CARBOXYTHERAPIE Stand 1.10.2013 CO2 – Injektionen in der medizinischen Ästhetik Übersicht - Wirkmechanismen - Technik – Behandlungsprotokolle B. Knoll Die Carboxy- oder auch Quellgastherapie ist nicht neu. Die Ursprünge der parenteralen Nutzung des natürlichen Gases zu Heilzwecken gehen auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. In den 1950er Jahren wurde die durchblutungsfördernde Wirkung für die Verbesserung der Wundheilung, zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und zur lokalen Schmerztherapie genutzt. Seit 1995 wird die Carboxytherapie zunehmend auch im Bereich der medizinischen Ästhetik eingesetzt. Studien weisen die Effektivität bei verschiedenen Indikationen nach, wie der Cellulite, lokalen Fettansammlungen oder der Hautalterung. Wird CO2 in oder unter die Haut gespritzt, ermöglicht die gesteigerte Mikrozirkulation a. eine Verbesserung der Hautelastizität, -dichte und des Kollagengehalts, b. eine Verringerung von Hautfältchen, c. einen lokalen Fettabbau. Diese einfach anzuwendende Therapieform ist schnell, kostengünstig und hervorragend mit einer klassischen Mesotherapie zu kombinieren. Darüber hinaus bietet sie besonders interessante Behandlungsoptionen für sonst schwierige Zonen wie die Augenregion (Tränensäcke, Augenringe, -ödeme, Krähenfüße, Fettprolaps), Hals, Decolleté oder auch Narben und Striae. Wirkmechanismus: Das Gas befindet sich in einem Vorratsbehälter, und wird über ein entsprechendes Gerät steril zur Injektion bereitgestellt. Ein sterilisierbarer Aufsatz und austauschbare Filter vermeiden jegliche Kontamination im ansonsten geschlossenen Regelkreis. Es werden die handelsüblichen 30 oder 32 G Kanülen verwendet, mit einer Länge von 4, 6 oder 13 mm. CO2 ist ein farb- und geruchloses Gas, welches im Gewebe diffundiert. Durch das entstehende Ungleichgewicht zwischen O2 und CO2 (Hyperkapnie) erhöht der Körper die lokale Mikrozirkulation über eine Dilatation der Metaarteriolen, der Arteriolen und der präkapillaren Sphinkter. In diesem Mechanismus gleicht die Wirkung dem in der Mesotherapie langjährig bewährten, aber leider inzwischen nicht mehr erhältlichen Buflomedil. Der Effekt der verstärkten Durchblutung ist sichtbar als Hautrötung (Erythem), für den Patienten fühlbar als Wärme und nachweisbar in der Kapillaroskopie. Damit wird regulatorisch die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung vor Ort sichergestellt, was wiederum den Zellmetabolismus begünstigt. Der Sauerstoffpartialdruck steigt durch die verstärkte Abspaltung von Sauerstoff vom Hämoglobin (Bohr Effekt). 70 % des Gases reagieren mit dem Plasma zu Kohlensäure. Die kurzfristige Azidose führt einerseits zur unmittelbaren Vasodilatation, andererseits zur Freisetzung von Wachstumsfaktoren und Förderung einer Neoangiogenese. Die Kohlensäure wird wiederum durch Abspaltung eines Wasserstoff-Ions zu Bicarbonat reduziert. Reaktionsformel : CO2 + H2O = H2CO3 = H+ + HCO3 – -2Zusammenfassend erreichen wir folgende Wirkungen: - aktive Vasodilatation Neoangiogenese artifizieller Bohr Effekt lipolytische und lipoklastische Effekte verbesserte lokale Sauerstoffversorgung Freisetzung von körpereigenen Wachstumsfaktoren Die Gewebeperfusion wird erhöht und die Lymphzirkulation verbessert. Die Gasapplikation ist unschädlich, sicher und quasi nebenwirkungsfrei. Das Emphysem verschwindet innerhalb weniger Minuten (5-10). Die erreichten Effekte sind lang anhaltend. Eine Nachbehandlung ist nicht erforderlich, gleichwohl sollte, wie bei allen ästhetischen Injektionen, die Sonne für mindestens 3 Tage gemieden werden. In seltenen Fällen kann es bei der Behandlung der Augenregion zu länger anhaltenden Schwellungen in Unterlidbereich kommen, insbesondere bei ausgeprägter Hautelastose. Einsatz zur Lipolyse: Eine klinische Studie von 2001 belegt die Intensivierung physiologischer