214 3 Tumoren und tumorähnliche Läsionen des Skeletts und der Weichteile 3.4 Metastasen Metastasen sind der häufigste Knochentumor. Sie sind ab dem 40. Lebensjahr die primäre Differenzialdiagnose einer Osteodestruktion oder einer sklerosierenden Knochenläsion. Die Einnistung und das Wachstum von Tumorzellen im Rahmen der Skelettmetastasierung beruhen auf einer Störung der Balance von Osteoklasten- und Osteoblastentätigkeit. Immer noch gültig ist die schon von Paget formulierte ¹Seed-andSoil-Theorieª, derzufolge Tumorzellen (seed) und Organmilieu des Knochens (soil) eine spezielle Affinität aufweisen müssen. Tumorspezifische Faktoren der Primärtumoren und die Ortsantwort im Knochenmark bestimmen die Art der Dysregulation des Knochenabbaus und -wiederaufbaus und damit das radiologisch erfassbare Bild osteolytischer, osteoblastischer oder gemischt lytisch-blastischer Metastasen. Nach heutigem Wissensstand steht die hämatologische Ausbreitung der Tumorzellen eindeutig im Vordergrund. Grundsätzlich sind für die Skelettmetastasierung aber auch direkte Infiltrationen und eine lymphatische Ausbreitung möglich. PATHO Leitsymptomistderdumpfe,intermittierendeSchmerz. Allgemeinsymptome wie Gewichtsabnahme, Schwächegefühl und Müdigkeit sind Folge der Tumorgeneralisierung. Die Entzündungsparameter können erhöht sein. Bei massiver Osteodestruktion durch Metastasen ist ein Hyperkalzämiesyndrom zu beachten. Alter: Metastasen im Skelett werden in aller Regel erst ab dem 40. Lebensjahr beobachtet. Ausnahmen sind unter anderem: Neuroblastom-Metastasen beim Kind Mammakarzinom-Metastasen bei jungen Frauen Seminom-Metastasen bei jungen Männern. Lokalisation: Metastasen können in allen Knochen vorkommen. Die Wirbelsäule, generell das Achsenskelett und der Schädel, sind der bevorzugte Sitz. Als Regel gilt: Je peripherer ein Knochen, desto seltener ist er von Metastasierung betroffen. Aus diesem Grund sind Metastasen an Händen und Füûen Seltenheiten. Es handelt sich dann meist um Metastasen des Bronchialkarzinoms. KLINIK ·· · ! Nur 10% der Skelettmetastasen sind primär solitär. Tabelle 3.4 Primärtumoren mit häufiger Skelettbeteiligung ± ± ± ± ± ± Mammakarzinom Prostatakarzinom Bronchialkarzinom Hypernephroides Karzinom Karzinome des Gastrointestinaltraktes Schilddrüsenkarzinome Die röntgenologischen Befunde sind sehr variabel: Herde. Solitäre Aufhellungen mit unscharfer, · Osteolytische selten auch scharfer Berandung sind häufig (Abb. 3.118). Das Destruktionsmuster reicht jedoch von mottenfraûartigen bis zu infiltrativ-permeativen Befunden. Sklerotische Ränder sind nie oder sehr selten zu finden. Die Periostreaktion ist ausgesprochen variabel. Ein Einwachsen der Metastase in die Weichteile nach Kortikalisdestruktion ist häufig schon im Röntgenbild zu sehen. Die lytische Destruktion findet sich bevorzugt beim Bronchial-, Nieren- und Schilddrüsenkarzinom, aber auch bei kolorektalen und Mammakarzinomen. (osteoblastischer Typ) unter· Knochenverdichtungen schiedlicher Gröûe. Die Dichtezunahme umfasst umschriebene kleine Flecken bis hin zu einem Befall des ganzen Knochens (Abb. 3.122 u. 3.123). Die Berandung der Sklerosen ist in der Regel unscharf. Dieser Metastasentyp ist bei Prostata-, Mammakarzinomen, seltener (ca. 20%) auch bei gastrointestinalenTumoren (z.B. Kolonkarzinom, Karzinoid) anzutreffen. gemischtförmiger lytisch-blastischer Typ ist Ausdruck · Ein des Nebeneinanders von osteolytischen und osteosklerotischen Herden, die miteinander konfluieren (Abb. 3.120 u. 3.124). Mamma- und Prostatakarzinome, gastrointestinale Tumoren und Bronchialkarzinome können Ursache dieses Metastasierungstyps sein. Sonderformen sind: Zystisch-expansive Metastasen. Es liegt eine Infiltration in die Weichteile vor; die Kortikalis ist dabei weitgehend zerstört (Abb. 3.119). Die Tumoranteile sind von feinen, periostalen Knochenreaktionen umgeben, die den Eindruck einer ¹seifenblasenartigenª Läsion hervorrufen. Dieser Typ ist selten und wird bevorzugt bei Nieren- und Schilddrüsenkarzinomen beobachtet. Kortikale/periostale Metastasen. Es handelt sich um Osteolysen mit permeativen oder mottenfraûähnlichem Muster in der Kortikalis (Abb. 3.125 a, b). RÖ Die Szintigraphie mit 99 mTechnetium-Diphosphonaten ist die Basisdiagnostik bei der Metastasensuche. Die Szintigraphie wird dabei zumindest in der Erstdiagnostik durch Röntgenaufnahmen ergänzt, um falsch positive Befunde abzugrenzen (degenerative, posttraumatische Veränderungen) oder um Komplikationen zu erkennen (drohende pathologische Fraktur). Ein Problem bleibt allerdings, dass eine Vielzahl von positiven Befunden im Szintigramm, die metastasenbedingt sind, wiederum röntgenologisch nicht sichtbar sind. Sind die Diskrepanzen der Befunde klinisch relevant, müssen andere Methoden (MRT) herangezogen werden. Insbesondere bei kleinen osteolytischen Metastasen kann die Skelettszintigraphie falsch negativ bleiben. Zu beachten ist ferner der ¹Superscanª als Ausdruck einer insgesamt verstärkten Aktivitätsbelegung bei diffuser oder disseminierter Metastasierung (häufig bei Prostatakarzinom). NUK Bohndorf, Imhof, Fischer, Radiologische Diagnostik der Knochen und Gelenke (ISBN 3131109823), 2006 Georg Thieme Verlag KG 3.4 Metastasen Abb. 3.118 Osteolytische Metastase Abb. 3.119 Osteolytische, expansive (Bronchialkarzinom). Metastase (Schilddrüsenkarzinom). Abb. 3.120 Gemischt lytisch-blastische Metastasen mit mottenfraûartiger Destruktion (Kolonkarzinom). Abb. 3.122 Osteoblastische Wirbelkörpermetastase (Mammakarzinom). Abb. 3.121 Lytische Metastase. Avulsionsfrakturen des Trochanter minor sind bei älteren Patienten verdächtig auf eine Metastasierung! Abb. 3.123 Diffuse osteoblastische Metastasierung (Prostatakarzinom). Rechts: Abb. 3.124 Gemischt lytisch-blastische Metastasierung (Prostatakarzinom). Bohndorf, Imhof, Fischer, Radiologische Diagnostik der Knochen und Gelenke (ISBN 3131109823), 2006 Georg Thieme Verlag KG 215