Theoretische Physik: Komplexe Quantensysteme Prof. Dr. Th. Feldmann WS 2014/15, Universität Siegen Kapitel 1 Wiederholung 1.1 Grundlegende Konzepte und Postulate der nichtrelativistischen Quantenmechanik Wir beginnen mit einer kurzen Wiederholung von Grundlagen der nichtrelativistischen Quantenmechanik aus QM 1: • Ein physikalisches System zum Zeitpunkt t0 wird beschrieben durch einen Zustandsvektor |ψ(t0 )i (“ket-Vektor”) . Die möglichen Zustände bilden den physikalischen Hilbertraum H . (Komplexer Vektorraum mit Additionsvorschrift, Multiplikationen mit komplexen Zahlen, innerem Produkt etc.) Das innere Produkt ordnet 2 Elementen |ψi , |φi aus H eine komplexe Zahl hφ|ψi = hψ|φi∗ zu, wobei hφ| als “bra-Vektor” bezeichnet wird. • Der Zustandsraum ersetzt den Phasenraum der klassischen Mechanik. • Meßbare physikalische Größen (Observable) wie Ort, Impuls, Energie, ... werden durch hermitesche Operatoren  auf (Teilraum von) Hilbertraum beschrieben. Die Korrespondenz zwischen der klassischen und der quantenmechanischen Beschreibung ergibt sich dabei gemäß: klass. Funktion auf Phasenraum f (xi , pi ) −→ hermitescher Operator F̂ (x̂i , p̂i ) • Als Erwartungswert des Operators (im Zustand ψ) bezeichen wir hÂi ≡ hÂiψ ≡ hψ|Â|ψi (1.1) • Eigenzustände des Operators  erfüllen die Eigenwertgleichung1  |ni = an |ni 1 Manchmal notiert man die Eigenvektoren auch als |an i. 1 (1.2) 2 KAPITEL 1. WIEDERHOLUNG Die Menge der normierten Eigenzustände {|ni} bildet ein vollständiges Orthonormalsystem ONS (auf Teilraum von Hilbertraum; für den Fall von Entartung s.u.) mit hn|mi = δnm (1.3) → Zustandsvektoren haben bezüglich des ONS die Entwicklung |ψi = X cn |ni mit cn = hn|ψi (1.4) n → Das Betragsquadrat der Entwicklungskoeffizienten |cn |2 gibt dann gerade die Wahrscheinlichkeit an, bei einem durch |ψi beschriebenen System die dem Operator  zugehörige physikalische Observable mit dem Eigenwert an zu messen. Der Erwartungswert von  ergibt sich demach als: hAi = X |cn |2 an (1.5) n → Nach der Messung des Eigenwertes an befindet sich das System (bezüglich des durch die ONS aufgespannten Teilraums) im Zustand |ni. („Zustandsreduktion“) • Eigenwerte können i.A. auch entartet sein  |n, αi = an |n, αi (α : Entartungsindex) (1.6) Eigenwerte können weiterhin diskret oder kontinuierlich sein. → Wir führen manchmal als allgemeine Schreibweise ein: Z X = ˆ Z X an ∈σdiskret a da + σkontinuierlich d.h. es wird impliziert, daß über diskrete(kontinuierliche) Eigenwerte oder Entartungsindizes zu summieren(integrieren) ist. ⇒ Im entarteten Fall erhält man dann für die Wahrscheinlichkeit des Messwerts an im Intervall [a, a + δa] den verallgemeinerten Ausdruck a+δa Z da Z X dα | ha, α|ψi |2 a Hierbei haben wir kontinuierliche Eigenwerte angenommen; für diskrete Eigenwerte ist das Integral zu streichen und a durch an zu ersetzen (s.o.). ⇒ Die Zustandsreduktion nach der Messung lautet in diesem Fall: Messung von A |ψi −−−−−−−−−→ a+δa Z da Z X dα |a, αi ha, α| ψi a | {z Projektor auf Eigenraum zum Eigenwert a } (1.7) 1.2. ORTS- UND IMPULSDARSTELLUNG 3 • Die zeitliche Entwicklung eines isolierten Systems ist durch die Schrödinger-Gleichung bestimmt i~ ∂ |ψ(t)i = Ĥ |ψ(t)i , ∂t t ≥ t0 (1.8) Hierbei bezeichnet Ĥ den Hamiltonoperator des Systems. Die S-Gl. ist eine Differentialgleichung 1. Ordnung in der Zeit, d.h. durch Angabe von |ψ(t0 )i und Ĥ ist das System zu allen Zeiten t ≥ t0 bestimmt. [Wir notieren weiterhin die Korrespondenz zwischen zeitlichen und räumlichen Ableitungsoperatoren und den quantenmechanischen Operatoren für Energie und Impuls ∂ ∂ (s.u.): i~ ∂t ↔ Ĥ und −i~ ∂x ↔ p̂i ] i Ammerkung: Während des Meßprozesses ist das System in Wechselwirkung mit dem Meßapparat! In dieser Zeit gilt die Schrödingergleichung mit einem Hamiltonoperator, der sowohl das zu messende System, als auch den Meßapparat (als auch evtl. weitere physikalische Effekte der Umgebung) beschreibt. • Für Orts- und Impulsoperator gelten Vertauschungsrelationen [x̂i , x̂j ] = [p̂i , p̂j ] = 0 , [p̂i , x̂j ] = ~ δij 1 i (1.9) Observable, die zu nicht-kommutierenden Operatoren gehören, können nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit gemessen werden: Heisenbergsche Unschärferelation: ∆x · ∆p ≥ q wobei die Unschärfe definiert ist als ∆A = 1.2 ~ , 2 (1.10) 2 hÂ2 i − hÂi . Orts- und Impulsdarstellung • Die kartesischen Koordinaten xi bilden für ein spinloses Teilchen im 3-dimensionalen Raum ein vollständiges System kommutierender Observablen. Daraus ergibt sich die Ortsdarstellung, d.h. die Beschreibung des Teilchens durch eine Wellenfunktion Ψ(x, t) ≡ hx1 x2 x3 |ψ(t)i (1.11) 0 0 wobei die Normierung der Ortsraumeigenzustände durch h~x |~xi = δ (3) (~x − ~x ) gegeben ist (Messung des Ortes entspricht kontinuierlichen Eigenwerten). Die Kommutatorrelation zwischen Impuls p̂ und Ort x̂ impliziert die Ortsdarstellung des Impulsoperatorss p̂ ψ(x, t) ≡ hx|p̂|ψi = ~ ∂ ψ(x, t), i ∂x (1.12) während der Ortsoperator in der Ortsdarstellung trivial wirkt x̂ ψ(x, t) ≡ hx|x̂|ψi = x ψ(x, t), (1.13) 4 KAPITEL 1. WIEDERHOLUNG Analog führen wir die Impulsdarstellung ein: ψ̃(p, t) ≡ hp1 p2 p3 |ψ(t)i = 0 Z +∞ i d3 x e− ~ p~·~x ψ(x, t) (1.14) −∞ 0 mit h~ p |~ pi = (2π~)3 δ (3) (~ p − p~ ). D.h. die Impulsdarstellung des Zustands ergibt sich gerade als Fouriertransformation der Ortsraumwellenfunktion. 1.3 Zeitabhängigkeit (isolierter) QM Systeme • Zur Beschreibung der Zeitabhängigkeit von quantenmechanischen Systemen definieren wir den Zeitentwicklungsoperator U (t, t0 ), |ψ(t)i = U (t, t0 ) |ψ(t0 )i (1.15) Dabei ist U (t, t0 ) = (U † (t, t0 ))−1 unitär, so daß die Norm des Zustandsvektors konstant bleibt, ||ψ||2 = hψ|ψi = const. Die implizite Lösung der Schrödingergleichung erfüllt demnach i U (t, t0 ) = 1 − ~ Z t dt0 Ĥ(t0 )U (t0 , t0 ) Falls der Hamiltonoperator nicht explizit zeitabhängig ist, − ~i Ĥ(t−t0 ) e (1.16) t0 ∂ Ĥ ∂t ≡ 0, ergibt sich U (t, t0 ) = . • Für die Zeitentwicklung von Erwartungswerten ergibt sich aus der Schrödinger-Gleichung d d hA(t)iψ(t) ≡ hψ(t)|A(t)|ψ(t)i = dt dt d.h. falls ∂A ∂t ∂A ∂t + ψ(t) 1 h[A, H]iψ(t) i~ (1.17) = 0 und [A, H] = 0 ist hAi erhalten. • Betrachten wir die Zeitentwicklung in der Energiebasis und nehmen einen explizit zeitunabhängigen Hamiltonoperator an, ergibt sich die stationäre Schrödinger-Gleichung ! ∂ Ĥ =0 . ∂t Ĥ |Ei , αi = Ei |Ei , αi , (1.18) Der Zeitentwicklungsoperator ist dann gegeben durch U (t, t0 ) = Z X i dE dα e− ~ E(t−t0 ) |E, αi hE, α| , (1.19) und die Zeitenwicklung der Entwicklungskoeffizienten ergibt sich aus i cn (t) = hEn , α|ψ(t)i = e− ~ En (t−t0 ) · cn (t0 ). (1.20) 1.4. EINFACHE QM SYSTEME 5 • Zur Beschreibung der Zeitabhängigkeit unterscheiden wir weiterhin zwischen dem Schrödinger- und dem Heisenberg-Bild Schrödinger-Bild: Die Zustandsvektoren sind zeitabhängig, während die Operatoren ggf. eine explizite Zeitabhängigkeit (z.B. durch zeitlich veränderliche externe Potentiale o. Randbedingungen) tragen: |ψ(ti) = U (t, t0 ) |ψ(t0 )i ,  = Â(t) (1.21) Heisenberg-Bild: Hier sind die Zustandsvektoren zeitunabhängig, und der Zeitentwicklungsoperator wirkt auf die Operatoren |ψH i ≡ |ψ(t0 )i (zeitunabhängig) , ÂH (t) ≡ U † (t, t0 )Â(t)U (t, t0 ) . (1.22) Die Operatoren erfüllen dann die Heisenberg-Gleichung: i~ ∂  d ÂH (t) = i~ + [ÂH (t), ĤH (t)] dt ∂t (1.23) Erwartungswerte von Operatoren sind unabhängig vom betrachteten Bild, hÂ(t)iψ(t) = hÂH (t)iψH 1.4 (1.24) Einfache QM Systeme • freies Teilchen: Hier lautet der Hamiltonoperator Ĥ = p ~2 2m . Die Impulseigenzustände sind auch Eigenzustände von H, d.h. die Zeitentwicklung im Impulsraum ist einfach 2 i p h~ p|ψ(t)i = e− ~ 2m (t−t0 ) h~ p|ψ(t0 )i ⇒ Ψ(x, t) = Z p2 i d3 p p ~·~ x− ~i 2m (t−t0 ) ~ h~ p |ψ(t )i e . 0 (2π~)3 (1.25) (1.26) Dies entspricht der Superposition ebener Wellen, mit einer Dispersionsrelation ωk = p ~k2 E 2m (wobei k = ~ : Wellenzahl, ωk = ~ : Frequenz) Ammerkung: Für endliche Ausdehnung V = L3 (und periodische Randbedingungen) sind Wellenzahlen diskret, k = 2π L ·n • harmonischer Oszillator: Der Hamiltonoperator lautet Ĥ = p̂2 1 1 + mω 2 x̂2 = ~ω(a† a + ) 2m 2 2 (1.27) Der zweite Ausdruck ergibt sich, indem man zunächst die dimensionslosen Größen x̂ = ~ mω 1 2 1 x̃, p̂ = (m~ω) 2 p̃ einführt, so daß Ĥ = ~ω 2 2 (p̃ + x̃2 ). 6 KAPITEL 1. WIEDERHOLUNG Danach definiert man Erzeuger und Vernichter 1 ↠= √ (x̃ − ip̃) , 2 1 â = √ (x̃ + ip̃) 2 (1.28) mit den kanonischen Vertauschungsrelationen [â, ↠] = 1 . (1.29) Daraus erhält man die Eigenwertgleichung Ĥ |ni = En |ni mit diskreten äquidistanten Eigenwerten En = ~ω(n + 12 ), n = 0, 1, ... Kapitel 2 Zeitabhängige Störungstheorie Im folgenden Kapitel wollen wir uns mit der Beschreibung von quantenmechanischen Systemen befassen, welche einer zeitlich veränderlichen Störung unterworfen sind. Ausgangspunkt ist also allgemein ein Hamiltonoperator der Form Ĥ(t) = Ĥ0 (t) V̂ (t) + | {z } | {z } ungestörter Hamilton-Operator (d.h. U0 (t, t0 ) sei bekannt) Typischerweise gilt dabei: kleine Störung • Der ungestörte Hamiltonian Ĥ0 ist zeitunabhängig 0 ( ∂H ∂t = 0) • Die Störung ist zeitlich begrenzt, z.B. V̂ (t ≤ t0 ) = 0 Die Frage, die wir im folgenden beantworten wollen, ist insbesondere: “Wie groß ist die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Eigenzustand |ai von H0 in einen anderen Eigenzustand |bi unter dem Einfluß der Störung?” 2.1 Wechselwirkungsbild Betrachten wir den Störoperator V̂ als „klein“, dann wird der größte Teil der Zeitabhängigkeit des Systems durch H0 definiert, d.h. ist durch den Zeitentwicklungsoperator U0 (t, t0 ) des ungestörten Systems beschrieben. Schematisch heißt das für den Zusammenhang der Entwicklungskoeffizienten in der Energieeigenbasis bei verschiedenen Zeiten i ca (t) = e− ~ Ea (t−t0 ) × Störung × ca (t0 ) Wenn wir nun – in Abwandlung des Heisenberg-Bildes – nur diese führende Zeitabhängigkeit auf die Operatoren umwälzen, erhalten wir das sog. Wechselwirkungsbild, welches also definiert ist gemäß |ψI (t)i = U0† (t, t0 ) |ψS (t)i = U0† (t, t0 )U (t, t0 ) |ψS (t0 )i | und ÂI (t) ≡ U0† (t, t0 ) ÂS (t) U0 (t, t0 ) 7 {z ≡UI (t,t0 ) (2.1) } (2.2) 8 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE wobei die Indizes S für das Schrödingerbild und I (wie “interaction picture”) für das Wechselwirkungsbild stehen. Dabei ist weiterhin • U0 (t, t0 ): der Zeitentwicklungsoperator zu Ĥ0 , • U (t, t0 ): der Zeitentwicklungsoperator zu Ĥ0 + V̂ (t) (im Schrödingerbild). Die Anwendung der Schrödingergleichung impliziert dann i~ ∂ |ψI (t)i = U0† (−Ĥ0 + Ĥ0 + V̂ )U |ψS (t0 )i ∂t = U0† V̂ U0 U0† U |ψS (t0 )i = | {z } | {z V̂I (t) |ψI (t)i } (2.3) bzw. für den oben definierten Zeitentwicklungsoperator im Wechselwirkungsbild, i~ ∂ UI (t, t0 ) = V̂I (t) UI (t, t0 ), ∂t (2.4) mit der impliziten Lösung: UI (t, t0 ) = 1 − i ~ Z t dt0 VI (t0 )UI (t0 , t0 ) (2.5) t0 Dyson-Reihe: Da die Differentialgleichung für UI (t, t0 ) nur noch von dem – gemäß Annahme hinreichend kleinen – Störoperator V̂ (t) abhängt, kann sie iterativ gelöst werden (Störungsentwicklung). Die einzelnen Schritte der Iteration lauten dann: (0) UI (t, t0 ) = 1 (1) UI (t, t0 ) = 1 − (2.6) Z i t (0) dt1 V̂I (t1 ) · UI (t1 , t0 ) ~ t0 Z t i dt1 V̂I (t1 ) =1− ~ t0 Z i t (2) (1) UI (t, t0 ) = 1 − dt1 V̂I (t1 ) · UI (t1 , t0 ) ~ t0 Z Z t1 i 2 t (1) = UI (t, t0 ) + − dt1 dt2 V̂I (t1 )V̂I (t2 ) ~ t0 t0 usw. Bei jedem Iterationsschritt n kommt also ein Beitrag i − ~ n Z t Z tn−1 dt1 . . . t0 dtn V̂I (t1 ) . . . V̂I (tn ) t0 (2.7) (2.8) 2.2. ÜBERGANGSWAHRSCHEINLICHKEIT 9 dazu, wobei die Reihenfolge der Operatoren VI (t1 ) . . . V̂I (tn ) zu beachten ist! Bis zur einer gegebenen Ordnung N erhält man somit das Resultat für den Zeitentwicklungsoperator UI als: (N ) UI (t, t0 ) = N X n=0 i − ~ n Z t Z tn−1 dtn V̂I (t1 ) . . . V̂I (tn ) dt1 . . . (2.9) t0 t0 Die Reihe kann formal aufsummiert werden (siehe Übungen): UI (t, t0 ) = T exp 1 i~ Z t dt0 VI (t0 ) (2.10) t0 wobei der sog. Zeitordnungsoperator eingeführt wurde, ( 0 T (Â(t)B̂(t )) = Â(t)B̂(t0 ) t > t0 B̂(t0 )Â(t) t < t0 (2.11) In dieser Darstellung spricht man auch von der “Dyson-Reihe”. 2.2 Übergangswahrscheinlichkeit Wir können jetzt zeitabhängige Übergangswahrscheinlichkeiten berechnen. Wir nehmen dazu an, daß zur Zeit t0 der Zustand durch einen Energieeigenzustand des ungestörten Hamiltonian, |ψS (t0 )i = |ψI (t0 )i ≡ |ai mit Ĥ0 |ai = Ea |ai beschrieben wird, und fragen nach der Wahrscheinlichkeit, zum Zeitpunkt t > t0 den Eigenzustand |bi mit Ĥ0 |bi = Eb |bi zu messen1 Pa→b (t) = | hb|ψS (t)i |2 = | hb|U (t, t0 )|ai |2 | {z (2.12) } Matrixelemente des vollen Zeitentwicklungsoperators Mit Hilfe des Wechselwirkungsbildes schreiben wir für die Übergangsamplitude (mit der Notation Ei = ~ωi ) b (t−t0 ) hb|U (t, t0 )|ai = hb|U0 (t, t0 )UI (t, t0 )|ai = e| −iω{z } · hb|UI (t, t0 )|ai verschwindet bei | . . . |2 | {z Dyson Reihe (2.13) } und setzen für UI (t, t0 ) die Entwicklung der Dyson-Reihe ein: hb|UI (t, t0 )|ai = δab − i + − ~ 1 i ~ Z t dt1 hb|V̂I (t1 )|ai + t0 2 X Z t n t0 Z t1 dt1 dt2 hb|V̂I (t1 )|ni hn|V̂I (t2 )|ai + . . . (2.14) t0 Falls |bi ein Zustand im kontinuierlichen Spektrum bezeichnet, suchen wir entsprechend eine Wahrscheinlichkeitsdichte, s.u. 10 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE wobei bei Termen höherer Ordnung entsprechend viele Eins-Operatoren, 1̂ = n |ni hn| eingesetzt wurden, so daß allgemein dann noch Matrixelemente des Störpotentials im Wechselwirkungsbild zwischen verschiedenen Energieeigenzuständen auftauchen, P hn|V̂I (t1 )|mi = hn|U0† (t1 , t0 )V̂ (t1 )U0 (t1 , t0 )|mi = e−i(ωm −ωn )(t1 −t0 ) hn|V̂ (t1 )|mi ≡ ei(ωnm )(t1 −t0 ) · Vnm (t1 ) (2.15) Mit diesen Abkürzungen schreiben sich die ersten Terme in der Störungsentwicklung also hb|UI (t, t0 )|ai = δab − i + − ~ i −iωba t0 e ~ 2 e Z t −iωba t0 t0 dt1 eiωba t1 Vba (t1 ) XZ t Z t1 dt1 t0 t0 n dt2 eiωbn t1 Vbn (t1 ) eiωna t2 Vna (t2 ) + . . . (2.16) Die Störungsentwicklung läßt sich auch graphisch darstellen: − ~i Vna (t2 ) − ~i Vbn (t1 ) − ~i Vba (t1 ) s a=b t0 s t + s t0 a s b t1 s + t s a t0 n s t2 s t1 b s t + ... Dabei bezeichnen die Linien mit Pfeilen die (ungestörte) zeitliche Entwicklung der entsprechenden externen oder intermediären Zwischenzustände, und an den bestimmten Zeitpunkten (Vertizes) erzeugt das Störpotential Übergänge zwischen verschiedenen Energieeigenzuständen, wobei: • jeder Vertex Vnm (ti ) einen Faktor (−i/h) eiωnm ti trägt, • über alle intermediären Zeiten ti integriert wird, • über alle (möglichen) Zwischenzustände |ni summiert wird, • und die Zeitordnung durch t0 < tn < ... < t1 < t gegeben ist. Meistens beschränken wir uns auf den Term erster Ordnung in V̂ , und betrachten insbesondere den Fall a 6= b. Dann gilt nach Betragsquadrierung der Übergangsamplitude: Z 2 1 t 0 Pa→b (t) ' 2 dt0 eiωba t Vba (t0 ) ~ t0 (2.17) Insbesondere ergibt sich im Grenzfall t0 → −∞ und t→∞ die Übergangswahrscheinlichkeit aus der Fourier-Transformierten des Übergangsmatrixelements hb|V̂ (t)|ai bezüglich t Fourier-Trafo ←−−−−−−→ ωba = (Eb − Ea )/~ 2.2. ÜBERGANGSWAHRSCHEINLICHKEIT 11 Beispiel: Wir betrachten die periodische Störung V̂ (t) := V̂0 · cos ωt · θ(τ − |t|) wobei das System bei t0 < −τ im Zustand |ai sei und zum Zeitpunkt t > +τ gemessen wird. Man beachte, daß V̂0 = V̂0 (x̂, ...) immer noch als (zeit-unabhängiger) Operator aufzufassen ist. Die Störung wirkt also während der Zeit −τ bis +τ , so daß sich die Übergangswahrscheinlichkeit als Z 2 1 +τ 0 iωba t0 2 0 dt e cos ωt · | hb|V̂0 |ai | ~2 −τ Pa→b (t) ' (2.18) ergibt. Während die Matrixelemente von V̂0 von der konkreten Form des Potentials abhängen, kann das Zeitintegral in unserem Beispiel explizit ausgeführt werden: 1 2 Z +τ 0 0 −τ ei(ωba +ω)τ − e−i(ωba +ω)τ ei(ωba −ω)τ − e−i(ωba −ω)τ + i(ωba + ω) i(ωba − ω) 1 = 2 = 0 dt0 eiωba t (eiωt + e−iωt ) ! sin(ωba + ω)τ sin(ωba − ω)τ + ωba + ω ωba − ω (2.19) so daß Pa→b (t) = 1 | hb|V̂0 |ai |2 · fτ (ωba ) ~2 (2.20) mit fτ (ωba ) = sin(ωba − ω)τ sin(ωba + ω)τ + ωba + ω ωba − ω 2 (2.21) Diskussion der Funktion fτ (ωba ) 1. Fall: ω = 0: (konstante Störung) Hier vereinfacht sich der Ausdruck für fτ zu f1 HΩL 4 3 fτ (ωba ) = 4 · sin2 (ωba τ ) 2 ωba 2 1 -10 Aus der Form der Funktion schließen wir: -5 0 5 10 Ω 12 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE • Der Großteil der Übergänge findet in einem Bereich ωba ∼ d.h. |Eb − Ea | · (2τ ) ≤ 2π~ π τ statt, • Für große τ → ∞ muß also Eb ≈ Ea sein • Im mathematischen Limes undendlich großer Störzeiten ergibt sich τ →∞ fτ (ωba ) −−−→ 4πτ · δ(ωba ) d.h. für große τ gilt Pa→b ∝ τ so lange Pa→b (τ ) noch klein gegenüber 1 ist (d.h. für hinreichend kleines V̂0 (x)), gilt die Störungsentwicklung auch für große τ . Dann definiert man die Übergangsrate τ →∞ Ra→b ≡ 2 2π Pa→b (τ ) = hb|V̂0 |ai δ(Eb − Ea ) 2τ ~ (2.22) (für konstante Störung) 2. Fall: ω 6= 0: Wir erhalten mit einer analogen Betrachtung wie oben2 im Fall τ → ∞ fτ (ωba ) −→ πδ(ω + ωba ) + πδ(ω − ωba ) 2τ und daraus die Übergangsrate Ra→b 2 π = hb|V̂0 |ai δ(Eb − Ea + ~ω) + δ(Eb − Ea − ~ω) ~ (2.23) Wir interpretieren das Ergebnis folgendermaßen: die periodische Störung des freien Hamiltonians mit einer Frequenz ω kann (siehe auch Graphik) • Den Anfangszustand in ein höheres Energieniveau mit Eb = Ea + ~ω anregen (Absorption eines Energiequants ~ω). • Den Übergang in einen niedrigeren Eigenzustand mit Eb = Ea − ~ω induzieren (stimulierte Emission eines Energiequants ~ω). Eb = Ea + ~ω Ea Eb = Ea − ~ω 2 Man schreibe einfach cos ωt = (eiωt + e−iωt )/2 und erhält dann entsprechende Terme mit ωba → ωba ± ω. 2.3. WECHSELWIRKUNG MIT EINEM KLASSISCHEN STRAHLUNGSFELD 13 Verallgemeinerung / „Fermis Goldene Regel“: Im allgemeinen Fall können die Endzustände |bi auch Teil des kontinuierlichen Spektrum sein (z.B. Übergänge von einem Bindungszustand in einen ungebundenen Zustand). In diesem Fall messen wir keinen scharfen Energieeigenwert, sondern betrachten einen gewissen Energiebereich [E, E + ∆E]. Das kontinuierliche Spektrum charakterisieren wir allgemein durch eine Zustandsdichte ρ(E) = dN dE (Zahl der Zustände pro Energieintervall dN = ρ(E)dE) Im kontinuierlichen Fall ergibt sich aus der Summation über Endzustände (ggf. eingeschränkt auf ein bestimmtes Energieintervall) R= X Ra→b −→ Z E+∆E Z dNb Ra→b = b E dEb ρ(Eb )Ra→b Für unser Beispiel einer periodischen Störung erhalten wir insbesondere Z R= = (2.24) 3 π dEb ρ(Eb ) | hb|V̂0 |ai |2 · (δ(Eb − Ea + ~ω) + δ(Eb − Ea − ~ω) ~ π | hb|V̂0 |ai |2 (ρ(Ea − ~ω) + ρ(Ea + ~ω)) ~ (2.25) Die Rate ist also neben dem Betragsquadrat des Übergangsmatrixelement direkt proportional zur Zustandsdichte, ausgewertet bei der Energie E = Eb = Ea ± ~ω. Diesen Sachverhalt bezeichnet man auch als “Fermis Goldene Regel”. [Anm.: Für ein diskretes Spektrum ergibt sich die Zustandsdichte einfach als ρ(E) = P δ(E − Ei )] i 2.3 Wechselwirkung mit einem klassischen Strahlungsfeld Ein konkretes Beispiel für eine periodische Störung ist die Wechselwirkung eines elektrisch geladenen Teilchens mit einem klassischen Strahlungsfeld (elektromagnetische Wellen). Wir wiederholen zunächst ein paar Eigenschaften des freien elektromagnetischen Feldes (d.h. in Abwesenheit externer Ladungs- oder Stromquellen): (a) Vektor- und skalares Potential in der Elektrodynamik: Das elektrische und magnetische Feld ergeben sich aus4 ~ ~ = −∇φ ~ − ∂A E ∂t Die Maxwellgleichungen ohne externe Quellen lauten dabei ~ =∇ ~ ×A ~ B ; ~ 2φ + ∂ ∇ ~A ~ = 0, ∇ ∂t 2 ~ 2A ~ − ∇( ~ 1 ∂ φ+∇ ~ · A) ~ = 0, ~− 1 ∂ A ∇ c2 ∂t2 c2 ∂t (2.26) (2.27) 3 wobei wir hier angenommen haben, daß das betrachtete Energieintervall die Fälle Eb = Ea ± ~ω mit einschließt; andernfalls ist die Absorption/Emission eines Energiequants natürlich nicht möglich 4 Wir verwenden in diesem Kapitel SI-Einheiten. 14 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE und lassen sich vereinfachen durch Ausnutzen der Eichfreiheit: ~→A ~ + ∇χ ~ , A φ→φ− ∂ χ. ∂t Insbesondere ergibt sich in der Coulomb-Eichung φ≡0 , ~ ·A ~≡0 ∇ die elementare Wellengleichung für das Vektorpotential, ~2− (∇ 1 ∂2 ~ )A = 0. c2 ∂t2 (2.28) Als freie Lösung ergeben sich gerade ebene Wellen ~ t) = A0 · ~ · cos(~k~x − ωt), A(x, (2.29) die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und durch folgende Eigenschaften charakterisiert werden: • Amplitude A0 , • Wellenzahlvektor ~k, • Polarisationsvektor ~ mit ~ · ~k = 0 ∧ |~|2 = 1, • Frequenz ω = |~k|c (Dispersionsrelation). Mit obigen Relationen folgt, daß die Vektoren für elektrisches, magnetisches Feld und Wel~ ~k, B⊥ ~ ~k, E⊥ ~ B. ~ lenzahl senkrecht aufeinander stehen, E⊥ (b) Hamiltonfunktion in Coulomb-Eichung: Die klassische Hamiltonfunktion für ein Teilchen mit Ladung q (ohne Spin) im elektromagnetischen Feld (in der Coulomb-Eichung + ggf. einem zusätzlichen Potential Vext (~x)) ist gegeben durch H= 1 ~ x, t))2 + Vext (~x) (~ p − q A(~ 2m (2.30) In der Quantenmechanik fassen wir wie üblich ~x und p~ als Operatoren auf: p~ → p~ˆ ˆ, t) ~ → A( ~ ~x A ˆ) V → V (~x ~ x in der Ortsdarstellung, gilt [p̂, A(x̂, ~ t)] ∝ ∇ ~ ·A ~ ≡ 0 in der Coulomb-Eichung. Da p~ˆ ∝ ∇ ˆ ~ Damit ist die Reihenfolge von p~ und A egal, und wir können den quantenmechanischen Hamiltonoperator eindeutig angeben als Ĥ = 2 p̂2 q ~ q2 ~ + Vext (x̂) − A(x̂, t) · p~ˆ + A(x̂, t) } } |2m {z } |2m {z |m {z Ĥ0 zeitunabhängig Störung V̂ (t) vernachlässigbar für kleine Felder (2.31) 2.3. WECHSELWIRKUNG MIT EINEM KLASSISCHEN STRAHLUNGSFELD 15 Hierbei haben wir angegeben, wie die einzelnen Terme hinsichtlich unseres allgemeinen Formalismus in der zeitabhängigen Störungstheorie zu identifizieren sind. Setzen wir die ebene Welle für das Vektorpotential ein, erhalten wir somit für das Matrixelement des Störoperators: q ˆ − ωt) · p~ˆ |ai Vba (t) = − hb|(A0 ~ cos(~k · ~x m qA0 −iωt ~ ˆ ~ ˆ (e hb|eik·~x ~ · p~ˆ |ai + eiωt hb|e−ik·~x ~ · p~ˆ |ai (2.32) =− 2m Die analoge Rechnung zum allgemeinen Beispiel mit periodischer Störung ergibt dann für die Übergangsrate πq 2 |A0 |2 ~ˆ | hb|eik~x ~ · p~ˆ |ai |2 δ(Eb − Ea − ~ω) = 2 ~m Ra→b + | hb|e ˆ −i~k~ x ~ · p~ˆ |ai |2 δ(Eb − Ea + ~ω) , (2.33) wobei der erste Term wieder die Absorption eines (jetzt: Licht-)quants ~ω beschreibt, und der zweite Term dessen stimulierte Emission. (c) Multipolentwicklung Für die Berechnung der Übergangsrate benötigen wir die Matrixelemente in der Ortsdarstellung Z ~ ~ ~ ˆ ~ hb|e±ik·~x ~ · p~ˆ |ai = d3 x e±ik·~x ψb∗ (x) ~ · ∇ψ a (x) i Da wir uns |ai als einen gebundenen Zustand vorgeben (siehe Beispiele unten), erhält man den Hauptbeitrag zum Integral d3 x aus dem Bereich, in dem ψa (x) wesentlich von Null verschieden ist. → Dies charakterisieren wir durch die mittlere Ausdehnung des ungestörten Systems: r0 Für kleine Wellenzahlen |~k|r0 1 kann man dann entwickeln 1 ~ e±ik·~x = 1 ± i ~k · ~x − (~k · ~x)2 ± ... 2 Daraus ergibt sich die sog. Multipolentwicklung für Übergangselemente.5 Beispiele: i) 1-dim. Potentialtopf der Tiefe V0 und Breite |x| < r0 : Die Abschätzung der Größenordnungen liefert kx ∼ kr0 = ω Eb − Ea V0 r0 r0 = r0 ∼ c ~c ~c Die Multipolentwicklung konvergiert also für 5 V 0 r0 ~c 1. Dies ist in der Tat eine Verallgemeinerung der aus der klassischen Elektrodynamik bekannten Multipolentwicklung einer Ladungsverteilung. Hierbei spielt das Inverse des Wellenzahlvektors, |~k| → 1/R, die Rolle des (hinreichend großen) Abstands von der Ladungsquelle. Die Ladungsdichte entspräche im Fall |ai = |bi dann gerade ρ(x) = |ψ(x)|2 . 