lipolytischer Prozesse im Gewebe nach subcutaner Einspritzung von CO2 . Umfangmessungen an Bauch, Oberschenkel und Knie vor und nach den Behandlungen ergaben in allen Fällen signifikante Reduktionen. Das Körperfett ist eingelagert in bindegewebigen Strukturen mit ihren Fettzellen, Blut- und Lymphgefäßen sowie einer Matrix aus Kollagenfasern. Fettpolster bezeichnen die lokale Ansammlung von Körperfett in definierten Regionen. Cellulite bezeichnet eine eher diffuse Fettansammlung mit unregelmäßiger Hautoberfläche. Beides kommt sehr häufig in Kombination vor. Ziel der Behandlung ist die schonende Reduktion des Fettvolumens und die Verbesserung der Bindegewebsstruktur mit möglichst minimal invasiven Methoden. Durch die Carboxytherapie wird das Fettgewebe aufgelockert, Fettzellen aufgebrochen und Triglyceride freigesetzt. Gefäße kamen dabei nicht zu Schaden. In einer neuen Studie von 2010 konnte neben der lokalen fettreduzierenden Wirkung sogar ein signifikanter Gewichtsverlust verzeichnet werden. Es wurden keine ernsten Nebenwirkungen festgestellt. Die Carboxytherapie ist in dem Anwendungsbereich Cellulite und Fettpolster sowohl sicher als auch effektiv. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Verbesserung der Hautverhältnisse nach einer chirurgischen Liposuktion. Von 40 Patienten, die über 6 Wochen behandelt wurden, zeigten 85% dramatische und 15% teilweise Verbesserungen der Hautqualität. Interessant ist auch der Einsatz zur Reduzierung von Tränensäcken die durch eine Fettansammlung entstanden sind. Einsatz zur Hautregeneration: Die intradermale Carboxytherapie für die alternde oder vorgeschädigte Haut basiert auf den positiven Ergebnissen einer Studie mit „Witstar“ Ratten: CO2 –Gas vs. physiologische Kochsalzlösung. Es kam zu einer Regeneration und Verdichtung der dermalen Kollagenfasern in Verbindung mit einem besseren Aussehen der Haut. Die dabei erreichte Hautverdickung beruht auf der diffuseren Kollagenverteilung, sowie der Stimulierung der Kollagensynthese. Neben der Hautverjüngung und -straffung im Gesicht, am Hals, am Decolleté und an den -3Handrücken kann die Behandlung deshalb auch für Narben und Striae eingesetzt werden, deren Textur und Optik sich damit verbessern lässt. Weitere erfolgreiche dermatologischästhetische Indikationen sind periorbitale Fältchen, dunkle Augenringe, -ödeme, Tränensäcke durch Hautelastose. Kontraindikationen: Wie bei jeder medizinischen Behandlung sind auch bei der Carboxytherapie einige Kontraindikationen zu beachten, ähnlich jenen der Mesotherapie: 1. akute, unbehandelte Herz-Kreislauf oder Lungenerkrankungen 2. Hämatologische oder Gerinnungsstörungen, Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten 3. Schlaganfall, akute Thrombose oder Apoplex 4. aktive Autoimmunerkrankungen, insbesondere Kollagenosen 5. nicht eingestellter Diabetes 6. schwere systemische oder Hautinfektionen 7. Schwangerschaft und Stillzeit (wegen fehlender Erkenntnisse) Injektionstechniken und Behandlungsprotokolle: a. intradermale Carboxytherapie: 30G oder 32G Kanüle (z.B. Mesoram 0,3 x 4 mm, Mesojet 0,29 x 4 mm, Mesorelle 0,26 x 4 mm), Nadelöffnung nach oben (wie bei der epidermalen Meso-Technik), Einstichwinkel ≤ 15°. Einstichtiefe je nach Zone und Geschlecht 1- 4 mm. Eine Betäubungscreme ist in der Regel nicht erforderlich. Das Gas verteilt sich sofort im Einstichbereich und dehnt die Hautstruktur. Die Injektion ist zu beenden wenn eine Hautschwellung resp. Hautrötung auftritt, bzw. das Gasemphysem sichtbar wird. Der Durchfluss kann je nach behandeltem Bereich und individueller Schmerzempfindlichkeit über den Hebeldruck bzw. über die gewählte Kanülendicke, gesteuert werden. Zur Verringerung des Durchflusses können Kanülen mit nur 0,26 mm Durchmesser verwendet werden. Die injizierten Volumina sind kleiner als bei den tiefen Behandlungen