Mastitis mit gramnegativen Keimen Bedeutung, Diagnose und Behandlung In über 10% der Milchproben, die zur Mastitisabklärung in unser Labor eingesandt wurden, konnten wir gramnegative Keime isolieren. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um Enterobakteriazeen. In unserem Labor wird bei Reinkulturen immer eine biochemische Differenzierung durchgeführt, weil sich sowohl Behandlung als auch Prognose nach dem betreffenden Isolat ausrichten. Wir empfehlen eine Behandlung nach Antibiogramm, denn Resistenzen gegen ein oder mehrere Antibiotika sind weit verbreitet. Preise (exkl. MWSt.): Milchbakt (inkl. Typisierung): Fr. 16.Antibiogramm (inkl. Ubrolexin): Fr. 6.- (Aktion bis Ende Jahr) Einleitung Gramnegative Mastitiden werden von Vertretern der Familie Enterobacteriaceae dominiert. Mit Abstand am häufigsten haben wir E. coli isoliert gefolgt von Klebsiellen, Enterobacter, Serratia, Citrobacter und Proteus. Seltener werden andere gramnegative Stäbchen wie Pseudomonaden, Vibrionen oder Aeromonaden gefunden. Für die Interpretation eines Befundes mit gramnegativen Keimen ist es ganz entscheidend zu wissen, ob das Isolat wirklich Verursacher der Mastitis ist, oder ob es sich um eine Kontaminante handelt. In der Regel gehören die gramnegativen Keime zur Darmflora (Enterobacteriaceen) oder der Boden- und Umweltflora (u.a. Pseudomonaden). Eine sterile Entnahme der Milchprobe ist für die korrekte Beurteilung deshalb absolut entscheidend. In 23% der Fälle mit gramnegativen Befunden fanden wir gramnegative Keime in einer Mischflora mit anderen Bakterien. Wir gehen davon aus, dass die Probenahme suboptimal erhoben wurde, weshalb keine Charakterisierung der Keime erfolgte. Bei Reinkulturen mit gramnegativen Keimen sehen wir eine Indikation für eine biochemische Differenzierung. Eine genaue Typisierung ist für die Therapie und Prognose match-entscheidend. Im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit der Milch ist ein Ausschluss von Salmonellen wichtig. Bis anhin konnten wir keine Salmonellen aus Milchproben isolieren. Die gramnegativen Erreger gelangen immer aus der Umwelt durch den Zitzenkanal ins Euter, wobei die Bakterien den Zitzenkanal nicht kolonisieren. Die Keime vermehren sich im Milchsekret – eine Adsorbtion ans Gewebe scheint hier eine untergeordnete Rolle zu spielen. Einmal im Euter vermehren sich die Keime sehr rasch. Während der Zellteilung und beim Zelltod werden Toxine (LPS) freigesetzt, welche eine sehr starke Immunantwort des Wirtes provozieren. Schon geringe Keimkonzentrationen können eine sehr starke Immunantwort auslösen, welche v.a. in der Migration von Neutrophilen Granulozyten ins Euter und in die Milch besteht. Die Exkretion von Zytokinen (IL-1, IL-6, IL-8, TNF- ) durch Makrophagen und Gewebszellen fördern die Entzündung und führen zu den beobachteten Krankheitsymptomen. Schon nach kurzer Zeit nach einer Infektion treten Gewebeschäden am Epithel auf, wobei die überschiessende Körperabwehr mitverantwortlich für die Schäden ist, zB in dem Neutrophile Granulozyten ROS (reactive oxigen substances) und proteolytische Enzyme sezernieren. Differenzierung von gramnegativen Keimen Gramnegative Keime wachsen freudig auf den herkömmlichen Kulturmedien. Eine Gramfärbung bestätigt den Verdacht auf gramnegative Stäbchen. Reinkulturen von gramnegativen Keimen werden in unserem Labor standarmässig biochemisch differenziert. Zahlen Enterobakteriazeen (n=850) Enterobacter sp Citrobacter Proteus 2% Klebsiellen 