16 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE ii) Wasserstoffatom: Aus den Kenngrößen – Grundzustandsenergie: E0 = 12 mc2 α2 – Feinstrukturkonstante: α = – Bohrradius: aB = e2 4π0 ~c = 1 137 [SI-Einheiten] ~ mcα erhalten wir hier die Abschätzung ω E0 aB α |~k · ~x| ∼ aB ∼ = 1 c ~c 2 d.h. die Multipolentwicklung konvergiert für Übergänge im Wasserstoffatom. • Insbesondere bezeichnet man den ersten Term in der gezeigten Entwicklung als elektrische Dipolnäherung ~ ˆ hb|e±ik·~x ~ · p~ˆ |ai ≈ hb|~ · p~ˆ |ai Um die Bezeichnung als Dipol zu verstehen, benutzen wir die Relation ˆ2 i~ ˆ ˆ, Ĥ0 ] = [~x ˆ, (p~) + H V (x̂)] p~ [~x H = 2m H m m ˆ, Ĥ0 ]|ai ⇒ hb|~ · p~ˆ |ai = hb|[~ · ~x i~ m ˆ |ai = i m ωba hb|~ · ~x ˆ |ai , = (Ea − Eb ) hb|~ · ~x i~ (2.34) (2.35) ˆ |ai gerade der Dipoloperator ist (Projektion des Ortsoperators auf die wobei hb|~ · ~x Polarisationsrichtung). ˆ (~ · p~ˆ )|ai enthält gerade den magnetischen • Der nächste Term in der Entwicklung hb|~x Dipolübergang und den elektrischen Quadrupolübergang (siehe Übung). In der Dipolnäherung ergibt sich somit: πq 2 |A0 |2 | hb|~ · p~ˆ |ai |2 (δ(Eb − Ea − ~ω) + δ(Eb − Ea + ~ω)) ~m2 2 πq 2 |A0 |2 ωba ˆ |ai |2 (δ(Eb − Ea − ~ω) + δ(Eb − Ea + ~ω)) = | hb|~ · ~x ~ πq 2 |E0 |2 ˆ |ai |2 (δ(Eb − Ea − ~ω) + δ(Eb − Ea + ~ω)) , = | hb|~ · ~x ~ Ra→b = denn ~ ~ = − ∂A = ω · A ~ sin(~k · ~x − ωt) E | {z 0} ∂t ≡E0~ 2 (wegen der δ-Funktionen). und ω 2 = ωba ~ kA (2.36) 2.3. WECHSELWIRKUNG MIT EINEM KLASSISCHEN STRAHLUNGSFELD 17 (d) Photoionisation (photoelektrischer Effekt) Unter Photoionisation verstehen wir den Übergang aus einem gebundenem Zustand (z.B. Kastenpotential, H-Atom, ...) in einen Zustand des Kontinuums (freie ebene Wellen). Die Rate ergibt sich durch Integration über die Raten Ra→pf für alle individuellen Impulskonfigurationen:6 Z d3 pf R= Ra→pf . (2π~)3 Aus Ef = p2f /2m erhalten wir d3 pf = dpf dΩpf |pf |2 = dEf dΩpf mpf pf = √ , 2mEf woraus sich die Zustandsdichte ρ(Ef ) für ein freies Teilchen ablesen lässt. • Benutzen wir nun die Impulsraumdarstellung für den Anfangszustand |ψa i, hpf |~ · p~ˆ |ai = (~ · p~f ) ψ̃a (~ pf ), so erhalten wir Z R= dEf dΩpf mpf πq 2 |A0 |2 2 2 |~ · p ~ | δ(E − (E + ~ω)) | ψ̃(~ p )| a f f f (2π~)3 ~m2 p √ f= 2mEf Daraus ergibt sich die differentielle Rate (pro Raumwinkelelement) q 2 |A0 |2 |~ pf | |~ · p~f |2 |ψ̃(~ pf )|2 dR = dΩpf 8π 2 ~4 m E √ f =Ea +~ω, pf = 2mEf • Falls insbesondere ψ̃a (~ pf ) = ψa (|~ pf |) (Radialsymmetrie), kann man die Winkelintegration explizit ausführen, mit |~ · p~f |2 = |~ pf |2 cos2 θ. Anm: Man kann auch den sog. (differentiellen) Wirkungsquerschnitt definieren als σ= absorbierte Energie/pro Zeiteinheit Energiefluß der einfallenden elmg. Welle Für den Zähler erhalten wir also : ~ω · R; für den Nenner entsprechend: 21 0 ω 2 |A0 |2 · c. Insgesamt also dσ q2 ⇒ = dΩ 4π ~c | {z0 } pf |~ · p~f |2 |ψ̃a (~ pf )|2 . π~2 mω =α=1/137 für q=|e| 6 Die Impulszustände zählt man zunächst für ein endliches Volumen V = L3 mit pi = 2π~/L n ab. Nach dem Übergang L → ∞ bleibt ein Faktor 2π~ pro Impulsrichtung übrig. 18 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE 2.4 Quantisierung des elektromagnetischen Feldes (heuristisch) Bisher haben wir das elektromagnetische Feld als klassisches Phänomen betrachtet. In der Quantentheorie müssen aber auch die elektromagnetischen Größen als Operatoren eines Hilbertraums aufgefasst werden. Wir geben im Folgenden eine heuristische Herleitung (die Bedeutung wird klarer nach der Diskussion von Vielteilchensystemen in Kapitel 4 – die formale theoretische Begründung ist Gegenstand der Quantenfeldtheorie). • Wir betrachten zunächst die allgemeine Fourierzerlegung des elektromagnetischen Feldes: ~ t) = A ~ ∗ (x, t) = A(x, X Z α=1,2 o d3 k n ~ ~k) ei~k~x−iωk t + c∗ (~k)~ ∗ (~k) e−i~k~x+iωk t . c ( k)~ ( α α α α (2π)3 (2.37) Hierbei wird jede individuelle Mode durch den Wellenzahlvektor ~k und die Polarisationsrichtung α (z.B. links- oder rechts-zirkular) charakterisiert, mit ~k · ~α (~k) = 0 , ~α (~k) · ~∗β (~k) = δαβ , ωk = c |~k| , (2.38) und mit beliebigen komplexen Koeffizienten cα (~k) gewichtet. • Die Zeitabhängigkeit bei jeder Mode (~k, α) entspricht gerade der von Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren eines harmonischen Oszillators mit Frequenz ωk im HeisenbergBild, â(t) = â(0) e−iωk t , ↠(t) = ↠(0) e+iωk t . (2.39) Wir können deshalb jede Mode als unabhängigen harmonischen Oszillator mit Frequenz ωk auffassen und die komplexen Koeffizienten cα (~k) durch entsprechende Erzeugungsund Vernichtungsoperatoren ersetzen: cα (~k) → âα (~k) c∗α (~k) → â†α (~k) Vernichtungsoperator, Erzeugungsoperator. ~ t) ein hermitescher (feldwer⇒ Durch diese Vorschrift wird aus dem reellen Feld A(x, ˆ ~ t). tiger) Operator A(x, ⇒ Für die Erzeuger und Vernichter verlangen wir kanonische Vertauschungrelationen [aα (~k), a†β (~k)] = δαβ δ (3) (~k − ~k 0 ) (2π)3 , [aα (~k), aβ (~k)] = 0 , [a†α (~k), a†β (~k)] = 0 , (2.40) welche hier auf δ-Distributionen normiert sind, wenn wir über kontinuierliche Moden ~k integrieren (im endlichen Volumen mit periodischen Randbedingungen sind die ~k diskret, und Integrale werden durch Summen ersetzt, sowie δ (3) (~k − ~k 0 ) durch δ~k~k0 ). 2.4. QUANTISIERUNG DES ELEKTROMAGNETISCHEN FELDES (HEURISTISCH) 19 Wir zeigen im Folgenden, daß sich die klassische Energie des elektromagnetischen Feldes in einen Hamilton-Operator für unabhängige harmonische Oszillatoren (Fourier-Moden (~k, α)) übersetzt: Z 0 ~ 2 ~ 2) Hklass = d3 x (E + c2 B 2 X Z d3 k → Ĥ = ~ωk â†α (k)âα (k) (+ Grundzustandsenergie) (2.41) 3 (2π) α Zunächst schreiben wir elektrisches und magnetisches Feld durch das Vektorpotential (in Coulomb-Eichung) um, Z Hklass = ~ 0 ∂ A d3 x 2 ∂t !2 ~ × A) ~ 2 , + c2 (∇ (2.42) Wir schreiben dann um: ~ × A) ~ 2 = ijk (∇j Ak )ij 0 k0 (∇j 0 Ak0 ) (∇ = (δjj 0 δkk0 − δjk0 δj 0 k )(∇j Ak )(∇j 0 Ak0 ) = (∇j Ak )(∇j Ak ) − (∇j Ak )(∇k Aj ) ~ 2 Ak = −Ak ∇ +Ak (∇j ∇k Aj ) | {z ~ ∂2 A ~ =− 12 A c ∂t2 } | {z (2.43) } =0 (Coulomb-E.) (Bew.gl.) wobei die letzte Zeile durch partielle Integration (bzgl. d3 x in H) folgt. Wir erhalten somit die Darstellung der klassischen Hamilton-Funktion in Coulomb-Eichung ⇒ Hklass = Z ~ 0 ∂ A d3 x 2 ∂t !2 2 ~∂ A ~ −A ∂t2 (2.44) ~ t) einsetzen und erhalten: Hier können wir nun direkt die Fourier-Zerlegung von A(x, Hklass = · Z d3 k d3 k 0 3 0 X d x· 2 αα0 (2π)3 (2π)3 ~ n (−iωk cα (k)~α (k)eik~x−iωk t + c.c.) · ~0 · (−iωk0 cα0 (k 0 )~α0 (k 0 )eik ~x−iωk0 t + c.c.)− ~ −(cα (k)~α (k)eik~x−iωk t + c.c.) · ~0 o · (−ωk20 cα0 (k 0 )~α0 (k 0 )eik ~x−iωk0 t + c.c.) (2.45) • Die Ortsintegrale können elementar ausgeführt werden und führen auf: Z ~ ~0 d3 x ei(k±k )·~x = (2π)3 δ (3) (~k ± ~k 0 ) . • Danach können wir mit Hilfe der entstanden δ(~k ± ~k 0 ) Distributionen eine ImpulsinteR d3 k 0 ~ ~0 gration (2π) 3 ausführen, mit ωk = ω−k = c|k| = c|k |: 20 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE (a) Die Terme mit e−iωk t e−iωk0 t ergeben dann (−ωk2 + ωk2 ) cα (k)cα0 (−k)~α (k) · ~α0 (−k) = 0 (b) Die Terme mit e−iωk t e+iωk0 t ergeben dagegen (ωk2 + ωk2 ) cα (k)c∗α0 (k)~α (k) · ~∗α0 (k) = 2ωk2 cα (k)c∗α (k) δαα0 (c) Terme mit e+iωk t e+iωk0 t wie (a). (d) Terme mit e+iωk t e−iωk0 t wie (b). Fassen wir alle Terme zusammen erhalten wir somit die klassische Hamiltonfunktion ausgedrückt durch die Fourierkoeffizienten, Hklass = 20 XZ α d3 k ∗ c (k)cα (k) ωk2 (2π)3 α (2.46) Um beim Übergang zum quantisierten Hamiltonoperator die kanonische Normierung der Oszillatorenergie zu erhalten, müssen wir lediglich einen relativen Normierungsfaktor definieren, d.h. unsere obige Ersetzungsvorschrift präzisieren, âα (~k)= ˆ r 20 ωk cα (~k) ~ (2.47) und erhalten damit ⇒ Ĥ = XZ α d3 k ~ωk â†α (k)âα (k) (+E0 ) (2π)3 (2.48) wobei wir angedeutet haben, daß wir in dieser Herleitung keine Aussage über die Grundzustandsenergie treffen können (die sich aus der Ambiguität hinsichtlich der Operatorordnung von â und ↠ergibt). In diesem neuen Zugang können wir also Zustände des elektromagnetischen Feldes jetzt charakterisieren durch |0i = „elektromagnetisches Vakuum“ mit âα (~k) |0i = 0 ↠(k) |0i = |1(~k, α)i = ˆ 1 Photon (~k, α) α â†α1 (k1 )â†α2 (k2 ) |0i = |1(~k1 , α1 ), 1(~k2 , α2 )i 1 √ (â†α (k))2 |0i = |2(~k, α)i 2 ... usw. (2.49) (2.50) (2.51) (2.52) (2.53) Die Photonen stellen also die quantisierten Zustände des elektromagnetischen Feldes dar (auf diese Besetzungszahldarstellung werden wir in Kapitel 4 zurück kommen). 2.4. QUANTISIERUNG DES ELEKTROMAGNETISCHEN FELDES (HEURISTISCH) 21 Emission eines Photons: Wir betrachten nun wieder die Wechselwirkung des (nun quantisierten) elektromagnetischen Feldes mit einem durch Ĥ0 beschriebenen atomaren Bindungszustand. Unser Zustandsraum beinhalten nun aber neben den Eigenzuständen |ai von H0 (Atom) auch die Eigenzustände |n(~k, α))i von H0 (Photon), wobei wir der Einfachheit halber monochromatisches, polarisiertes Licht mit nur Photonen einer Mode betrachten.7 Unser Anfangszustand lautet also: |ai |n(~k, α)i |{z} | {z } Eigenzustand Eigenzustand von H0 (Photon, von H0 (Atom) monochromatisch) Im Endzustand habe sich der Eigenzustand des Atoms geändert, und die Anzahl der Photonen von n auf n + 1 erhöht (für Emission): |bi |(n + 1)(~k, α)i Wir berechnen nun wieder das Matrixelement des Wechselwirkungsterms, nun unter Be~ˆ t): rücksichtigung des Operatorcharakters von A(x, q ~ˆ t) · p~ˆ |n(~k, α)i |ai hb| h(n + 1)(~k, α)|A(x̂, m s Z q X d3 k ~ =− · m α0 (2π)3 20 ωk0 Vba (t) = − · (2.54) ~0 ˆ hb|eik ·~x ~α0 (k 0 ) · p~ˆ |ai e−iωk0 t h(n + 1)(~k, α)|âα0 (~k 0 )|n(~k, α)i + n ~ ˆ + hb|e−ik·~x ~∗α0 (k 0 ) · p~ˆ |ai eiωk0 t h(n + 1)(~k, α)|â†α0 (~k 0 )|n(~k, α)i , o (2.55) ~ˆ t) eingesetzt haben, und Operatoren, die auf wobei wir die quantisierte Darstellung von A(x̂, die Atomzustände wirken (x̂, p̂), von denen trennen, die auf die Photonzustände wirken (â, ↠). • Der erste Term in geschweiften Klammern ergibt Null, weil der Vernichter die Photonanzahl erniedrigt, â |ni ∼ |n − 1i, und hn + 1|n − 1i = 0. • Im zweiten Term erhalten wir einen Beitrag, wenn (~k, α) = (~k 0 , α0 ) ist: √ h(n + 1)(~k, α)|â†α0 (k 0 )|n(~k, α)i = (2π)3 δ (3) (k − k 0 ) δαα0 n + 1 √ wobei wir ↠|ni = n + 1 |n + 1i und die kontinuierliche Normierung der Photonzustände im Wellenzahlraum benutzt haben. Damit ergibt sich für das Matrixelements des Störpotentials der kompaktere Ausdruck q Vba (t) = − m s | ~ √ ~ ˆ n + 1 hb|e−ik·~x ~ ∗ · p~ˆ |ai eiωk t . 2ωk {z =|A ˆ 0 |/2 } Spezialfall: n = 0 → spontane Emission (klassisch nicht beschreibbar) 7 Anderenfalls müssten wir Produktzustände |n1 (~k1 , α1 )i |n2 (~k2 , α2 )i · · · betrachten. (2.56) 22 KAPITEL 2. ZEITABHÄNGIGE STÖRUNGSTHEORIE a ~ω b Für n > 0 erhalten wir stimulierte Emission a |ni |n + 1i b wobei das emittierte Photon für kohärentes Licht (d.h. alle |n(~k, α)i Photonen in der gleichen Mode) mit der gleichen Wellenzahl ~k und Polarisation α emittiert wird. - Amplitude für√spontane Emission (d.h. irgendein ~k mit |~k| = ω/c und irgendein α) proportial zu 0 + 1. √ - Amplitude für induzierte Emission ∝ n + 1 Absorption eines Photons Analog erhalten wir für Absorption q Vba (t) = − m s ~ √ ~ ˆ n hb|eik·~x ~ · p~ˆ |ai e−iωk t 20 ωk d.h. Pba ∝ n = Anzahl der einfallenden Photonen, wie zu erwarten. Kapitel 3 Streutheorie Streuprozesse spielen eine wichtige Rolle in der Untersuchung von Strukturen bei kleinen Abständen. Eine typische Situation für Streuprozesse in der QM sieht folgendermaßen aus: - Ein Teilchenstrahl der Sorte A - trifft ein Target (Teilchen der Sorte B) - und ein Detektor misst den abgelenkten Teilchenstrahl. Ein berühmtes Beispiel ist das Rutherford-Experiment (aus dem u.a. geschlossen wurde, daß die positive Ladung im Atomkern konzentriert ist). Um Strukturen bei kleinen Abständen aufzulösen, benötigen wir im Allgemeinen Teilchenstrahlen mit großem Impuls (wegen der Unschärferelation ∆x∆p ≥ ~/2). In der Teilchenphysik studieren wir insbesondere relativistische Stöße (d.h. die Produktion von neuen Teilchen C, D . . . gemäß ∆E = mc2 ) – relativistische Streuprozesse sind Gegenstand der Quantenfeldtheorie. Hier wollen wir uns im Folgenden auf nicht-relativistische Impulse und elastische Stöße beschränken (d.h. es gibt keinen Energieübertrag auf angeregte Zustände B ∗ ). elastisch: A + B → A + B inelastisch: A + B → A + B ∗ relativistisch: A + B → C + D + ... 23 (3.1) 24 KAPITEL 3. STREUTHEORIE 3.1 Wirkungsquerschnitt Detektor ~k Target B θ, ϕ z Teilchenstrahl A Zur Beschreibung des Streuprozesses ist es sinnvoll, Polarkoordinaten einzuführen x = r sin θ cos ϕ y = r sin θ sin ϕ z = r cos θ x2 + y 2 + z 2 = r 2 Nullpunkt bei Target B z-Achse entlang Teilchenstrahl A , , , so daß das Flächenelement vom Detektor r2 dΩ = r2 dϕ dθ sin θ ist. (θ: Polarwinkel, ϕ: Azimuthalwinkel) Experimentell bestimmt man den sogenannten differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ(θ, ϕ) Strom der in (θ, ϕ) gestreuten Teilchen 2 := ·r . dΩ Strom der einfallenden Teilchen (3.2) Der Wirkungsquerschnitt hat die Dimension einer Fläche, und eine übliche Einheit ist 1 barn ≡ 1 b = 10−24 cm2 (vgl. z.B. totaler Wirkungsquerschnitt am LHC: ∼ 100 mb). Theoretische Beschreibung: Wir approximieren das Target B als effektives (zeitunabhängiges) Potential – wir sprechen dann von “Potential-Streuung” – eine Annahme, die für elastische Stöße gerechtfertigt ist. Damit suchen wir eine Lösung der Schrödinger-Gleichung mit dem Hamiltonoperator Ĥ = Ĥ 0 |{z} Teilchenstrahl A p ~2 2m 3.2 + V̂ |{z} Target B z.B. CoulombPotential Lippman-Schwinger-Gleichung Ausgehend von Ĥ = Ĥ0 + V̂ wollen wir eine Selbstkonsistenz-Gleichung für die (stationären) Lösungen der Schrödingergleichung herleiten. • Dazu betrachten wir zunächst stationäre Lösungen von Ĥ0 Ĥ0 |φi = E |φi , d.h. insbesondere für freie Teilchen hx|φi ∼ e−i~p·~x/~ und E = p2 /2m. (3.3) 3.2. LIPPMAN-SCHWINGER-GLEICHUNG 25 • Für elastische Streuung suchen wir Lösungen von (Ĥ0 + V̂ ) |ψi = E |ψi ⇔ (E − Ĥ0 ) |ψi = V̂ |ψi (3.4) Wir möchten den Operator (E − Ĥ0 ) gerne invertieren, so daß |ψi = „(E − Ĥ0 )−1 “ V̂ |ψi Dieses Problem ist analog zur Matrixinvertierung in der Linearen Algebra, A·v =B·v ⇔ v = „A−1 “ · B · v + n wobei n ∈ Kern(A), d.h. A · n = 0. In unserem Fall gilt: Kern(E − Ĥ0 ) = |φi, denn die Lösungen von Ĥ0 erfüllen ja (E − Ĥ0 ) |φi = 0. Es bleibt aber noch zu klären, wie man die Pseudoinverse von (E − Ĥ0 ) bestimmt. Das Problem ist hierbei, daß die Energie E, bzw. das Spektrum von Ĥ0 , kontinuierlich ist. Für endlich dimensionale Matrizen wäre dagegen die Inverse einfach auf dem zum Kern von A komplementären Teilraum definiert, so daß „A−1 “ · A = diag(1, 1, ..., 1, 0, ..., 0 ). | {z } dim(Kern(A)) Wir verwenden nun einen mathematischen Trick (dessen physikalische Berechtigung weiter unten erläutert wird). Dazu führen wir einen kleinen Imaginärteil ein, via (E − Ĥ0 )−1 → (E − Ĥ0 + i)−1 , > 0. Damit hat der inverse Operator formal keine Polstellen auf der reellen Achse mehr. Wir werden am Ende der Rechnung dann wieder → 0+ setzen. Damit erhalten wir eine implizite Gleichung für |ψi, die sogenannte Lippmann-Schwinger– Gleichung: |ψi = (E − Ĥ0 + i)−1 V̂ |ψi + |φi Bemerkungen: – Dies ist zunächst nur eine selbst-konsistente Gleichung, d.h. sie liefert in dieser Form keine explizite Lösung für |ψi. – Allerding kann man für kleine Streupotentiale V̂ wieder (iterativ) eine Störungsreihe konstruieren (s.u.).1 1 Im Unterschied zur zeitunabhängigen Störungstheorie für gebundene Zustände mit diskreten Energieeigenwerten müssen wir uns hier aber noch die Konsequenzen der i-Vorschrift ausarbeiten. (3.5) 26 KAPITEL 3. STREUTHEORIE Ortsdarstellung der LS-Gleichung: Wenn wir die LS-Gleichung im Ortsraum betrachten, erhalten wir nach Projektion mit h~x| R und Einschieben von 1 = d3 x0 |~x0 i h~x0 |, ψ(~x) = h~x|ψi = h~x|φi + Z Z = φ(~x) + 0 0 d3 x0 h~x|(E − Ĥ0 + i)−1 |~x i h~x |V̂ |ψi 0 0 0 d3 x0 h~x|(E − Ĥ0 + i)−1 |~x i V (~x ) ψ(~x ) {z | ≡G(~ x,~ x0) (3.6) } 0 Dabei bezeichnet G(~x, ~x ) gerade die Greensche Funktion zum Differentialoperator (E − Ĥ0 + i) in der Ortsdarstellung, d.h. (E + ~2 ~2 ∇ 0 0 + i)G(~x, ~x ) = δ (3) (~x − ~x ) 2m (3.7) [allgemein: Differentialoperator σx G(x) = δ(x), dann erhält man spezielle Lösung der Differentialgleichung σx f (x) = j(x) durch Faltung Z fpart (x) = dy G(x − y)j(y) ] 0 Berechnung von G(~x, ~x ) in LS-Gleichung 0 Wir transformieren G(~x, ~x ) zunächst im Impulsraum (da dort Ĥ0 eine einfache Funktion von p~ ist) 0 d3 p d3 p0 0 0 0 h~x |~ p i h~ p |(E − Ĥ0 + i)−1 |~ p i h~ p |~x i (2π~)3 (2π~)3 Z 0 0 d3 p d3 p0 i~p·~x/~ 1 0 = e (2π~)3 δ 3 (~ p − p~ ) e−i~p ·~x /~ 3 3 (2π~) (2π~) E − Ĥ0 + i Z 3 0 d p 1 = , ei~p(~x−~x ) 3 (2π~) E − Ĥ0 + i Z G(~x, ~x ) = | {z (3.8) } G̃(~ p) wobei wir benutzt haben, dass der Operator (E − Ĥ0 + i) im Impulsraum nur Diagonalele0 mente (mit |~ p i = |~ p i) besitzt, und somit die d3 p0 –Integration trivial ist. Daraus sehen wir 0 0 insbesondere, daß G(~x, ~x ) ≡ G(~x − ~x ), und die Fourier-Transformierte G̃(~ p) nur von einer Impulsvariablen p~ abhängt. Dies ist eine Konsequenz der Translationsinvarianz von Ĥ0 . 3.2. LIPPMAN-SCHWINGER-GLEICHUNG 27 Wir berechnen das Fourier-Integral mittels Polarkoordinaten und verwenden Ĥ0 |~ pi = Z ∞ G(~r) = = = dϕ d cos θ −1 0 = Z 2π Z 1 dp p2 2π (2π~)3 Z ∞ 1 (2π~)2 Z ∞ 1 (2π~)2 Z ∞ 0 dp p2 0 eipr cos θ/~ 1 3 p (2π~) E − 2 + i 2m eipr/~ − e−ipr/~ 1 2 p ipr/~ E − 2m + i dp p eipr/~ − e−ipr/~ 1 p2 ir E − 2m + i dp p eipr/~ −2m 2 ir p − 2mE − i 0 −∞ p ~2 2m , peipr/~ √ (3.9) (p − 2mE − i0 )(p + 2mE + i0 ) −∞ √ wobei wir eine neue infinitesimale Größe 0 > 0 mit = 2mE 20 eingeführt und Terme der Ordnung (0 )2 vernachlässigt haben. Das verbleibende Integral lässt sich direkt mit dem Residuensatz auswerten. Da der Zähler für |p| → ∞ und Im[p] > 0 exponentiell abfällt, kann man den Integrationsweg in der oberen √ Halbebene schließen. Der Integrationsweg schließt die Polstelle z0 = 2mE + i0 ein. Der Residuensatz ergibt dann = 1 2mi (2π~)2 r G(~r) = Z ∞ √ dp 1 2mi lim (2π~)2 r R→∞ I dz γ(R) iz e 0 r/~ zeizr/~ (z + z0 )(z − z0 ) 1 2mi z0 2πi 2 (2π~) r 2z0 ikr 2m e =− 2 · ~ 4πr = √ (3.10) 0 mit k = 2mE und r = |~x − ~x |. Setzen wir das Ergebnis für die Greensche Funktion in die ~ LS-Gleichung ein, erhalten wir schließlich die gesuchte Ortsdarstellung der LS-Gleichung 0 2m ψ(~x) = φ(~x) − 2 ~ Z eik|~x−~x | d x V (x0 ) ψ(x0 ) 4π|~x − ~x 0 | 3 0 (3.11) Man kann diese Gleichung in den meisten Fällen noch etwas vereinfachen: • Dazu betrachten wir das asymptotische Verhalten für einen weit entfernten Detektor: |~x| a, wobei wir annehmen, daß das Streupotential nur eine endliche Reichweite hat, 0 0 die durch den Abstandsparameter a charakterisiert wird, d.h. V (~x ) ≈ 0 für |~x | > a. Dann können wir im Integranden bzgl. |x0 /x| entwickeln, 0 |~x − ~x | = p r2 − 2rr0 cos θ + r02 = r(1 − 2 ≈ r − r0 cos θ = r − ~x · ~x |~x| 1 r0 cos θ + ...) 2 r 0 (3.12) 28 KAPITEL 3. STREUTHEORIE 0 Im Nenner der Greenschen Funktion, 1/|~x − ~x | ≈ 1/r, nehmen wir nur den führenden Term mit. Im Phasenfaktor wollen wir die führende nicht-triviale Abhängigkeit von der Richtung von ~x berücksichtigen. Wir definieren dazu den Wellenzahlvektor ~k 0 in Richtung des Detektors ~k 0 = |~k| · ~x |~x| (3.13) so daß |~k 0 | = |~k| und ~k 0 k ~x. Dann gilt: 0 ~0 0 eik|~x−~x | ≈ eikr e−i k ·~x . und insgesamt erhalten wir die Näherung ψ(~x) ≈ φ(~x) − 2m eikr ~2 4πr Z ~0 0 0 0 d3 x0 e−ik ~x V (~x ) ψ(~x ) (3.14) In dieser Form beschreibt der zweite Term gerade eine vom Streuzentrum ausgehende Kugelwelle (Huygens’sches Prinzip). Die Stärke der Kugelwelle wird durch die sog. Streuamplitude f (~k, ~k 0 ) beschrieben, welche wir definieren über: eikr ~ Def.: ψ(~x) = eik~x + f (~k, ~k 0 ) · r (3.15) wobei die Streuamplitude dann gerade gegeben ist durch2 f (~k, ~k 0 ) = − 2m 1 ~2 4π Z ~0 0 0 0 d3 x0 e−i k ·~x V (~x ) ψ(~x ) = − 2m 1 ~ 0 · hk |V̂ |ψi . ~2 4π (3.16) Wir können jetzt den differentiellen Wirkungsquerschnitt durch die Streuamplitude ausdrücken: • Dazu benötigen wir die Stromdichte für eine gegebene Wellenfunktion ~ = ~ ~ − ψ ∇ψ ~ ∗ ). (ψ ∗ ∇ψ 2mi • Für Kugelwellen verwenden wir wieder Kugelkoordinaten: ~ = 1 ∂ψ ~eθ + 1 ∂ψ ~eϕ + ∂ψ ~er ∇ψ r ∂θ r sin θ ∂ϕ ∂r wobei für Kugelwelle nur registriert wird, als ∂ψ ∂r beiträgt. Daraus ergibt sich der Strom, welcher im Detektor ~ ∂ψ ∗ ∗ ∂ψaus = ψaus − ψaus aus 2mi ∂r ∂r ~er · ~aus (3.17) 0 In dieser Darstellung sehen wir auch, warum wir in der Entwicklung von |~ x−~ x | den Term mit k0 beibehalten haben, denn so ergibt sich die Streuamplitude gerade als einfaches Matrixelement des Streupotentials im Impuls- bzw. Wellenzahlvektorraum. 2 3.2. LIPPMAN-SCHWINGER-GLEICHUNG 29 ikr mit ψaus = f (~k, ~k 0 ) e r ⇒ ~er · ~aus ~k |f (k, k 0 )|2 1 = +O 3 . · 2 m r r r→∞ (3.18) • Für die einlaufende ebene Welle erhalten wir entsprechend direkt ~in = ~~k p~ = = ~v . m m (3.19) Mit der obigen Definition von dσ folgt der differentielle Wirkungsquerschnitt |f (~k, ~k 0 )|2 2 dσ · r = |f (~k, ~k 0 )|2 = dΩ r2 (3.20) welcher also einfach als Betragsquadrat der Streuamplitude gegeben ist. 3.2.1 Zur physikalischen Bedeutung des Vorzeichens von i Wir wollen nun noch eine physikalische Motivation für die Einführung der i-Vorschrift geben. Insbesondere stellt sich die Frage des Vorzeichens (Zur Erinnerung: in obiger Herleitung spielte das Vorzeichen von i eine Rolle bei der Anwendung des Residuensatz.) Wir betrachten dazu das Ausgangsproblem noch einmal unter dem Gesichtspunkt der zeitabhängigen Schrödingergleichung ∂ i~ − Ĥ0 |ψ(t)i = V̂ |ψ(t)i , ∂t t→−∞ wobei wir als Anfangsbedingung annehmen |ψ(t)i −−−−→ |φ(t)i, d.h. zu Zeiten in der fernen Vergangenheit (d.h. wenn der Teilchenstrahl noch nicht mit dem Target wechselwirkt) werden die Teilchen durch die freien Lösungen mit ∂ i~ − Ĥ0 |φ(t)i = 0 ∂t beschrieben. Die formale Lösung dieser Gleichung kann wieder mittels der Greenschen Funk∂ tion (diesmal für den Differentialoperator i~ ∂t − Ĥ0 ) konstruiert werden.3 ∂ i~ − Ĥ0 G+ (t, t0 ) = δ(t − t0 ) ∂t (3.21) Hierbei beschränken wir uns auf die sog. „retardierte Green-Funktion“ mit der Eigenschaft G+ (t, t0 ) = 0 für t < t0 . Grund hierfür ist das Kausalitätsprinzip: Das Potential (der inhomogene Term in der Differentialgleichung) darf ψ(t) nur nach der Wechselwirkung bei t0 beeinflussen. Die Lösung für G+ kann man direkt „raten“: G+ (t, t0 ) = 3 i 1 0 θ(t − t0 ) e− ~ Ĥ0 (t−t ) i~ Hierbei lassen wir die Ortsabhängigkeit erst einmal außen vor. (3.22) 30 KAPITEL 3. STREUTHEORIE weil ∂ ∂t θ(t − t0 ) = δ(t − t0 ). Damit ergibt sich für die Zeitabhängigkeit des gesuchten Zustands |ψ(t)i = |φ(t)i + = |φ(t)i + Z dt0 G+ (t, t0 ) V̂ |ψ(t0 )i Z t 1 − i Ĥ0 (t−t0 ) V̂ |ψ(t0 )i e ~ i~ dt0 −∞ (3.23) Wir wollen |ψ(t)i als ebene Welle idealisieren. Allerdings spürt |ψ(t)i das Potential auch bei t → −∞ (und ist somit zu keinem Zeitpunkt wirklich eine Lösung der Schrödingergleichung mit Ĥ = Ĥ0 + V̂ ). Als Ausweg aus diesem Widerspruch stellen wir uns vor, daß das Streupotential „adiabatisch“ eingeschaltet wird:4 0 V̂ → V̂ (t0 ) = lim V̂ · et /~ →0+ so daß ( 0 V̂ (t ) = für t0 = endlich, → 0+ für t0 → −∞, > 0 endlich V̂ 0 Wir wählen ohne Beschränkung der Allgemeinheit t0 = 0 und setzen das modifizierte Streupotential V̂ (t0 ) ein, und erhalten: |ψ(0)i = |φ(0)i + Z 0 dt0 −∞ t0 1 i Ĥ0 t0 e~ V̂ e ~ |ψ(t0 )i i~ (3.24) Wenn wir jetzt wieder für die Zeitabhängigkeit |ψ(t0 )i wie in der ursprünglichen Herleitung der Lippmann-Schwinger–Gleichung eine stationäre Lösung mit fester Energie i 0 |ψ(t0 )i = e− ~ Et |ψ(0)i (3.25) fordern, und dies oben einsetzen ergibt sich nach Integration über dt0 in der Tat |ψ(0)i = |φ(0)i + Z 0 dt0 −∞ |ψ(0)i = |φ(0)i + 3.3 1 − i (E−Ĥ0 +i)t0 e ~ V̂ |ψ(0)i i~ 1 V̂ |ψ(0)i E − Ĥ0 + i (3.26) (3.27) Optisches Theorem Das optische Theorem stellt einen Zusammenhang zwischen dem totalen Wirkungsquerschnitt und dem Imaginärteil der Vorwärts-Streuamplitude (~k 0 = ~k) her: Z σtot = 4 dσ 4π dΩ = Im[f (~k, ~k 0 = ~k)] dΩ k (3.28) Äquivalent könnte man auch argumentieren, daß der Teilchenstrahl keine ideale ebene Welle, sondern ein Wellenpaket mit endlicher Ausdehnung ∆L ist, welche aber viel größer ist als die Reichweite des Streupotentials. 