar, konnte aber bisher
nicht gezeigt werden.
Adiponektin ist ein weiteres der vom Fettgewebe synthetisierten Adipozytokine. Die Spiegel an Adiponektin liegen mit 5 –10 mg/ml millionenfach über den Leptin-Spiegeln, die sich
im Nanogrammbereich bewegen. Adiponektin
stimuliert die β-Oxidation der Fettsäuren und
hemmt die Lipogenese durch Aktivierung der
AMP abhängigen Kinase (AMPK) und Repression des oben erwähnten Transkriptionsfaktors
SREB1-c. Adiponektin-Spiegel sind bei Personen
mit hoher visceraler Fetteinlagerung und Insulinresistenz erniedrigt.
Biochemie der Ernährung
Neben der Wirkung auf den Lipidstoffwechsel zeigen sowohl Leptin als auch Adiponektin
immunmodulatorische Effekte und beeinflussen die Synthese von Entzündungsmediatoren.
Für Details der neueren Ergebnisse der biologischen Funktionen der Adipocytokine und ihrer
Rolle bei der Pathogenese der mit Adipositas
einhergehenden Erkrankungen sei auf die Übersichtsarbeiten von Tilg et al., 2006 sowie Gualillo
et al. 2007 verwiesen.
5.3. Stoffwechsel der Proteine
Die mit der Nahrung aufgenommenen Proteine
werden im Darm zu Aminosäuren gespalten.
Ein Teil der Aminosäuren der Nahrungsproteine wird zur Energieversorgung der Leber und
der Enterozyten des Darms verwendet, wobei
der Stickstoff von der Leber zur Harnstoffsynthese verwendet wird, während die Enterozyten den Stickstoff in Form von Citrullin fixieren. Der überwiegende Teil dieser Aminosäuren
wird jedoch im Skelettmuskel und in geringerem Maße auch von der Leber zur Proteinbiosynthese verwendet. Die Leber gibt die von ihr
synthetisierten Proteine überwiegend in Form
von Plasmaproteinen an das Blut ab. Der Muskel bildet Enzym- und Strukturproteine. Wie in
Kapitel 4.3 beschrieben wurde, dient ein Teil des
körpereigenen Proteins auch als Energiespeicher. Diese sogenannte „labile Proteinreserve“
beträgt beim 70 kg schweren Erwachsenen
etwa 2 kg, bei einer Gesamtproteinmenge von
6 kg. Im Gegensatz zu den Kohlenhydrat- und
Fettspeichern gibt es jedoch kein eigenes Speicherprotein, sondern es werden körpereigene,
funktionelle Proteine bei Bedarf abgebaut. Der
wesentliche Proteinspeicher ist die Skelettmuskulatur. Die Speicherkapazität des Muskels
ist aber begrenzt. Die Masse des Muskelproteins bleibt konstant. Bei einem Überangebot
an Nahrungsprotein kommt es nicht zu einer
Überproduktion von Proteinspeichern, vielmehr werden nach Erschöpfung der Kapazität
der Proteinspeicher die überschüssigen Ami15
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Kap. 1 H. Grunicke
nosäuren der Liponeogenese zugeführt und als
Fett gespeichert.
5.3.1. Regulation des Protein- und
Aminosäurestoffwechsels in der
Resorptionsphase, Stickstoffbilanz
Die Regulation der Bildung von Speicherproteinen und der Aminosäurehomöostase in der
Resorptionsphase erfolgt durch die intrazellulären Aminosäurespiegel, das Insulin und den
Energiestatus.
Die Anflutung von Aminosäuren aus Nahrungsproteinen stimuliert in der Leber – in Abhängigkeit vom Aminosäurespiegel- den Abbau
zu CO2 und Harnstoff. Etwa 20 % der von der
Leber aufgenommenen Aminosäuren werden
für die Proteinsynthese verwendet. Dieser Prozess wird wahrscheinlich ebenfalls durch den
Anstieg der intrazellulären Konzentration der
Aminosäuren aktiviert. Neben dem der Energiegewinnung dienenden Abbau zu CO2 und
Harnstoff sowie der Proteinsynthese wird ein
beträchtlicher Teil der Aminosäuren für eine
Reihe von anderen Synthesen verwendet. So
werden die Kohlenstoffskelette einiger Aminosäuren nach Entfernung der Aminogruppe
durch Transaminierung zur Lipidsynthese eingesetzt. Andere dienen zur Synthese von Purinund Pyrimidinbasen, wobei diese Synthesewege
isoliert in Abhängigkeit vom Bedarf der jeweiligen Endprodukte reguliert werden.
