CARBOXYTHERAPIE 2012 CO2 – Injektionen in der medizinischen Ästhetik Version 1.04.2012 Übersicht - Wirkmechanismen - Technik – Behandlungsprotokolle B. Knoll Die Carboxy- oder auch Quellgastherapie ist nicht neu. Wie Herr Schader im Sommer 2011 vorgetragen hat, gehen die Ursprünge der parenteralen Nutzung des natürlichen Gases zu Heilzwecken auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. In den 1950er Jahren wurde die durchblutungsfördernde Wirkung für die Verbesserung der Wundheilung, zur Behandlung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und zur lokalen Schmerztherapie genutzt. Seit 1995 wird die Carboxytherapie zunehmend auch im Bereich der medizinischen Ästhetik eingesetzt. Studien weisen die Effektivität bei verschiedenen Indikationen nach, wie der Cellulite, lokalen Fettansammlungen oder der Hautalterung. Wird CO2 in oder unter die Haut gespritzt, ermöglicht die gesteigerte Mikrozirkulation a. eine Verbesserung der Hautelastizität, -dichte und des Kollagengehalts, b. eine Verringerung von Hautfältchen, c. einen lokalen Fettabbau. Diese einfach anzuwendende Therapieform ist schnell, kostengünstig und hervorragend mit einer klassischen Mesotherapie zu kombinieren. Darüber hinaus bietet sie besonders interessante Behandlungsoptionen für sonst schwierige Zonen wie die Augenregion (Tränensäcke, Augenringe, -ödeme, Krähenfüße, Fettprolaps), den Hals oder ausgedehnte Striae. Wirkmechanismus: Das Gas befindet sich in einem Vorratsbehälter, und wird über ein entsprechendes Gerät steril zur Injektion bereitgestellt. Ein sterilisierbarer Aufsatz und austauschbare Filter vermeiden jegliche Kontamination im ansonsten geschlossenen Regelkreis. Es werden die handelsüblichen 30 oder 32 G Kanülen verwendet, mit einer Länge von 4, 6 oder 13 mm. CO2 ist ein farb- und geruchloses Gas, welches im Gewebe diffundiert. Durch das entstehende Ungleichgewicht zwischen O2 und CO2 (Hyperkapnie) erhöht der Körper die lokale Mikrozirkulation über eine Dilatation der Metaarteriolen, der Arteriolen und der präkapillaren Sphinkter. In diesem Mechanismus gleicht die Wirkung dem in der Mesotherapie langjährig bewährten, aber leider inzwischen nicht mehr erhältlichen Buflomedil. Der Effekt der verstärkten Durchblutung ist sichtbar als Hautrötung (Erythem), für den Patienten fühlbar als Wärme und nachweisbar in der Kapillaroskopie. Damit wird regulatorisch die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung vor Ort sichergestellt, was wiederum den Zellmetabolismus begünstigt. Der Sauerstoffpartialdruck steigt durch die verstärkte Abspaltung von Sauerstoff vom Hämoglobin (Bohr Effekt). 70 % des Gases reagieren mit dem Plasma zu Kohlensäure. Die kurzfristige Azidose führt einerseits zur unmittelbaren Vasodilatation, andererseits zur Freisetzung von Wachstumsfaktoren und Förderung einer Neoangiogenese. Die Kohlensäure wird wiederum durch Abspaltung eines Wasserstoff-Ions zu Bicarbonat reduziert. Reaktionsformel : CO2 + H2O = H2CO3 = H+ + HCO3 – - 2 - Die Gewebeperfusion wird erhöht und die Lymphzirkulation verbessert. Die Gasapplikation ist unschädlich, sicher und quasi nebenwirkungsfrei. Das Emphysem verschwindet innerhalb weniger Minuten (5-10). Die erreichten Effekte sind lang anhaltend. Eine Nachbehandlung ist nicht erforderlich, gleichwohl sollte, wie bei allen ästhetischen Injektionen, die Sonne für mindestens 3 Tage gemieden werden. Einsatz zur Lipolyse: Eine klinische Studie von 2001 belegt die Intensivierung physiologischer lipolytischer Prozesse im Gewebe nach subcutaner Einspritzung von CO2 . Umfangmessungen an Bauch, Oberschenkel und Knie vor und nach den Behandlungen ergaben in allen Fällen signifikante Reduktionen. Das Fettgewebe wird aufgelockert, Fettzellen aufgebrochen und Triglyceride freigesetzt. Gefäße kamen dabei nicht zu Schaden. In einer neuen Studie von 2010 konnte neben der lokalen fettreduzierenden Wirkung sogar ein signifikanter Gewichtsverlust verzeichnet werden. Es wurden keine ernsten Nebenwirkungen festgestellt. Die Carboxytherapie ist in dem Anwendungsbereich Cellulite und Fettpolster sowohl sicher als auch effektiv. Ein weiterer Einsatzbereich