3.3. OPTISCHES THEOREM 31 Das optische Theorem gilt ganz allgemein für dynamische Systeme, welche durch einen erhaltenen Strom beschrieben werden. In unserem Spezialfall können wir es direkt aus der Lippmann-Schwinger–Gleichung herleiten. Dazu schreiben wir den Imaginärteil aus 1 2m Im[f (~k, ~k)] = − Im h~k| 2 V̂ |ψi , 4π ~ (3.29) h~k| ≡ hφ| = hψ| − hψ| V̂ (E − Ĥ0 − i)−1 (3.30) und setzen aus der adjungierten Lippmann-Schwinger-Gleichung ein: h m ⇒ Im[f (~k, ~k)] = − Im 2π~2 {z | i 1 V̂ |ψi E − Ĥ0 − i − hψ|V̂ hψ|V̂ |ψi } (3.31) reell, weil V̂ hermitesch Um den Imaginärteil des 2. Terms zu bestimmen, brauchen wir die allgemeine Formel5 1 = E − Ĥ0 − i P.P. E − H0 {z | iπδ(E − H0 ) + | } Hauptwertintegral, reell {z (3.32) } Imaginärteil nur relevant für E = H0 Damit erhält man: m Im[f (~k, ~k)] = 2 hψ|V̂ δ(E − Ĥ0 ) V̂ |ψi 2~ (3.33) Die δ-Distribution mit Operator-wertigem Argument ist auf den Eigenzuständen von Ĥ0 5 Zur Definition des Hauptwertintegrals: Z P.P. dz f (z) := lim z − z0 η→0+ Z z0 −η Z ∞ + −∞ z0 +η f (z) z − z0 für Testfunktionen f (z), für die die rechte Seite existiert. D.h. Z dz f (z) = P.P. z − z0 ± i Z dz f (z) + z − z0 Z z0 +η dz z0 −η | f (z) z − z0 ± i {z (∗) } Für kleine η approximieren wir f (z) ≈ f (z0 ) in (∗) und erhalten so Z z0 +η ⇒ (∗) ' f (z0 ) dz z0 −η 1 z − z0 ± i η ± i = f (z0 ) ln −−−→ ∓iπf (z0 ) = ∓iπ −η ± i →0 Z dz δ(z − z0 ) f (z) 32 KAPITEL 3. STREUTHEORIE definiert, also m Im[f (~k, ~k)] = 2 2~ d3 k 0 hψ|V̂ (2π)3 Z |~k 0 i h~k 0 |V̂ |ψi δ(E − Ĥ0 ) | {z 2 2 2 } 0 2 (k ) k = δ( ~2m − ~ 2m ) m 0 = ~2 k δ(|k| − |k |) Z m2 k 2~4 (2π)3 k = · σtot 4π ~2 4π 2m = 3.4 dΩ hψ|V̂ |k i hk |V̂ |ψi 0 |k |=|k| !2 Z m2 k = · 2~4 (2π)3 ~0 ~0 dΩ |f (~k, ~k 0 )|2 # (3.34) Bornsche Näherung Wenn wir das Streupotential als kleine Störung des Teilchenstrahls betrachten, können wir wieder eine Störungsreihe zur Lösung der Lippmann-Schwinger-Gleichung konstruieren und daraus die Streuamplitude f (~k, ~k 0 ) approximativ berechnen. Man definiert dazu zunächst den sog. Übergangsoperator gemäß V̂ |ψi ≡ T̂ |φi , (3.35) so daß f (~k, ~k 0 ) ∝ hk 0 |V̂ |ψi ≡ hk 0 |T̂ |ki Die LS-Gleichung kann man dann umschreiben. Dazu multiplizieren wir die gesamte Gleichung zunächst von links mit V̂ und erhalten: V̂ |ψi = V̂ |φi + V̂ (E − Ĥ0 + i)−1 V̂ |ψi ⇒ T̂ |φi = V̂ |φi + V̂ (E − Ĥ0 + i)−1 T̂ |φi (3.36) Da {|φi} einen vollständigen Satz von Basiszuständen bilden, können wir daraus die Operatoridentität T̂ = V̂ + V̂ (E − Ĥ0 + i)−1 T̂ (3.37) ableiten. Aufgelöst nach dem Übergansoperator T̂ ergibt das h T̂ = 1 − V̂ (E − Ĥ0 + i)−1 i−1 V̂ . (3.38) Diesen Ausdruck können wir jetzt wieder formal in V̂ entwickeln und erhalten die sog. “Bornsche Reihe” T̂ = V̂ + V̂ (E − Ĥ0 + i)−1 V̂ + ... (3.39) Aus der Störungsreihe für den Übergangsoperator erhält man die entsprechende Reihe für die Streuamplitude f (~k, ~k 0 ) = ∞ X n=1 f (n) (~k, ~k 0 ) (3.40) 3.4. BORNSCHE NÄHERUNG 33 mit 1. Bornscher Näherung 1 2m ~ 0 ~ 1 2m f (1) (~k, ~k 0 ) = − hk |V̂ |ki = − 2 4π ~ 4π ~2 Z 0 ~0 ~ 0 d3 x0 e−i(k −k)~x V (~x ) (3.41) welche gerade die Fourier-Transformierte des Streupotentials repräsentiert; und 2. Bornscher Näherung 1 2m ~ 0 f (2) (~k, ~k 0 ) = − hk |V̂ (E − Ĥ0 + i)−1 V̂ |~ki 4π ~2 etc. (3.42) Anmerkung: Ein Kriterium für die Konsistenz der Bornschen Näherung ist, daß die Abweichung von der Lösung ~ ψ(~x) von φ(~x) = eik~x tatsächlich eine Korrektur darstellt, d.h. daß betragsmäßig |ψ(~x) − φ(~x)| |φ(~x)| = 1 Mit der LS-Gleichung im Ortsraum übersetzt sich dies in: 0 2m Z i~ k|~ x−~ x | 0 0 3 0 e i~ k~ x ! d x V (~x ) e 1 2 ~ 4π|~x − ~x 0 | (3.43) Ob das Kriterium im konkreten Fall gilt, hängt also ab von - Stärke des Potentials - Reichweite des Potentials - Teilchenstrahlenergie - Teilchenmasse Beispiele für Streupotentiale Häufig betrachten wir rotationssymmetrische Potentiale, d.h. V (~x) = V (r = |~x|). Dann definieren wir den Impulsübertrag ~q = ~k − ~k 0 mit ~k 0 q 2 = |~k − ~k 0 |2 = k 2 − 2kk 0 cos θ + k 02 = 2k 2 · (1 − cos θ) θ = 4k 2 · sin2 2 ~q θ ~k (3.44) In diesem Fall erhält man für die Fourier-Tranformation des Streupotentials Z 3 i q~·~ r d re Z ∞ V (r) = 2π 2 r dr = 2π 0 d cos θ0 eiqr cos θ 0 −1 0 Z ∞ 4π = q Z 1 1 iqr (e − e−iqr ) r2 dr iqr Z ∞ rdr V (r) sin(qr) 0 (3.45) 34 KAPITEL 3. STREUTHEORIE bzw. f (1) 2m 1 (q) = − 2 ~ q Z ∞ rdr V (r) sin(qr) (3.46) 0 1. Streuung am Yukawa-Potential: Das Yukawa-Potenial ist gegeben durch V (r) = V0 · e−µr r (µ > 0) (3.47) Dann ergibt die Fourier-Transformation (→ Übung) f (1) (q) = − 2mV0 1 2 2 ~ q + µ2 (3.48) und daraus ergibt sich der differentielle Wirkungsquerschnitt.6 #2 " 2mV0 1 dσ (1) = 2 2 2 dΩ ~ 4k sin 2θ + µ2 (3.49) Die Winkelintegration dΩ = dϕ sin θ dθ läßt sich ausführen und man erhält (→ Übung) (1) σtot = 2mV0 ~2 2 4π + µ4 (3.50) 4k 2 µ2 2. Streuung am Coulomb-Potential: Für µ → 0 ergibt sich aus dem Yukawa-Potential das Coulomb-Potential V (r) = V0 1 r (3.51) (z.B. mit V0 = Z Z 0 e2 für Streuung zweier Kerne Z und Z 0 ). Der differetielle Wirkungsquerschnitt in Bornscher Näherung liefert tatsächlich das (richtige) klassische Resultat für die Rutherford-Streuung #2 " dσ (1) 2m 1 = ZZ 0 e2 2 2 2 dΩ ~ 4k sin θ 2 " ZZ 0 e2 = 4E #2 1 sin4 θ 2 (3.52) 6 Für k2 µ2 dominiert der winkelunabhängige Term, und man erhält isotrope Streuung in alle Richtungen. Für k2 µ2 dominiert der 1/ sin4 θ2 -Term und die Streuung erfolgt hauptsächlich in Vorwärtsrichtung (sin θ2 = 0 ⇔ θ = 0 für θ ∈ (−π, π) 3.4. BORNSCHE NÄHERUNG 35 Allerdings ist das Zwischenergebnis für die Streuamplitude inkorrekt, weil unsere Annahme, daß das Potential räumlich beschränkt ist, nicht mehr erfüllt ist (im Gegensatz zum Yukawa-Potential, wo reff ∼ µ1 ). Das richtige Ergebnis für f (q) enthält als Auswirkung der langreichweitigen Wechselwirkung eine zusätzliche sog. Coulomb-Phase (siehe z.B. die Diskussion in Sakurai, Kap. 7.13). 3. Modifikation: In (elektrisch neutralen) Atomen ist das Coulomb-Potenial des Atomkerns bei großen Abständen von der Elektron-Ladungsverteilung abgeschirmt: ⇒ V (~x) ≈ 0 für |x| > rAtom (Bohrradius) Das Gesamtpotential läßt sich dann schreiben als ZZ 0 e2 V (~x) = − r Z d3 x0 Z 0 e2 0 ρe (~x ) |~x − ~x 0 | (3.53) mit der normierten Elektronladungsdichte Z 0 0 d3 x0 ρe (~x ) ≡ Z (3.54) 0 und ρe (~x ) ≈ 0 für |~x | > rAtom . Wir können V (~x) auch schreiben als Faltung mit einer Gesamt-Ladungsverteilung Z d3 x V (~x) = 0 0 0 mit ρtot (~x ) = Z δ (3) (~x ) − ρe (~x ) und Z 0 e2 0 x ) 0 ρtot (~ |~x − ~x | (3.55) R 3 0 d x ρtot (~x) = 0. Damit berechnet sich die Streuamplitude in 1. Bornscher Näherung zu f (1) (~q) = − 2m ~2 Z d3 r Z d3 x0 ei q~·~r Z 0 e2 0 ρtot (~x ) |~r − ~x 0 | (3.56) Wir können nun erst das d3 r-Integral ausführen (wie bereits weiter oben, mit der Substitution 0 ~r → ~r + ~x ) Z ei q~·~r ei q~·~x d r 0 = |~r − ~x | q2 0 3 (3.57) Daraus lesen wir die Streuamplitude ab: ⇒f (1) 2m ZZ 0 e2 1 1− (~q) = − 2 2 ~ q Z | Z 3 0 0 i~ q~ x 0 d x ρl (x )e {z F (~ q) (3.58) } wobei wir den sog. Formfaktor F (~q) eingeführt haben. Für den differentiellen Wirkungsquerschnitt erhalten wir somit dσ dσ = · |F (~q)|2 (3.59) dΩ dΩ Punktteilchen • d.h. Formfaktor F (~q) = Fouriertransformation der (ggf. normierten) Ladungsverteilung • F (~q) gibt Aufschluß über innere Struktur von ausgedehnten (Ladungs-, ...) Verteilungen. • F (q 2 = 0) = Gesamtladung 36 KAPITEL 3. STREUTHEORIE 3.5 Partialwellenanalyse Für rotationssymmetrische Potentiale läßt sich die Streuamplitude noch vereinfachen, wenn man die Eigenzustände des Drehimpulsoperators benutzt. • Für V (~x) = V (r = |~x|) und |φi = |~k = k~ez i ist das Problem invariant unter Änderung des Azimuthalwinkels ϕ ⇒ ψ(~x) = ψ(r, θ) und f (~k, ~k 0 ) = f (k, cos θ) Aus QM I wissen wir weiterhin, daß für [Ĥ, L̂i ] = 0 die Wellenfunktion faktorisiert ψ(~x) = Rkl (r) · Ylm (θ, ϕ) | {z } | {z } Radialanteil Kugelflächenfunktionen Kugelflächenfunktionen Wir wiederholen kurz noch einige Eigenschaften der Kugelflächenfunktionen. Diese sind gegeben durch die Matrixelemente Ylm (θ, ϕ) = hθϕ|lmi mit Drehimpulseigenzuständen |lmi ~ 2 |lmi = ~2 l(l + 1) |lmi , L L̂z |lmi = ~m |lmi (3.60) wobei die Drehimpulsquantenzahl die Werte l = 0, 1, ... annimmt, und die magnetische Quantenzahl entsprechend m = −l, ..., l erfüllt. • Es gilt die Orthogonalitätsrelation: hlm|l0 m0 i = δll0 δmm0 = Z ∗ dΩ Ylm (θ, ϕ) Yl0 m0 (θ, ϕ) (3.61) • In unserem Fall (unabhängig von ϕ) benötigen wir lediglich s Ylm=0 (θ)) = 2l + 1 · Pl (cos θ) 4π (3.62) wobei Pl (cos θ) die sog. Legendre-Polynome sind, und als Basis für die θ-Abhängigkeit der Wellenfunktion und der Streuamplitude verwendet werden können. Es gilt wieder eine Orthogonalitätsrelation: Z 1 −1 d cos θ Pl (cos θ) Pl0 (cos θ) = 2 δll0 2l + 1 (3.63) An den Endpunkten erfüllen die Legendre-Polynome gerade: Pl (1) = 1, Pl (−1) = (−1)l . 3.5. PARTIALWELLENANALYSE 37 Wir entwickeln nun die Streuamplitude in sog. Partialwellen mit l = 0, 1, .., ∞ f (~k, ~k 0 ) = f (k, θ) = ∞ X (2l + 1) fl (k) Pl (cos θ) (3.64) l=0 Dabei ist der Normierungsfaktor (2l + 1) Konvention, und die Koeffizienten fl (k) bezeichnen die Amplitude der jeweiligen Partialwelle. Für große Abstände (weit entfernter Detektor) gilt dann also ψk (r, θ) = eikz + f (k, θ) eikr r mit der obigen Partialwellenentwicklung für f (k, θ). Wir entwickeln nun noch entsprechend die ebene Welle eikz = eikr cos θ in Partialwellen: ikr cos θ e ≡e iρ cos θ ≡ ∞ X al (ρ) · Pl (cos θ) , (3.65) l=0 wobei wir als Abkürzung die dimensionslose Größe ρ = (kr) eingeführt haben. Die Koeffizienten al (ρ) können unter Ausnutzung der Orthogonalitäts-Relation bestimmt werden: al (ρ) = 2l + 1 2 Z 1 −1 dξ Pl (ξ) eiρξ (3.66) Die Integrale liefern gerade (bis auf einen Vorfaktor) die sog. sphärischen Besselfunktionen al (ρ) = (i)l (2l + 1) jl (ρ) z.B. j0 (ρ) = sin ρ/ρ j1 (ρ) = sin ρ/ρ2 − cos ρ/ρ j2 (ρ) = (3 − ρ2 ) sin ρ/ρ3 − 3 cos ρ/ρ2 (3.67) Für große ρ (r → ∞, k fest) verhalten sich diese wie ρ→∞ jl (ρ) −−−→ 1 π sin(ρ − l ) ρ 2 (3.68) d.h. eikz → = ∞ X π 1 (i)l (2l + 1) sin(ρ − l ) Pl (cos θ) ρ 2 l=0 ∞ X π eil 2 (2l + 1) l=0 = ∞ X l=0 (2l + 1) 1 iρ−il π −iρ+il π2 2 − e (e ) Pl (cos θ) 2iρ 1 iρ (e − e−i(ρ−lπ) ) Pl (cos θ) 2iρ (3.69) 38 KAPITEL 3. STREUTHEORIE Fassen wir nun die Zerlegung von f (k, θ) und eikz zusammen, erhalten wir die Partialwellenzerlegung der Wellenfunktion für große Abstände r→∞ ψ(r, θ) −−−→ ∞ X ( (2l + 1) Pl (cos θ) l=0 1 iρ eikr (e − e−i(ρ−lπ) ) + fl (k) 2iρ r ) (3.70) wobei wir die Terme in geschweiften Klammern gerade als Koeffizienten der Partialwellenentwicklung von ψ auffassen: e−i(kr−lπ) eikr − + (1 + 2ik fl (k)) r r 1 ψl (k) ≡ {...} = 2ik ! (3.71) d.h. die Anwesenheit des Streupotentials bewirkt für eine gegebene Partialwelle gerade, daß ikr der Vorfaktor für e r gegenüber dem Fall mit V̂ = 0 (d.h. fl (k) = 0) verändert wird von 1 → 1 + 2ik fl (k) ≡ Sl (k) ≡ 1 + i · Tl (k) wobei wir die Partialwellen Sl des sog. Streuoperators Ŝ, sowie die Partialwellen Tl des Übergangsoperators T̂ (s.o.) eingeführt haben. Allgemein gilt dabei der Zusammenhang Ŝ = 1 + iT̂ . (3.72) Unitarität und Streuphase Gesamtzahl der durch eine Oberfläche ein- und auslaufenden Teilchen hebt sich auf. Eine physikalisch einsichtige Eigenschaft unseres (nicht-relativistischen) Streuexperiments ist, daß (im betrachteten stationären Fall) die Gesamtzahl der Teilchen, die von außen in ein gedachtes Volumen (z.B. einer Kugel) eintreffen gleich der Anzahl der aus dem Volumen wieder austretenden (gestreuten oder ungestreuten) Teilchen ist, siehe obige Skizze. Mathematisch fassen wir das zusammen als Z ~ · d~s = 0 ∂S Kugeloberfläche d.h. es gilt die Kontinuitätsgleichung 2 ~ = − ∂|ψ| = 0 ∇~ ∂t (stationäre Lösung!) (3.73) 3.5. PARTIALWELLENANALYSE 39 ~ i erhalten ist, stellt l eine gute Quantenzahl dar, d.h. Da für unseren Fall der Drehimpuls L die Kontinuitätsgleichung gilt für jede Partialwelle ψl separat. Insbesondere müssen also für ψl (r) = al eikr + bl e−ikr die Koeffizienten vor der einlaufenden und auslaufenden Kugelwelle betragsmäßig gleich sein, |al | = |bl |. Vergleich mit der obigen Definition des Streuoperators liefert dann also |Sl (k)| ≡ 1 (allgemein Ŝ ist unitär: Ŝ Ŝ † = 1) was gleichbedeutend ist mit der Darstellung von Sl (k) durch eine Streuphase Sl (k) = e2iδl (k) mit δl (k) ∈ R (3.74) Damit kann man die Streuamplitude für eine Partialwelle auch schreiben als fl (k) = e2iδl (k) − 1 1 = eiδl (k) sin δl (k) 2ik k (3.75) Setzen wir diese Darstellung wieder in die asymptotische Lösung für ψl (k) ein, erhalten wir 1 (−e−i(kr−lπ) + e2iδl (k) eikr ) 2kri 1 π = eiδl (i)l sin(kr − l + δl ) kr 2 ψl (k) = (3.76) was zu vergleichen ist mit den Koeffizienten der Partialwellenzerlegung für die ebene Welle al (k) (s.o.). Anmerkungen: • Zur Berechnung der Streuphase muß man natürlich immer noch die radiale Schrödinger-Gleichung (für festes l) lösen. Das Ergebnis läßt sich allgemein als Linearkombination von sphärischen Besselfunktionen jl (ρ) und der Neumannfunktionen nl (ρ) schreiben. • Für kleine Werte von k kann man die Streuphase entwickeln. Für Potentiale mit endlicher Reichweite dominiert dann die Partialwelle mit l = 0 (s-Wellenstreuung) mit δ0 (k) = −kas + O(k 3 ) und der Streulänge as (allgemein: δl (k) ∝ k 2l+1 , siehe Übung). Für die entsprechende Partialwelle der Streuamplitude ergibt sich dann ⇒ f0 (k, θ) = 1 k→0 sin δ0 (k) eiδ0 (k) −−−→ −as k (3.77) und der differentielle Wirkungsquerschnitt ist einfach gegeben durch dσ ≈ |as |2 dΩ d.h. für kleine Energien ergibt sich ein konstanter isotroper Wirkungsquerschnitt. (3.78) 40 KAPITEL 3. STREUTHEORIE Resonanzen Der Beitrag der l-ten Partialwelle zum totalen Wirkungsquerschnitt lautet σl = 4π 2l + 1 sin2 δl (k) . k2 (3.79) Dieser wird offensichtlich maximal, wenn 1 π δl (k0 ) = n + 2 (n ∈ Z) Falls diese implizite Gleichung eine reelle Lösung für k0 hat, sprechen wir von einer Resonanz bei k = k0 . Um das Verhalten in der Nähe der Resonanz zu studieren, entwickeln wir die Streuamplitude um k = k0 1 1 1 fl (k) = eiδl (k) sin δl (k) = , k k cot δl (k) − i d cot δl (k) ≈ cot δl (k0 ) +(k − k0 ) · cot(δl (k)) | {z } dk k=k0 und (3.80) =0 üblicherweise benutzt man die Energie anstelle der Wellenzahl k, dann ergibt sich durch Variablensubstitution 2 cot δl (k) ≈ − (E − E0 ) Γ wobei wir die Breite der Resonanz definiert haben Γ = −2 · d cot δl dE E=E0 !−1 . (3.81) Setzen wir die Näherung in die Definition der Streuamplitude ein, erhalten wir: fl (E = ~2 k 2 1 Γ/2 )≈− 2m k E − E0 + iΓ/2 (E ≈ E0 ) (3.82) und daraus die sog. Breit-Wigner-Formel für den Partialwellenbeitrag zum Wirkungsquerschnitt σl ' 4π (2l + 1) (Γ/2)2 k 2 (E − E0 )2 + (Γ/2)2 (3.83) σl σlmax σlmax = 4π (2l + 1) k02 Γ = Breite der Resonanz E0 3.5. PARTIALWELLENANALYSE 41 Interpretation: Die Partialwellenamplitude fl (E) wird singulär für E = E0 − iΓ/2. Wenn wir uns erinnern, daß der Nenner der Streuamplitude ursprünglich aus dem Operator (Ĥ0 + V̂ +i)−1 resultiert, entspricht diese Situation also gerade einer formalen Lösung der Schrödinger-Gleichung mit komplexem Eigenwert (beachte: Mit der i-Vorschrift haben wir nur die Pole auf der reellen Achse umgangen). Effektiv erhalten wir so eine Zeitabhängigkeit der Resonanzlösungen: i i Γt e− ~ Et = e− ~ E0 t e− 2~ (3.84) Die Resonanz im WQ kann somit interpretiert werden als meta-stabiler Zustand, der mit einer Lebensdauer τ = 2~/Γ exponentiell mit der Zeit zerfällt (aber kein stabiler Bindungszustand der Schrödingergleichung ist). Die Streuphase im Bereich der Resonanz ergibt sich aus: δl (k) ' tan −1 Γ/2 − E − E0 −1 + tan (0 ) = 0 , π/2 , = tan−1 (0− ) = π , E − E0 Γ/2 , E − E0 ≈ 0 , E − E0 Γ/2 (3.85) δl π π 2 je kleiner Γ, desto schneller wechselt δl von 0 nach π s E0 E Wir fassen zusammen: ⇒ Ausgeprägte Maxima im Wirkungsquerschnitt lassen auf meta-stabile Zustände schließen. ⇒ Die Breite Γ ist ein Maß für die (inverse) Lebensdauer. dσ läßt auf die relevante Partialwelle Pl (cos θ) schließen. ⇒ Die Winkelabhängigkeit dΩ → Damit können wir den Resonanzen eine eindeutige Drehimpulsquantenzahl l zuordnen. [Ein bekanntes Anwendungsbeispiel sind die hadronischen Resonanzen (z.B. ρ-Mesonen) welche in hadronischen Streuquerschnitten beobachtet werden. Aus der Form und Winkelverteilung des Wirkungsquerschnitt schließt man auf Energie (=Masse), Lebensdauer und Drehimpulsquantenzahl des Hadrons.] Streuamplitude und Bindungszustände 2 2 k Bisher hatten wir Streulösungen mit positiver Energie E = ~2m ≥ 0, gegeben durch die Wellenzahl des einlaufenden Teilchenstrahls, k ≥ 0, betrachtet. Die asymptotischen Lösungen 42 KAPITEL 3. STREUTHEORIE für die Partialwellen (festes l) ψl (k, r) = 1 (−1)1−l e−ikr + Sl (k) eikr 2ikr hatten wir durch ein- und auslaufende Kugelwellen ausgedrückt. Wir stellen im folgenden einen Zusammenhang mit den Bindungszuständen der Schrödingergleichung (Ĥ0 + V̂ ) |ψi = E |ψi mit E < 0 her. • Startpunkt ist die Beobachtung, daß die Schrödinger-Gleichung analytisch ist. Damit können wir formal den Parameter k, der in den Streulösungen die Wellenzahl charakterisiert, analytisch fortsetzen ⇒ k = iκ mit κ > 0. ⇒ Setzen wir dies in die Lösung für die Partialwellen ein, erhalten wir formal ψl (k = iκ, r) = − 1 (−1)1+l eκr + Sl (iκ) e−κr 2κr (3.86) • I.A. wird die Funktion Sl (iκ) endlich sein, und die so erhaltene Wellenfunktion ist nicht normierbar, wegen des exponentiellen Anstiegs mit eκr für große r. In diesem Fall beschreibt Ψl (iκ, r) also keinen physikalischen Bindungszustand. • Wenn dagegen für einen bestimmten Wert κ0 die Streuamplitude divergiert, Sl (iκ0 ) → ∞, dann dominiert der Term mit e−κr und 1 ψl (k = iκ0 , r) = const · e−κ0 r r (3.87) ist normierbar. In diesem Fall haben wir einen Bindungszustand gefunden und schließen demnach (siehe auch konkretes Beispiel in der Übung): ⇒ Bindungszustände = Pole von Sl (k) auf positiv imaginärer Achse 3.6 (3.88) Inelastische Streuung Wir hatten bisher angenommen, daß das Target durch ein (konstantes) Potential beschrieben wird und insbesondere selbst keine (für das Streuexperiment) relevante Struktur aufweist. Dies ändert sich, wenn wir die inelastische Streuung an einem Target betrachten, welches selbst durch einen Bindungszustand beschrieben wird (also ein Objekt mit innerer Struktur darstellt). Z.B. e− + Atom → Atom∗ + Nukleon Nukleon + Atomkern → Atomkern∗ + Nukleon wobei der Stern andeutet, daß sich das Atom nach der Reaktion in einem angeregten Bindungszustand befindet (in relativistischer Streuung könnten wir auch Teilchensorten umwandeln, s.o.). Theoretische Beschreibung: 3.6. INELASTISCHE STREUUNG 43 Zusätzlich zur bisherigen Betrachtung müssen wir den Hamiltonoperator ĤB berücksichtigen, der den gebundenen Zustand des Targets (in Abwesenheit des Projektilstrahls) beschreibt. Also setzen wir für den Gesamt-Hamiltonian an: Ĥ = Ĥ ĤM + 0 |{z} 2 p ~ für 2m Projektil V̂ |{z} + |{z} p ~2 i + VB (~ xj ) für 2mi i = 1, ..., Z Teilchen im Targetsystem Wechselwirkung zw. Projektil und Target V = V (~ x, ~ xi ) wobei wir mit ~x die Koordinaten des Projektils und mit ~xi die Koordinaten der Konstituenten des Targets bezeichnen. Wenn wir asymptotisch den Einfluß des Wechselwirkungspotentials V̂ vernachlässigen, können wir Projektil und Target unabhängig betrachten, d.h. die freien Lösungen ergeben sich einfach aus dem Tensorprodukt der Lösungen von Ĥ0 und ĤB , ~ h~x, ~xi |φi = h~x|~ki h~xi |ni ≡ eik~x ϕn (~xi ) (3.89) wobei n die Quantenzahl des Bindungszustands darstellt. Völlig analog zum elastischen Fall erhalten wir dann für die Streulösung ψ~kn r→∞ = ϕn (~xi ) e i~k~ x 0 ! X eik r eikr fnn (~k, ~k 0 ) + ϕn0 (~xi ) fnn0 (~k, ~k 0 ) + r r n0 6=n (3.90) • Der erste Term bezeichnet dabei den elastischen Anteil, d.h. die Wellenfunktion des Targets ϕn (~xi ) bleibt unverändert, und das Projektil wird wie oben durch die einlaufende ebene Welle und die gestreute Kugelwelle beschrieben. • Der zweite Summand beschreibt den inelastischen Beitrag, d.h. das Target ist vom Zustand |ni in den Zustand |n0 i gewechselt, und wird nun durch ϕn0 (~xi ) beschrieben. Die auslaufende Kugelwelle bekommt einen zusätzlichen Beitrag, welcher durch die Streuamplitude fnn0 (~k, ~k 0 ) beschrieben wird. Hierbei ist zu beachten, daß aufgrund der Enegieerhaltung 2m |k 0 |2 = |k|2 − 2 (En0 − En ) ~ (inelastischer Anteil = Energie wird an Bindungszustand übertragen). (3.91) • Wir definieren wieder den Impulsübertrag: q 2 = |~k 0 − ~k|2 = |~k|2 + |~k 0 |2 − 2|~k||~k 0 | cos θ ( 0 2 0 = (|k| − |k |) + 2kk (1 − cos θ) = > 0 für inelastisch ≥ 0 für elastisch (3.92) Der inelastische Beitrag zur Streuamplitude ergibt sich wie vorher aus dem Übergangsmatrixelement des Wechselwirkungspotentials: 2m 1 2m 1 fnn0 (~k, ~k 0 ) = − 2 hn0~k 0 |V̂ |ψn~k i ' − 2 hn0~k 0 |V̂ |n~ki ~ 4πZ ~ 4π m ~ ~0 =− d3 x ei(k−k )~x hn0 |V̂ |ni 2π~2 Z Z Y z m 3 i(~k−~k0 )~ x =− d x e d3 xi ϕ∗n0 (~xi )V (~x, ~xi )ϕn (~xi ) (3.93) 2π~2 i=1 44 KAPITEL 3. STREUTHEORIE Bei der Berechnung des inelastischen Wirkungsquerschnitt müssen wir noch aufpassen, daß sich der Fluß der auslaufenden Welle wegen |~k 0 | = 6 |~k| verändert hat: dσ = dΩ |~k 0 | |~k| |{z} Fluß der auslaufenden Welle ∝ |~k0 | 6= |~k| · |fnn0 (~k, ~k 0 )|2 | {z } für gegebenen Übergang |ni → |n0 i (3.94) Kapitel 4 Vielteilchensysteme und Besetzungszahlformalismus 4.1 Ununterscheidbare Teilchen Ein wichtiger Aspekt bei der Behandlung von Vielteilchensystemen in der Quantenmechanik ist die Ununterscheidbarkeit von identischen Teilchen. Als Vorüberlegung betrachen wir z.B. die Streuung von 2 Elektronen: 2 1 a) b) 1 2 1 Detektor 2 Detektor • Klassisch korrespondieren die skizzierten unterschiedlichen Flugbahnen mit unterschiedlichen Anfangsbedingungen. Deshalb könnten wir die Fälle (a) und (b) eindeutig unterscheiden. • In der Quantenmechanik gibt es dagegen keine Möglichkeit, a) und b) zu unterscheiden, wenn Teilchen 1 und 2 in allen unveränderlichen Eigenschaften übereinstimmen! ⇒ Die theoretische Beschreibung muß die in a) und b) skizzierte Situation gleichberechtigt behandeln (d.h. die beiden Fälle werden durch die gleiche quantenmechanische Wahrscheinlichkeitsamplitude repräsentiert). Als veränderliche Eigenschaften von Teilchen in der Quantenmechanik bestimmen wir dabei z.B.: Ort ~x, Impuls p~, Spineinstellung ms , Energie E, . . . 