1% 2% Serratia 6% 4% Nichtbest. Enterobakteriazeen 23% E.coli 62% Enterobakteriazeen als Mastitiserreger E. coli – akute Mastitis E. coli ist der häufigste Erreger coliformer Mastitiden und wird bei uns in 7% der Milchproben gefunden. Der Erreger ist ein normaler Darmbewohner. E. coli Mastitiden werden gehäuft unmittelbar nach der Geburt und in den ersten Laktationswochen beobachtet. Die Mastitis verläuft meist akut oder perakut und in der Mehrzahl der Fälle unter erheblichen Allgemeinsymptomen. Gelegentlich ist die Keimzahl in der Milch gering (< 100 Koloniebildende Einheiten/ml), weshalb der Erregernachweis in der Routioneuntersuchung nicht immer gelingt. Die Mastitis verursachenden E. coli gehören vielen verschiedensten Serotypen an. Im Unterschied zu anderen Krankheiten, die durch E. coli verursacht werden (zB. Diarrhoe) macht hier eine Serotypisierung keinen Sinn und gäbe auch therapeutisch und prognostisch keine Hilfestellung. Eine akute Colimastitis verlangt eine sofortige therapeutische Intervention mit einem Antibiotikum mit breitem Spektrum (zB. Cefalosporine der 3. oder 4. Generation oder Kombipräparate). Der bakteriologische Laborbefund ist für die weitere Therapie und die Prognose unerlässlich. E. coli besitzt eine natürliche Resistenz gegen Penizillin. Resistenzen gegen viele Antibiotika nehmen mehr und mehr zu, weshalb wir in jedem Fall die weitere Behandlung nach Antibiogramm nahelegen. Klebsiellen aus dem Sägemehl Klebsiellen leben natürlicherweise im Boden und Wasser, sind aber auch normale Darmbewohner. Sie sind bekapselt und wachsen kulturell in schleimigen Kolonien. Wir finden Klebsiella pneumoniae und K. oxytoca, erstere etwas häufiger. Die Klebsiellenmastitis ist initial vergleichbar mit der Colimastitis und gekennzeichnet durch akute Symptome mit Fieber und zT. Festliegen. K. oxytoca wurden bei sporadischen Mastitiden isoliert. Bei K. pneumoniae Mastitiden sehen wir oft anamnestisch ein Bestandesproblem mit Neigung zur Chronizität. Dies entspricht auch den Beschreibungen in der Literatur, wo K. pneumoniae Mastitiden mit Sägemehl als Einstreu assoziiert werden. Klebsiellen besitzen eine natürliche Resistenz gegen Penizillin und Aminopenicilline. Weitere Resistenzen gegen diverse Antibiotika sind häufig. Eine antibiotische Therapie sollte deshalb nur nach Antibiogramm erfolgen. Leider sind Rezidive resp. chronisch subklinische Mastitiden auch nach antibiotischer Therapie häufig. Serratia – chronisch subklinische Mastitis Serratien sind typische Umweltkeime, deren natürliches Habitat der Boden, Pflanzen oder Wasser sind. Sie finden sich natülicherweise auch in der Einstreu und im Stallboden und können dank ihrer natürlicher Widerstandsfähigkeit auch Zitzenbecher besiedeln. Am häufigsten haben wir Serratia marcescens isoliert, finden aber sporadisch auch andere Arten (S. liquefaciens, S. odorifera, S. plymuthica). Häufig aber nicht immer produzieren die Serratia Kulturen (v.a. S. marcescens) ein typisches rotes Pigment, welches die Identifikation erleichtert. Die Serratia Mastitis ist in der Regel subklinisch, aber auch klinische Mastitiden können vorkommen. Die Symptome sind mild und zeigen sich durch verändertes Milchsekret mit erhöhter Zellzahl. Laut Literatur sind die Serratia Mastitiden äusserst chronisch und dauern von 2 Monaten bis über mehrere Laktationen hinweg. Serratien sind häufig resistent gegen viele Antibiotika. Falls ein Therapieversuch unternommen wird ist ein Antibiogramm