ist die Verbesserung der Hautverhältnisse nach einer chirurgischen Liposuktion. Von 40 Patienten, die über 6 Wochen behandelt wurden, zeigten 85% dramatische und 15% teilweise Verbesserungen der Hautqualität. Interessant ist auch der Einsatz zur Reduzierung von Tränensäcken die durch eine Fettansammlung entstanden sind. Einsatz zur Hautregeneration: Die intradermale Carboxytherapie für die alternde oder vorgeschädigte Haut basiert auf den positiven Ergebnissen einer Studie mit „Witstar“ Ratten: CO2 –Gas vs. physiologische Kochsalzlösung. Es kam zu einer Regeneration und Verdichtung der dermalen Kollagenfasern in Verbindung mit einem besseren Aussehen der Haut. Die dabei erreichte Hautverdickung beruht auf der diffuseren Kollagenverteilung, sowie der Stimulierung der Kollagensynthese. Neben der Hautverjüngung und -straffung im Gesicht, am Hals, am Decolleté und an den Handrücken kann die Behandlung deshalb auch für Narben und Striae eingesetzt werden, deren Textur und Optik sich damit verbessern lässt. Weitere erfolgreiche dermatologischästhetische Indikationen sind periorbitale Fältchen, dunkle Augenringe, -ödeme, Tränensäcke durch Hautelastose. Kontraindikationen: Wie bei jeder medizinischen Behandlung sind auch bei der Carboxytherapie einige Kontraindikationen zu beachten, ähnlich jenen der Mesotherapie: 1. akute, unbehandelte Herz-Kreislauf oder Lungenerkrankungen 2. Hämatologische oder Gerinnungsstörungen, Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten 3. Schlaganfall, akute Thrombose oder Apoplex 4. aktive Autoimmunerkrankungen, insbesondere Kollagenosen 5. nicht eingestellter Diabetes 6. schwere systemische oder Hautinfektionen 7. Schwangerschaft und Stillzeit (wegen fehlender Erkenntnisse) - 3 - Injektionstechniken und Behandlungsprotokolle: a. intradermale Carboxytherapie: 30G oder 32G Kanüle (z.B. Mesoram 0,3 x 4 mm, Mesojet 0,29 x 4 mm, Mesorelle 0,26 x 4 mm), Nadelöffnung nach oben (wie bei der epidermalen Meso-Technik), Einstichwinkel ≤ 15°. Einstichtiefe je nach Zone und Geschlecht 1- 4 mm. Eine Betäubungscreme ist in der Regel nicht erforderlich. Das Gas verteilt sich sofort im Einstichbereich und dehnt die Hautstruktur. Die Injektion ist zu beenden wenn eine Hautschwellung resp. Hautrötung auftritt, bzw. das Gasemphysem sichtbar wird. Der Durchfluss kann je nach behandeltem Bereich und individueller Schmerzempfindlichkeit über den Hebeldruck bzw. über die gewählte Kanülendicke, gesteuert werden. Zur Verringerung des Durchflusses können Kanülen mit nur 0,26 mm Durchmesser verwendet werden. Die injizierten Volumina sind kleiner als bei den tiefen Behandlungen in das Fett-Bindegewebe. Meist werden 4-8 Sitzungen im Abstand von ca. 3 Wochen benötigt. Bei Behandlung in Augennähe ist knöcherne Orbitakante zu respektieren. Die erforderlichen 2-4 Einstiche erfolgen hier von kraniolateral (äußeres Ende der Augenbraue) nach unten medial im Abstand von 1 cm. Bei der intradermalen Injektion ist das Risiko für eine Hämatombildung sehr gering, wenn sichtbare oberflächliche Venen nicht punktiert werden. Bei einem (milden) Fettprolaps/“fat-pad“ am Unterlid wird gemischt intradermal und subcutan behandelt. Die zu erzielenden Verbesserungen sind oft beeindruckend. Im Augenbereich ist die Gasmenge äußerst gering zu halten (dosierter Hebeldruck für nur 1 Sekunde!). Die optimale Kanüle ist hier die Mesorelle 32 G (0,26 x 4 mm). Ebenfalls gemischt werden Striae injiziert. Alte, abgeblasste, eher breite und tiefe Striae zeigen bessere Resultate als frische, rote oder schmale Striae. Da es sich um bereits gerissenes Gewebe handelt, kann das Gas leicht diffundieren und die Insufflation ist weitgehend schmerzfrei. Ausgezeichnete Ergebnisse sind nach 4 – 10 Sitzungen zu erwarten. Bei Bedarf können quartalsweise Erhaltungsbehandlungen durchgeführt werden. Die Patientinnen sollten vor der Behandlung über den typischen, harmlosen und reversiblen „Popcorn“ Effekt bei dieser Indikation (Wärmegefühl, Hautrötung, starkes Aufquellen des Gewebes) aufgeklärt werden. b. subcutane Carboxytherapie: 30G Kanüle, z.B. am Körper Microlance 0,3 (0,4) x 13 mm, im Gesicht, Kinn, Halspartie Mesojet 