45 46 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Unveränderliche Eigenschaften der Teilchen1 sind dagegen z.B.: Masse m, elektrische Ladung q, Spinbetrag s, ... Wir können also allgemein verallgemeinerte Basisvektoren einführen, |qi = |~x, ms ; ni mit n = {m, s, q, ...} (n) und für 1-Teilchenzustände schreiben ψ(q) ≡ hq|ψi = ψms (~x) und 0 hq|q 0 i = δ (3) (~x − ~x ) δms m0s δnn0 Der Index n in dieser Schreibweise charakterisiert also die Teilchensorte, so daß für n = n0 identische, und demnach ununterscheidbare, Teilchen betrachtet werden (meistens schreibt man den Index n aber nicht mit, wenn aus dem Kontext klar ist, welche Teilchensorte gerade betrachtet wird). Betrachten wir z.B. 2 identische Teilchen, dann besteht der zugehörige Hilbertraum aus dem direkten Produkt der jeweiligen 1-Teilchen-Hilberträume: Hges = H1-Teilchen ⊗ H1-Teilchen Den Austausch der Rollen von Teilchen 1 und 2 können wir formal durch den (unitären) Permutationsoperator beschreiben, dessen Wirkung auf den Basiszuständen |q1 q2 i von H1 ⊗ H2 definiert ist: P̂12 |q1 q2 i ≡ |q2 q1 i (4.1) P̂12 ψ(q1 , q2 ) = ψ(q2 , q1 ) (4.2) bzw. auf 2-Teilchenwellenfunktionen: Das obige Beispiel der 2-Elektron-Streuung zeigt: • Keine quantenmechanische Messung einer Observablen Ô kann die Wellenfunktion ψ(q1 , q2 ) und P̂12 ψ = ψ(q2 , q2 ) unterscheiden, also insbesondere ! † hP12 ϕ|Ô|P12 ψi = hϕ|P12 ÔP12 |ψi = hϕ|Ô|ψi ⇒ [P̂12 , Ô] = 0. (4.3) D.h. physikalische Observablen kommutieren mit dem Permutationsoperator P̂12 , z.B. Ĥ = p̂21 p̂2 + 2 + V (x1 ) + V (x2 ) + W (|x1 − x2 |) 2m 2m . 1 Allgemeiner erhalten wir unveränderliche Eigenschaften von Teilchen aus dem Wert des sog. Casimiroperators von fundamentalen Symmetrien. Dies sind zum Einen die Poincaré-Symmetrie der RaumzeitTransformationen (deren Casimiroperatoren die unveränderlichen Eigenschaften Masse und Spin definieren). Zum Anderen identifiziert man sog. innere Symmetrien, deren Casimiroperatoren z.B. die elektrische Ladung definieren. Der Wert des Casimir-Operators ändert sich dabei bei Symmetrietransformationen nicht. Dieses Thema wird im Rahmen der Quantenfeldtheorie weiter beleuchtet. 4.1. UNUNTERSCHEIDBARE TEILCHEN 47 • Desweiteren müssen die Zustände |ψi und P12 |ψi linear abhängig sein, ansonsten hingen Wahrscheinlichkeitsaussagen davon ab, welche Linearkombination von |ψi und P12 |ψi man benutzt. Wir können also allgemein schreiben ⇒ P12 |ψi = α |ψi (4.4) mit |α| = 1, da P12 ja als unitär angenommen wurde. Weil P12 P12 = 1 (nach Definition) ist P12 aber auch hermitesch, d.h. die Eigenwerte α sind auch reell. Demnach gibt es nur 2 Möglichkeiten: ⇒ P12 |ψi = ± |ψi . Für positives Vorzeichen erhält man symmetrische Wellenfunktionen, für negatives Vorzeichen gerade anti-symmetrischen Wellenfunktionen. Spin-Statistik-Theorem Das Spin-Statistik–Theorem formuliert einen Zusammenhang zwischen dem Vorzeichen der Teilchenstatistik und dem Spin des Teilchens: • Teilchen mit ganzzahligem Spin (s = 0, 1, ...) heißen Bosonen und haben symmetrische Wellenfunktionen. • Teilchen mit halbzahligem Spin (s = 21 , 32 , ...) heißen Fermionen und haben antisymmetrische Wellenfunktionen. Das Theorem kann im Rahmen der Quantenfeldtheorie bewiesen werden. Eine unmittelbare Folge ist • Paulis Auschließungsprinzip: 2 Fermionen können nicht in genau gleichem Zustand sein. Die Aussagen können direkt auf N -Teilchen–Zustände verallgemeinert werden, P̂σ |q1 ...qN i = |qσ(1) ...qσ(N ) i (4.5) wobei wir Permutationen der Teilchenindizierungen mit σ(i) bezeichnet haben. Wir unterscheiden • gerade Permutation (gerade Anzahl von Vertauschungen): sign(σ) = +1 • ungerade Permutation (ungerade Anzahl von Vertauschungen): sign(σ) = −1 Damit können wir formal einen Symmetrisierungsoperator definieren: 1 X Ŝ+ |ψi ≡ √ Pσ |ψi N! σ (4.6) bzw. einen Antisymmetrisierungsoperator: 1 X Ŝ− |ψi ≡ √ sign(σ)Pσ |ψi N! σ (4.7) 48 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Im Falle des Antisymmetrierungsoperators kann man das Ergebnis auch als sog. Slaterdeterminante schreiben: |q1 i1 . . . |q1 iN 1 .. Ŝ− |ψi = Ŝi |q1 · · · qN i = √ det ... . N! |qN i1 . . . |qN iN (4.8) wobei die Indizes an den Ket-Vektoren die Position im Produktraum bestimmen. Z.B. erhält man so einen antisymmetrischen 2-Teilchenzustand (N = 2) via 1 1 Ŝ− |ψi = √ (|q1 i1 |q2 i2 − |q1 i2 |q2 i1 ) ≡ √ (|q1 q2 i − |q2 q1 i) 2 2! 4.2 Besetzungszahlformalismus (aka „2. Quantisierung“) Für die folgenden Betrachtungen von Vielteilchensystemen erweist es sich als hilfreich, die Hilberträume für Systeme mit verschiedener Teilchenzahl (N = 0, 1, 2, . . .) zusammenzufassen. Dies hat den Vorteil, daß wir Teilchenerzeugungs- und Vernichtungsoperatoren definieren können, die formal zwischen den Hilberträumen mit N und N ± 1 Teilchen vermitteln. Dazu definieren wir den sog. Fockraum als Vereinigung (direkte Summe) der Hilberträume für kein Teilchen, 1 Teilchen, 2 Teilchen, usw. HF = H0 ⊕ H1 ⊕ H2 ⊕ ... • Der Basiszustand von H0 ist das „Vakuum“ (kein Teilchen) |Ωi = |φVakuum i • Die Basiszustände von H1 sind die 1-Teilchenzustände |qα i (α = 1, 2, ...) [Wir nehmen hier zunächst eine Basis mit diskreten Zuständen an; die Verallgemeinerung zu kontinuierlichen Basiszuständen, z.B. im Orts- oder Impulsraum, erfolgt weiter unten.] • Die Basiszustände von H2 sind die 2-Teilchenzustände |qα i |qβ i (also vom Produktraum H1 ⊗ H2 )). usw. Einschub: Direktes Produkt und direkte Summe von Vektorräumen. • Produktraum: Wir betrachten 2 Vektorräume H1 und H2 . Für |φ1 i : Vektor aus H1 |φ2 i : Vektor aus H2 definieren wir das direkte Produkt |φ1 i |φ2 i ≡ |φ1 φ2 i ∈ H1 ⊗ H2 mit dem Skalarprodukt hχ1 χ2 |φ1 φ2 i = hχ1 |φ1 i hχ2 |φ2 i . 4.2. BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS (AKA „2. QUANTISIERUNG“) 49 Speziell läßt sich eine Orthonormalbasis in H1 ⊗ H2 aus den ONB der einzelnen Vektorräume konstruieren: ONB: {|v1k v2l i} 0 0 so daß hv1k v2l |v1k v2l i = δkk0 δll0 . Die Vollständigkeitsrelation lautet entsprechend X |v1k v2l i hv1k v2l | = 1 bzgl. H1 ⊗ H2 k,l Operatoren auf dem Produktraum sind definiert durch ihre Wirkung auf H1 bzw. H2 als L̂ |φ1 φ2 i = (L̂1 ⊗ L̂2 ) |φ1 φ2 i ≡ |L̂1 φ1 i |L̂2 φ2 i In einer gegebenen ONB lautet die Matrixdarstellung eines Operators also 0 0 Lk0 l0 ,kl = hv1k v2l |L̂|v1k v2l i Die Dimension des Produktraums ergibt sich demnach durch Multiplikation der Teilraumdimensionen dim(H1 ⊗ H2 ) = (dimH1 ) · (dimH2 ) . Beispiele für Zustände aus Produkträumen sind 3-dimensionale Ortseigenzustände |~xi = |x1 i |x2 i |x3 i, Orts- und Spin-Eigenzustände |~x, ms i = |~xi |ms i, 2-Teilchen-Eigenzustände |q1 q2 i = |q1 i |q2 i. (Quantenmechanische Erwartungswerte auf Produkträumen entsprechen demnach bedingten Wahrscheinlichkeiten, d.h. wir fragen z.B. nach der Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen am Ort ~x und mit einer Spineinstellung ms zu finden.) • Summe von Vektorräumen: Wir betrachten 2 disjunkte Vektorräume H1 und H2 Für |φ1 i : Vektor aus H1 |φ2 i : Vektor aus H2 definieren wir die direkte Summe als Linearkombination |φi = α |φ1 i + β |φ2 i ∈ H1 ⊕ H2 wobei hφ2 |φ1 i ≡ 0 für alle φ1 ∈ H1 und φ2 ∈ H2 . Speziell läßt sich eine Orthonormalbasis in H1 ⊕ H2 aus den ONB der einzelnen Vektorräume konstruieren: ONB: {|v1l i , |v2k i} Die Vollständigkeitsrelation lautet dann X X |v1k i hv1k | + |v2l i hv2l | = 1 bzgl. H1 ⊕ H2 k l Für die Matrixdarstellung eines Operators benötigen wir die Matrixelemente i hv1 |L̂|v1j i hv1i |L̂|v2l i hv2k |L̂|v1j i hv2k |L̂|v2l i Die Dimension des Summenraums ergibt sich demnach durch Addition der Teilraumdimensionen dim(H1 ⊕ H2 ) = (dimH1 ) + (dimH2 ) . (Im Falle z.B. des Fockraums fragen wir also i.A. nach Wahrscheinlichkeiten kein Teilchen oder 1 Teilchen in einem bestimmten Zustand oder 2 Teilchen in bestimmten Zuständen oder . . . zu finden.) 50 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Besetzungszahldarstellung Da wir für ununterscheidbare Teilchen nicht entscheiden können, welches Teilchen sich in einem bestimmten Zustand befindet, reicht es aus anzugeben, wieviele Teilchen nα sich im Zustand |qα i befinden. Wir können also die Zustände vollständing charakterisieren durch die Angabe eines Satzes von Besetzungszahlen {nα } = {n1 , n2 , . . .}. Insbesondere ergibt die Summe über alle nα die Gesamtteilchenzahl N : n1 = 0, 1, 2, ... n2 = 0, 1, 2, ... .. . Bosonen: n1 = 0, 1 n2 = 0, 1 .. . Fermionen: X nα ≡ N (4.9) α X nα ≡ N (4.10) α Wir schreiben den entsprechenden Zustand wieder als |ψ~n i = |n1 n2 ...i und konstruieren manifest symmetrische bzw. antisymmetrische Kombinationen mittels der Symmetrisierungsbzw. Antisymmetrisierungsoperatoren, ( |ψ~n i ∝ Ŝ+ Ŝ− ) |q1 i ... |q1 i |q2 i ... |q2 i ... | {z n1 -mal }| {z n2 -mal } Die Fockzustände |ψ~n i sind orthogonal und können normiert werden, so daß hn01 n02 ...|n1 n2 ...i = δn1 n01 δn2 n02 ... Der Normierungsfaktor ergibt sich aus den möglichen Permutationen von Teilchen im gleichen 1-Teilchen-Basiszustand zu2 1 √ √ √ n1 ! · n2 ! · n3 ! · ... (für Fermionen erhält man stets 1, wegen 0! = 1! = 1). Beispiel: |n1 n2 n3 i = |012i 1 1 X =√ √ √ ·√ · Pσ |q2 q3 q3 i 0! 1! 2! 3! σ 1 = √ (|q2 q3 q3 i + |q3 q2 q3 i + |q3 q3 q2 i + |q2 q3 q3 i + |q3 q2 q3 i + |q3 q3 q2 i) 12 1 = √ (|q2 q3 q3 i + |q3 q2 q3 i + |q3 q3 q2 i) 3 hn1 n2 n3 |n1 n2 n3 i = 1 X 2 Manchmal wird der Faktor auch in die Definition von Ŝ+ absorbiert. 4.2. BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS (AKA „2. QUANTISIERUNG“) 51 Erzeuger und Vernichter Wir können Operatoren definieren, die zwischen den Hilberträumen Hn und Hn−1 vermitteln (d.h. auf HF definiert sind) Bosonen: • Wir definieren Vernichtungsoperatoren analog zum 1-dim. harmonischen Oszillator âα |n1 n2 ...nα ...i ≡ √ nα |n1 n2 ...(nα − 1)...i (4.11) Insbesondere ergeben die Vernichtungsoperatoren angewandt auf den Vakuumzustand Null, âα |Ωi = 0. • Aus der Orthogonalität erhalten wir: hn01 n02 ...|âα |n1 n2 ...i = √ nα δn1 n01 δn2 n02 ...δ(nα −1)n0α ... (4.12) Durch Adjungieren und Umbenennung der Indizes, δn0α ,(nα −1) = δ(n0α +1),nα ergibt sich daraus hn1 n2 ...|â†α |n01 n02 ...i = q n0α + 1δn1 n02 ...δ(n0α +1)nα ... und somit für die adjungierten Operatoren (Erzeugungsoperatoren) √ â†α |n1 n2 ...nα ...i ≡ nα + 1 |n1 n2 ...(nα + 1)...i (4.13) (4.14) • Aus dem Vergleich mit dem harmonischen Oszillator folgen daraus die üblichen Vertauschungsrelationen [aβ , a†α ] = δαβ [aα , aβ ] = [a†α , a†β ] = 0 , und (4.15) und der gesamte Fock-Raum kann konstruiert werden durch Anwendung der entsprechenden Erzeugungsoperatoren auf das Vakuum, |n1 n2 ...i = √ Y 1 √ (a†α )nα |Ωi ...(a†2 )n2 (a†1 )n1 |Ωi = N n1 ! n2 !... α (4.16) • Als Verallgemeinerung des einzelnen harmonischen Oszillators können wir den Teilchenzahloperator definieren als N̂ = a†α aα (4.17) nα |~ni ≡ N |~ni (4.18) X α mit N̂ |n1 n2 ...i = X α Wir bemerken noch, daß für nicht-relativistische (abgeschlossene) Systeme die Teilchenzahl N erhalten ist, also insbesondere [Ĥ, N̂ ] = 0 gelten muß. 52 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Fermionen: • Wie oben definieren wir das Vakuum: |Ωi, welches von allen Vernichtungsoperatoren annihiliert wird. • Einen 1-Teilchenzustand erhalten wir wiederum durch Anwenden des fermionischen Erzeugungsoperators b†α |Ωi ≡ |1α i . (4.19) • Für 2-Teilchenzustände ist jetzt allerdings die Reihenfolge wichtig, denn: 1 √ (|qα qβ i − |qβ qα i) ≡ |1α 1β i 2 1 = − √ (|qβ qα i − |qα qβ i) ≡ − |1β 1α i 2 (4.20) Legen wir uns auf eine Reihenfolge fest durch die Definition |1α 1β i ≡ b†β b†α |Ωi = − |1β 1α i ≡ −b†α b†β |Ωi (4.21) folgt daraus, daß die fermionischen Erzeugungsoperatoren anti-kommutieren, d.h. den Antivertauschungsrelationen b†β b†α + b†α b†β ≡ {b†β , b†α } = 0 , {bβ , bα } = 0 (4.22) genügen. Insbesondere gilt damit (b†α )2 = 0, d.h. wir können keine 2 Fermionen im gleichen Zustand erzeugen, was gerade richtig das Pauli-Prinzip widerspiegelt. • Entsprechend ergeben sich für die verbleibenden Fälle auch Antivertauschungsrelationen (→ Übung). Z.B. erhält man b†α bα |...nα ...i = nα |...nα ...i bα b†α |...nα ...i = −(nα − 1) |...nα ...i (4.23) woraus {bα , b†α } = 1 und allgemein {bα , b†β } = δαβ folgt. Darstellung von Operatoren auf dem Fock-Raum: Behauptung: “Jeder Operator auf HF läßt sich durch Erzeuger- und Vernichter ausdrücken.” (4.24) 4.2. BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS (AKA „2. QUANTISIERUNG“) 53 Zur Begründung führen wir den Begriff des sog. N -Teilchen-Operators ein, welcher von den relevanten Größen (Ort, Impuls, Spin, . . . ) für jeweils N Teilchen abhängt: Ô = Ô(xi1 , pi1 , σi1 ; ...; xiN , piN , σiN ) Ein 1-Teilchenoperator (für Bosonen) wirkt dann z.B. auf dem 1-Teilchen-Hilbertraum H1 , d.h. hängt von den Koordinaten, Impulsen, Spinfreiheitsgraden, etc. von jeweils nur einem Teilchen ab, gemäß Â1 = Â1 (~x, p~, ~σ ) • Wir bilden nun Matrixelemente bezüglich einer Orthonormalbasis |λi i von H1 Aij = hλi |Â1 |λj i ⇔ Â1 = X Aij |λi i hλj | (4.25) ij • Für das gesamte N -Teilchensystem wirkt der Operator jeweils auf einem 1-TeilchenTeilraum und nimmt demnach dann folgende Gestalt an:  = X ij Aij N X k=1 |λi ik hλj |k = | {z } Operator auf HN = ⊗N H1 N X Â1 (xk , pk , σk ) (4.26) k=1 wobei wir definiert haben: |λi ik hλj |k ≡ 1 ⊗ ... ⊗ |λi i hλj | ⊗... ⊗ 1 (4.27) | {z } k-te Stelle – Betrachten wir zum Beispiel den Operator für die kinetische Energie, für ein 2-Teilchensystem (N = 2) von freien Teilchen in einer Box (mit periodischen Randbedinungen). Dies ist ein p2 1-Teilchenoperator Â1 = 2m . Als Basiszustände können wir |λi i = |ki i mit ki = 2π/L · ni wählen. Die Matrixlemente lauten dann Aij = hki | p̂2 ~2 ki2 |kj i = δij 2m 2m und obige Darstellung des Operators auf dem 2-Teilchenraum wird zu 2 2 X ~2 k 2 p̂ p̂ i  = (|ki i hki | ⊗ 1 + 1 ⊗ |ki i hki |) = + 2m 2m 2m 1 2 i was gerade der Summe der kinetischen Energien für Teilchen 1 und Teilchen 2 entspricht. • Nachdem wir die Wirkung des 1-Teilchenoperators auf dem N-Teilchen-Produktraum P erklärt haben, betrachten wir nun die Wirkung des Operators N k=1 |λi ik hλj |k auf Basiszuständen des Fockraums N X k=1 |λi ik hλj |k |n1 ...ni ...nj ...i = X k |λi ik hλj |k √ 1 √ Ŝ+ |λi1 ...λiN i n1 ! n2 !... mit dem oben definierten Symmetrisierungsoperator Ŝ+ für Bosonen summiert über alle Permutationen der Basiszustände von HN , |λi1 i ... |λiN i, und dem Normierungsfaktor mit den Multiplizitäten der 1-Teilchenzustände. Wir machen zunächst folgende Beobachtungen: 54 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS – Der oben definierte Operator k |λi ik hλj |k ist manifest symmetrisch bezüglich Permutationen, d.h. er kommutiert mit Ŝ+ . P – Die Wirkung auf die Produktraumzustände X |λi ik hλj |k |λi1 ...λiN i k erzeugt dann gerade nj Terme, bei denen an der entsprechenden Stelle |λj i durch |λi i ersetzt wird. Dazu ein Beispiel: X3 k=1 |λ1 ik hλ2 |k |λ1 λ2 λ2 i = (|λ1 i hλ2 | ⊗ 1 ⊗ 1) |λ1 λ2 λ2 i + + (1 ⊗ |λ1 i hλ2 | ⊗ 1) |λ1 λ2 λ2 i + + (1 ⊗ 1 ⊗ |λ1 i hλ2 |) |λ1 λ2 λ2 i = 0 + |λ1 λ1 λ2 i + |λ1 λ2 λ1 i – Wenn wir danach wieder den Symmetrisierungsoperator anwenden, erhalten wir somit Ŝ+ X |λi ik hλj |k |λi1 ...λiN i (4.28) k √ = n1 · · · q (ni + 1)! · · · q (nj − 1)! · · · · nj |n1 ...(ni + 1)...(nj − 1)...i , (4.29) wobei wir beachten müssen, daß sich die Multiplizitäten ni und nj geändert haben. • Insgesamt ergibt sich also XN k=1 s |λi ik hλj |k |n1 ...ni ...nj ...i s (ni + 1)! (nj − 1)! = nj |n1 ...(ni + 1)...(nj − 1)...i ni ! nj ! q √ = (ni + 1) nj |n1 ...(ni + 1)...(nj − 1)...i = â†i âj |n1 ...ni ...nj ...i (4.30) wobei die letzte Gleichung aus der Standarddefinition der Erzeuger und Vernichter folgt (s.o.). Anmerkung: • In der Herleitung hatten wir implizit i 6= j angenommen. Für i = j ist die Rechnung allerdings noch einfacher, da die Besetzungszahl nicht verändert wird, d.h. N X |λi ik hλi |k |n1 ...ni ...i = ni |n1 ...ni ...i = â†i âi |n1 ...ni ...i k=1 in Übereinstimmung mit obiger Formel. 4.2. BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS (AKA „2. QUANTISIERUNG“) 55 Da |n1 ...ni ...nj ...i eine vollständige Basis des Fockraum ist, gilt also für die Operatoren selbst N X |λi ik hλj |k = â†i âj (4.31) k=1 und zwar unabhängig vom Wert N (!) [man beachte, daß in obiger Gleichung die Indizes i, j die Basiszustände des 1-Teilchen-Hilbertraums durchnummerieren]. Damit gilt allgemein für 1-Teilchenoperatoren die Darstellung auf dem Fockraum  = N X A1 (~xk , p~k , ~σk ) = X Aij â†i âj (4.32) ij k=1 mit Aij = hλi |A1 (~x, p~, ~σ )|λj i. Analog können wir (bosonische) 2-Teilchenoperatoren behandeln, 0 0 Â2 (~x, p~, ~σ ; ~x , p~ , ~σ 0 ) z.B. ein Potential V (|~x1 − ~x2 |)). Die elementaren Matrixelemente sind nun in H2 definiert: Aij,kl ≡ hλi λj |Â2 |λk λl i (4.33) Dann erhält man:  = 1 2 X A2 (~xα , p~α , ~σα ; ~xβ , p~β , ~σβ ) = α6=β α,β∈{1...N } 1XX Aij,kl |iiα |jiβ hk|α hl|β 2 ij,kl α6=β (4.34) Die Wirkung des dyadischen Operators auf dem Fock-Raum ergibt sich analog zu oben (→ Übung) |iiα |jiβ hk|α hl|β = â†i â†j âk âl X (4.35) α6=β d.h. wir erhalten die allgemeine Darstellung3 für 2-Teilchenoperatoren auf dem Fock-Raum:  = 1X Aij,kl â†i â†j âl âk 2 ij,kl (4.36) Die Verallgemeinerung auf N -Teilchen Operatoren ist evident. Wir fassen kurz die Vorteile der Besetzungszahldarstellung mittels Erzeuger/Vernichter zusammen: - Die Darstellung der Operatoren ist unabhängig von der konkreten Teilchenzahl N (diese kommt erst durch Bildung von Matrixelementen auf einem N-Teilchen-Teilraum von HF ins Spiel). 3 Wir haben hier die Reihenfolge von âl und âk , welche ja stets kommutieren, vertauscht. Mit dieser Reihenfolge gilt die Darstellung auch für Fermionen. 56 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS - Kennt man die elementaren Matrixelemente Aij , Aij,kl , dann ergibt sich die mit der Symmetrisierung verbundene Kombinatorik für N identische Teilchen automatisch aus der Algebra der âα und â†α . Für Fermionen können wir die Diskussion analog führen, allerdings ist hier wieder die Reihenfolge der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren relevant. Man findet die folgende Darstellung von fermionischen 1- und 2-Teilchenoperatoren:  = 1-Teilchen-Operator X Aij b̂†i b̂j (4.37) i,j  = 2-Teilchen-Operator 1X Aij,kl b̂†i b̂†j b̂l b̂k 2 ij,kl (4.38) wobei im 2. Term die Reihenfolge von b̂l und b̂k zu beachten ist! 4.3 Feldoperatoren Bisher hatten wir abzählbare Basiszustände |λi i angenommen, um Vielteilchenzustände zu beschreiben. Im Folgenden betrachten wir nun explizit die Orts- oder Impulsdarstellung mit Basiszuständen, die durch kontinuierliche Parameter definiert sind. Zusammen mit eventuellen Spin-Freiheitsgraden ms und weiteren Quantenzahlen n, die die Teilchensorte spezifizieren, schreiben wir: |qi = |~x, ms ; ni und ϕi (q) ≡ hq|λi i |pi = |~ p, ms ; ni und ϕ̃i (p) ≡ hp|λi i Für die Integration/Summation führen wir die Kurzschreibweise ein Z s X dq ≡ Z Z 3 d x, s X dp ≡ ms =−s Z ms =−s d3 p (2π~)3 Für einen beliebigen Basiswechsel (mit diskreten Indices) |kj i = X hλi |kj i |λi i (4.39) i können wir Erzeuger und Vernichter bezüglich der neuen Basis erhalten via P hλ |k i ↠Pi i j ∗ i i hλi |kj i âi erzeugt vernichtet ) Teilchen im Zustand |kij Verallgemeinern wir dies speziell auf die Orts- oder Impulsdarstellung, erhalten wir so neue Operatoren: hλi |qi â†i = X i i X hq|λi i âi = X Ψ̂† (q) ≡ X Ψ̂(q) ≡ i i ϕ∗i (q) â†i , ϕi (q) âi (4.40) 4.3. FELDOPERATOREN 57 mit ϕi (q) der Wellenfunktion zum Zustand |λi i, bzw. im Impulsraum X X ˜ Ψ̂† (p) ≡ hλi |pi â†i = ϕ̃∗i (p)â†i , i i X X ˜ Ψ̂(p) = hp|λi ai = ϕ̃i (p) âi . i (4.41) i Die Operatoren Ψ̂(q) = Ψ̂ms (~x) werden als Feldoperatoren bezeichnet (da sie wie z.B. das elektromagnetische Feld Funktionen vom Ort sind, und gleichzeitig aufgrund des Auftretens von âi , â†i Operator-wertig sind). Man beachte, daß in dieser Darstellung • ~x (oder p~) das Argument einer Funktion (eines Feldes) aber kein Operator mehr ist, da es ja über die Schrödinger-Wellenfunktion ins Spiel kommt. • die Operatorwertigkeit über Erzeuger/Vernichter definiert ist. Die so definierten Feldoperatoren haben konzeptionell die gleichen Eigenschaften, die wir bei der heuristischen Diskussion in Kapitel 2 den quantisierten elektromagnetischen Feldoperatoren zugeordnet haben. Im letzten Fall sind wir von klassischen Feldern ausgegangen und haben die Fourierkoeffizienten zu Erzeugern/Vernichtern gemacht. Daraus resultierte die Interpretation der quantisierten Moden des elektromagnetischen Feldes als Photonen. In diesem Kapitel sind wir explizit von quantenmechanischen Vielteilchensystemen ausgegangen, die wir mit obiger Darstellung äquivalent auch durch quantisierte (Teilchen-)Felder beschreiben können. (Historisch, aber nicht unbedingt sprachlich korrekt, bezeichnet man diesen Schritt manchmal auch als “2. Quantisierung”). Folgende Tabelle fasst diesen Zusammenhang nochmal skizzenhaft zusammen: Teilchen (z.B. Elektronen) ↓ Vielteichensyteme Besetzungszahldarstellung ↓ Feldoperatoren Ψ̂(~x) Felder (z.B. elmg. Potential) ↓ Fourierzerlegung ↓ Fourier-Koeffizienten = Erzeuger/Vernichter ↓ Photonen (Teilchen) quantisierte Moden des elmg. Feldes ϕi (~x) ← Lösung der QM Schrödingergleichung („2. Quantisierung“) ~ x) ← Lösung der klass. Maxwellgl. A(~ → Â(~x) quantisiertes em-Feld 58 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Aus den Vertauschungsrelationen der ursprünglichen Vernichter/Erzeuger für diskrete Zustände, âα , â†α , folgen entsprechende Relationen für die Feldoperatoren4 : [Ψ̂(q), Ψ̂(q 0 )]∓ = 0 , [Ψ̂† (q), Ψ̂† (q 0 )]∓ = 0 , 0 [Ψ̂(q), Ψ̂† (q 0 )]∓ = δ(q − q 0 ) = δ (3) (~x − ~x )δms m0s δnn0 0 ˆ (p), Ψ̃ ˆ † (p0 )] = δ(p − p0 ) = (2π~)3 δ (3) (~ [Ψ̃ p − p~ )δms m0s δnn0 . ∓ (4.42) Dabei folgen die homogenen Vertauschungsrelationen trivial. Für die letzten beiden Relationen hat man [Ψ̂(q), Ψ̂† (q 0 )]∓ = X ϕ∗i (q)ϕj (q 0 ) [âi , â†j ]∓ = ij X ϕ∗i (q)ϕi (q 0 ) = δ(q − q 0 ) (4.43) i | {z } δij wobei wir im letzten Schritt die Vollständigkeit der Wellenfunktionen ϕi (q) benutzt haben (analog im Impulsraum). Die Interpretation der Feldoperatoren lautet nun: ˆ † (~ Ψ̃ p) Ψ̂† (~q) erzeugt ein Teilchen im Zustand |~ pi mit bestimmtem Impuls, erzeugt ein Teilchen im Zustand |~qi an einem bestimmten Ort. und ˆ † (~ Ψ̃ p) = Z i d3 x e ~ p~·~x Ψ̂† (~q) d.h. Feldoperatoren im Orts- bzw. Impulsraum hängen wie üblich durch Fouriertransformation zusammen. 