in das Fett-Bindegewebe. Meist werden 4-8 Sitzungen im Abstand von ca. 3 Wochen benötigt. Bei Behandlung in Augennähe ist knöcherne Orbitakante zu respektieren. Für Injektionen in Augennähe ist ausschließlich die Mesorelle Kanüle 32 G (0,26 x 4 mm) zu verwenden, da sonst der Gasdruck für das zarte Gewebe zu hoch sein könnte. Achtung: die Kanüle muss fest aufgesteckt und der Auslöser erst gedrückt werden, wenn die Nadel im Gewebe steckt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der plötzliche Druck die Kanüle „wegschießen“ kann (Verletzungsgefahr). Die erforderlichen 3-4 Einstiche erfolgen hier von kraniolateral (äußeres Ende der Augenbraue) nach kaudal im Abstand von 1 cm. Bei der intradermalen Injektion ist das Risiko für eine Hämatombildung sehr gering, wenn sichtbare oberflächliche Venen nicht punktiert werden. Bei einem (milden) Fettprolaps/“fat-pad“ am Unterlid wird gemischt intradermal und subcutan behandelt. Die zu erzielenden Verbesserungen sind oft beeindruckend. -4- Behandlung der Augenregion Ebenfalls gemischt werden Striae injiziert. Alte, abgeblasste, eher breite und tiefe Striae zeigen bessere Resultate als frische, rote oder schmale Striae. Da es sich um bereits gerissenes Gewebe handelt, kann das Gas leicht diffundieren und die Insufflation ist weitgehend schmerzfrei. Es wird mit kleinen Gasmengen linear im Verlauf der Striae behandelt. Ausgezeichnete Ergebnisse sind nach 4 – 10 Sitzungen zu erwarten. Bei Bedarf können quartalsweise Erhaltungsbehandlungen durchgeführt werden. Die Patientinnen sollten vor der Behandlung über den typischen, harmlosen und reversiblen „Popcorn“ Effekt bei dieser Indikation (Wärmegefühl, Hautrötung, starkes Aufquellen des Gewebes) aufgeklärt werden. Histologische Untersuchungen haben ergeben, dass die positiven Effekte des therapeutischen CO2´s die hypoxischen Zell- und Gewebeschäden beheben können. Von Sitzung zu Sitzung zunehmend ist die Verbesserung der Hautstruktur, der Hautdicke und die günstigere Verteilung der Kollagenfasern. Behandlung von Striae -5- b. subcutane Carboxytherapie: 30G Kanüle, z.B. am Körper Microlance 0,3 (0,4) x 13 mm, im Gesicht, Kinn, Halspartie Mesojet 0,29 x 6 mm. Einstichwinkel 30 - 45°. Einstichtiefe je nach Zone und Fettschichtdicke 4 – 13 mm. Abstände zwischen den Einstichen 1 – 2 cm. Im (sub)mentalen Bereich werden die Konturen verschlankt und gestrafft, einem leichten Doppelkinn wird entgegen gewirkt. Je nach Ausprägung sind 3 – 6 Sitzungen im Abstand von 2 Wochen erforderlich. Ob Fettpolster/Cellulite am Bauch, den Hüften, Schenkeln oder Oberarmen ähnlich gut auf die Carboxytherapie reagieren und wie häufig hier zu behandeln ist, kann noch nicht abschließend bestimmt werden. In meiner Praxis hat sich aber, wie in der Schmerztherapie mit CO2 , eine Behandlung 1x/Woche bewährt, auch über einen längeren Zeitraum (4-6 Wochen). Wer die häufigeren Sitzungen in Kauf nimmt, hat hier sicherlich eine gute Alternative zur lokalen medikamentösen Lipolyse und ihren bekannten Nebenwirkungen. Lediglich die unausweichliche Hämatombildung bei den tieferen Injektionen setzt uns Grenzen. In ein Hämatom sollte auf keinen Fall erneut injiziert werden. Es besteht die Gefahr einer dauerhaften Hyperpigmentierung in diesem Bereich. Auch bei reaktiven Schwellungen sollte das Behandlungsintervall verlängert werden. Vorgehensweise Cellulite Behandlung: Po und Oberschenkenl sind entsprechend ihrer anatomischen Begrenzungen anzuzeichen und gezielt zu infiltrieren: Vektoren/Stichrichtung subcutan (3-5 Sek.) 1. Hüfte 2. Glutealbereich 3. Reithose 4. Latero-kranialer Oberschenkel 5. Interno-kranialer Oberschenkel 6. Latero-kaudaler Oberschenkel 7. Interno-kaudaler Oberschenkel Gefäßpunkte intradermal (1-2 Sek.) von kranial nach kaudal a. Crosse der V.saphena magna b. Oberschenkel-Mitte intern