5 SCHWERHÖRIGKEIT UND AUDIOMETRIE (S. 176-177) In diesem Kapitel werden Erscheinungsformen und Ursachen der Schwerhörigkeit dargestellt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Funktionsstörungen, deren Ursachen im Innenohr begründet sind. Diese Formen der Schwerhörigkeit sind deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie medikamentös oder chirurgisch in der Regel nicht behandelt, sondern nur mittels Hörgeräten therapiert werden können. Zum anderen ist diese im Innenohr verursachte (kochleäre) Schwerhörigkeit eine Funktionsstörung mit zunehmender Häufigkeit. Dies dürfte mit der zunehmenden Belastung des Ohres durch Schall – sei es Lärm oder überlaute Musik –, aber auch mit verschiedenen anderen Faktoren zusammenhängen, wie bestimmten chemischen Stoffen, die über das Blut an das Innenohr gelangen. Damit ist kochleäre Schwerhörigkeit eine Krankheit von hoher gesundheitspolitischer Relevanz. Die Risiken, schwerhörig zu werden, nehmen zu. Dabei kann Schwerhörigkeit in jungen Jahren zusätzlich zu der allgemeinen sozialen Beeinträchtigung eine gewichtige Behinderung in der Berufsausübung sein. Leider sind die im Innenohr lokalisierten Funktionsstörungen im Detail noch unbekannt. Im Folgenden sollen einige Ergebnisse der Schwerhörigkeitsforschung diskutiert werden. Zuvor werden die wichtigsten Typen der Schwerhörigkeit voneinander abgegrenzt. Dabei werden einige audiometrische Verfahren erläutert, hierunter Békésy-Audiometrie, SISI- und Fowler-Test. Schwerhörigkeit, Audiometrie und das Audiogramm Man unterscheidet im Wesentlichen zwei Arten von Hörstörungen: Schallleitungsschwerhörigkeit (conductive hearing loss) und Schallempfindungsschwerhörigkeit (sensorineurale Schwerhörigkeit; sensorineural hearing loss, SNHL). Schallleitungsschwerhörigkeit Schallempfindungsschwerhörigkeit Schallleitungsstörungen betreffen Störungen der Schallaufnahme und Schallweiterleitung im äußeren Ohr und Mittelohr, etwa durch Ansammlung von Cerumen (Ohrwachs) im äußeren Gehörgang, Perforation des Trommelfells oder Defekte im Mittelohr (z.B. Otosklerose11). Diese Störungen können heute meist durch routinemäßig durchgeführte hörverbessernde Eingriffe und Operationen behandelt werden. Die Möglichkeiten eines chirurgischen Eingriffs bei sensorineuralen Hörstörungen sind jedoch begrenzt. Bei Hörverlust oder extremer Schwerhörigkeit kochleären Ursprungs kann unter gewissen Umständen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Elektroden in die Kochlea zu implantieren (Cochlear implants; vgl. z.B. Allum Ed.), 1996; G.M. Clark et al., 1987; Lehnhardt & Bertram (Hrsg.), 1991; Loeb, 1985; Meyerhoff, Liston & R.G. Anderson, 1984; zu Cochlear Implant siehe auch Kap. 7, S. 129). Wir wenden uns im Folgenden ausschließlich der Schallempfindungsschwerhörigkeit bzw. sensorineuralen Schwerhörigkeit zu. Zuvor sollte jedoch noch angemerkt werden, dass im deutschen Sprachraum nach sensorischer und neuraler Schwerhörigkeit unterschieden wird. sensorineuraler Hörverlust (SNHL) Mit sensorischer Schwerhörigkeit sind kochleäre Störungen gemeint. Der Begriff neurale Schwerhörigkeit bezieht sich dagegen auf Störungen der neuralen Weiterleitung (retrokochleäre Störungen), häufig durch ein Akustikusneurinom verursacht, eine (gutartige) Geschwulst im inneren Gehörgang. Bei kochleären Störungen spricht man in der englischsprachigen Literatur auch von „SNHL of cochlear origin" (vgl. dazu Moore, 1995b). Im Folgenden ist, sofern nicht anders vermerkt, mit dem Begriff sensorineuraler Hörverlust bzw. mit der Abkürzung SNHL eine Hörstörung kochleären Ursprungs gemeint. Audiometrie Unter Audiometrie versteht man die Wissenschaft, die sich in Forschung und Anwendung mit der systematischen Prüfung der Hörfähigkeiten befasst. Sie ist ein Teilgebiet der Audiologie, der Wissenschaft vom Hören. Man kann die Hörprüfungen in subjektive und objektive Methoden unterteilen. subjektive Audiometrie Die Messwerte subjektiver Hörprüfungen beruhen auf Reaktionen, mit denen Individuen Hörempfindungen zu erkennen geben. Diese Reaktionen können in Form von verbalen Aussagen oder durch Drücken einer Taste erfolgen. Diese Reaktionen lassen Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeiten des Gehörs zu. Der Vorteil subjektiver Methoden ist, dass sie sich direkt auf die eigentlichen Empfindungen der betreffenden Person beziehen, der Nachteil, dass sie von der Bereitschaft zur Mitarbeit und vom Entscheidungsverhalten der Person abhängig sind.