4.3.1 Bewegungsgleichung für Feldoperatoren Wir betrachten einen allgemeinen Hamiltonoperator für ein N -Teilchensystem mit einem externen Potential U und einer 2-Teilchen-Wechselwirkung V : Ĥ = N X p̂i 2 i=1 |2m + U (~xi , ~σi ) {z } 1-Teilchen-Operator + 1X V̂ (~xi , ~σi , ~xj , ~σj ) {z } 2 i6=j | (4.44) 2-Teilchen-Operator • Gemäß unserer Überlegung oben können wir dies auch durch Erzeuger/Vernichter (der diskreten Eigenzustände) ausdrücken: Ĥ = X ij + 4 hλi | p̂ 2 + U (~x, ~σ )|λj i · â†i âj + 2m 1X 0 hλi λj |V (~x, ~σ , ~x , ~σ 0 )|λk λl i · â†i â†j âl âk 2 ij,kl (4.45) Dies funktioniert sowohl für Fermionen als auch für Bosonen, wobei jeweils Kommutatoren [ , ] ≡ [ , ]− oder Anti-Kommutatoren { , } ≡ [ , ]+ zu verwenden sind. 4.3. FELDOPERATOREN 59 • Wiederum führen wir den Basiswechsel auf Feldoperatoren im Ortstraum durch (entspricht wieder dem Einschieben von Ortseigenzuständen) Z Ĥ = + dq dq 0 hq| 1 2 Z p̂ 2 + U (~x, ~σ )|q 0 i Ψ̂† (q)Ψ̂(q 0 )+ 2m 0 dq dq 0 dq 00 dq 000 hqq 0 |V (~x, ~σ , ~x , ~σ 0 )|q 00 q 000 i Ψ̂† (q)Ψ̂† (q 0 )Ψ̂(q 000 )Ψ̂(q 00 ) (4.46) • Auswerten der Ortsraummatrixelemente ergibt Z Ĥ = 1 + 2 ! ~2 ~ 2 ∇ + U (q) Ψ̂(q)+ dq Ψ̂ (q) − 2m † Z dq dq 0 Ψ̂† (q)Ψ̂† (q 0 )V (q, q 0 )Ψ̂(q 0 )Ψ̂(q) (4.47) (alternativ können wir auch dies auch durch die Fourier-transformierten Feldoperatoren im Impulsraum Ψ̃(p) ausdrücken). Weitere Operatoren, die wir auf diese Weise umschreiben können, sind z.B. (Übung): • Teilchendichte: n̂(~x) = N X δ(x̂α − ~x) = X Ψ̂†ms (~x) Ψ̂ms (~x) ms α=1 • Spindichte: ŝ(~x) = N X δ(x̂α − ~x) · ~sˆα = X ms ,m0s α=1 Ψ̂†m0s (~x) Ψ̂ms (~x) hm0s |~sˆ |ms i Wir wollen nun aus der Darstellung des Hamiltonoperators Bewegungsgleichungen für die Feldoperatoren herleiten. Dazu betrachten wir das Heisenberg-Bild, d.h. die Basiszustände |n1 , n2 , ...i sind zeitunabhängig und die Operatoren â, ↠, Ψ̂, Ψ̂† zeitabhängig. Behauptung: Für den obigen Hamiltonoperator erfüllen die Feldoperatoren folgende Bewegungsgleichung, die „Schrödinger-Feldgleichung“ genannt wird: ∂ i~ Ψ̂(q, t) = ∂t ! ~2 ~ 2 − ∇ + U (q) Ψ̂(q, t) + 2m Z dq 0 Ψ̂† (q 0 , t)V (q, q 0 )Ψ̂(q 0 , t)Ψ̂(q, t) Beweis: Allgemein gilt für das Heisenbergbild: Ψ̂(q, t) = eiĤt/~ Ψ̂(q, 0) e−iĤt/~ und i~ ∂ Ψ̂(q, t) = [Ψ̂(q, t), Ĥ] = −eiĤt/~ [Ĥ, Ψ̂(q, 0)] e−iĤt/~ ∂t (4.48) 60 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS d.h. zum Beweis müssen wir den Kommutator [Ĥ, Ψ̂(q, 0)] ausrechnen (als Abkürzung bezeichnen wir im Folgenden Ψ̂(q, 0) ≡ Ψ̂(q)). Dazu benutzen wir die allgemeine Relation [AB, C] = A[B, C]± ∓ [A, C]± B Für den 1-Teilchen Beitrag in Ĥ erhalten wir somit: Z " dq 0 Ψ̂† (q 0 ) Z = ! ! # ~2 ~ 2 − ∇ + U (q 0 ) Ψ̂(q 0 ) , Ψ̂(q) 2m ! ~2 ~ 2 dq (∓1)[Ψ̂ (q ), Ψ̂(q)]± − ∇ + U (q 0 ) Ψ̂(q 0 ) {z } | 2m 0 † 0 =−δ(q−q 0 ) ! ~2 ~ 2 ∇ + U (q) Ψ̂(q) =− − 2m X (4.49) wobei wir verwendet haben, dass [∇2 Ψ, Ψ] = 0 gilt, da beide Operatoren jeweils nur Vernichter beinhalten. Den Beitrag des 2-Teilchenoperators beweist man analog (→ Übung). Die Besetzungszahldarstellung und der Formalismus mit Feldoperatoren haben vielseitige Anwendungen in der Physik, auf die wir in dieser Vorlesung nur teilweise eingehen werden. 4.4 N -Fermionen-Systeme (N 1) Wir diskutieren im Folgenden noch ein paar wichtige Eigenschaften und Aspekte von Vielteilchensystemen mit Fermionen. • Wir betrachten zunächst nicht-wechselwirkende (Spin- 21 ) Fermionen. Wir denken uns dazu N (ansonsten freie) Fermionen im Volumen V = L3 eingesperrt (mit V groß, N/V = ρ fest, und periodischen Randbedingungen). Die 1-Teilchenzustände sind dann charakterisiert durch diskrete Impulsvektoren p~ = ~~k, ki = 2π ni , L ni ∈ Z und zwei Spin-Einstellungen ms = ± 12 , d.h. |~ p, ms i = Ψ̃†ms (~ p) |Ωi . Wenn wir das Volumen formal gegen unendlich streben lassen, werden die Impulseigenwerte kontinuierlich. • Wir können jetzt die Zustände abzählen: – 1 Impulswert „belegt“ im Impulsraum eine „Zelle“ der Größe ∆kx ∆ky ∆kz mit ∆ki = 2π/L. Aufgrund der zwei Spineinstellungen gibt es 2 physikalische Zustände pro Impulszelle. – Im Grundzustand sind aufgrund des Pauli-Prinzips die niedrigsten (möglichen) Zustände besetzt, also |φ0 i = Y Y Ψ̃†ms (~ p) |Ωi p ~ ms =± 1 2 |~ p|≤pf Der sog. Fermi-Impuls pf ist noch zu bestimmen. 4.4. N -FERMIONEN-SYSTEME (N 1) 61 – Den Wert des Fermi-Impuls pf erhält man durch Vergleich der Impulsraumvolumina (d.h. “Wieviele fundamentale Impulszellen passen in einen Kugel mit dem Radius pf ?”). Integration über diese durch den Grundzustand |φ0 i definierte sog. „Fermi-Kugel“ ergibt 2π~ 4π 3 ! p = nZellen 3 F L Vp = 3 3 (4.50) p3 L F d.h. nZellen = 6π 2 ~3 . Summation über die zwei Spineinstellungen ergibt N = 2 · nZellen , d.h. für die Gesamtteilchendichte im Ortsraum 1 N ρ= 3 = 2 L 3π pF ~ 3 (4.51) also hängt der Fermi-Impuls hier nur von der vorgegebenen Teilchendichte ab. • Für spätere Zwecke definieren wir noch die Teilchendichte im Impulsraum n̂ms (~ p)Ψ̃ms (~ p) p) ≡ Ψ̃†ms (~ (4.52) mit ( hφ0 |n̂ms (~ p)|φ0 i = 1 0 wenn |~ p | ≤ pf wenn |~ p| > pf (4.53) • Angeregte Zustände erzeugen wir durch Vernichtung eines Teilchens mit |~ p| < pf aus 0 der Fermikugel und Anregung eines Teilchens mit |~ p | > pf außerhalb der Fermikugel: 0 0 ˆ ˆ † (~ |φ i = Ψ̃ p) |φ0 i , m0s p ) Ψ̃ms (~ 0 (~ p )2 − (~ p)2 E − E0 = >0 2m 0 (4.54) Korrelationsfunktionen: Eine besondere Eigenschaft der Fermionen ist, daß selbst ohne explizite Wechselwirkung die Anwesenheit der anderen Fermionen die Eigenschaften eines einzelnen Fermions aufgrund des Pauli-Prinzips beeinflußt. Dies kann man durch sog. Korrelationsfunktionen quantifizieren. Betrachten wir zunächst die sog. 1-Teilchen-Korrelationsfunktion 0 0 Gms (~r, ~r ) ≡ hφ0 |Ψ̂†ms (~r)Ψ̂ms (~r )|φ0 i (4.55) Sie ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, daß die Vernichtung eines Teilchens mit Spin ms 0 am Ort ~r aus dem Grundzustand und die darauffolgende Erzeugung eines Teilchens bei ~r 0 wieder auf den Grundzustand führt (korreliert also die Orte ~r und ~r im Grundzustand |φ0 i). Offensichtlich gilt: 0 Gms (~r = ~r ) = hφ0 |n̂ms (~r)|φ0 i = d.h. halbe Gesamtteilchendichte ρ 2 ρ 2 für eine Spineinstellung ms . (4.56) 62 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Da wir |φ0 i im Impulsraum definiert haben, ist es günstig eine Fourier-Transformation der Korrelationsfunktion durchzuführen: 0 Gms (~r, ~r ) = 1 X −i~p~r/~ i~p 0 ~r 0 /~ 0 e e hφ0 |Ψ̃†ms (~ p)Ψ̃ms (~ p )|φ0 i V 0 (4.57) p ~,~ p 0 (wobei der Normierungsfaktor konsistent mit den Normierungsbedingungen für ~r = ~r und der obigen Normierung der Impulsraumdichte ist). 0 Offensichtlich trägt das Grundzustand-Matrixelement nur für p~ = p~ mit |~ p| ≤ pf bei. Wenn wir wieder zu großen Volumen (d.h. kontinuierlichen Impulsen) übergehen (mit dem 0 gleichen Normierungfaktor wie beim Abzählen der Impulsraumzustände, so daß sich für ~r = ~r wieder ρ/2 ergibt), erhalten wir 0 Gms (~r, ~r ) = 0 1 X p)|φ0 i e−i~p(~r−~r )/~ hφ0 |ñms (~ V p~ V groß −−−−→ Z 0 d3 p −i~ p·(~ r−~ r )/~ θ(p − |~ p |) e f (2π~)3 (4.58) 0 = Gms (|~r − ~r |) = Fouriertransformierte der θ-Funktion Die Integration ist elementar 1 2π kF 1 2 d cos θ e−ikr cos θ dϕ k dk (2π)3 0 −1 0 Z kF 1 i −ikr = 2 e − eikr dk k 2 4π 0 kr Z 1 1 kF dk k sin(kr) = 2 2π r 0 1 1 = 2 3 (sin(kF r) − kF r cos(kF r)) 2π r Z Z Z Gm s = (4.59) ausgedrückt durch die dimensionslose Variable z ≡ kF r unter Verwendung der Beziehung zwischen ρ und pf = ~kF ergibt sich GmS (z) = 3 1 ρ (sin z − z cos z) 2 z3 (4.60) Gms (z) z Wie bereits oben bestimmt, ergibt sich aus der Entwicklung um z = 0, dass Gms (0) = ρ/2 gilt. Für Werte von z & π fällt die Funktion schnell ab und oszilliert dann mit kubisch abnehmender Amplitude um Null. D.h. für Abstände r π/kF ist die Wahrscheinlichkeit(samplitude), wieder den Grundzustand zu erreichen, sehr klein. 4.4. N -FERMIONEN-SYSTEME (N 1) 63 Analog können wir folgende 2-Teilchen-Korrelationsfunktion betrachten: 0 0 0 Gms m0s (~r, ~r ) ≡ hφ0 | Ψ̂†ms (~r) Ψ̂†m0s (~r )Ψ̂m0s (~r )Ψ̂ms (~r) |φ0 i | {z (4.61) } hφ̃| 0 0 = hφ̃|Ψ̂†m0s (~r )Ψ̂m0s (~r )|φ̃i 0 entspricht also der Dichteverteilung von Teilchen mit Spin m0s am Ort ~r in einem Zustand |φ̃i, bei dem aus dem Grundzustand ein Teilchen mit Spin ms am Ort ~r entfernt wurde. • Das Pauli-Prinzip impliziert für diesen Fall 0 Gms =m0s (~r = ~r ) = 0 (4.62) • Zur Berechnung der 2-Teilchenkorrelationsfunktion betrachten wir wieder die Fouriertransformierte 0 Gms m0s (~r, ~r ) = 1 X −(~k−~k0 )~r −i(~q−~q 0 )~r 0 hφ0 |Ψ̃†ms (~k )Ψ̃†m0s (~q )Ψ̃m0s (~q 0 )Ψ̃ms (~k 0 )|φ0 i e e V2 0 k,k q,q 0 (4.63) Fall 1: ms 6= m0s : Damit das Matrixelement von Null verschieden ist, muss ~k = ~k 0 ~q = ~q und 0 gelten. Außerdem kann man Ψ̃ms (~k 0 ) zweimal nach links anti-vertauschen. 0 ⇒ Gms 6=m0s (~r, ~r ) = 1 X hφ0 |n̂ms (~k)n̂m0s (~q)|φ0 i V2 ~ k,~ q = 1 X V2 nms (~k)nm0s (~q) = ~k,~ q 2 ρ 2 (4.64) d.h. es ergibt sich einfach das Produkt der 1-Teilchendichten, mit anderen Worten für unterschiedliche Spin-Einstellungen ms 6= m0s gibt es keine Korrelation. Ursache dafür ist die Tatsache, daß das Pauli-Prinzip nur für Zustände gilt, die in allen Quantenzahlen übereinstimmen, also hier irrelevant ist. Da wir weiterhin keine Wechselwirkung angenommen haben, ist die Dichteverteilung eines Teilchens mit Spin m0s unabhängig von der Dichteverteilung des Teilchens mit Spin ms , und die 2-Teilchen-Korrelationsfunktion faktorisiert 0 0 hφ0 | Ψ̂†ms (~r) Ψ̂†m0s (~r ) Ψ̂m0s (~r ) Ψ̂ms (~r) |φ0 i 0 0 = hφ0 | Ψ̂†ms (~r) Ψ̂ms (~r) |φ0 i hφ0 | Ψ̂†m0s (~r ) Ψ̂m0s (~r ) |φ0 i (für ms 6= m0s ) . (4.65) Fall 2: ms = m0s : In diesem Fall erhalten wir 2 Beiträge, für k = k 0 und q = q 0 , bzw. k = q 0 und q = k 0 64 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS (wobei wegen des Pauli-Prinzips stets k 6= q gilt): 0 Gms ms (~r, ~r ) = 1 X −i(~k−~k0 )~r −i(~q−~q 0 )~r 0 δkk0 δqq0 − δkq0 δqk0 hφ0 |n̂ms (~k)n̂ms (~q)|φ0 i e e 2 V ~ ~0 0 k,k ,~ q ,~ q 0 1 X ~ 0 = 2 1 − e−ik·(~r −~r) e−i~q·(~r−~r ) nms (~k) nms (~q) V ~ k,~ q 2 = ρ 2 2 0 − Gms (|~r − ~r |) (4.66) wobei sich im letzten Term gerade das Quadrat der 1-Teilchenkorrelationsfunktion ergibt. In Übereinstimmung mit obiger Vorüberlegung verschwindet die 2-Teilchenkorrelationsfunktion 0 für ms = m0s und ~r = ~r und strebt für große Abstände gegen den unkorrelierten Wert ρ2 /4. Das Pauli-Prinzip “wirkt” also in der Korrelationsfunktion abstandsabhängig, d.h. die Wahrscheinlichkeit Fermionen mit gleicher Spineinstellungen im Abstand r . π/kF zu finden ist unterdrückt. 4.5 Hartree-Fock-Verfahren Wir wollen nun wechselwirkende N -Fermionen-Systeme betrachten und als Anwendung des Besetzungszahlformalismus ein wichtiges Näherungsverfahren diskutieren. Ausgangspunkt ist folgende Problemstellung: • Wir betrachten ein Vielteilchensystem (N 1 Fermionen) mit einer 2-Teilchenwechselwirkung, beschrieben durch den Hamiltonoperator Ĥ = N X i=1 ~2 ~ 2 − ∇ 2m (i) ! {z } | + kinetischer Term t̂ (1-Teilchen-Potential vernachlässigt) 1 X (ij) V̂ 2 i6=j | {z } 2-Teilchen-WW (allgemein können wir auch ein externes 1-Teilchenpotential hinzunehmen, der Übersichtlichkeit halber ist das hier vernachlässigt). • Eine elementare Lösung des Vielteilchenproblems ist im Allgemeinen nicht möglich. • Wir stellen uns deshalb die Frage, ob man das Problem vereinfachen kann, indem man jeweils 1 Teilchen betrachtet und den Effekt der restlichen Teilchen durch ein effektives 1-Teilchen Potential nähert. ? Ĥ ≈ N X i=1 ~2 ~ 2 (i) − ∇ + Ûeff 2m (i) ! „naiv“ (d.h. ohne Berücksichtigung der Teilchenstatistik) würden wir einfach das mittlere Potential (i) Ueff (~r) = N Z X 0 0 0 d3 r0 ϕ∗j (~r )V (ij) (~r, ~r )ϕj (~r ) j6=i welches das Teilchen i sieht, ansetzen (“Mean-Field-Näherung”). 4.5. HARTREE-FOCK-VERFAHREN 65 • Da das so bestimmte effektive Potential selbst eine Funktion der gesuchten 1-Teilchen Wellenfunktionen ist, erhalten wir so eine selbstkonsistent zu lösende 1-Teilchen–Schrödinger-Gleichung. Für Fermionen hatten wir allerding gesehen, dass das Pauli-Prinzip selbst für V (ij) = 0 (d.h. ohne explizite Wechselwirkung) schon Korrelationen impliziert, die sicherlich die Lösung des N -Teilchen-Problems beeinflussen. Deshalb präzisieren wir die Fragestellung: - Suche eine möglichst genaue Näherung von Ĥ. - Die Lösung für die Wellenfunktionen soll auf dem Raum der Slaterdeterminanten |ψi = N Y † b̂i |Ωi i=1 definiert sein. Zur Lösung werden wir ein Variationsproblem formulieren, daß die Einschränkung auf antisymmetrische Wellenfunktionen bereits im Ansatz beinhaltet. Dazu wiederholen wir zunächst noch einmal allgemein die Idee hinter dem Variationsprinzip: • Wir betrachten ein sog. Funktional („Funktion einer Funktion“) E[ψ] ≡ hψ|Ĥ|ψi hψ|ψi (4.67) welches jeder Wellenfunktion ψ(x) einen Energiewert E zuordnet. • Behauptung: Aus δE = 0 (d.h. stationärer Punkt |ψ0 i bzgl. Variationen von E[ψ]) folgt Ĥ |ψ0 i = E0 |ψ0 i, d.h. |ψ0 i ist Eigenvektor von Ĥ zum Eigenwert E0 = E[ψ0 ]. • Beweis: Wir multiplizieren die obige Definition mit hψ|ψi und bilden die Variation hψ|ψi · δE = δ(hψ|Ĥ|ψi) − E · δ(hψ|ψi) = hδψ|Ĥ − E|ψi + hψ|Ĥ − E|δψi ! =0 (4.68) Da hδψ| und |δψi linear unabhängig sind (komplexer Vektorraum, variiere Real- und Imaginärteil unabhängig), müssen im stationären Punkt (Ĥ − E) |ψ0 i = 0 ∧ hψ0 | (Ĥ − E) = 0 (4.69) gelten. Da der Hamiltonoperator hermitesch ist, Ĥ = Ĥ † , sind die beiden Gleichungen äquivalent, und es folgt die Behauptung: Ĥ |ψ0 i = E[ψ0 ] |ψ0 i mit E0 = E[ψ0 ] reell. Der Umkehrschluss ist offensichtlich auch richtig. Wenden wir dieses Verfahren nun auf unser Ausgangsproblem an: 66 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS • Um ein effektives 1-Teilchen-Potential zu konstruieren, beschränken wir uns dabei auf ganz bestimmte Variationen, nämlich solche, bei denen gerade ein Teilchen aus dem gesuchten Vielteilchengrundzustand entfernt und durch ein Teilchen mit anderen Quantenzahlen ersetzt wird (entspricht 1-Teilchen–1-Loch–Anregung): |δψi = X ηαβ b̂†α b̂β |ψ0 i αβ | {z (4.70) } Hierbei sind die Koeffizienten ηαβ die infitesimalen Variationsparameter, die Quantenzahlen der Erzeuger und Vernichter seien unterschiedlich (α 6= β). • |ψ0 i bezeichnet den gesuchten Grundzustand N Y † |ψ0 i = b̂i |Ωi i∈F wobei F die Fermikugel für das Problem mit Wechselwirkung bezeichnet. • Dann gilt wegen des Pauli-Prinzips (und für α 6= β) |δψi = X ηαβ b̂†α b̂β |ψ0 i β∈F α6∈F Herleitung der Hartree-Fock-Gleichungen Zunächst schreiben wir den Hamiltonoperator Ĥ in Besetzungszahldarstellung um: Ĥ = X hα|t̂|βi b̂†α b̂β + αβ | {z } 1 X hαβ|V̂ |γδi b̂†α b̂†β b̂δ b̂γ 2 αβγδ | ≡T̂ {z (4.71) } ≡Ŵ Nun können wir die einzelnen Beiträge zur Variation ausrechnen: • Für den Beitrag der Energie erhalten wir hδψ|E|ψ0 i = E · hδψ|ψ0 i = 0 da nach Voraussetzung der variierte Vektor |δψi orthogonal zu |ψ0 i sein sollte. • Für den kinetischen Term erhalten wir hδψ|T̂ |ψ0 i = X X ∗ hα|t̂|βi ηmi hψ0 |b̂†i b̂m b̂†α b̂β |ψ0 i . (4.72) αβ i∈F m6∈F Da m 6∈ F ist b̂m |ψ0 i = 0, und wegen i ∈ F ist ebenso b̂†i |ψi0 = 0. Wir antivertauschen b̂m und b̂†i nach rechts und erhalten: hψ0 |b̂†i b̂m b̂†α b̂β |ψ0 i = hψ0 |b̂†i (−b̂†α b̂m + δαm )b̂β |ψ0 i = δαm hψ0 | − b̂β b̂†i + δβi |ψ0 i = δαm δβi (4.73) 4.5. HARTREE-FOCK-VERFAHREN 67 und damit ergibt sich hδψ|T̂ |ψ0 i = X ∗ hm|t̂|ii ηmi (4.74) mi ∗ und dem entspred.h. die Variation eines 1-Teilchen-Operators ist proportional zu ηmi chenden Matrixelement hm|t̂|ii. • Analog behandeln wir den 2-Teilchen-Operator Ŵ . Es gibt (ähnlich wie bei der Berechnung der 2-Teilchenkorrelationsfunktion) wieder 2 Möglichkeiten, daß das Matrixelement von Null verschieden wird: hδψ|Ŵ |ψ0 i = N X X ∗ ηmi (hjm|V̂ |jii − hjm|V̂ |iji) j=1 i∈F m6∈F wobei das relative Minuszeichen wieder dem Pauli-Prinzip Rechnung trägt. – Die Variation ist per Konstruktion wieder linear in den ηmi X – Daher tragen zum Variationsprinzip nur solche Matrixelemente bei, bei denen jeweils ein bra- und ein ket-Zustand (j) gleich sind und über alle diese Zustände j summiert wird. (Hätten wir dagegen für die Variation z.B. 2-Teilchen-2-Loch-Anregungen betrachtet, wären Koeffizienten ηmikl aufgetaucht und damit auch die allgemeinsten Matrixelemente hmi|V̂ |kli für einen 2-Teilchenoperator, s.o.) – Für i = j kommt Null heraus, wie es aufgrund des Pauli-Prinzips sein muß X Das so auf die angenommenen |δψi beschränkte Variationsproblem ist dann aber offensichtlich äquivalent zu einem Variationsproblem mit einem effektiven 1-Teilchen-HamiltonOperator. ĤHF ≡ X αβ hα|t̂|βi + N X (hjα|V̂ |jβi − hjα|V̂ |βji · b̂†α b̂β (4.75) j=1 (d.h. wenn wir diesen Hamiltonoperator wie in obigem Beispiel mit T̂ behandeln, kommt die gleiche Variation heraus wie für den ursprünglichen Hamiltonian.) Mit diesem effektiven Hamiltonian können wir nun die 1-Teilchen-Schrödingergleichung iterativ lösen (im Gegensatz zum vollen N -Teilchen-Problem). Zur Lösung schreiben wir das effektive Potential zunächst im Ortsraum: (ms ) hq|ψi i = ψi (q) ≡ ψi (~r) = ϕ(~r)χ(ms ) 68 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS • Für den 1. Term mit V̂ erhalten wir so N X hjm|V̂ |jii = XZ j=1 ∗ dq1 dq2 ψj∗ (q1 )ψm (q2 )V (q1 , q2 )ψj (q1 )ψi (q2 ) j Z ∗ dq2 ψm (q2 )ψi (q2 ) = N Z X dq1 ψj∗ (q1 )V (q1 , q2 )ψj (q1 ) j=1 {z | } ≡UH (q2 ) (4.76) UH (q2 ) ist das sog. Hartree-Potential und entspricht gerade der Mean-Field–Näherung, bis auf den Term mit i = j, der – wie bereits erwähnt – aber vom 2. Term aufgehoben wird. Haben wir speziell den Fall eines spin-unabhängigen Potentials V (x1 , x2 ), ergibt sich UH (q2 ) = UH (~r2 ) = N Z X d3 r1 ϕ∗j (~r1 )V (~r1 , ~r2 )ϕj (~r1 ). j=1 Die durch das Hartree-Potential beschriebene effektive Wechselwirkung ist lokal, • Analog betrachten wir die Ortsraumdarstellung für den 2. Potentialterm: N X hjm|V̂ |iji = j=1 XZ ∗ dq1 dq2 ψj∗ (q1 )ψm (q2 )V (q1 , q2 )ψi (q1 )ψj (q2 ) j Z = ∗ dq2 dq1 ψm (q2 )ψi (q1 ) N X ψj∗ (q1 )V (q1 , q2 )ψj (q2 ) j=1 | {z } ≡uF (q1 ,q2 ) (4.77) uF (q1 , q2 ) ist das sog. Fock-Potential (oder auch Austauschterm genannt). Das Austauschpotential ist nicht-lokal, d.h. es hängt von zwei Orts- (und eventuell Spin-) variablen q1 und q2 ab. Betrachten wir wieder den Spezialfall eines spin-unabhängigen 2-Teilchen-Potentials, ergibt sich N X hjα|V̂ |βji = Z j=1 d3 r1 d3 r2 ϕ∗α (~r2 )ϕβ (~r1 ) N X ϕ∗j (~r1 )V (~r1 , ~r2 )ϕj (~r2 ) · j=1 · χ∗j (mj )χβ (mβ )χ∗α (mα )χj (mj ) (4.78) Der Austauschterm trägt nur bei, wenn mα = mβ = mj ist (was konsistent ist mit der Beobachtung, die wir bereits bei der Diskussion der 2-Teilchenkorrelationsfunktionen gemacht hatten). 4.5. HARTREE-FOCK-VERFAHREN 69 Damit ergibt sich die (selbst-konsistent) zu lösende 1-Teilchen-Schrödingergleichung im Ortsraum zu " # ~2 ~ 2 − ∇ + UH (q) ψi (q) − 2m Z ! dq 0 uF (q, q 0 )ψi (q 0 ) = i ψi (q) (4.79) (wobei UH und uF implizit von den Wellenfunktionen ψj (q) abhängen). Iterationsverfahren: 1. Starte mit „beliebiger“ (sinnvoller) Ansatzfunktion für 1-Teilchen-Wellenfunktion: (n=0) ψi (x) (0. Iteration). (n) 2. Berechne UH (q), uF (q, q 0 ) für ψi (x). (n+1) 3. Löse Schrödingergleichung, und erhalte daraus neue Wellenfunktionen ψi (n+1) (n) (n+1) (x). (n) 4. Falls ψi ≈ ψi und i ≈ i (zur gewünschten Genauigkeit), hat man die Lösung gefunden. Ansonsten: Wiederhole Schritt 2. bis 4. Dann ergibt sich die Hartree-Fock-Approximation für den N -Teilchen Grundzustand durch den antisymmetrischen Produktzustand ψ1 (x1 ) . . . † .. |ψHF i ∝ b̂i |Ωi = . i=1 ψ (x ) . . . 1 N N Y mit ĤHF |ψHF i = EHF |ψHF i = N X ψN (xN ) ψN (x1 ) .. . ! α |ψHF i α=1 N † † d.h. ĤHF = α=1 α b̂α b̂α , wobei die bα , bα nun Erzeuger/Vernichter für die 1-Teilchen– Lösungen der Hartree-Fock-Gleichung sind. Die α bestimmen gerade die Ionisierungsenergie, d.h. die Energie, die man aufbringen muß, um das Teilchen im Zustand |αi zu entfernen, unter der Annahme, daß die anderen Zustände (näherungsweise) unbeeinflusst bleiben. P 70 KAPITEL 4. VIELTEILCHENSYSTEME UND BESETZUNGSZAHLFORMALISMUS Kapitel 5 Relativistische Wellengleichungen Für energetische Teilchen (E mc2 ) müssen wir die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie in Einklang bringen. Der eigentliche theoretische Rahmen hierfür ist die Quantenfeldtheorie (die wir in einer separaten Vorlesung behandeln werden). Im Folgenden beschränken wir uns auf die Betrachtung von relativistischen Wellengleichungen für Materiefelder, welche die Schrödinger-(Feld-)Gleichungen der nicht-relativistischen Quantenmechanik verallgemeinern (vgl. auch die Analogie zu der in Kapitel 2 diskutierten Quantisierung elektromagnetischer Felder, welche die relativistischen Maxwell-Gleichungen erfüllen) 5.1 Vorüberlegungen Relativistische Notation: • Es ist üblich, räumliche und zeitliche Abstände, sowie Energien und Impulse in „natürlichen“ Einheiten anzugeben, indem man die physikalischen Größen auf geeignete Kombinationen der Naturkonstanten ~ und c bezieht, z.B.: ~ = 6.58210−25 GeV s = 1.06610−34 J s , ~c = 0.1973 GeV fm . Setzen wir nun ~ ≡ 1, heißt das, daß eine Zeitspanne von 10−25 s gerade einer inversen Energie von 1/6.582 GeV entspricht. Ebenso folgt aus ~c ≡ 1, daß 10−15 m als 1/0.1973 GeV gemessen werden. • Wir stellen den (3+1)-dimensionalen Minkowski-Raum durch Vektoren mit LorentzIndizes dar: µ, ν, ... = 0, 1, 2, 3 D.h. mit entsprechenden Basisvektoren eµ ist ein Raum-Zeit-Punkt x durch die Koordinaten xµ spezifiziert: x= X xµ eµ (5.1) µ (Summation über doppelt vorkommende Indices wird im Folgenden implizit angenommen.) Die Hoch- bzw. Tiefstellung der Indizes ist dabei zu unterscheiden. 71 72 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Bei hochgestelltem Index sprechen wir von einem kontravarianten Vektor: xµ = (t, x, y, z) = (t, ~x), (5.2) bei tiefgestelltem Index dagegen von einem kovarianten Vektor: xµ = (t, −x, −y, −z) = (t, −~x) (5.3) Die beiden Fälle unterscheiden sich durch das Vorzeichen der 3 räumlichen Komponenten, welches durch die (Minkowski-)Metrik induziert wird: gµν 1 0 0 0 0 −1 0 0 = = g µν 0 0 −1 0 0 0 0 −1 (5.4) so daß: xµ = gµν xν , xµ = g µν xν . (5.5) Entsprechend erhalten wir für das Skalarprodukt zweier Lorentz-Vektoren: x2 ≡ xµ xµ = xµ gµν xν = t2 − ~x2 (5.6) • Transformationen, die gµν invariant lassen, heißen Lorentz-Transformationen: 0 0 ! 0 gµν = Λµµ Λνν gµ0 ν 0 = gµν (5.7) Ein Lorentz-invariantes Linienelement ist damit gegeben durch (ds)2 = dxµ dxµ = (dt)2 − (dx)2 − (dy)2 − (dz)2 • Differentiation: Wir führen den Ableitungsoperator ein. ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ~ ≡ ∇µ ∂µ ≡ = , , , = (∂t , ∇) (5.8) ∂xµ ∂t ∂x ∂y ∂z Beachte: ∂µ ist ein kovarianter Vektor, d.h. der Index steht unten; aber es wird ∂/∂xµ , also nach einem kontravarianten Vektor mit Index oben abgeleitet! Daraus erhält man die Ableitungsregel: 1 0 ∂µ xν = 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 = gµν = g νµ ≡ δµν 0 1 (Kronecker-Delta) (5.9) Mittels der Metrik können wir entsprechend partielle Ableitungsoperator mit hochgestelltem Index konstruieren: ~ ∂ µ = (∂t , −∇) (5.10) und daraus den D’Alembert-Operator ~ 2) ≡ ∂µ ∂ µ = (∂t2 , −∇ (5.11) • Analog zu den Raum-Zeit-Koordinaten fassen wir Energie und Impuls in sog. 4erImpulsen zusammen: pµ = (E, p~) (5.12) 5.1. VORÜBERLEGUNGEN 73 Eigenschaften der Schrödinger-Gleichung: • Korrespondenzprinzip: Aus der nicht-relativistischen Schrödinger-Gleichung und der Ortsdarstellung des Impulsoperators lesen wir die Korrespondenz E ↔ i~ ∂ ∂t ~ p~ ↔ −i~∇ (5.13) ab. Wenn wir obige relativistische Notation (und ~ = 1 = c) verwenden, läßt sich dies zusammenfassen als: ~ pµ = (E, p~) ↔ i∂ µ = (i∂t , −i∇) (5.14) • Die Schrödinger-Gleichung selbst (für freie Teilchen) ∂ ~2 ~ 2 Ψ=− ∇ Ψ (5.15) ∂t 2m läßt sich dagegen nicht in relativistischer Notation schreiben, denn p~ 2 /2m entspricht ja gerade der nicht-relativistischen kinetischen Energie in der Entwicklung i~ E= q pm p~ 2 + m2 = m + p~ 2 + ... 