Es wird angenommen, dass etwa 25 % der
resorbierten Aminosäuren die Leber passieren
und in den systemischen Kreislauf gelangen.
Insulin stimuliert die Aufnahme der Aminosäuren in den Muskel und aktiviert dort gemeinsam
mit den Aminosäuren die Proteinsynthese. Die
Steigerung der Proteinsynthese durch erhöhten
Aminosäureinflux und Insulin wird wesentlich
durch die Proteinkinase mTOR (mammalian
target of rapamycin) reguliert (Wullschleger et
al. 2006). mTOR stimuliert die Proteinsynthese
durch Aktivierung der Translationsaktivität
und der Biogenese der Ribosomen. Energie-
mangel führt zu einer Aktivierung der AMP-abhängigen Kinase (AMPK). Die aktivierte AMPK
hemmt die Aktivierung von mTOR.
Die mit der Nahrung aufgenommenen Aminosäuren vermischen sich mit den durch den Abbau körpereigener Proteine gebildeten Aminosäuren in einem Aminosäurepool. Der tägliche
Proteinturnover beim Menschen wird bei einem
70 kg schweren männlichen Erwachsenen mit
etwa 300 g (entsprechend 375 g Aminosäuren)
geschätzt. Die tägliche Proteinzufuhr aus der
Nahrung beträgt in Westeuropa im Durchschnitt
100 g pro Tag. Die den Nahrungsaminosäuren
entsprechende Menge wird in der Resorptionsphase von der Leber teils zu CO2 und Harnstoff
abgebaut, teils für Synthesen verwendet, und
vom Muskel zur Auffüllung der Proteinspeicher
eingesetzt. Während der Postresorptionsphase
aktiviert die Leber die Glukoneogenese aus Aminosäuren. Die dabei dem Pool entnommenen
Mengen werden durch Proteolyse – vor allem im
Muskel – wiederaufgefüllt.
Die Stickstoffbilanz ist beim Erwachsenen
in der Regel ausgeglichen, d. h. die in Form von
Protein pro Tag aufgenommene Stickstoffmenge
– bei 100 g Protein wären dies ca. 16 g N – entspricht der täglichen Stickstoffausscheidung. Die
Stickstoffausscheidung erfolgt im Wesentlichen
mit dem Urin als Harnstoff, Ammoniak, Kreatinin und Harnsäure, wobei der Harnstoff mit
ca. 85 % den Löwenanteil stellt. Geringe Mengen
werden als nichtresorbiertes Protein und in das
Darmlumen sezernierte Proteine mit den Fäzes
ausgeschieden. Wird die Proteinzufuhr verringert, so erniedrigt sich auch die ausgeschiedene
Stickstoffmenge und die Bilanz bleibt ausgeglichen. Erst wenn die zugeführte Proteinmenge
ein Minimum von 30 g pro Tag unterschreitet,
übersteigt die N-Ausscheidung die N-Aufnahme
und die Bilanz wird negativ. Diese minimale
Proteinmenge, die noch mit einer ausgeglichenen Stickstoffbilanz vereinbar ist, wird auch als
„Bilanzminimum“ bezeichnet. Unterhalb des Bilanzminimums übersteigt der Proteinabbau die
Neusynthese und es kommt zu Proteinverlus-
16
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ten, die bei längerer Dauer zu Proteinmangelzuständen mit entsprechenden Krankheitsbildern
wie Kwashiokor, Marasmus u. ä. führen. Selbst
wenn die Proteinaufnahme auf Null reduziert
wird, werden täglich etwa 3 g Stickstoff, die einer Proteinmenge von 20 g entsprechen ausgeschieden („endogenes Minimum“). Dieser beim
endogenen Minimum ausgeschiedene Stickstoff
stammt ausschließlich aus dem nicht vollständig abschaltbaren Proteinturnover.