c. Perforator-Venen Punkt nach Dodd d. Perforator-Venen Punkt nach Boyd e. Fossa poplitea -6- 1 Hüfte 2 Glutealregion 3 Reithose 4+5 Oberschenkel kranial 6+7 Oberschenkel kaudal e Fossa poplitea Behandlung Fett-Bindegewebe -7- a.Crosse der V.saphena magna b.Oberschenkel-Mitte intern c.Perforator-Venen Punkt nach Dodd d.Perforator-Venen Punkt nach Boyd Behandlung Gefäßachse ( + Punkt e) Gerätebeispiel: Ein einfaches, aber wirkungsvoll und vielseitig einzusetzendes Gerät ist das Dolormed Gerät aus deutscher Produktion (mit Gaslieferservice für steriles medizinisches CO2). Es kann sowohl bei kurativen als auch bei ästhetischen Anwendungen eingesetzt werden, gerne auch in Kombination (in der selben Sitzung) mit der Mesotherapie. Nicht kombiniert werden sollte es mit der gleichzeitigen medikamentösen Lipolyse. Der Gasfluss wird über die gewählte Nadeldicke und die Dauer des Druckes auf den Auslösehebel gesteuert. Die Injektionsdauer beträgt 1 – 5 Sekunden. Die mitgelieferte CO2 Flasche hat eine extrem lange Anwendungsdauer (ca. 6000 Entnahmen). Das Gerät ist leicht transportabel und auch für den mobilen Einsatz geeignet. Bis auf den gelegentlichen Wechsel des Sterilfilters (Plättchenwechsel) ist es wartungsfrei. Lediglich die Kanülen werden nach einmaligem Gebrauch entsorgt. Geräte-Preis: 2500 – 3000 € Carboxy-Geräte und spezielle Kanülen erhältlich unter www.mesotherapie-shop.de Ausbildung/Kurse/Workshops bei www.mesotherapie.org -8- Dolormed Koffergerät DIN EN ISO 17664, 2004: CE 0494 Dolormed Handstück mit Bakterienfilter und Luerkegel ZUSAMMENFASSUNG: Indikationen der Carboxytherapie: 1. Migräne und Kopfschmerz 2. Schmerzen des Bewegungsapparates (Myalgien, Tendopathien, Arthropathien) 3. Tinnitus und Schwindel 4. Ulcus cruris, chronische Wunden 5. Periphere Durchblutungsstörungen (Arteriopathie, pAVK) 6. Dermatologisch-ästhetische Indikationen (Akne vulgaris, Hautalterung, Ekzeme, Narben, Ödeme, Cellulitis, Lipolyse, Nachbehandlung post-Liposuktion) Wegen der Wirkung des CO2 Gases auf tiefer gelegene Gewebe über die Dermatome durch therapeutische Lokal-und Segmentbehandlung gehört diese Methode zu den Reflextherapien. Bei befundorientierter Anwendung sind segmentale Wirkungen zu beobachten. -9Ein weiterer Effekt der subkutanen CO2 Gas-Insufflationstherapie mit dem die guten Therapieerfolge bei der Behandlung von Migräne und Kopfschmerz erklärt werden können, ist die Erhöhung der Blutflussgeschwindigkeit. DIE SUBKUTANE CO2- GASINSUFFLATIONSTHERAPIE HAT SICH BESONDERS BEI CHRONISCHEN, OFT THERAPIERESISTENTEN ERKRANKUNGEN BEWÄHRT. Besonders wichtig ist die erhebliche Senkung des oft unkontrollierten hohen Schmerzmittelverbrauchs. Oft stellt die CO2 Insufflation eine ideale Kombination mit Neuraltherapie und Mesotherapie dar. Die Gefahr einer Gasembolie besteht nicht. Das Gas wird ohne wesentliche pH-Verschiebungen rasch resorbiert. Nebenwirkungen (Bradykardie, Hypotonie, allergische Reaktionen) wie bei der Behandlung mit Lokalanästhetika treten nicht auf. Der Patient verspürt lediglich einen geringen Schmerz, ein kurzes Druck- und Spannungsgefühl. Empfindlich sind Hände und Füße. Die Behandlung dauert nur wenige Minuten und der Patient ist nach der Therapie voll belastbar und auch fahrtauglich. Abrechnung nach GOÄ: Ziffern 303, 252 (auch mehrfach), 266, 267 oder 268. GOÄ mit Kommentaren u. Analogziffern: http://soellner.net/medizin-dev/g_n302%20A.html Literatur: O. Akça et al.,Hypercapnia improves tissue oxygenation. Anaesthesiology 2002, 97(4), 801-6 O. Balik et al., Does Carbon dioxide therapy really diminish localized adiposities? Experimental study with rats. Aesthetic Plast Surg 2011,35(4), 470-4 C. Brandi et al., Carbon dioxide therapy in the treatment of localized adiposities. Aesthetic Plast Surg 2001, 25(3), 170-4 C. 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