2m • Die Wahrscheinlichkeitsdichte ergibt sich aus der Schrödinger-Wellenfunktion als ρ(t, ~x) = ψ ∗ (t, ~x)ψ(t, ~x) (5.16) und erfüllt die Kontinunitätsgleichung, z.B. für den Fall eines freien Teilchens ∂ψ ∗ ∂ψ ψ + ψ∗ ∂t ∂t ~ ~2 ∗ ~ 2 ψ) = −∇ ~ · ~j = (∇ ψ )ψ − ψ ∗ (∇ 2mi wobei wir die Wahrscheinlichkeitsstromdichte h i ~ − (∇ψ ~ ∗ )ψ ~j = ~ ψ ∗ ∇ψ 2mi ∂ρ = ∂t (5.17) (5.18) identifiziert haben, so daß ∂ ~ · ~j(t, ~x) = 0 ρ(t, ~x) + ∇ ∂t (5.19) Aus der expliziten Darstellung für ρ und ~j sehen wir, daß wir die beiden Ausdrücke wiederum nicht in relativistischer 4er-Schreibweise zusammenfassen können. Dagegen kann die Kontinuitätsgleichung selbst in relativistischer Form geschrieben werden: ~ ~j(x) = 0 ∂µ j µ (x) = ∂t ρ(x) + ∇ (5.20) 74 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN 5.2 Klein-Gordon-Gleichung Die einfachste Möglichkeit, eine relativistische (Feld-)Gleichung zu konstruieren, ist, von der relativistischen Energie-Impuls-Beziehung auszugehen und das Korrespondenzprinzip zu benutzen. Aus E 2 = p~ 2 + m2 (für freies Teilchen) wird damit ~ 2 + m2 )φ(t, ~x) −∂t2 φ(t, ~x) = (−∇ bzw. wenn wir alle Terme auf die linke Seite bringen, die sog. Klein-Gordon-Gleichung ( + m2 ) φ(x) = 0 (5.21) Um die Lösungen φ(x) der Klein-Gordon-Gleichung zu interpretieren, konstruieren wir die entsprechende relativistische Form der Kontinuitätsgleichung: Wir erwarten wieder, daß wir die zeitliche Komponente von j µ (analog zur relativistischen Form der Energie E) gegenüber dem nicht-relativistischen Fall modifizieren müssen. Mit dem Ansatz: h i ~ ~ ∗ (x)) φ(x) ~j(x) = 1 φ∗ (x) ∇φ(x) − (∇φ (wie im nicht-rel. Fall, geraten) 2mi 1 ⇒ j µ (x) = − [φ∗ (x) ∂ µ φ(x) − (∂ µ φ∗ (x)) φ(x)] (relativ. Verallgemeinerung) 2mi (5.22) folgt dann ρ(x) ≡ − 1 [φ∗ (x) ∂t φ(x) − (∂t φ∗ (x)) φ(x)] . 2mi (5.23) Und die Kontinuitäts-Gleichung ist tatsächlich erfüllt, wie man durch Anwenden der KGGleichung explizit nachprüft1 ∂µ j µ = 1 [φ∗ φ + (∂µ φ∗ )(∂ µ φ) − (φ∗ )φ − (∂ µ φ∗ )(∂µ φ)] 2mi (5.24) Mischterme fallen heraus und die Terme mit können durch die Klein-Gordon-Gleichung vereinfacht werden: ψ = −m2 ψ und ψ ∗ = −m2 ψ ∗ . Daraus folgt sofort ∂µ j µ = 0 X (5.25) Es bleibt die Frage, ob wir ρ(x) wieder als Wahrscheinlichkeitsdichte interpretieren können, wie im nicht-relativistischen Fall: ? Im Gegensatz zur Schrödinger-Gleichung ist das im Klein-Gordon-Fall konstruierte ρ(t, ~x) im Allgemeinen nicht positiv definit, denn die Klein-Gordon-Gleichung ist eine Differentialgleichung 2. Ordnung in der Zeit, d.h. φ(t0 , ~x) und ∂t φ(t0 , ~x) sind als unabhängige (beliebige) Anfangsbedingungen zu betrachten. 1 Alternativ hätte man auch die Kontinuitätsgleichung explizit aus der Differenz der KG-Gleichung und dessen Konjugierter konstruieren können. 5.2. KLEIN-GORDON-GLEICHUNG 75 ? Die (mathematischen) Lösungen von E 2 = p~ 2 +m2 erlauben 2 Vorzeichen für die Energie q p0 = ±E = ± p~ 2 + m2 (Dispersionsrelation) d.h. die Lösungen der KG-Gleichung lassen sich durch ebene Wellen φ(~x, t) = e±i(Et−~p~x) konstruieren. Die richtige Interpretation, welche obige Subtilitäten berücksichtigt, ergibt sich dann folgendermaßen: ⇒ Interpretiere ρ(x) als Ladungsdichte, d.h.: positives ρ: negatives ρ: positive Ladung negative Ladung Offensichtlich gilt dann für reelle Lösungen (φ(x) = φ∗ (x)) mit obiger Definition ρ(x) = 0 und ~j(x) = 0. ⇒ Daraus folgern wir, daß ungeladene (skalare) Teilchen durch reelle KG-Felder beschrieben werden. [Ein Beispiel sind die neutralen π 0 -Mesonen in der Hadronenphysik.] ⇒ Entsprechend brauchen wir zur Beschreibung geladener Teilchen dann echt komplexe Felder. [Das analoge Beispiel wären dann die π ± -Mesonen.] • Unter komplexer Konjugation: φ(x) ↔ φ∗ (x) ändert j µ (x) das Vorzeichen, d.h. positiv und negativ geladene Teilchen tauschen ihre Rolle. [Im obigen Beispiel heißt das, daß π − gerade das Antiteilchen zu π + ist.] • Die Anwesenheit von Anti-Teilchen-Lösungen (im Allgemeinen) ist also eine Folge der relativistischen Invarianz der Feldgleichungen und spiegelt die 2 Lösungen der Gleichung p 2 p0 = ± p~ + m2 wider. Feldoperatoren für KG-Feld Wie im Falle der nicht-relativistischen Schrödinger-Gleichung für Vielteilchensysteme, bzw. der Quantisierung der freien Lösungen der relativistischen Maxwellgleichungen, können wir wieder Feldoperatoren konstruieren, welche skalare (Spin-Null) Klein-Gordon–Teilchen erzeugen/vernichten: • Für reelle Felder (ungeladene Teilchen) definieren wir hermitesche Feldoperatoren Z Φ̂(x) = d3 p (2π)3 1 −ipx √ + â(p)e 2E p mit x = xµ eµ = (~x, t) und E = p0 = + p~ 2 + m2 . vgl. mit Quantisierung des e.m.-Feldes: h. | {zc.} so daß Φ̂ = Φ̂† (5.26) 76 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN - reelles Feld Aµ (x, t) → hermitescher Operator µ (x) - E = ~ω = |~ p| → masselose Photonen - zusätzlicher Spin-Freiheitsgrad → Polarisationsvektor µ • Für komplexe Felder (geladene Teilchen) kombinieren wir 2 reelle Feldoperatoren Φ̂± (x) = Φ̂1 (x) ± iΦ̂2 (x) = Φ̂†∓ (x) (5.27) so daß die hermitesche Konjugation gerade dem Vorzeichenwechsel der Ladung entspricht. Hierbei haben wir unabhängige Erzeuger/Vernichter (â†1 , â1 ) und (â†2 , â2 ) einzuführen, so daß Z Φ̂± (x) = d3 p 1 † † ipx −ipx √ (â ± iâ )e + (â ± iâ )e · 1 2 1 2 (2π)3 2E (5.28) Identifizieren wir â1 ± iâ2 ≡ â± und â†1 ∓ iâ†2 ≡ (â± )† , folgt Z Φ̂+ (x) = d3 p 1 · √ ( â+ (p) 3 | {z } (2π) 2E e−ipx + vernichtet Teilchen mit positiver Ladung und positiver Energie â†− (p) eipx (5.29) | {z } erzeugt Teilchen mit negativer Ladung und positiver Energie d.h. Φ̂+ (x) = Φ̂†− (x) beschreibt simultan Teilchen und Anti-Teilchen. Anmerkung: Wir haben hier nur die freien Wellengleichungen betrachtet. Wechselwirkungen mit externen Potentialen oder Selbstwechselwirkungen der Felder werden in der QFT aus einem Variationsprinzip, ausgehend von einer Lagrangedichte für relativistische Felder, konstruiert. Den Spezialfall der elektromagnetischen Wechselwirkung werden wir weiter unten für Fermionen diskutieren (analoge Ergebnisse können auch für den KG-Fall konstruiert werden). 5.3 Heuristische Herleitung der Dirac-Gleichung Um eine relativistisch Differentialgleichung 1. Ordnung in der Zeit zu erhalten, müssen wir einen Weg finden, die Klein-Gordon-Gleichung zu faktorisieren.2 Ausgehend von der relativistischen Energie-Impuls-Beziehung heisst das !? E 2 = ((~ p)2 + m2 ) = (~ α · p~ + β m)2 (5.30) mit festem αx,y,z und β. Offensichtlich können α ~ , β dabei keine gewöhnlichen Zahlen sein (d.h. sie müssen operator- oder matrix-wertig sein, d.h. die Reihenfolge in obigem Produkt ist relevant). Ausmultiplizieren und Koeffizientenvergleich ergibt dann αi2 = β 2 = 1 , {αi , αj } = 0 für i 6= j , {αi , β} = 0 . (5.31) Matrizen, die die obigen Bedingungen erfüllen haben demnach folgende Eigenschaften: 2 In gewissem Sinne versuchen wir die binomische Formel p2 − m2 = (p − m)(p + m) auf 4er-Impulse zu verallgemeineren. 5.3. HEURISTISCHE HERLEITUNG DER DIRAC-GLEICHUNG 77 • Da wir den Ansatz für E mit dem Eigenwert des Hamiltonoperators identifizieren wollen, müssen α ~ und β hermitesche Matrizen sein. • Aufgrund der Antivertauschungsrelationen und der zyklischen Vertauschbarkeit von Matrizen unter der Spur gilt Sp(αi ) = −Sp(βαi β) = −Sp(β 2 αi ) = −Sp(αi ) ⇒ Sp(αi ) = 0 , (5.32) ⇒ (5.33) und ebenso Sp(βαi αi ) = Sp(β) = Sp(αi βαi ) = −Sp(αi2 β) = −Sp(β) Sp(β) = 0 . • Wegen αi2 = β 2 = 1 haben die gesuchten Matrizen Eigenwerte vom Betrag 1, und wegen der Hermitizität geht dann nur ±1. • Damit folgt, dass die Spur der Matrizen nur verschwinden kann, wenn gleich viele Eigenwerte +1 wie −1 vorliegen, d.h. die Matrizen haben geradzahlige Dimension. Die Analyse der einfachsten Fälle ergibt dann N = 2: es gibt nur 3 unabhängige spurlose, hermitesche Matrizen, nämlich die Pauli-Matrizen. Funktioniert demnach nicht. N = 4: funktioniert, mit der expliziten Realisierung in 2 × 2-Blockform: αi := 0 σi σi 0 ! , 12 0 0 −12 β := ! . (5.34) Die Matrizen sind manifest spurlos und hermitesch, und für die Antikommutatoren ergibt sich {αi , αj } = 0 σi σi 0 ! 0 σi σi 0 ! 0 σj σj 0 ! + (i ↔ j) = σi σj 0 ! ! 0 σi σj ! + (i ↔ j) = 2 δij 14 √ (5.35) {αi , β} = 12 0 12 0 + 0 −12 0 −12 0 σi σi 0 ! =0 √ (5.36) und trivialerweise β 2 = 14 . Die obige Realisierung der Matrizen αi , β heisst “Dirac-Darstellung”. Der Ansatz für die Dirac-Gleichung ergibt demnach ∂ψ ~ +βm ψ = i = Ĥ ψ ≡ (~ α · p~ + β m) ψ = −i α ~ ·∇ ∂t ! ~ m 12 −i ~σ · ∇ ψ, ~ −i ~σ · ∇ −m 12 (5.37) wobei ψ = ψ(x) = ψ(~x, t) als 4-komponentiger “Dirac-Spinor” zu lesen ist. Die Tatsache, dass die Linearisierung der relativistischen Wellengleichung eine mehr-komponentige Wellenfunktion erzwingt, führt, wie wir noch genauer verstehen werden, dabei gerade auf das Konzept des Spins.3 3 Formaler ergibt sich dieses Konzept aus der Darstellungstheorie der Poincaré-Gruppe. 78 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Die Dirac-Gleichung lässt sich nun auch manifest in Lorentz-kovarianter Form schreiben, wenn man obige Gleichung mit der Matrix β multipliziert und alle Term auf eine Seite bringt, iβ ∂ψ ∂ψ + i βαi − mψ = 0, ∂t ∂xi (5.38) und die Matrizen in 4er-Schreibweise zusammenfasst (“Dirac-Matrizen”), 0 γ ≡β Dirac-Darst. = 12 0 0 −12 ! i γ ≡ βα , i Dirac-Darst. 0 σi −σi 0 ! , (5.39) (kovariante Form der Dirac-Gleichung) . (5.40) = so dass (i∂µ γ µ − m) ψ = 0 Mit der abkürzenden Schreibweise (“Feynman-dagger” oder “Fenyman-slash”) aµ γ µ ≡ a / lässt sich das noch kompakter schreiben. Es bleibt dabei noch zu zeigen, wie das richtige Verhalten der Dirac-Matrizen unter Lorentz-Transformationen aussieht. • Die Antikommutatorrelationen der Dirac-Matrizen lassen sich nun auch auf kovariante Form zusammenfassen {γ i , γ j } = {βαi , βαj } = −{αi , αj } = −2δ ij , {γ i , γ 0 } = {βαi , β} = −αi + αi = 0 , {γ 0 , γ 0 } = 2β 2 = 2 , (5.41) und somit {γ µ , γ ν } = 2 g µν . (5.42) Diese Art von Antivertauschungsrelationen bezeichnet man auch als “Clifford-Algebra”. • Die Kontinuitätsgleichung für die Dirac-Gleichung können wir nun durch Verallgemeinerung der aus der Schrödingergleichung bekannten Wahrscheinlichkeitsdichte konstruieren: ρ = j 0 ≡ ψ † ψ = ψ † γ 0 γ 0 ψ ≡ ψ̄γ 0 ψ ⇒ j µ ≡ ψ̄γ µ ψ , (5.43) | {z } wobei wir die Größe ψ̄ ≡ ψ † γ 0 (Dirac-Adjungierte) definiert haben. Wir benötigen noch die adjungierte Dirac-Gleichung. Unter Verwendung von γ0γµ † = γ0γµ (wegen β 2 = 1 und αi† = αi ) erhält man durch Multiplikation der Dirac-Gleichung mit γ 0 und hermitesch Adjungieren: i∂µ γ 0 γ µ ψ = m γ 0 ψ ⇒ −i∂µ ψ̄γ µ = m ψ̄ , (5.44) und damit i∂µ j µ = (i∂µ ψ † )γ 0 γ µ ψ + ψ † γ 0 γ µ (i∂µ ψ) = −m ψ̄ψ + m ψ̄ψ = 0 √ (5.45) 5.3. HEURISTISCHE HERLEITUNG DER DIRAC-GLEICHUNG 79 • Jede der 4 Komponenten des Dirac-Spinors erfüllt für sich genommen die Klein-GordonGleichung, denn 0 = −i∂/ − m = i∂/ − m ψ = ∂µ ∂ν γ µ γ ν + m2 ψ 1 ∂µ ∂ν {γ µ , γ ν } + m2 ψ = + m2 ψ . 2 (5.46) Somit ergibt sich auch in der Dirac-Theorie p zunächst das Problem mit der Interpretation der Lösungen negativer Energie, E = − (~ p)2 + m2 . Wir werden also auch hier 2 der 4 Freiheitsgrade mit der jeweiligen Antiteilchenlösungen interpretieren. 5.3.1 Erhaltungssätze Aus der expliziten Form des Hamiltonian für (freie) Dirac-Teilchen ergeben sich Erhaltungssätze. Insbesondere:4 • Impulserhaltung: h i h √ i Ĥ, p̂j = [~ α · p~ + βm, p̂j ] = αi p̂i , p̂j = 0 . (5.47) ~ = ~x × p~ • Bahndrehimpuls, L h i h i h i Ĥ, L̂j = αi p̂i , jkl x̂k p̂l = jkl αi p̂i , x̂k p̂l = jkl αi (−iδ jk )p̂l = −i (~ α × p~)j 6= 0 . (5.48) Der Bahndrehimpuls ist also nicht mehr erhalten (!). • Wir definieren nun (als offensichtliche Erweiterung des Pauli-Spins) den Spinoperator ŝ i Dirac-Darst. ≡ 1 σi 0 2 0 σi ! (5.49) als 4 × 4-Matrix im Spinorraum mit der richtigen Drehimpuls-Algebra si , sj = i ijk sk , und erhalten h j Ĥ, ŝ i h i i j = p̂ α , s ijk = i p̂ i i h + m β, s 0 σk σk 0 j i 1 = p̂i 2 " ! 0 σi σj , i σ 0 0 0 σj !# ! = i (~ α × p~)j 6= 0 (5.50) ~ + ~s erhalten, und die physikalische • Somit ist gerade der Gesamtdrehimpuls J~ = L Interpretation der 4 Komponenten des Dirac-Spinors ergibt sich als jeweils 2 Spinfrei√ heitsgrade für Teilchen und Antiteilchen . Die Dirac-Gleichung führt, wie oben bereits angedeutet, also zwangsläufig auf das Konzept des Spins als “Eigendrehimpuls”. 4 Man beachte, dass sich die Kommutatoren simultan auf verschiedene Vektorräume beziehen: Ableitungsoperatoren in der Ortsdarstellung der Wellenfunktionen, sowie Matrizen im Vektorraum der Dirac-Spinoren. 80 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN 5.3.2 Transformationsverhalten der Dirac-Spinoren • Eigentliche Lorentz-Transformation der Raum-Zeit-Koordinaten werden durch Matrizen Λν µ dargestellt, (x0 )ν = Λν µ xµ ≡ (Λx)ν , (5.51) mit det Λ = 1 und Λνµ Λµσ = δσν . • Wir suchen nun eine lineare Abbildung S(Λ) auf dem Raum der Dirac-Spinoren, so dass ψ 0 (x0 ) = ψ 0 (Λx) = S(Λ) ψ(x) = S(Λ) ψ(Λ−1 x0 ) bzw. ψ(x) = S −1 (Λ) ψ 0 (x0 ) . (5.52) Multiplikation der Dirac-Gleichung mit S(Λ) und Ersetzung von ψ → ψ 0 führt dann auf ⇔ S(Λ)γ m uS −1 (Λ) S(Λ)γ m uS −1 (Λ) Λν µ i∂ − m ψ 0 (x0 ) = 0 ∂xµ i∂ − m ψ 0 (x0 ) = 0 , ∂x0ν (5.53) wobei wir benutzt haben, dass ∂ ∂ ∂x0ν ∂ = = Λν µ 0ν . µ µ 0ν ∂x ∂x ∂x ∂x • Die Dirac-Gleichung ist demnach forminvariant (für 2 durch eigentliche Lorentz-Transformationen verknüpfte Beobachter), wenn S(Λ)γ µ S −1 (Λ) Λν µ = γ ν ⇔ Λν µ γ µ = S −1 (Λ)γ ν S(Λ) . (5.54) Dies ist eine implizite Bestimmungsgleichung für die Matrix S(Λ). Wenn wir S(Λ) explizit konstruieren können, ist gezeigt, dass die Dirac-Gleichung Lorentz-kovariant ist. Was bedeutet dies für die adjungierte Gleichung? – Wir multiplizieren zunächst mit γ 0 von links, bilden damit die hermitesch Konjugierte Gleichung und multiplizieren dann wieder mit γ 0 von links, ⇒ Λν µ γ 0 γ µ = γ 0 S −1 γ 0 γ 0 γ ν S ⇔ Λν µ γ 0 γ µ = S † γ 0 S −1 γ 0 γ ν γ 0 (S −1 )† γ 0 ⇔ Λν µ γ µ = (γ 0 S † γ 0 ) γ ν (γ 0 (S −1 )† γ 0 ) . (5.55) Daraus lesen wir ab, dass S −1 = γ 0 S † γ 0 , (5.56) d.h. im Allgemeinen gilt nicht SS −1 = 1, und die gesuchten Matrizen S sind nicht notwendigerweise unitär! (Die Dirac-Spinoren transformieren demnach gemäß nicht-unitären Darstellungen der Poincaré-Gruppe. — Die dazugehörigen Fermion-Zuständ transformieren dagegen gemäß unitären Darstellungen.) 5.3. HEURISTISCHE HERLEITUNG DER DIRAC-GLEICHUNG 81 Explizite Konstruktion von S(Λ) Zur expliziten Konstruktion von S betrachten wir infinitesimale Trafos (aus denen wir beliebige eigentliche Lorentz-Transformation erzeugen können), Λν µ := δ ν µ + ∆ω ν µ + O(∆ω 2 ) (5.57) Mit 6 unabhängigen infinitesimalen Parametern ∆ω νµ = −∆ω µν , so dass die Bedingungen für eigentlichen L-Trafos erfüllt. Dabei erhält man z.B. für einen Boost in x-Richtung ∆ω 01 = ∆vx , und für eine Drehung in der x-y-Ebene ∆ω 12 = −∆ϕ etc. Entsprechend lässt sich S(Λ) entwickeln, S(∆ω) := 14 − i σµν ∆ω µν + O(∆ω 2 ) , 4 S −1 = 14 + i σµν ∆ω µν + O(∆ω 2 ) , (5.58) 4 wobei σµν = −σνµ sechs unabhängige 4 × 4-Matrizen sind, die wir als Erzeugende der Lorentz-Transformationen für Dirac-Spinoren bezeichnen. Einsetzen in die Bestimmungsgleichung für S ergibt i ∆ω ν µ γ µ = − (∆ω)αβ (γ ν σαβ − σαβ γ ν ) . 4 (5.59) Da das für beliebige anti-symmetrische ∆ω gelten soll, ergibt der Koeffizientenvergleich (mit Anti-Symmetrisierung der linken Seite) h [γ ν , σαβ ] = 2i δαν γβ − δβν γα i (5.60) Es liegt nahe, die σαβ aus Kommutatoren der Dirac-Matrizen γα,β zu konstruieren. Die Lösung ist in der Tat σαβ = i [γα , γβ ] , 2 (5.61) was man unter Verwendung der Identität [A, [B, C]] = {C, {A, B}} − {B, {A, C}} , leicht nachprüft. Die infinitesimale Transformationsmatrix lautet demnach S(∆ω) = 14 + 1 [γµ , γν ] ∆ω µν + . . . 8 (5.62) und die Kovarianz der Dirac-Gleichung wird somit gewährleistet. Endliche Transformationen erhalten wir durch Hintereinanderausführung S(ω) = lim N →∞ i ω µν 1− σµν 4 N N i = exp − ω µν σµν 4 . (5.63) 82 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN • Für Lorentz-Boosts ist z.B. ω 01 = −ω 10 6= 0, und σ01 i 0 σ1 = [γ0 , γ1 ] = −iα1 = −i σ1 0 2 ! † = −σ01 Somit gilt für die Darstellung von Lorentz-Boosts auf Dirac-Spinoren: 1 † , Sboost → exp − ω 01 α1 = Sboost 2 1 † −1 Sboost → exp + ω 01 α1 6= Sboost , 2 1 1 † −1 γ 0 Sboost γ 0 → exp + ω 01 γ 0 α1 γ 0 = exp − ω 01 α1 = Sboost 2 2 √ (5.64) D.h. Lorentz-Boosts werden in der Tat nicht-unitär dargestellt, im Einklang mit den obigen Vorüberlegungen. • Für Drehungen ist z.B. ω 12 = −ω21 6= 0, und σ12 i = [γ1 , γ2 ] = 2 σ3 0 0 σ3 ! † = σ12 . Somit werden Drehungen auf Dirac-Spinoren dargestellt mittels: † i → exp − ω 12 σ12 = SDrehung )−1 = γ 0 SDrehung γ 0 2 SDrehung √ . (5.65) Das entspricht der aus QM2 bekannten (unitären) Darstellung für ein Paar von PauliSpinoren (inklusive des richtigen Faktors 1/2 für Spin-1/2). Darstellung der Raumspiegelung (Parität) auf Dirac-Spinoren Für uneigentliche Lorentz-Trafos müssen wir die Darstellung S(Λ) direkt “raten”, da diese nicht kontinuierlich aus der Identität hervor gehen. Für die Raumspiegelung haben wir ~x0 = −~x und t0 = t, d.h. 1 0 0 0 0 1 0 0 Λ≡P = 0 0 1 0 0 0 0 1 Die Bestimmungsgleichung für S(P ) lautet dann P ν µ γ µ = S −1 (P )γ ν S(P ) , (5.66) welches offensichtlich erfüllt wird, wenn S(P ) = eiϕ γ 0 . (5.67) Der Winkel ϕ ist hier zunächst beliebig. Wenn wir verlangen, dass S 2 (P ) = S(P 2 ) = S(1) = 1 gelten soll, sind nur ϕ = 0, π zugelassen. Wie im Falle der Spinordarstellungen von Rotationen (die erst bei einer Drehung um einen Winkel 4πdie Identiät ergeben), könnten wir auch die schwächere Forderung S 4 (P ) = 1 stellen, was ϕ = 0, π/2, π, 3π/2 erlaubt (Damit bleiben insbesondere bilineare Kombinationen von Dirac-Spinoren (s.u.) invariant unter der Transformation P 2 = 1, s.u.). Im Folgenden setzen wir ϕ = 0, so dass die Raumspiegelung einfach durch S(P ) = γ 0 gegeben ist. 5.3. HEURISTISCHE HERLEITUNG DER DIRAC-GLEICHUNG 83 Bilineare Kombinationen von Dirac-Spinoren Mit Hilfe der Bestimmungsgleichung für S(Λ) lassen sich leicht die Transformationseigenschaften von Bilinearen wie z.B. dem erhaltenen Dirac-Strom, j µ = ψ̄γ µ ψ = ψ † γ 0 γ µ ψ ablesen. Man erhält j µ → ψ † S † γ 0 γ µ Sψ = ψ̄ γ 0 S † γ 0 γ µ Sψ | {z } = ψ̄ S −1 µ µ γ S ψ = Λ ν ψ̄γ ν ψ = Λµ ν j ν , (5.68) | {z } d.h. das von uns postulierte j µ (x) transformiert tatsächlich wie eine 4er-Vektorfeld. [Weitere Bilineare werden in den Übungen diskutiert.] Chirale Projektoren Wir definieren die Matrix 5 0 1 2 3 Dirac-Darst. γ5 ≡ γ ≡ iγ γ γ γ = 0 12 12 0 ! (5.69) mit den Eigenschaften (γ5 )2 = 1 , {γ5 , γ µ } = 0 . (5.70) 1 + γ5 2 (5.71) Dann sind die Kombinationen PL ≡ 1 − γ5 , 2 P5 ≡ komplementäre Projektoren im Dirac-Raum, denn 1 ∓ 2γ5 + γ52 1 ∓ γ5 = = PL/R , 4 2 1 − γ52 PL PR = = 0, PL + PR = 1 . 4 (PL/R )2 = (5.72) Außerdem gilt γ0 PL = γ0 1 + γ5 1 − γ5 = γ0 = PR γ0 , 2 2 (5.73) d.h. γ0 ψL ≡ γ0 PL ψ = PR S(P ) ψ = (ψ 0 )R (5.74) mit anderen Worten können ψL und ψR als links- und rechtshänige Projektionen des DiracFeldes interpretiert werden, welche unter Paritätstransformationen gerade ihre Rolle tauschen. 84 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Grenzfall m → 0: Projizieren wir die Dirac-Gleichung (i∂/ − m) ψ mit PL oder PR ergeben sich die Gleichungen / R = m ψL i∂ψ und / L = m ψR , i∂ψ (5.75) d.h. im Allgemeinen mischt die Dirac-Gleichung links- und rechtshändige Projektionen. Für masselose Teilchen entkoppeln die Gleichungen für ψL und ψR . Dies erlaubt insbesondere, die Dynamik von ψL und ψR separat zu betrachten, so dass z.B. die empirisch beobachtete Paritätsverletzung in der schwachen Wechselwirkung dadurch realisiert werden kann, dass die geladenen W -Bosonen nur an linkshändige Fermionfelder koppeln. Helizität Tatsächlich benötigen wir im Falle masseloser Teilchen bei der Herleitung der linearisierten relativistischen Bewegungsgleichungen gar nicht die Matrix β, d.h. wir können direkt Lösungen mit den 2 × 2-Pauli-Matrizen konstruieren, E = p0 = ±~σ · p~ ⇒ E 2 = (~ p)2 . Im Ortsraum lässt sich das in kovarianter Weise schreiben als sog. Weyl-Gleichungen: i∂µ σ̄ µ ϕ− (x) = 0 , mit σ̄ µ = (12 , −σ i ) , i∂µ σ µ ϕ+ (x) = 0 , mit σ µ = (12 , σ i ) . (5.76) Im Impulsraum heisst das ~σ · p~ ϕ± = ±ϕ± , |~ p| (5.77) wobei der Operator auf der linken Seite der “Helizität”, d.h. der Projektion des Spins auf die Impulsrichtung entspricht, und die beiden Weyl-Gleichungen somit Teilchen mit positiver oder negativer Helizität beschreiben. Für masselose Teilchen ist die Helizität eine gute Quantenzahl, d.h. die Spinprojektion hat immer das gleiche Vorzeichen. Für hochrelativistische Teilchen mit E m gilt die Helizitätserhaltung approximativ. 5.3.3 Lösungen der Dirac-Gleichung (freie Teilchen) Wie bereits oben diskutiert, erfüllt jede Spinorkomponente für sich die Klein-Gordong-Gleichung. Deswegen setzen wir für die Lösungen ebene Wellen mit der Dispersionrelation p2 = m2 an, wobei als Koeffizienten spinorwertige Vorfaktoren auftreten, die vom jeweiligen Impuls p~ und der Spineinstellung s = ±1/2 abängen dürfen. Die Lösungen mit dem “falschen” Vorzeichen der Energie (bzw. der Zeitabhängigkeit in der ebenen Welle) interpretieren wir dabei als Antiteilchen: (i) Teilchenlösungen: ψ(x) ≡ u(~ p, s) e−ip·x , (ii) Antiteilchenlösungen: ψ(x) ≡ v(~ p, s) eip·x . 5.3. HEURISTISCHE HERLEITUNG DER DIRAC-GLEICHUNG 85 Durch Anwenden der Dirac-Gleichung ergeben sich aus den Ansätzen sofort Bestimmungsgleichungen an die Spinorkoeffizienten, (i) 0 = (i∂/ − m) ψ(x) = (p p, s) e−i p·x / − m) u(~ ⇒ (p p, s) = 0 , / − m) u(~ i p·x ⇒ (p p, s) = 0 . / + m) v(~ (ii) 0 = (−i∂/ − m) ψ(x) = (p p, s) e / − m) v(~ (5.78) Im Ruhesystem (~ p = 0, E = m) vereinfacht sich das zu m (γ 0 − 1) u(~0, s) = 0 , m (γ 0 + 1) v(~0, s) = 0 . (5.79) Wir stellen fest, dass die Matrizen 1 + γ0 P+ ≡ 2 1 − γ0 P− ≡ 2 ! Dirac-Darst. 12 0 0 0 Dirac-Darst. 0 0 0 12 = = , γ0 P+ = P+ , , γ0 P− = −P− , ! (5.80) Projektoren auf die (in der Dirac-Darstellung) “oberen” und “unteren” Komponenten der 4er-Spinoren sind, mit (P± )2 = P± , P± P∓ = 0 und P+ + Pm = 14 . Im Ruhesystem können wir somit separat für obere und untere Komponente eine Orthogonalbasis definieren. Für die Teilchenlösungen sollen diese mit den üblichen Pauli-Spinoren der nicht-relativistischen QM übereinstimmen, d.h. wir definieren u(~0, ↑) ≡ 1 0 0 0 , u(~0, ↓) ≡ 0 1 0 0 . (5.81) mit uT (~0, s) u(~0, s0 ) = δss0 , X u(~0, s) uT (~0, s) = P+ . (5.82) v(~0, s) v T (~0, s) = P− . (5.83) s Analog gilt v T (~0, s) v(~0, s0 ) = δss0 , X s Die konkrete Konvention für die Antiteilchenlösungen ist zunächst unabhängig. Wir werden später eine bequeme Definition angeben. Dies lässt sich nun leicht auf beliebige Impulse verallgemeinern, wobei wir noch die Normierungskonvention offen lassen, u(~ p, s) := N (p / + m) u(0, s) , v(~ p, s) := −N (p / − m) v(0, s) , (5.84) welches wegen (p / ± m)(p / ∓ m) = p2 − m2 = 0 die obigen Bestimmungsgleichungen erfüllt und sich für p~ → 0 und N → 1/2m auf den Ansatz im Ruhesystem reduziert. 