Beim wachsenden Organismus, aber auch
unter dem Einfluss anaboler Hormone findet
sich eine positive Stickstoffbilanz, d. h. N-Ausscheidung < N-Aufnahme.
6. Substratfluss in der Postresorptionsphase und bei Nahrungskarenz
In der Postresorptionsphase und bei Nahrungskarenz muss der Organismus auf die Energiespeicher zurückgreifen. Außerdem ist sicherzustellen, dass die Organe, welche auf Glukose als
Energieträger angewiesen sind (Hirn, Blutzellen)
ausreichend mit Glukose versorgt werden.
In dieser Stoffwechsellage sind die bei der
Anlage der Energiespeicher verwendeten Mechanismen Glykogensynthese, Triglyzeridsynthese und Proteinsynthese inaktiv, stattdessen
findet sich in der Leber eine gesteigerte Glykogenolyse, im Fettgewebe eine erhöhte Lipolyse und
im Muskel eine Aktivierung der Proteolyse.
Die bei der Glykogenolyse in der Leber freigesetzte Glukose wird an das Blut abgegeben und
dient als Energiesubstrat für ZNS und Blutzellen. Die Glykogenreserven des Muskels können
für die Energieversorgung anderer Organe nicht
herangezogen werden, da der Muskel nicht in
der Lage ist, die nach Freisetzung in phosphorylierter Form vorliegende Glukose zu dephosphorylieren. Ihm fehlt das Enzym Glukose-6-Phosphatase. Die phosphorylierte Glukose kann die
Zellmembran nicht passieren und kann somit
im Muskel nur für den Eigenbedarf verwendet
werden, was bei motorischer Aktivität auch der
Fall ist.
Biochemie der Ernährung
Da die Glykogenreserven der Leber wegen
ihrer geringen Kapazität bald einmal erschöpft
sind, wird zur Sicherstellung der Glukoseversorgung die Glukoneogenese aus Aminosäuren und
Laktat aktiviert. Dies geschieht in erster Linie in
der Leber und in geringerem Maße auch in der
Niere. Die von der Leber und der Niere zur Glukoneogenese verwendeten Aminosäuren stammen vorwiegend aus dem Aminosäureabbau im
Muskel.
Die Energieversorgung der nicht-glukoseabhängigen Organe erfolgt in der Postresorptionsphase und im Hunger durch Oxidation
von Fettsäuren. Die Fettsäuren werden durch
Aktivierung von Lipasen aus den Triglyzeriden freigesetzt und zirkulieren gebunden an
Albumin im Blut. Die Leber verwendet einen
Teil der zirkulierenden freien Fettsäuren zur
Biosynthese von Ketonkörpern (Azetoazetat,
β-Hydroxybutyrat), die vom Hirn aber auch von
Niere, Herz- und Skelettmuskel als Energiesubstrate verwendet werden können.
6.1. Regulation und Koordination
der Substratflüsse in der
Postresorptionsphase und
bei Nahrungskarenz
Die Umschaltung von Energiespeicherung in
der Resorptionsphase zu Entspeicherung in der
Postresorptionsphase erfolgt hormonell durch
Ausschüttung von Glukagon und Katecholaminen, verbunden mit einem Abfall des Insulinspiegels.
Die Glukagon-Freisetzung aus den α-Zellen
der Langerhansschen Inseln des Pankreas wird
durch den Abfall der Glukosekonzentration stimuliert. Der Anstieg der Glukagon-Konzentration ist in der Postresorptionsphase begleitet von
einem Abfall des Insulinspiegels. Die Glukagonsekretion wird jedoch auch durch Aminosäuren
stimuliert. Daher findet sich nach Aufnahme
einer gemischten Kost sowohl ein Anstieg des
Insulins als auch des Glukagons, jedoch führt
der Kohlenhydratanteil zu einem Überwiegen
17
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Kap. 1 H. Grunicke
der Insulinsekretion. Nach einer proteinreichen
Mahlzeit überwiegt hingegen die Glukagonsekretion, was durch Stimulation der Glykogenolyse und der Glukoneogenese eine Hypoglykämie verhindert. In der Postresorptionsphase ist
jedoch – wie bereits erwähnt – der Abfall des
Blutglukosespiegels der entscheidende Auslöser
für die Glukagonfreisetzung.