0,29 x 6 mm. Einstichwinkel 30 - 45°. Einstichtiefe je nach Zone und Fettschichtdicke 4 – 13 mm. Abstände zwischen den Einstichen 1 – 2 cm. Im (sub)mentalen Bereich werden die Konturen verschlankt und gestrafft, einem leichten Doppelkinn wird entgegen gewirkt. Je nach Ausprägung sind 3 – 6 Sitzungen im Abstand von 2 Wochen erforderlich. Ob Fettpolster/Cellulite am Bauch, den Hüften, Schenkeln oder Oberarmen ähnlich gut auf die Carboxytherapie reagieren und wie häufig hier zu behandeln ist, kann noch nicht abschließend bestimmt werden. In meiner Praxis hat sich aber, wie in der Schmerztherapie mit CO2 eine möglichst häufige Behandlung (2x/Woche) bewährt, auch über einen längeren Zeitraum (4-6 Wochen). Wer die häufigeren Sitzungen in Kauf nimmt, hat hier sicherlich eine gute Alternative zur lokalen medikamentösen Lipolyse und ihren bekannten Nebenwirkungen. Lediglich die unausweichliche Hämatombildung bei den tieferen Injektionen setzt uns Grenzen. In ein Hämatom sollte auf keinen Fall erneut injiziert werden. Es besteht die Gefahr einer dauerhaften Hyperpigmentierung in diesem Bereich. - 4 - Dolormed Koffergerät DIN EN ISO 17664 :2004, CE 0494 Dolormed Handstück mit Bakterienfilter und Luerkegel - 5 - ZUSAMMENFASSUNG: Indikationen der Carboxytherapie: 1. Migräne und Kopfschmerz 2. Schmerzen des Bewegungsapparates (Myalgien, Tendopathien, Arthropathien) 3. Tinnitus und Schwindel 4. Ulcus cruris 5. Periphere Durchblutungsstörungen 6. Dermatologisch-ästhetische Indikationen (Akne vulgaris, Hautalterung, Ekzeme, Narben, Ödeme, Cellulitis, Lipolyse) Wegen der Wirkung des CO2-Gases auf tiefer gelegene Gewebe über die Dermatome durch therapeutische Lokal-und Segmentbehandlung gehört diese Methode zu den Reflextherapien. Bei befundorientierter Anwendung sind segmentale Wirkungen zu beobachten. Ein weiterer Effekt der subkutanen CO2-Gas-Insufflationstherapie mit dem die guten Therapieerfolge bei der Behandlung von Migräne und Kopfschmerz erklärt werden können, ist die Erhöhung der Blutflussgeschwindigkeit. DIE SUBKUTANE CO2- GASINSUFFLATIONSTHERAPIE HAT SICH BESONDERS BEI CHRONISCHEN, OFT THERAPIERESISTENTEN ERKRANKUNGEN BEWÄHRT. Besonders wichtig ist die erhebliche Senkung des oft unkontrollierten hohen Schmerzmittelverbrauchs. Oft stellt die CO2-Insufflation eine ideale Kombination mit Neuraltherapie und Mesotherapie dar. Die Gefahr einer Gasembolie besteht nicht. Das Gas wird ohne wesentliche pH-Verschiebungen rasch resorbiert. Nebenwirkungen (Bradykardie, Hypotonie, allergische Reaktionen) wie bei der Behandlung mit Lokalanästhetika treten nicht auf. Die Behandlung dauert nur wenige Minuten und der Patient ist nach der Therapie voll belastbar und auch fahrtauglich. Abrechnung nach GOÄ: Ziffern 303, 252 oder 266 oder 267 GOÄ mit Kommentaren u. Analogziffern: http://soellner.net/medizin-dev/g_n302%20A.html Carboxy-Geräte und spezielle Kanülen erhältlich unter www.mesotherapie-shop.de Ausbildung/Kurse/Workshops www.mesotherapie.org Literatur: O. Akça et al.,Hypercapnia improves tissue oxygenation. Anaesthesiology 2002, 97(4), 801-6 C. Brandi et al., Carbon dioxide therapy in the treatment of localized adiposities. Aesthetic Plast Surg 2001, 25(3), 170-4 V. Campos et al., Carboxytherapy for gynoid lipodystrophy treatment: The Brazilian Experience. J Am Acad Dermatol 2007 JC. Ferreira et al., Increase in collagen turnover induced by intradermal injection of Carbon dioxide in rats. J Drugs Dermatol 2008, 7(3), 201-6 T. Murohara et al., Vascular endothelial growth factor/vascular permeability factor enhances vascular permeability via nitric oxide and prostacycline. Circulation 1998, 97(1), 99-107 R. Nach et al., Subcutaneous Carboxytherapy injection for aesthetic improvement of scars. Ear Nose Throat J 2010, 89(2), 64-6 V. Valaro et al., Carboxytherapy: effects on microcirculation and its use in the treatment of severe lymphedema. Acta Phleb 2007, 8(2), 79-91 U. Wollina et al., Transdermal CO2 application in chronic wounds. Int J Low Extrem Wounds 2004, 3(2), 103-6 S. Zenker, Carboxytherapy - carbon dioxide injections in aesthetic medicine. Prime Journal, Jan/Feb. 2012, Vol 2, Issue 1