86 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Die Normierungskonvention für bewegte Bezugsysteme wählt man durch Betrachtung der entsprechenden Orthogonalitäts- und Vollständigkeitsrelationen. Mit † T 0 0 T 0 u† (~ p, s) = N uT (0, s) (p / + m) = N u (0, s) (γ p /γ + m) = N u (0, s) (p / + m) γ , ū(~ p, s) = N uT (0, s) (p / + m) , (5.85) erhält man X u(~ p, s) ū(~ p, s) = N 2 (p / + m) P+ (p / + m) s 1 1 2 (p / + m) + (p / + m)γ0 (p / + m) 2 2 1 0 = N 2 m (p + m) + 2E + γ ( p − m) ( p + m) / / / 2 = N 2 (E + m) (p / + m) , = N2 (5.86) sowie 2 0 ū(~ p, s) u(~ p, s0 ) = N 2 uT (0, s) (p / + m) u(0, s ) 0 = 2m N 2 uT (0, s)P+ (p / + m)P+ u(0, s ) = 2m N 2 (E + m) uT (0, s) u(0, s0 ) = N 2 2m (E + m) δss0 , (5.87) und 0 0 u† (~ p, s) u(~ p, s0 ) = N 2 uT (~0, s) (p / + m)γ (p / + m) u(0, s ) 0 2 = N 2 uT (0, s) 2E (p / + m) u(0, s ) = N 2E (E + m)δss0 . (5.88) Die obige (nicht-relativistisch motivierte) Normierung erhält man für die Wahl N = ( 2m (E + m))−1 . Für hochrelativistische Teilchen m E ist diese Normierung unbequem, da man durch die kleine teilen muss. Deshalb wählt man für relativistische Anwendungen lieber √ Masse −1 N = ( E + m) . In diesem Fall gilt p X u(~ p, s) ū(~ p, s) = p / + m, s ū(~ p, s) u(~ p, s) = 2m δss0 , u† (~ p, s) u(~ p, s0 ) = 2E δss0 . (5.89) Analog erhält man für die Spinorkoeffizienten der Antiteilchenlösungen X v(~ p, s) v̄(~ p, s) = p / − m, s v̄(~ p, s) v(~ p, s) = −2m δss0 , v † (~ p, s) v(~ p, s0 ) = 2E δss0 . (5.90) Außerdem gilt für die gemischten Produkte u† (~ p, s) v(−~ p, s0 ) = 0 . (5.91) 5.3. HEURISTISCHE HERLEITUNG DER DIRAC-GLEICHUNG 87 Quantisierung des Dirac-Feldes Wir können jetzt analog zum Klein-Gordon-Feld oder zum elektromagnetischen Feld aus den Lösungen der Dirac-Gleichung einen quantisierten Dirac-Feldoperator konstruieren: ψ̂α (x) ≡ X Z s=±1/2 o 1 n d3 p −i p·x +i p·x ˆ† (~ √ . b̂(~ p , s) u (~ p , s) e + d p , s) v (~ p , s) e α α (2π)3 2E (5.92) Hierbei bezeichnet α = 1 . . . 4 den Dirac-Index, b̂(~ p, s) ist ein Vernichtungsoperator für Fermionen mit Impuls p~ und Spineinstellung s, und dˆ† (~ p, s) ein entsprechender Erzeugungsoperator für Antifermionen. Die entsprechenden Antivertauschungsrelationen lauten ˆ p, s), dˆ† (~ {b̂(~ p, s), b̂† (~ p0 , s0 )} = {d(~ p0 , s0 )} = (2π)3 δ (3) (~ p − p~0 ) δss0 , ˆ p, s), dˆ† (~ {b̂(~ p, s), b̂† (~ p0 , s0 )} = {d(~ p0 , s0 )} = 0 , ˆ p0 , s0 )} = {b̂(~ {b̂(~ p, s), d(~ p, s), dˆ† (~ p0 , s0 )} = . . . = 0 . (5.93) Dirac-Strom und Ladungsoperator Als Anwendung können wir aus dem quantisierten Ausdruck für den erhaltenen Dirac-Strom, j µ (x) = Ψ̄(x)γ µ Ψ(x) → XZ s,s0 d3 p d3 p0 1 1 √ √ (2π)3 (2π)3 2E 2E 0 0 0 ū(~ p0 , s0 ) eip ·x b† (~ p0 , s0 ) + v̄(~ p0 , s0 ) e−i~p ·x d(~ p0 , s0 ) γ µ u(~ p, s) e−ip·x b(~ p, s) + v(~ p, s) ei~p·x d† (~ p, s) , (5.94) den dazugehörigen Ladungsoperator Q̂ = d3 x ĵ 0 (x) durch Erzeuger und Vernichter ausdrücken. Die x-Integration liefert dabei Delta-Funktionen, die p~0 = ±~ p setzen, so dass stets E 0 = E gesetzt werden kann, R Q̂ = XZ s,s0 d3 p † ˆ p, s0 )dˆ† (~ b̂ (~ p, s0 )b̂(~ p, s) u† (~ p, s0 )u(~ p, s) + d(~ p, s) v † (~ p, s0 )v(~ p, s) (2π)3 2E +b̂† (−~ p, s0 )dˆ† (~ p, s) u† (−~ p, s0 )v(~ p, s) e2iEt + h.c. . (5.95) Aufgrund der oben angegebenen Orthogonalitätsrelationen der Spinorkoeffizienten verschwinden die Terme in der zweiten Zeile, während in der ersten Zeile u† u = v † v = 2E δss0 gilt. Somit vereinfacht sich der Ausdruck zu Q̂ = XZ s,s0 = XZ s,s0 d3 p † ˆ p, s)dˆ† (~ b̂ (~ p, s)b̂(~ p, s) + d(~ p, s) 3 (2π) d3 p † ˆ p, s) + const. ˆ† (~ b̂ (~ p , s) b̂(~ p , s) − d p , s) d(~ (2π)3 (5.96) 88 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Die (unendliche) Konstante hat keinerlei physikalische Bedeutung und kann abgezogen werden (formal bezeichnen wir das als Normalordnung N (Q̂) oder : Q̂ :). Somit (normal geordnetes) d3 p (n̂Teilchen (~ p, s) − n̂Antiteilchen (~ p, s)) (2π)3 s,s0 √ = N̂Teilchen − N̂Antiteilchen Q̂ = XZ (5.97) D.h. wie im Falle des Klein-Gordon-Feldes ist j 0 (x) wieder als Ladungsdichte zu interpretieren. Man beachte, dass das relative Vorzeichen5 als Konsequenz der Antivertauschungsrelationen (also letztendlich vom Spin-Statistik-Theorem) auftritt! Ladungskonjugation Wir wollen jetzt die Operation konstruieren, welche das Vorzeichen des Ladungsoperators für Dirac-Felder umdreht, d.h. die Rolle der Erzeuger/Vernichter b̂ und dˆ vertauscht. Wir erinnern uns, dass im Falle des Klein-Gordon-Felds einfach φ(x) → φ∗ (x) bzw. φ̂(x) → φ̂† (x) zu betrachten war. Behauptung: Für Dirac-Felder wird die Ladungskonjugation (charge conjugation = C) durch die Operation ψ(x) → −iγ 2 ψ ∗ (x) (5.98) realisiert. Hierbei ist in der Dirac-Darstellung gerade 2 −iγ = 02 02 ! mit = 0 1 −1 0 ! (5.99) Da für die elementaren Dirac-Matrizen (γ 0 )∗ = γ 0 , (γ 1 )∗ = γ 1 , (γ 3 )∗ = γ 3 , (γ 2 )∗ = −γ 2 , gilt, hat man gerade, dass (γ 2 γ µ )∗ = γ µ γ 2 (5.100) Somit ergibt sich für die elementaren Spinorkoeffizienten (v(~ p, s))∗ = N (p / − m) v(0, s) ∗ ∗ = N (p / − m) v(0, s) ∗ 2 ∗ 2 2 2 2 = −N (p / − m) (γ ) γ v(0, s) = −N (γ p / + mγ )γ v(0, s) 2 = (−iγ 2 ) N (p / + m) (−iγ ) v(0, s) . (5.101) Wenn wir jetzt die Basis für v(0, s) gerade so wählen, dass u(0, s) = (−iγ 2 ) v(0, s) gilt, dann haben wir in der Tat, dass v ∗ (~ p, s) = (−iγ 2 ) u(~ p, s) , 5 (5.102) Wenn man die unquantisierte Ladungsdichte mit komplexwertigen Koeffizienten b und d anstelle von fermionischen Erzeugern/Vernichtern berechnet hätte, wäre das Vorzeichen falsch herausgekommen, dd∗ = d∗ d. Deswegen muss man, um “klassische” fermionische Feldkonfigurationen zu beschreiben, die Koeffizienten als sog. “Grassman-Zahlen” (d.h. ein formal neues algebraisches Zahlensystem) ansetzen, welche dd∗ = −d∗ d erfüllen. 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 89 (und entsprechend umgekehrt). Daraus erhält man 2 ∗ −iγ ψ(x) = XZ s 1 † d3 p ip·x −ip·x ˆ p, s) u(~ √ b̂ (~ p , s) v(~ p , s) e + d(~ p , s) e (2π)3 2E √ = ψ(x) 5.4 b↔d (5.103) Nicht-relativistischer Grenzfall für Dirac-Gleichung in Anwesenheit eines elektromagnetischen Feldes Wir wollen nun aus der Dirac-Gleichung wieder die nicht-relativistische Pauli-Gleichung für ein Spin-1/2–Teilchen im elektromagnetischen Feld herleite. Dazu erinnern wir uns zunächst daran, daß die elektromagnetische Wechselwirkung durch das Prinzip der minimalen Substitution eingeführt werden kann, d.h. man ersetzt6 p~ → ~π = p~ − e ~ ¨, A ≡ m ~x c wobei pµ der kanonische Impuls (mit kanonischen Vertauschungsrelationen) und π µ der kinetische Impuls ist (dadurch ergibt sich z.B. im nicht-relativistischen Hamiltonian die LorentzKraft.) Die relativistische Verallgemeinerung lautet offenbar pµ → pµ − eAµ ≡ π µ (5.104) ~ nun sowohl das skalare als auch das Vektorpotential enthält. Damit liest wobei Aµ = (φ, A) sich die Hamiltonsche Form der Dirac-Gleichung mit elektromagnetischer Wechselwirkung V z}|{ i∂t ψ = (~ α~π + βm + eφ ) ψ (5.105) − m) ψ(x) = 0 . (i ∂ − e A(x) − m) ψ(x) ≡ (i D (5.106) bzw. in der ursprünglichen Form Hierbeit bezeichnet man Dµ = ∂µ + ieAµ (x) auch als kovariante Ableitung . Zur Eichinvarianz: Das Prinzip der minimalen Kopplung ergibt sich aus der sogenannten Eichinvarianz. Dazu betrachtet man lokale Phasentransformation ψ(x) → eiα(x) ψ(x) , (5.107) d.h. Beobachter an verschiedenen Orten wählen unterschiedliche Konventionen für die (in der QM) unphysikalische Phase. Dann wird aus der Dirac-Gleichung (γ µ i∂µ − m)ψ(x) → (γ µ i∂µ − m)eiα(x) ψ(x) = eiα(x) (γ µ i∂µ − m)ψ(x) − γ µ (∂µ α)eiα(x) ψ(x) | {z } | {z } =0 6 (5.108) 6=0 Im Gegensatz zu Kapitel 2 haben wir hier die cgs-Konvention für die elektromagnetische Kopplung benutzt. Im Folgenden werden wir auch wieder c = 1 setzen. 90 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Lokale Phasentransformationen stellen also keine Symmetrie der freien Dirac-Gleichung dar. Wenn wir nun aber die elektromagnetische Wechselwirkung berücksichtigen und den Eichparameter des 4er-Vektorpotentials mit α(x) identifizieren, eAµ (x) → eAµ (x) − ∂µ α(x) (5.109) wird der obige Extra-Term gerade kompensiert. D.h. (iγ µ ∂µ − eγ µ Aµ − m) ψ(x) ist kovariant unter lokalen Phasentransformationen → eiα(x) (iγ µ ∂µ − eγ µ Aµ − m)ψ(x) In Anwesenheit der elektromagnetischen Wechselwirkung erfüllen die stationören Lösungen der Dirac-Gleichung also α ~ · ~π + βm + V ψ = Eψ mit ψ(x) = e −iEt ϕ(~x) χ(~x) (5.110) ! (für Teilchen) Für die Energie ziehen wir die Ruhemasse ab und schreiben W =E−m sodaß W noch die (relativistische) kinetische Energie sowie die Wechselwirkungsenergie mit dem elektromagnetischen Feld beschreibt. Im nicht-relativistischen Grenzfall, den wir jetzt konstruieren wollen, ist W m. Wenn wir die explizite Darstellung der Dirac-Matrizen α und β benutzen, wird aus obiger Gleichung dann das Gleichungssystem ! χ ~σ · ~π +m ϕ ! ϕ +V −χ ϕ χ ! ! = (m + W ) ϕ χ (5.111) d.h. (~σ · ~π ) χ = (W − V ) ϕ , (~σ · ~π ) ϕ = (2m + W − V ) χ (5.112) Für große Massen, d.h. m W, V, |~π |, folgt aus der 2. Gleichung, daß die unteren Spinorkomponenten χ gegenüber den oberen (ϕ) mit 1/m unterdrückt sind, χ=O W, V, |~π | m ·ϕϕ d.h. im nicht-relativistischen Grenzfall wird χ ϕ die kleine Komponente die dominanate Komponenete (5.113) 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 91 des 4er-Spinors (der Vorteil der Dirac-Darstellung in diesem Zusammenhang is also gerade, daß dieser Aspekt transparent wird). Setzen wir die Lösung für die kleine Komponente, χ = (2m + W − V )−1 (~σ · ~π ) ϕ , (5.114) in die 1. Gleichung ein, erhalten wir (W − V ) ϕ = (~σ · ~π ) 1 1 1 (~σ · ~π ) ϕ ≈ (~σ · ~π ) (~σ~π ) ϕ + O( 2 ) . 2m + W − V 2m m (5.115) Bei der Auswertung des Terms (~σ · ~π )(~σ · ~π ) müssen wir aufpassen, denn ~π enthält ja den ~ Impulsoperator, der nicht mit dem x-abhängigen Vektorfeld A(x) vertauscht, d.h. ~ × (~ ~ = ie(∇ ~ ×A ~+A ~ × ∇) ~ ~π × ~π = (~ p − eA) p − eA) (5.116) ~ auf ϕ(x) (die Ableitungen, die auf ϕ(x) wirken, heben sich aufgrund der Antiwirkt wie ieB ~ × A) ~ =B ~ übrig bleibt). symmetrie des Kreuzprodukts auf, sodaß (∇ ( ⇒ W ϕ(~x) ≡ (E − m) ϕ(~x) = 1 ~ 2 − e (~σ · B) ~ (~ p − e A) 2m | {z } |2m {z } kin. Energie spin-unabh. ) ϕ(~x) (5.117) spin-abh. Kopplung ans Magnetfeld Pauli-Term Der Pauli-Term definiert das magnetische Moment für ein Dirac-Teilchen − e ~ ≡ −(~ ~ (~σ · B) µ · B) 2m e ~ wobei allgemein µ ~ ≡ µB g ~s definiert ist, µB = 2m c das Bohrsches Magneton bezeichnet, und ~ σ der Spinvektor durch ~s = 2 dargestellt ist (für Spin 12 ). Damit lesen wir den Landé-Faktor des Elektrons (allgemein Dirac-Fermion) ab g=2 (für Dirac-Teilchen) . Anmerkungen: • g = 2 ist eine echte Vorhersage der relativistischen Theorie. Allerdings gibt es noch Korrekturen von Quantenfluktuationen des elektromagentischen Feldes, die in der Quantenfeldtheorie berechnet werden können. Die führende Korrektur ergibt sich aus g = 2(1 + α + ...) 2π mit α = e2 1 ' . ~c 137 Höhere Ordnungen sind in den letzten Jahren ebenfalls berechnet worden. • Die experimentelle Messung für Elektronen ergibt momentan den Wert (ge − 2)/2 = [1159.6521811 ± 0.00000074]10−6 . Man benutzt diese Messung, um durch den Vergleich mit der theoretischen Präzisionsrechnung eine äußerst genaue Bestimmung der Feinstrukturkonstante α zu erhalten. 92 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN • Für das Myon (schwerer Partner des Elektrons) erhält man experimentell (gµ − 2)/2 = [11 659 209.1 ± (5.4 ± 3.3)]10−10 . Mit dem obigen Wert für α (und theoretischen Abschätzungen für Korrekturen aufgrund der starken und der schwachen Wechselwirkung) beobachtet man dann momentan eine (2−3)σ Abweichung zwischen Experiment und Theorie. – Diese Diskrepanz wird manchmal als indirekter Hinweis auf Physik jenseits des Standardmodells interpretiert, da auch neue (schwere) Teilchen und/oder neue Wechselwirkungen zu den Quantenkorrekturen beitragen können. Sie kann aber auch auf unvollständig verstandene hadronische Korrekturen hinweisen. 5.4.1 Höhere Korrekturen in 1/m Betrachten wir noch einmal die Gleichung (W − V ) ϕ = (~σ · ~π ) (2m + W − V )−1 (~σ · ~π ) ϕ 1 1 = (~σ · ~π ) (~σ · ~π ) ϕ − (~σ · ~π ) (W − V ) (~σ · ~π ) ϕ + O(1/m3 ) 2m 4m2 (5.118) wobei wir nun eine Ordnung höher in 1/m entwickelt haben. Wir bemerken: • Im Term der Ordnung 1/m2 taucht wieder (W − V ) auf, wobei V = V (x) als quantenmechanischer Operator aufzufassen ist. Aus dem führenden Term wissen wir bereits, daß die Operatorgleichung (W − V̂ )ϕ = O( 1 )ϕ ≈ 0 m gilt. Es liegt also nahe, zu versuchen (W − V ) nach rechts durchzutauschen. • Dabei taucht aber ein konzeptionelles Problem auf: Der so konstruierte Term ist nicht mehr hermitesch (ist also nicht als zur Interpretation als effektiven Beitrag zum nicht-relativistischen Hamilton-Operator geeignet). Ausweg 1 (pragmatisch): Wir hermitesieren den so konstruierten Beitrag per Hand. Ausweg 2 (subtiler): Wir führen eine sog. „Foldy-Wouthuysen“-Transformation durch, d.h. wir suchen eine unitäre Transformation ψ 0 = eiS ψ, so daß für geschickte Wahl von S die oberen und unteren Komponenten ϕ und χ entkoppeln (in der gewünschten Ordnung der 1/m-Entwicklung). Weg 1: (W − V̂ ) (~σ · ~π ) ϕ = (~σ · ~π ) (W − V̂ ) ϕ − [(~σ · ~π ), W − V̂ ] ϕ 1 = O( ) + [(~σ · p~), V̂ ] ϕ m (5.119) 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 93 Dabei haben wir benutzt, daß W kein Operator ist, und V̂ = V (x̂), so daß lediglich nur [p̂, x̂] 6= 0 beachtet werden muß. Damit ergibt sich weiter ~ )) ϕ = ie~σ · E ~ (W − V̂ ) (~σ · ~π ) ϕ = (~σ · (−i∇V (5.120) ~ wirkt wegen des Kommutators nur noch auf V (x), Beachte: ∇ ~ ϕ − V ∇ϕ ~ = (∇V ~ )ϕ + V ∇ϕ ~ − V ∇ϕ ~ = (∇V ~ )ϕ, ∇V und ergibt somit einfach die elektrische Feldstärke. D.h. wir erhalten zunächst das Zwischenergebnis − ie 1 ~ ϕ (~σ · ~π )(W − V ) (~σ · ~π ) ϕ = − 2 (~σ · ~π ) (~σ · E) 2 4m 4m (5.121) Das Ergebnis auf der rechten Seite müssen wir nun per Hand hermetisieren, ⇒− o ie n ~ − (~σ · E) ~ (~σ · ~π ) ϕ . (~ σ · ~ π ) (~ σ · E) 8m2 Um dies weiter umzuformen, benutzen wir wieder die Relation für Produkte von PauliMatrizen σ i σ j = δ ij + σ k ijk und beachten sorgfältig die Reihenfolge der Ableitungsoperatoren ⇒− o ie n ~ ~ · ~π + iσ k ijk (π i E j − E i π j ) ϕ ~ π · E − E 8m2 • Für die ersten beiden Terme schreiben wir ~ −E ~ · ~π ) ϕ = [~π , E] ~ ϕ = −i (∇ ~ · E) ~ ϕ (~π · E (5.122) wobei wir wieder benutzt haben, daß der Kommutator mit dem Ableitungsoperator ~ wirkt. bewirkt, daß die Ableitung nur auf E • Um den letzten Term ähnlich zu behandeln, benennen wir zunächst die Indizes im 2. Term um, i ↔ j, und benutzen jik = −ijk ⇒ iσ k ijk (π i E j + E j π j ) ϕ = iσ k ijk (π i E j − E j π i + 2E j π i ) ϕ ~ × E) ~ − 2i ~σ · (E ~ × ~π ) ϕ . = i ~σ · (−i ∇ (5.123) Insgesamt erhalten wir somit 1 (~σ · ~π ) (W − V̂ ) (~σ · ~π ) ϕ 2 4m e ~ ~ ie e ~ ~ ~ = − 2 (∇ · E) − ~σ · (∇ × E) − ~σ · (E × ~π ) ϕ 8m 8m2 4m2 − (5.124) 94 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Interpretation der Terme zur Ordnung m−2 : Um die verschiedenen Terme zu interpretieren, betrachten wir nun der Einfachheit halber den ~ = 0): Aus konkreten Fall eines konstanten, radialsymmetrischen elektrischen Feldes (d.h. A φ = φ(r = |~x|) ergibt sich ~ = −∇φ ~ = − 1 ∂φ ~x E r ∂r Damit erhalten wir • Für den ersten Beitrag: HDarwin = − e ~ ~ e (∇ · E) = ∆φ(r) . 2 8m 8m2 Dies ist der sog. Darwin-Term, (welcher heuristisch durch die sog. „Zitterbewegung“ des Elektrons motiviert wird). ~ ×E ~ = 0 (für φ = φ(r) und A ~ = 0). • Der zweite Term verschwindet: ∇ ~ × ~π → E ~ × p~ = − 1 • Für den dritten Term erhält man schließlich mit E r 1 ∂φ ~ − r ∂r L HSpin−Bahn = e 1 ∂φ ~ (~σ · L) 4m2 r ∂r ∂φ ∂r (~x × p~) = (5.125) Dies beschreibt gerade die Spin-Bahn-Kopplung (für ~s = ~σ /2). (Heuristisch erhält man den Term aus dem Spin des Elektrons im dem durch die Bahnwegegung induzierten effektiven Magnetfelds des Protons; den zusätzlichen Faktor welcher dabei aufgrund der sog. Thomas-Präzession berücksichtigt werden muß, erhalten wir in unserer Herleitung aus der manifest relativistisch invarianten Dirac-Gleichung automatisch!) 1/m vs. 1/c-Entwicklung: Bei der Berechnung der Korrekturen zum nicht-relativistischen Grenzfall muß man noch eine Subtilität betrachten, da die 1/m-Entwicklung nicht mit einer Entwicklung nach inversen Potenzen der Lichtgeschwindigkeit 1/c identisch ist. Mit den richtigen Ersetzungen für ~, c 6= 1 ergibt sich für die bisher identifizierten Beiträge zur Energie 2 1 e~ 2 e~ ~ + ~ e ∆φ + e 1 ∂φ ~σ · L ~ E = mc2 + eφ + (~ p − A) − ~σ · B 2m c 2mc 8(mc)2 4(mc) r ∂r d.h. die Beiträge der Ordnung e (1. Ordnung im elektromagnetischen Potential/Feld) entsprechen 1 n (und hier sind die 1/m und 1/c-Entwicklung äquivalent). tatsächlich einer Entwicklung in mc Allerdings ergibt die Entwicklung der freien kinetischen Energie p p~ 2 c2 + m2 c4 = mc2 + p~ 2 (~ p 2 )2 − 2m 8m3 c2 1 n 1 n−1 jeweilsPotenzen (mit n ungerade). D.h. insbesondere, daß in der 1/c-Entwicklung der m c (~ p 2 )2 Term − 8m3 c2 genau so wichtig ist wie die Terme der Ordnung m2ec2 und deshalb bei der Diskussion der Korrekturen zum Wasserstoffspektrum (s.u.) berücksichtigt werden muß. 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 95 Weg 2: Foldy-Wouthuysen–Transformation Wir wollen nun noch die alternative Herleitung der 1/mn -Korrekturen zum Hamiltonian mittels der Foldy-Wouthuysen–Transformation angeben (siehe auch Schwabl oder Bjorken/Drell). Wir betrachten also eine unitäre Transformation des Dirac-Spinors ψ = e−iS ψ 0 mit S = S † Einsetzen in die Dirac-Gleichung (in Hamiltonscher Form) ergibt i∂t ψ = e−iS (i∂t ψ 0 ) + (∂t S)e−iS ψ 0 = Hψ = HeiS ψ 0 i h ⇒ i∂t ψ = eiS (H − i∂t )e−iS ψ 0 {z | (5.126) } ≡H 0 wobei wir den Hamiltonoperator in der transformierten Basis identifiziert haben. Die ursprüngliche Hamiltonfunktion hatte • „gerade“ Operatoren, d.h. solche, bei denen keine Mischung der Spinorkomponenten ϕ und χ (Dirac-Darstellung) auftritt: (β m + e φ) • „ungerade“ Operatoren, bei denen ϕ und χ mischen: ~ α ~ · (~ p − eA) Unser Ziel ist es durch geeignete Wahl von S zu erreichen, daß der Hamiltonoperator H 0 (zu der betrachteten Ordnung in 1/m) nur noch gerade Operatoren enthält, sodaß in der neuen Basis ϕ0 und χ0 entkoppeln. Wir wissen, daß im Limes m → ∞ der führende Term, H ≈ βm, schon „gerade“ ist, d.h. die Phasenfunktion S, die wir suchen, läßt sich entwickeln S= 1 1 1 S1 + S2 + S3 + ... 2m 4m2 8m3 (5.127) Um die Exponentiale (von Operatoren) in obigen Ausdruck für H 0 zu entwickeln, benutzen wir die Baker-Hausdorff-Formel: eiS H e−iS −eiS i∂t e−iS = = H + − i[S, H] Ṡ + − e·φ + i2 2 [S, [S, H]] i 2 [S, Ṡ] + ... + ... wobei H= β·m + | {z } |{z} ≡ E gerade O(m) gerade α · ~π} |~ {z ≡ O ungerade Wir sortieren nun die Terme nach Potenzen von 1/m: (m)1 : H 0 |m1 = βm gerade X (m)0 : H 0 |m0 = eφ + α ~ ~π + 2i [S1 , β] (m)−1 : H 0 |m−1 = ... i 4m [S2 , β] + i 2m [S1 , E + O] − 1 8m [S1 , [S1 , β]] − 1 2m Ṡ1 96 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Zur weiteren Analyse führen wir ein paar Vorüberlegungen zu Kommutatoren der auftretenden Operatoren durch. Mit [β, O] = 1 0 0 −1 ! ! 0 ~π · ~σ 0 ~π · ~σ − ~π · ~σ 0 ~π · ~σ 0 ! = 0 ~π · ~σ 0 −~π · ~σ − −~π · ~σ 0 ~π · ~σ 0 ! ! 1 0 0 −1 ! = 2βO und [β, E] = 0, sowie β 2 = 1 folgt: [βO, β] = β[O, β] = −2O , (5.128) 2 [βO, O] = 2βO , (5.129) [βO, E] = β[O, E] , (5.130) [[O, E], β] = −2β[O, E] . (5.131) Wir bestimmen nun den Beitrag S1 aus H 0 |m0 , sodaß der ungerade Beitrag O gerade kompensiert wird: i ! O + [S1 , β] = 0 2 0 ~σ · ~π ⇒S1 = −iβO = −i −~σ · ~π 0 ! = S1† X (5.132) Als gerader Term bleibt dann gerade noch übrig H 0 m0 = eφ , (5.133) was konsistent mit unserer obigen Rechnung ist. Die Matrix S2 wird in der Übung konstruiert. Die Rechnung für die Ordnung 1/m2 kann analog durchgeführt werden; – für die detaillierte Rechnung wird auf die Literatur verwiesen. Effekte der relativistischen Korrekturen auf das Wasserstoffspektrum Als Anwendung der relativistischen Korrekturen zur Schrödinger-Gleichung wollen wir nun die Effekte auf das Wasserstoffspektrum studieren. Dazu führen wir zunächst einige Vorüberlegungen durch. Wir können das Wasserstoff-Problem in (entarteter) zeitunabhängiger Störungstheorie betrachten, d.h. wir suchen die Matrixelemente der Korrekturen zum Hamiltonian mit den Zuständen des ungestörten Wasserstoff-Problems (welche wir aus QMI kennen), E (1) = hφ(0) |H1 |φ(0) i . (0) Um der Entartung der Zustände |φ(0) i (für gegebenen Energieeigenwert En ) Rechnung zu tragen, wählen wir als Ausgangszustände gerade die Eigenvektoren der Symmetriegeneratoren des vollen Problems, 1 |φ(0) i = |n, j = l ± , mj , li , 2 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 97 wobei n die Hauptquantenzahl, j der Betrag des Gesamtdrehimpuls, mj dessen z-Komponente und l der Betrag des Bahndrehimpuls ist (entsprechend dem maximalen Satz von kommutie~ 2 ] = [J~ 2 , Jz ] = [J~ 2 , L ~ 2 ] = [Jz , L ~ 2 ] = 0). Damit renden Operatoren [Ĥ, J~ 2 ] = [Ĥ, Jz ] = [Ĥ, L sind die Erwartungswerte mit dem Stör-Hamiltonian automatisch diagonal. Weiterhin stellt sich heraus (s.u.) , daß wir für die Berechnung der relativistischen Korrekturen die Erwartungswerte 1 1 1 h i,h 2i,h 3i r r r benötigen. Diese könnten wir explizit über den Radialanteil der ungestörten WasserstoffWellenfunktion ausrechnen. Wir benutzen hier alternativ eine etwas elegantere Herleitung. Dazu betrachten wir zunächst den sog. Virial-Satz: Aus Ĥ0 = p̂2 + V (x̂) , 2m mit Eigenvektoren Ĥ0 |ψi = E |ψi, folgt hψ|[Ĥ0 , x̂ · p̂]|ψi = 0 und damit h−i~ p~ ~ i=0 · p~ + i~ ~x · ∇V m ⇒ h p2 ~ i = 0. i − h~x · ∇V m (5.134) (Dies gilt allgemein für einen Hamiltonian der Form T̂ + V̂ .) Wenden wir dies speziell auf das Coulomb-Potential des H-Atoms an V =− e2 r , 2 ~ =e ~x · ∇V r Setzen wir dies in den Ausdruck für die Energie ein, ergibt sich: E = hHi = h 2 2 p2 1 ~ i − he i = −1 he i i + hV i = h~x · ∇V 2m 2 r 2 r (5.135) d.h. 1 2 1 h i = − 2 En = r e an2 (5.136) 2 ~ wobei wir den Bohrradius a = me 2 zur Klassifizierung der Energieniveaus des ungestörten Wasserstoff-Atoms En eingeführt haben. Für die Berechnung der Erwartungswerte h1/r2 i und h1/r3 i betrachten wir den Radialanteil der Schrödinger-Gleichung in der Form Ĥ u(ρ) = u(ρ) mit der dimensionslosen Variable ρ = r/a und H=− d2 l(l + 1) 2 + − dρ2 ρ2 ρ (siehe QM I) (5.137) Die (normierten) Energieeigenwerte schreiben wir als = −1/(N + l + 1)2 , wobei wir im Folgenden N = n − l − 1 und l als unabhängige Variablen auffassen (und nicht n). 