Glukagon wirkt vor allem in der Leber, wo
es eine Steigerung der Glykogenolyse, bei gleichzeitiger Hemmung der Glykogensynthese und
eine Aktivierung der Glukoneogenese, sowie
eine Hemmung der Glykolyse bewirkt. Die Stoffwechseleffekte von Glukagon werden vermittelt
durch einen Anstieg des intrazellulären cAMPSpiegels. Aktivierung des Glukagon-Rezeptors
der Hepatozyten durch das Hormon bewirkt
eine Stimulation der Adenylatzyklase, welche
die Synthese von cAMP aus ATP katalysiert. Der
erhöhte intrazelluläre cAMP-Spiegel aktiviert
die cAMP-abhängige Proteinkinase (PKA), die
durch Phosphorylierung der Glykogenphosphorylase-kinase eine Aktivierung der Glykogenolyse und durch Phosphorylierung der Glykogensynthase eine Hemmung der Glykogensynthese
bewirkt. Auch die Steigerung der Glukoneogenese durch Glukagon ist cAMP vermittelt und
beruht auf einer Erniedrigung der Konzentration von Fruktose-2,6-Bisphosphat durch Phosphorylierung der Phosphofrukto-2-Kinase. Längerfristig erfolgt zusätzlich eine Induktion von
Schlüsselenzymen der Glukoneogenese durch
Aktivierung des cAMP-bindenden Transkriptionsfaktors CREB (cAMP-response-elementbinding-protein). Nach Bindung von cAMP
bindet CREB an CRE (cAMP-response-element)
Bindungsstellen im Promoter der cAMP responsiven Gene, die für Schlüsselenzyme der Glukoneogenese kodieren.
Glukagonrezeptoren finden sich nicht nur
in der Leber, sondern auch in anderen Geweben,
so auch im Fettgewebe. Im Fettgewebe bewirkt
Glukagon eine Aktivierung der hormonsensitiven Lipase, die cAMP-abhängig durch Phosphorylierung mittels der PKA stimuliert wird
und eine hydrolytische Spaltung der Triglyzeride unter Freisetzung von freien Fettsäuren
bewirkt.
Die in der Postresorptionsphase und bei
Nahrungskarenz zu beobachtende gesteigerte
Lipolyse im Fettgewebe wird jedoch in erster
Linie durch Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin) verursacht. Die Katecholaminsekretion erfolgt durch Stimulation des sympathischen Nervensystems bedingt durch den
„Hungerstress“. Bindung der Katecholamine an
β2-Rezeptoren aktiviert die hormonsensitive Lipase durch cAMP-abhängige Phosphorylierung.
Die Katecholamin-induzierte Lipolyse ist jedoch
nicht in allen Fettzellen in gleichem Maße ausgeprägt. Gynoide Adipozyten, die sich bevorzugt in geschlechtsspezifischen Fettdepots der
Frau finden, exprimieren neben den β2- auch
α2-Rezeptoren. Aktivierung der α2-Rezeptoren
verursacht jedoch eine Hemmung der Adenylatzyklase, und wirkt somit antagonistisch zur
Wirkung der β2-Rezeptoren. Die Triglyzeridspeicher der gynoiden Adipozyten werden somit
durch die Katecholamine kaum oder gar nicht
beeinflusst (Arner, 1988). Im braunen Fettgewebe werden die durch Katecholaminwirkung
freigesetzen Fettsäuren zur Wärmeproduktion
eingesetzt. Die Wärmegewinnung geschieht
durch β-Oxidation der Fettsäuren und partielle
Entkopplung der oxidativen Phosphorylierung
vom Elektronenfluss in der Atmungskette durch
das Entkopplungsprotein UCP-1 (Thermogenin)
(Affourtit et al. 2007). Adrenalin und Noradrenalin induzieren die Synthese des Thermogenins
(Fukuda et al., 2003).