unumgänglich. Andere Enterobakteriazeen Gelegentlich werden Enterobacter (E. aerogenes, E. cloacae), Citrobacter koseri, Kluyvera sp. und Proteus (P. vulgaris, P. mirabilis) als Mastitiserreger isoliert. Natürliches Habitat dieser Enterobakteriazeen ist der Verdauungstrakt der Tiere und die Umwelt. Diesen Erregern ist gemeinsam, dass sie akute Mastitiden mit Allgemeinsymptomen verursachen. Auch hier sind Resistenzen eher die Regel als die Ausnahme weshalb die Behandlung nach Antibiogramm erfolgt. Gramnegative Keime, die nicht zu den Enterobakteriazeen gehören In ca 0,1% der Mastitis-Milchproben werden gramnegative Keime identifiziert, welche nicht zu den Enterobakteriaceen gehören. Identifiziert wurden die Erreger als Vertreter der Familie Pseudomonadales, Vibrionales und Aeromonadales. Am häufigsten wurden Pseudomonas aeruginosa, Ps. luteola, und Acinetobacter sp. nachgewiesen. Alle diese Keime sind typische Umweltkeime, deren Habitat Wasser (Schläuche, Wasserhahn, etc), Oberflächen diverser Gerätschaften (Melkmaschine, Zitzentaucher) oder kontaminierte Therapeutika sein können. Die Erreger sind gefürchtet als nosokomiale opportunistische Infektionserreger. Die Mastitiden äussern sich als perakute lebensbedrohliche Entzündungen aber auch als subklinischen Mastitiden. Pseudomonaden und Acinetobacter sind resistent gegenüber vielen Antibiotika und Desinfektionsmitteln und können sogar mit desinfizierenden Lösungen im Bestand verteilt werden. Wir haben bis anhin nur sporadische Fälle mit diesen Erregern gesehen. Aus der Literatur sind aber Ausbrüche beschrieben worden, die mehrere Tiere in einem Bestand betrafen. Für die Behandlung ist ein Antibiogramm unbedingt erfroderlich, weil Resistenzen gegen mehrere Antibiotika die Regel sind. Natürliche Resistenzen Gram-negative Bakterien besitzen eine Außenmembran, die eine Barriere für das Eindringen von Antibiotika darstellt. Ausserdem kann dem Bakterium ein Transportsystem für das Antibiotikum fehlen oder der Stoffwechselweg gegen den das Antibiotikum wirken soll, fehlt. Dementsprechend sind obengenannte Enterobakteriazeen alle gegen Penizillin resistent. Spezies E. coli Klebsiella sp. Citrobacter koseri Enterobacter sp. Serratia marcescens Proteus vulgaris Pseudomonas aeruginosa PEN R R R R R R R AM R R R R R R OX R R R R R R R AMC CIG R R R R R R R TET R R COL R R PEN: Penicillin, AM: Aminopenicilline (Ampicillin, Amoxicillin), OX: Oxacillin, Cloxacillin, AMC: Amoxicillin + Clavulansäure, CIG: Cefalosporine der 1. Generation, TET: Tetracyclin, COL: Polymixine, Colistin. Literatur Burvenich et al. Severity of E. coli mastitis is mainly determined by cow factors. Vet. Res. 34 (2003) 521–564 521. Tanja Lehtolainen. Escherichia coli mastitis - Bacterial factors and host response. ACADEMIC DISSERTATION. Department of Clinical Veterinary Sciences, Faculty of Veterinary Medicine, University of Helsinki, Finland (2004) Serratia species and Mastitis - QMPS fact sheet. Cornell University, College of Veterinary Medicine (2005) John Kirk. Mastitis control Program for Pseudomonas Mastitis. Veterinary Medicine Ext., School of Veterinary Medicine, University of California Davis G. G. Paulin-Curlee et al. Molecular Subtyping of Mastitis-Associated Klebsiella pneumoniae Isolates Shows High Levels of Diversity Within and Between Dairy Herds. J. Dairy Sci. (2007) 91:554–563 Comité de l’antibiogramme de la societé francais de Microbiologie – Recommandations 2010. Société francaise de Microbiologie