98 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN • Leiten wir die Schrödinger-Gleichung nach l ab (bei festem N ), ergibt sich ∂u ∂ ∂u ∂H u+H = u+ ∂l ∂l ∂l ∂l (5.138) • Bilden wir jetzt wieder den Erwartungswert bezüglich des Radialanteils |ui, erhalten wir ∂H ∂u ∂ ∂u hu| |ui + hu|H| i = hu|ui + hu| i | {z } ∂l ∂l ∂l ∂l | {z } =hu| ∂u i ∂l ⇒ hu| =1 ∂ ∂H 2l + 1 2 |ui = hu| 2 |ui = = 3 ∂l ρ ∂l n (5.139) und daraus die gewünschte Beziehung für h1/r2 i h 1 2 i = 2 r nl (2l + 1)n3 a2 (5.140) • Ableiten der Schrödinger-Gleichung nach ρ liefert wiederum ∂H ∂u ∂u |ui + hu|H| i = hu| i ∂ρ ∂ρ ∂ρ 1 2 ! ∂H |ui = −2l(l + 1) h 3 i + h 2 i = 0 ⇒ hu| ∂ρ ρ ρ hu| (5.141) und somit h Zusammengefasst: (mit α = e2 ~c ≈ 1 2 1 i = 3 3 r nl l(l + 1)(2l + 1) n a3 (5.142) 1 137 ) 1 mc α 2 h i= = −En , 2 r ~ n α~b 1 4m h 2 i = −En 2 , r ~ (2l + 1)n 1 4αm2 c . h 3 i = −En 3 r ~ (2l + 1)l(l + 1)n (5.143) Mit diesem Ergebnis können wir nun direkt die einzelnen Korrekturen zum Wasserstoffspektrum angeben: Korrektur zur kinetischen Energie: Die Beiträge von der kinetischen Energie zur Ordnung 1/m3 entsprechen einer Korrektur zum Hamiltonian 1 (p2 )2 1 ∆H = − =− 3 2 8m c 2mc2 e2 H0 + r !2 (5.144) 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 99 wobei wir p2 /2m = H0 − V benutzt haben. Daraus erhält man h∆Hi = − 1 α2 2 2 1 4 1 (E + 2E e h i + e h i) = E n n 2 2mc2 n r r2 n 2n 3 − 2l + 1 4 <0 (5.145) für Zustände |ψ0 i = |njmj li. • Bezogen auf die ungestörte Energie En erhalten wir also eine Korrektur der Ordnung α2 . • Die Stärke der Korrektur hängt explizi von der Drehimpulsquantenzahl l ab. • Wie bereits oben erwähnt verschwinden die nicht-diagonalen Elemente hnj 0 m0j l0 |∆H|njmj li , ~ L ~ 2 vertauscht. da ∆H mit J~ 2 , J, Spin-Bahn-Kopplung: 2 Für das Coulomb-Potential V = − er ergibt sich für die Korrektur der Spin-Bahn–Kopplung zum Hamilton-Operator ĤLS = 2 1 ~ e ~ s · L 2m2 c2 r3 (5.146) ~ + ~s durch Quadrieren die Relation Weiterhin fologt aus J~ = L ~ = ~s · L 1 ~2 ~2 J − L − ~s2 . 2 Also ist 2 ~ |n, j = l ± 1 , mj , li = ~ (j(j + 1) − l(l + 1) − s(s + 1)) |n, j = l ± 1 , mj , li ~s · L 2 2 ( 2 ) ~2 (l + 21 )(l + 32 ) − l(l + 1) − 34 1 = 1 1 3 |n, j = l ± , mj , li 2 (l − 2 )(l + 2 ) − l(l + 1) − 4 2 ~2 = 2 ( (5.147) ) 1 l |n, j = l ± , mj , li . −l − 1 2 (5.148) Es bleibt noch der Erwartungswert bezüglich des Radialanteils (s.o.), e2 1 2α2 >0 h i = −E n 2m2 c2 r3 ~2 l(l + 1)(2l + 1)n (5.149) so daß sich insgesamt α2 hĤLS i = |En | (2l + 1)n ( 1 l+1 − 1l >0 <0 (5.150) 100 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN ergibt. Der Ausdruck hängt ist wieder von der Ordnung α2 und hängt explizit von der Bahndrehimpulsquantenzahl l ab. Zusammenfassen von ĤLS und ∆H ergibt damit α2 h∆H + ĤLS i = |En | 2 n ( n 2n 3 − + + l+1n −l 2l + 1 4 )! α2 = |En | 2 n 3 n − 4 j+ ! 1 2 (5.151) Man beachte, daß die Summe nur noch vom Gesamtbahndrehimpuls-Eigenwert j abhängt! Anmerkung: In der obigen Herleitung ist der Fall l = 0 (d.h. j = 21 ) gesondert zu betrachten. Wegen h 1 1 i∼ 3 r l divergiert der Erwartungswert für l = 0 im Falle des angenommenen Coulomb-Potentials. Dies ist aber nicht wirklich realistisch, denn der Kern ist ja eigentlich ausgedehnt (d.h. keine Punktladungsquelle). Der endliche Radius des Kerns regularisiert die Divergenz, so daß dann ~ s |ψi ∝ l |ψi ein h r13 i ∼ endlich für l = 0. Dann ergibt sich allerdings mit dem Vorfaktor aus L~ verschwindender Beitrag der Spin-Bahn-Kopplung für l = 0, d.h. hĤLS il=0,j= 1 = 0, 2 und obige Gleichung gilt zunächst nur für l ≥ 1. Darwin-Term: Für den Darwin-Term erhalten wir im Falle des Coulomb-Potentials HDarwin = ~2 ~2 ∆V = (4πe2 δ (3) (~x)) 8m2 c2 8m2 c2 (5.152) Wegen der δ-Distribution tragen nur s-Wellen bei (bei denen ψ(0) 6= 0). Das explizite Ergebnis lautet hHDarwin i = π~2 e2 |ψnl (0)|2 δl0 2m2 c2 (5.153) und ergibt gerade den Term, den wir vorher für den l = 0 Beitrag zu hHLS i wegdiskutiert hatten. Damit erhalten wir als Gesamtergebnis der relativistischen Korrekturen h∆H + ĤLS α2 + ĤDarwin i = |En | 2 n 3 n − 4 j+ ! 1 2 (5.154) welche die Energieverschiebung im Wasserstoff-Spektrum (ohne Lamb-Shift7 ) beschreibt. Man beachte, daß die Energieaufspaltung nur von den Quantenzahlen n und j abhängt. Beispiel: In der üblichen spektroskopische Notation, nLj mit l = (0, 1, 2, 3) → L = (S, P, D, F ) und l < n, j = l ± 12 , lauten die niedrigesten Energiezustände im Wasserstoffatom: 7 Anmerkung: In der QFT erhält man weitere Korrekturterme zum Wasserstoffspektrum, die durch Quantenfluktuationen des elektromagnetischen Feldes entstehen. Diese erzeugen die sog. Lamb-Verschiebung, welche dominant für l = 0 (s-Wellen) beiträgt. 5.4. NICHT-RELATIVISTISCHER GRENZFALL 1S 1 2 2S 1 2 2P 1 2 2P 3 2 n 1 2 2 2 .. . l 0 0 1 1 .. . 101 j 1 2 1 2 1 2 3 2 .. . • Ohne relativistische Korrekturen hängen die Energieeigenwerte nur von n ab, d.h. die Niveaus 2S 1 , 2P 1 und 2P 3 sind entartet. 2 2 2 • Da die obige Aufspaltung nur von n und j abhängt, bleiben die Niveaus 2S 1 und 2P 1 2 2 entartet. • Die Feinstrukturaufspaltung aufgrund der relativistischen Korrekturen (s.o.) ist negativ und betragsmäßig größer für kleines j. • Die Lamb-Shift hängt dagegen von l ab und ist größer für l = 0. Durch die Lamb-Shift wird dann auch die Entartung zwischen 2S 1 und 2P 1 aufgehoben. 2 2 • Schließlich sorgt die Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen dem Elektron-Spin und dem durch den Kernspin induzierten Magnetfeld eine Hyperfeinaufspaltung der Niveaus mit ms = ± 21 . Die Aufspaltung der Niveaus ist in folgender Skizze graphisch zusammengefaßt: E n=2 l = 0, 1 Feinstruktur ∼ 10950 MHz LambShift ∼ 1057 MHz 2P3/2 236 MHz 2S1/2 2S1/2 2P1/2 HyperfeinStruktur 2P1/2 177 MHz 59 MHz 102 KAPITEL 5. RELATIVISTISCHE WELLENGLEICHUNGEN Kapitel 6 BCS–Theorie (Bardeen-Cooper-Schrieffer 1957) Wir wollen im Folgenden noch eine andere wichtige Anwendung aus dem Bereich der (nichtrelativistischen) Vielteilchensysteme diskutieren: die theoretische Begründung für das Phänomen der Supraleitung nach Bardeen, Cooper und Schrieffer. Hierbei spielt das Konzept von Quasiteilchen eine essentielle Rolle.1 6.1 Normale Fermiflüssigkeit als Quasiteilchen-Gas Wir hatten für ein System von nicht-wechselwirkenden Elektronen bereits diskutiert, dass im Grundzustand |Ωi alle Niveaus bis zur Fermienergie F besetzt sind. Wenn wir ein Elektron mit der Energie = F aus dem Grundzustand entfernen oder dazu addieren, erhalten wir einen neuen Grundzustand mit N = N ∓1 Fermionen.2 In der Thermodynamik wird allgemein die Energie, die aufgewendet werden muss, um die Teilchenzahl eines Systems zu erhöhen als chemisches Potential µ bezeichnet. Für ein freies Elektrongas im Grundzustand (T = 0) ist also µ = F . Entsprechend erhalten wir, wenn wir: • ein Elektron mit Energie > µ addieren, einen angeregten Zustand mit Anregungsenergie − µ; • ein Elektron mit Energie < µ entfernen, einen angeregten Zustand mit Anregungsenergie |−µ|. (Um dies einzusehen stellen wir uns vor, dass wir das Elektron zunächst unter Aufwendung der Energie µ − an die Fermikante heben und dann wie oben entfernen.) Wenn wir nun Elektronen in einem metallischen Festkörper betrachten, können wir das Anregungsspektrum ganz ähnlich beschreiben, selbst, wenn wir die genaue Lösung der Wellenfunktionen unter Berücksichtigung der Coulomb-Wechselwirkung der Elektronen untereinander und mit dem Gitteratomen nicht genau kennen. Wir benutzen lediglich, dass die entsprechenden Zustände wieder (zumindest näherungsweise, für schwache Wechselwirkungen3 ) 1 Das Skript orientiert sich an einer Vorlesung von J. Chalker an der Uni Oxford von 2013. Wir haben hier bereits den Limes großer Teilchenzahlen impliziert, d.h. die Tatsache, dass der neue Grundzustand eigentlich eine (dann infinitesimal) unterschiedliche Fermienergie besitzt, spielt keine Rolle. 3 Aufgrund der vorhandenen Wechselwirkungen sind die durch c, c† beschriebenen Anregungen nicht wirklich zeitlich stabil. Dieser Effekt kann aber in erster Näherung vernachlässigt werden. 2 103 104 KAPITEL 6. BCS–THEORIE (BARDEEN-COOPER-SCHRIEFFER 1957) durch fermionische Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren c† (~k, σ), c(~k, σ) beschrieben werden können,4 d.h. für einen gegebenen Wellenzahlvektor ~k und Spineinstellung σ mit Energie k gilt:5 • k > µ : c(~k, σ)|Ωi = 0 • k < µ : c† (~k, σ)|Ωi = 0 und und c(~k, σ)c† (~k, σ)|Ωi = |Ωi c† (~k, σ)c(~k, σ)|Ωi = |Ωi In diesem Sinne beschreiben c† , c (effektive) Quasiteilchen, wobei die Dispersionrelation k = (k) von den Details der Wechselwirkungen abhängt. Der dazugehörige effektive Hamiltonian beschreibt die Anregungsenergien bei Vernichtung oder Erzeugung von Quasiteilchen und die 2-Teilchenwechselwirkungen zwischen den Elektronen in den angeregten Zuständen (man beachte, dass die Wechselwirkungen im Grundzustand ja schon durch die 1-TeilchenWellenfunktionen der Quasiteilchen berücksichtigt sind), Ĥ = X k <µ |k − µ| c(~k, σ)c† (~k, σ) + 1 2 1 + 2 |k − µ| c† (~k, σ)c(~k, σ) ~k,σ ~k,σ + X k >µ k >µ,0k >µ ω(~k, ~k 0 , ~q) c† (~k + ~q, σ)c† (~k 0 − ~q, σ 0 )c(~k 0 , σ 0 )c(~k, σ) X ~kσ,~k0 σ 0 ,~ q k <µ,0k <µ ω(~k, ~k 0 , ~q) c(~k + ~q, σ)c(~k 0 − ~q, σ 0 )c† (~k 0 , σ 0 )c† (~k, σ) X ~kσ,~k0 σ 0 ,~ q k >µ,0k <µ + ω(~k, ~k 0 , ~q) c† (~k + ~q, σ)c(~k 0 − ~q, σ 0 )c† (~k 0 , σ 0 )c(~k, σ) X (6.1) ~kσ,~k0 σ 0 ,~ q Hierbei haben wir die Impulserhaltung berücksichtigt, und die Reihenfolge der Erzeuger und Vernichter in den letzten 3 Zeilen sorgt dafür, dass die Coulomb-Wechselwirkung zwischen Teilchen-Teilchen- oder Loch-Loch-Anregungen abstoßend wirkt, während sie für TeilchenLoch-Anregungen anziehend ist. Der Einfachheit halber haben wir spinabhängige Wechselwirkungen vernachlässigt. Die Operatorordnung wurde so gewählt, dass Ĥ|Ωi = 0 (Normalordnung: cc† innerhalb Fermi-Kugel, c† c außerhalb Fermi-Kugel). • Wir erhalten für eine Quasiteilchen-Anregung dann: 1 > µ : |~k1 , σ1 i = c† (~k1 , σ1 )|Ωi und Ĥ |~k1 , σ1 i = X k >µ |k − µ| c† (~k, σ)c(~k, σ) c† (~k1 , σ1 ) |Ωi ~kσ = (1 − µ) c† (~k1 , σ1 )c(~k1 , σ1 ) c† (~k1 , σ1 ) |Ωi = (1 − µ) |~k1 , σ1 i , (6.2) in Übereinstimmung mit unseren vorherigen Überlegungen. 4 Der Einfachheit halber betrachten wir hier zunächst diskrete Wellenzahlvektoren, mit kanonisch auf Eins normierten Antivertauschungsrelationen. 5 Der Einfachheit halber nehmen wir ein isotropes System an, für dass nur vom Betrag k = |~k| abhängt. 6.2. DAS COOPER-PROBLEM 105 • Entsprechend erhalten wir für eine Quasiloch-Anregung: |~k2 , σ2 i = c(~k2 , σ2 )|Ωi 2 < µ : und Ĥ |~k2 , σ2 i = X k <µ |k − µ| c(~k, σ)c† (~k, σ) c(~k2 , σ2 ) |Ωi ~kσ = |2 − µ| c(~k2 , σ2 )c† (~k2 , σ2 ) c(~k2 , σ2 ) |Ωi = (µ − 2 ) |~k2 , σ2 i . (6.3) Wir erhalten also ein Anregungsspektrum ηk = |k − µ| , und für normale Metalle gilt diese Näherung für kleine Anregungsenergien, ηk µ. Wir betrachten nun entsprechend Zustände mit z.B. zwei angeregten Quasi-Teilchen, |~k1 , σ1 ; ~k2 , σ2 i = c† (~k1 , σ1 ) c† (~k2 , σ2 ) |Ωi . 1,2 > µ : (6.4) (1-Teilchen/1-Loch oder 2-Loch-Anregungen funktionieren analog.) In diesem Fall führt die Anwendung des effektiven Hamilton-Operators auf (→ Übung) Ĥ |~k1 , σ1 ; ~k2 , σ2 i = (η1 + η2 ) |~k1 , σ1 ; ~k2 , σ2 i + X ω(~k1 , ~k2 , ~q) |~k1 + ~q, σ1 ; ~k2 − ~q, σ2 i (6.5) q~ 6.2 Das Cooper-Problem Selbst mit der Quasiteilchen-Näherung ist der Zustand (??) also offensichtlich kein Eigenzustand des effektiven Hamiltonians mehr. Aufgrund der Wechselwirkung erwarten wir als Eigenzustände korrelierte Paare von Quasiteilchen. Wenn wir den niedrigsten Zustand für solche Paare suchen, erwarten wir, dass die entsprechenden 1-Teilchen-Anregungsenergien η klein sind, so dass die obige Näherung Sinn macht. Weiterhin ist zu erwarten, dass der Grundzustand minimalen Impuls (relativ zum Atomgitter) besitzt, d.h. die beiden Quasiteilchenimpulse entgegengesetzt gleich sind. Wir setzen also an: |ψi = X a(~k) |~k, σ; −~k, σ 0 i . (6.6) ~k (Hierbei sollten σ und σ 0 durch den totalen Spin des gesuchten Zustands festgelegt sein, und die Entwicklungskoeffizienten a(~k) für isotrope Metalle nur vom Impuls abhängen.) Die Eigenwertgleichung nimmt dann die Form E |ψ̂i = Ĥ |ψi = X 2ηk a(~k) c† (~k, σ) c† (−~k, σ 0 ) |Ωi ~k + X ~k,~ q ω(~k, −~k, ~q) a(~k) c† (~k + ~q, σ) c† (−~k − ~q, σ 0 ) |Ωi (6.7) 106 KAPITEL 6. BCS–THEORIE (BARDEEN-COOPER-SCHRIEFFER 1957) an. Wenn wir jetzt mit einem Zustand hΩ|c(−~k 0 , σ 0 )c(~k 0 , σ) projizieren, ergibt sich (→ Übung) E a(~k 0 ) − a(−~k 0 ) δσσ0 = 2ηk0 a(~k 0 ) − a(−~k 0 ) δσσ0 + X ω(~k 0 − ~q, −~k 0 + ~q, ~q) a(~k 0 − ~q) − a(−~k 0 + ~q) δσσ0 . (6.8) q~ Für das angenommene isotrope Problem sollte die gesuchte Lösung feste Drehimpulsquantenzahl haben. • Gerade Drehimpulsquantenzahl bedeutet für die Entwicklungskoeffizienten a(~k) = a(−~k) . Eine nicht-triviale Lösung erhält man dann nur für σ 0 = −σ. Das entspricht gerade der Spin-0 Kopplung der Spins (Singulett). • Entsprechend ergeben sich für ungerade Drehimpulsquantenzahl, a(~k) = −a(−~k), nichttriviale Lösungen für Spin-Tripletts mit σ 0 = σ. Betrachten wir den Singulett-Fall im Detail (Triplett verhält sich analog): • Es ist günstig, die Variablen in (??) umzubenennen, ~k 0 → ~k und ~k 0 − q → ~k 0 , so dass sich in diesem Fall E a(~k) = 2ηk a(~k) + X ω(~k 0 , −~k, ~k − ~k 0 ) a(~k 0 ) . (6.9) ~k0 ergibt. • Wir beschreiben die Winkelabhängigkeit durch Kugelflächenfunktionen, a(~k) ≡ ak Ylm (~k/k) (mit l gerade für Singulett) , X 0 0 0 ∗ 0 ∗ ~0 ω(~k , −~k , ~k − ~k ) ≡ λl ωl (k) ωl (k ) Ylm (~k/k) Ylm (k /k 0 ) . (6.10) lm (aufgrund der Drehimpulserhaltung tauchen auf der rechten Seite der letzten Gleichung nur Ylm mit gleichem Index auf). Mit der Orthogonalitätsrelation der Kugelflächenfunktionen reduziert sich (??) auf eine Summe über Beträge von k 0 , Elm ak = 2ηk ak + λl ωl (k) X ωl∗ (k 0 ) ak0 k0 ⇔ ak = λl ωl (k) C , Elm − 2ηk C≡ X ωl∗ (k 0 ) ak0 . (6.11) k0 Wenn man in der letzten Zeile die erste Gleichung wieder in die zweite einsetzt, kürzt sich die Konstante C heraus, und man erhält eine implizite Gleichung für die Energie Elm , X |ωl (k)|2 1 = ≡ F (Elm ) . λl Elm − 2ηk k (6.12) 6.2. DAS COOPER-PROBLEM → Skizze 107 • Da ηk = |k − µ| ≥ 0 gilt, hat die so definierte Funktion F (E) einfache Pole auf der positiven Achse bei 0, 2ηk1 , 2ηk2 , . . .. Für E → −∞ ist die Funktion negativ und nähert sich gegen Null. Entsprechend wechselt sie bei E = 0 ihr Vorzeichen von negativ (bei E < 0) nach positiv (bei E > 0). • Daraus folgt, dass für positive Werte von λl auf der linken Seite (d.h. abstoßende Wechselwirkung) die kleinste Energie, die die Gleichung löst, stets Elm > 0 erfüllt. • Umgekehrt ergibt sich für negative Kopplungen (d.h. attraktive Wechselwirkungen) stets genau eine Lösung bei Elm < 0. Dabei kann der Wert von λl beliebig klein sein! In diesem Fall ist also die Energie der 2-Teilchen-Anregung des vermeintlichen Grundzustands |Ωi kleiner als die Grundzustandsenergie. Somit ist dieser Zustand energetisch günstiger, und das System wird spontan solche sog. Cooper-Paare bilden (nach Cooper 1956). Man kann das noch etwas quantitativer beschreiben, wenn man ein einfaches Modell für die Wechselwirkung annimmt, ωl (k) = θ(ωc − ηk ) , (mit einem λl < 0) (6.13) d.h. die Wechselwirkung wird auf Anregungsenergien unterhalb einer Abschneideenergie ωc beschränkt (und dort als konstant angenommen). Weiterhin kann man die Zustandsdichte in diesem Fall als nahezu konstant approximieren, ρ(η) ' ρ0 . Für den gefundenen negativen Energieeigenwert Elm < 0 ergibt sich dann X k ⇔ |ωl (k)|2 ' −ρ0 Elm − 2ηk Z ωc 0 1 ρ0 |Elm | + 2ωc dη =− ln |Elm | + 2η 2 |Elm | 2ωc → |Elm | = exp [2/ρ0 |λl |] − 1 ( h 2ωc exp − ρ0 2|λl | ρ0 |λl | ωc i für ρ0 |λl | 1 für ρ0 |λl | 1 Für die Diskussion der BCS-Theorie beschränken wir uns auf den Fall kleiner Kopplungen (obere Zeile). Anmerkungen: ~ = ~k1 + ~k2 6= 0 der Paar• Lässt man einen nichtverschwindenden Gesamtimpuls K Anregung zu, erhält man für kleine Werte von K auf analoge Weise ∂η Elm (K) = Elm + ~ ∂k k=0 K K = Elm + vF , 2 2 wobei vF die Fermi-Geschwindigkeit ist. D.h. im Falle schwacher Kopplungen ist Elm (K) nur negativ für exponentiell kleine Werte von K. • Die gleiche Analyse gilt auch für Loch-Loch-Anregungen. Die zentrale Aussage von Cooper ist also, dass sich selbst für schwache anziehende Kopplungen zwischen den (Quasi-)Elektronen im Festkörper spontan Cooper-Paare bilden, welche die Energie des naiven Grundzustands erniedrigen. Da diese Paare bosonisch sind, können sie in makroskopischer Zahl “kondensieren”. Es bleibt noch zu klären, wie solche Wechselwirkungen im Festkörper zustande kommen. 108 6.3 KAPITEL 6. BCS–THEORIE (BARDEEN-COOPER-SCHRIEFFER 1957) Der BCS Hamiltonian Elektronen wechselwirken mit Phonon-Anregungen des Atomgitters (also kollektiven Auslenkungen der Atome aus ihrer Ruhelage, die wiederum als Quasiteilchen quantisiert werden können). Bereits 1950 wurde von Fröhlich bemerkt, dass die Wechselwirkung der Elektronen mit den Phononen eine effektive attraktive Wechselwirkung zwischen den Elektronen induzieren kann. Ohne hier in die theoretischen Details zu gehen (die eher Thema der Festkörperphysik sind) kann man physikalisch folgendermaßen argumentieren: • Die Energiebänder der Phonen sind durch eine charakteristische (maximale) Energie, die sog. Debye-Energie beschrieben, ωD ∼ c/a0 , wobei c die Schallgeschwindigkeit und a0 die Gitterkonstante darstellen. In thermodynamischen Einheiten entspricht ωD in Metallen 100-500 K. • Dagegen ist die typische Fermienergie der Elektronniveaus von der Größenordnung 104 K. • Ein Elektron verzerrt das umgebende Atomgitter, so dass netto eine positive Ladung um das Elektron generiert wird. Diese positive Ladung zieht andere Elektronen in diesem Gebiet an. Da sich die Elektronen im Mittel schneller bewegen (auf charakteristischen Zeitskalen ∼ 1/F im Vergleich zur Relaxationszeit des Gitters mit Zeitskalen ∼ 1/ωD ), ergibt sich effektiv eine anziehende Wechselwirkung, d.h. das Elektron hinterlässt eine Spur positiver Ladung, die spätere Elektronen noch sehen können, wenn das originale Elektron sich schon weiter bewegt hat (so dass dessen Coulomb-Abstoßung nicht mehr groß genug ist). # Die Annahme von Bardeen, Cooper und Schrieffer war nun, eine attraktive effektive Wechselwirkung zwischen den Leitungselektronen, welche im l = 0 Spin-Singulett Zustand wirkt, und auf Anregungsenergien im Bereich der Phonon-Energien beschränkt ist. Der ModellHamiltonian, den BCS angesetzt haben, lautet dann (ohne Normalordnung) ĤBCS = X ~k,σ g ( − µ)c (~k, σ) c(~k, σ) − V µ−ωc <k,k0 <µ+ωc † c† (~k 0 , ↑) c† (−~k 0 , ↓) c(−~k, ↓) c(~k, ↑) . X ~k,~k0 (6.14) Hierbei ist g > 0 die effektive BCS-Kopplungskonstante, welche auf das Volumen V normiert wurde, mit dem Kontinuumslimes, X ~k → V (2π)3 Z d3 k . Die kritische Energie ωc ist von der Größenordnung der Debye-Energie des Atomgitters. 6.3. DER BCS HAMILTONIAN 109 Bogoliubov-Valatin–Transformation Um den Grundzustand und das Quasi-Teilchen-Spektrum des BCS-Hamiltonians zu bestimmen, kann man eine kanonische Transformation finden, welche für das obige Problem nach Bogoliubov und Valatin (1958) bennant wurde. Dazu setzt man neue fermionische Vernichtungs(und entsprechende Erzeugungs-)Operatoren an, b(~k, ↑) := uk c(~k, ↑) − vk c† (−~k, ↓) , b(~k, ↓) := uk c(~k, ↓) + vk c† (−~k, ↑) . (6.15) Die Idee dabei ist, für die Anregung eines Teilchens simultan dessen Partnerteilchen im Cooper-Paar zu vernichten. Die Koeffizienten uk und vk können dann als Variationsparameter so angepasst werden, dass obige Transformation den Hamiltonian diagonalisiert (für isotrope Medien hängen diese dann wieder nur vom Betrag k = |~k| ab). • Wir überprüfen zunächst die kanonischen Antivertauschungsrelationen: {b(~k, σ), b† (~k 0 , σ 0 )} =uk u∗ 0 {c(~k, σ), c† (~k 0 , σ 0 )} + sgn(σσ 0 ) vk v ∗0 {c† (−~k, −σ), c(~k 0 , σ 0 )} k k 2 2 = |uk | + |vk | δ~k~k0 δσ,σ0 , (6.16) d.h. die Koeffizienten erfüllen ⇒ ! |uk |2 + |vk |2 = 1 . (6.17) • Weiterhin {b(~k, σ), b(~k 0 , σ 0 )} = − sign(σ 0 ) uk vk0 {c(~k, σ), c† (−~k 0 , −σ 0 )} − sign(σ) uk0 vk {c† (−~k, −σ), c(~k 0 , σ 0 )} = sign(σ − σ) uk vk δ~k,−~k0 δσ,−σ0 = 0 . (6.18) Dies erklärt die spezielle Vorzeichenwahl. Die Koeffizienten können im Folgenden o.B.d.A. als reell angenommen werden.6 Umkehrung der Definition liefert dann c(~k, σ) = uk b(~k, σ) + sign(σ) vk b† (−~k, −σ) . (6.19) Damit ergibt sich für den 1-Teilchen-Anteil des BCS-Hamiltonoperators der Ausdruck 2 X (k − µ) vk2 + ~k +2 X (k − µ) (u2k − vk2 ) X → Übung b† (~k, σ)b(~k, σ) σ ~k † † (k − µ) uk vk b (~k, ↑)b (−~k, ↓) + b(−~k, ↓)b(~k, ↑) . X ~k Der 2-Teilchen-Beitrag ergibt sich als 6 Die Freiheit in der Wahl der relativen Phase zwischen uk und vk spiegelt eine U (1)-Symmetrie wider, welche durch den BCS-Grundzustand gerade “spontan” gebrochen wird (Anderson 1958). → Übung 110 KAPITEL 6. BCS–THEORIE (BARDEEN-COOPER-SCHRIEFFER 1957) g X † ~0 B (k )B(~k) V ~ ~0 − k,k B(~k) = c(−~k, ↓)c(~k, ↑) = mit u2k b(−~k, ↓) b(~k, ↑) − vk2 b† (~k, ↑) b† (−~k, ↓) + uk vk b(−~k, ↓)b† (−~k, ↓) − b† (~k, ↑)b(~k, ↑) Die gesuchten Operatoren b, b† (d.h. die gesuchte Lösung für uk , vk ) sollten gerade die Eigenschaft haben, dass der Grundzustand |Ψ0 iBCS Eigenvektor zum Anzahloperator n̂(~k, σ) = b† (~k, σ)b(~k, σ) (6.20) b(~k, σ)|Ψ0 iBCS = 0 . (6.21) ist, d.h. Für einen allgemeinen Eigenvektor |Ψi = |n(~k1 , σ1 ), n(~k2 , σ2 ) . . .i ergibt sich dann als Erwartungswert hΨ|ĤBCS |Ψi gerade E=2 X ~k ~k (k − µ) vk2 + (k − µ) (u2k − vk2 ) n(~k, ↑) + n(~k, ↓) X 2 X g − uk vk 1 − n(~k, ↑) − n(~k, ↓) . V (6.22) ~k Hierbei sind n(~k, σ) die Eigenwerte (0, 1) von n̂(~k, σ). Da die Parameter uk und vk durch u2k +vk2 = 1 verknüpft sind, ergibt sich für die Minimierung der Energie mit ∂vk /∂uk = −uk /vk " # ∂E u2 − vk2 ! = −4(k − µ)uk + 2∆ k 1 − n(~k, ↑) − n(~k, ↓) = 0 , ∂uk vk (6.23) mit ∆= g X uk vk 1 − n(~k, ↑) − n(~k, ↓) V ~ k X X g g = hΨ| B(~k)|Ψi = hΨ| B † (~k)|Ψi . V V ~ ~ k (6.24) k Da im Grundzustand n(~k, σ) = 0 gelten soll, ergibt sich eine zweite Bedingung für die Parameter uk und vk 2(k − µ)uk vk = ∆(u2k − vk2 ) . (6.25) Diese kann man jetzt zusammen mit u2k + vk2 = 1 auflösen,7 u2k vk2 7 ) " 1 (k − µ) = 1± p 2 (k − µ)2 + ∆2 # , 2uk vk = p ∆ . (k − µ)2 + ∆2 Die Lösung mit uk ↔ vk ergibt kein Minimum sondern ein Maximum der Energie. (6.26) 6.3. DER BCS HAMILTONIAN 111 Wenn man das wieder in (??) einsetzt, erhält man eine Selbstkonsistenzgleichung für den Parameter ∆, g X 1 − n(~k, ↑) − n(~k, ↓) p 2V ~ (k − µ)2 + ∆2 1= (6.27) k als Funktion der BCS-Kopplungskonstanten g, der Dispersionsrelation k für die ursprünglichen Quasielektronen (c-Operatoren), und der Besetzungszahlen der neuen Quasiteilchen (b-Operatoren). Letztere sind thermodynamisch durch die Temperatur festgelegt (s.u.). Im BCS-Grundzustand (T = 0) sind dann alle Besetzungszahlen Null, und man erhält (analog zum oben betrachteten Modell im Cooper-Problem) 1= Z 1 1 g X gρ0 ωc q dω q = 2V ~ 2 −ωc (k − µ)2 + ∆20 ω 2 + ∆20 k q ωc2 + ∆20 + ωc gρ0 = ln q 2 ω 2 + ∆2 − ω c 0 ∆0 ωc ≈ c gρ0 4ω 2 ln 2c . 2 ∆0 (6.28) D.h. 1 ∆0 ' 2ωc exp − gρ0 . (6.29) Wenn man die Lösungen in den ursprünglichen BCS-Hamiltonian einsetzt und im letzten Term die Wechselwirkung in mean-field-Näherung betrachtet, − X g X †~ g X †~ g X †~ B (k)B(~k) ≈ − hB (k)iB(~k) − B (k)hB(~k)i = −∆ B(~k) + B † (~k) V ~ V ~ V ~ ~ k k k k (6.30) ergibt sich (→ Übung) m−f ĤBCS = X η(~k, σ) b† (~k, σ) b(~k, σ) (6.31) ~k,σ mit der Dispersionsrelation für die Quasiteilchen (b, b† ) η(~k, σ) = q (k − µ)2 + ∆2 (n(~k, σ)) . (6.32)