An der bei Nahrungskarenz gesteigerten
Lipolyse im Fettgewebe ist neben der hormonsensitiven Lipase offenbar noch eine weitere Triglyzeridlipase, die „adipose triglyceride lipase,
ATGL“, in größerem Maße beteiligt (Raben et al.,
2005). Die Regulation der ATGL ist noch weitgehend ungeklärt.
In der Leber bewirken die Katecholamine
über eine Aktivierung von β1-Rezeptoren und
nachfolgende Stimulation der Adenylatzyklase
18
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eine Steigerung der Glykogenolyse bei gleichzeitiger Hemmung der Glykogensynthese.
Katecholamine sind potente Hemmer der
Insulinsekretion. Freisetzung der Katecholamine bewirkt somit eine rasche Senkung des
Insulinspiegels und damit eine Hemmung der
Liponeogenese im Fettgewebe und der Muskulatur. Die gesteigerte Lipolyse durch Glukagon
und Katecholamine bei gleichzeitiger Hemmung der Liponeogenese bewirkt eine Erhöhung
der Konzentration an freien Fettsäuren im Blut.
Diese dienen einerseits als Energiesubstrate für
die meisten Gewebe, einschließlich der Leber,
aber mit Ausnahme des ZNS und der Erythrozyten. Die erhöhte Lipolyse bei gleichzeitiger
Hemmung der Triglyzeridsynthese führt zu einer Steigerung der β-Oxidation der Fettsäuren.
In der Leber wird durch die Fettsäureoxidation
mehr Azetyl-CoA gebildet als für die Energieversorgung erforderlich wären. Das überschüssige
Azetyl-CoA wird von der Leber zur Ketonkörpersynthese verwendet. Die Verwendung von Fettsäuren als Energiesubstrate spart Glukose zu
Gunsten der glukoseabhängigen Organe. Dieser
Effekt wird noch verstärkt durch die Ketonkörpersynthese, die sich charakteristischerweise in
der späten Postresorptionsphase und besonders
bei längerer Nahrungskarenz, beim Fasten, findet. Ketonkörper werden von Herz, Skelettmuskel, Niere, vor allem aber vom Hirn als Energiesubstrate verwendet. Beim Fasten steigt die Ketonkörperaufnahme des Hirns auf das 20fache
des Wertes in der frühen Postresorptionsphase.
Ketonkörper decken in dieser Stoffwechsellage
bis zu 70 % des Energiebedarfes des Gehirns.
Für die obligaten glukoseverbrauchenden Zellen und Gewebe muss der Organismus etwa
180 g Glukose pro Tag bereitstellen. Durch die
Verwendung der Ketonkörper als Energiesubstrate verringert sich der tägliche Glukosebedarf
auf ca. 80 g/24 Stunden. Da bei Nahrungskarenz
der überwiegende Teil der Glukose durch Glukoneogenese aus Aminosäuren gebildet wird, die
wiederum durch Abbau körpereigener Proteine
bereitgestellt werden, ist durch die Verwendung
Biochemie der Ernährung
der Ketonkörper eine wesentliche Reduktion des
Proteinabbaues von 75 g/24 Std. in der frühen
Postresorptionsphase auf etwa 20 g bei längerer
Nahrungskarenz möglich.
Freie Fettsäuren steigern in der Leber die Ketonkörpersynthese durch Induktion der an der
Ketonkörperbildung beteiligten Enzyme. Der
Effekt der freien Fettsäuren auf die Genexpression wird u. a. durch Peroxysomen-Proliferatoraktivierte Rezeptoren (PPARs) vermittelt (Kota
et al., 2005). PPARs sind Transkriptionsfaktoren,
die mit Retinoatrezeptoren vom Typ RXR Heterodimere bilden. In der Leber führt die Aktivierung von PPARα zur Induktion von Enzymen
für den Fettsäureabbau, insbesondere durch
Induktion der Carnitin-Azyl-Transferase und
damit einem beschleunigten Transport in die
Mitochondrien, ferner zur Steigerung der Synthese der Enzyme für die Ketonkörpersynthese
und zur Repression der Schlüsselenzyme für die
Biosynthese der Fettsäuren. Im Muskel erhöhen
PPARγ und PPARδ die Transkription von Genen
für Enzyme der β-Oxidation.
Wie die Wirkungen der freien Fettsäuren
signalisieren, wird die hormonelle Stoffwechselregulation in der Postresorptionsphase und
besonders bei Nahrungskarenz ergänzt durch
metabolische Regelkreise, die teils über Aktivierung/Inaktivierung von Enzymen, teils durch
Beeinflussung der Genexpression wirken. Eine
wichtige Funktion bei der Umschaltung des
Stoffwechsels von Energiespeicherung zu Energielieferung kommt der AMP-abhängigen Kinase (AMPK) zu. Ein Abfall des intrazellulären
ATP-Spiegels und eine dadurch bewirkte Stimulation der Adenylatkinase haben einen Anstieg
des AMP zu Folge, der wiederum die AMPK aktiviert. Die aktive AMPK hemmt die Synthesen von
Protein, Fettsäuren und Glykogen, stimuliert die
Glykolyse und die β-Oxidation der Fettsäuren.
Diese, durch direkte Enzymphosphorylierungen
bewirkten Effekte, werden ergänzt durch Beeinflussung der Genexpression. AMPK, aber auch
die PKA (cAMP-abhängige Kinase) regulieren
durch Phosphorylierung den Transkriptionsfak19
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Kap. 1 H. Grunicke
tor ChREBP (carbohydrate-response-elementbinding-protein). AMPK- bzw. PKA katalysierte
Phosphorylierung von ChREBP blockiert dessen
Translokation in den Kern und hemmt damit
die Expression der Pyruvatkinase, Azetyl-CoACarboxylase und der Fettsäuresynthase (Dentin
et al., 2005).
Von großer Bedeutung für die Energieversorgung in der Postresorptionsphase ist schließlich
die Proteolyse. Die durch Proteolyse körpereigener Proteine freigesetzten Aminosäuren bilden
die Hauptquelle für die Glukoneogenese und sichern damit die Versorgung glukoseabhängiger
Zellen und Organe (ZNS, Erythrozyten, Nierenmark) in dieser Stoffwechsellage. Glukagon und
Katecholamine aktivieren die Proteolyse. Der
diesen Effekten zu Grunde liegende Mechanismus ist jedoch noch weitgehend unklar. Zum Teil
dürfte die Regulation der Proteinsynthese über
das bereits erwähnte mTOR verlaufen, während
die Kontrolle der Proteolyse – zumindest partiell
– durch den Transkriptionsfaktor FoxO erfolgt.
Insulin und andere anabole Hormone aktivieren
die Proteinkinase mTOR und damit die Proteinbiosynthese durch Aktivierung einer Proteinkinase B (PKB) vermittelten Kaskade. Phosphorylierung von FoxO durch die PKB verhindert
dessen Translokation in den Kern und damit
die Expression der für die muskelspezifischen
Ubiquitin-konjugierenden Enzyme wie MuRF-1
und Atrogin-1 kodierenden Gene (Glass, 2005;
Léger et al., 2006). Da die Ubiquitinierung Voraussetzung für die Proteolyse ist, würde durch
diesen Mechanismus die unter Insulin zu beobachtende Stimulation der Proteinsynthese und
gleichzeitige Hemmung der Proteolyse – zu mindest zu einem Teil – erklärt. Bei niedrigen Insulinspiegeln, würde die Inaktivierung von FoxO
ausbleiben und dadurch die Proteolyse aktiviert
werden. Gleichzeitig wäre die Proteinsynthese
reduziert, da die PKB unter diesen Bedingungen
nicht aktiviert ist.
Katecholamine und niedrige Blut-Glukosespiegel hemmen die Insulinsekretion. Die Proteolyse-steigernden Effekte von Adrenalin, Norad-
renalin und Glukagon sind daher wahrscheinlich indirekte Wirkungen verursacht durch eine
Hemmung der Insulinsekretion.
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