NANOTECHNOLOGIE-ANWENDUNGEN IM LEBENSMITTELBEREICH AM B EISPIEL VON PET-F LASCHEN INFORMATION FÜR KNOSPE-VERARBEITER Hinweis Dieses Dokument dient der Darstellung der möglichen Nanotechnologie-Anwendungen (NanoAnwendungen) bei PET-Flaschen. Es soll Verarbeiter für das Thema sensibilisieren. Klare Empfehlungen von Seiten Bio Suisse werden für die einzelnen Aspekte schrittweise in Abhängigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Speziellen im Bereich Arbeitsschutz und genereller Gesundheitsschutz, sowie Recyclierbarkeit gemacht. Weitere Kriterien sind: technologische Notwendigkeit, Produkteschutz, Mehrwert, Ökobilanz, Einfluss auf die Umwelt. Die Haltung der Bio Suisse gegenüber Nanotechnologie und deren Anwendung in der KnospeProduktion/-Verarbeitung sind im Positionspapier definiert (http://www.biosuisse.ch/media/Ueberuns/UnsereMeinungzu/NanoDossier/bspositionspapiernanotech-2009-0303_def.pdf). 1. Bezeichnung Nano-Teilchen können einer PET-Flasche auf verschiedene Arten zugefügt werden als: Blend, in welchem die Nano-Teilchen entweder als Additive, d.h. als Stoffe, die einem Polymer hinzugefügt werden, um dessen Eigenschaften oder Verhalten gezielt zu verändern Komposite, d.h. als Verbundmaterial, welches aus mindestens zwei verbundenen Materialien besteht Beschichtung 1.1 Nano-Blends Bei Nano-Blends handelt es sich um nanopartikelverstärkte Polymere, bei denen das ursprüngliche PETPolymer mit Nano-Ton oder Nano-Schichtsilikaten (z.B. Montmorillonit, Bentonit, Kaolinit, Hectorit, Halloysit, modifizierte organische Ton-Verbindungen) angereichert wurde. Nano-Blends können neben PET-Flaschen auch für andere Verpackungen eingesetzt werden. Handelsübliche Nano-Blends für PET Flaschen sind: Imperm®Polyamid (von Nanocor Inc.), AegisOX®, AegisHFX® (mit Scavenger), AegisCSDE® (von Polyone), DurethanKU2-2601® (von Bayer AG) oder Polyamid von Lanxess. Die Marktrelevanz dieser Nano-Blends wird für Europa momentan als noch sehr gering eingeschätzt. 1.2 Nano-Beschichtungen Innenbeschichtungen Die zweite, stärker verbreitete Anwendung, besteht in einer Innen-Beschichtung der fertig aufgeblasenen Flaschen mit Nano-Siliziumoxid (SiO) oder mit einer Nano-Kohlenstoffschicht. Die SiO-Innenbeschichtung liefert die deutsche Firma KHS mit Plasmax und der schwedische Tetra-PakKonzern mit Glaskin. Die französische Firma Sidel bietet mit der Produktlinie Actis und Actislite eine Plasmabeschichtung mit Kohlenstoff an. Seite 1 von 5 Aussenbeschichtungen Aussenbeschichtungen von PET-Flaschen bietet die italienische Firma SIPA mit Smartcoat® an. Diese Technologie wurde entwickelt und patentiert, um die Gasbarriere-Eigenschaften von PET durch das Auftragen einer äusseren Doppelbeschichtung. Dabei dient die erste Schicht als Gasbarriere und die zweite Schicht als Schutz der ersten Schicht. 2. Funktion im Bio-Produkt Gemäss der Studie des Zentrums für Technologiefolgen-Abschätzungen (Möller et al., 2009) spielen synthetische Nanomaterialien bei Lebensmittelverpackungen bereits eine relativ bedeutende Rolle. Die Nanotechnologie bietet zusätzlichen Produkteschutz und mögliche Materialeinsparungen in Verpackungen. In Abbildung 1 sind die Hauptanwendungen der Nanotechnologie bei PET-Flaschen dargestellt. Antimikrobiell wirkende Beschichtung: z.B. Nano-Silber, Nano-Zinkoxid Beschichtung zur UV-Barriere: z.B. Nano-Tonteilchen in Kombination mit Metalloxiden (Silber, Zink, Argon, Titan) Beschichtung zur Verbesserung der Gasbarriere: z.B. Siliziumoxid, Kohlenstoff Verbesserte industrielle Verarbeitbarkeit des Polymergemisches (Flaschen können schneller gegossen werden): z.B. Titannitrid* Nano-Blends zur Verbesserung der Gas- und Wasserdampfbarriere: z.B. Nano-Ton, Nano-Schichtsilikate Sauerstofffänger/-Scavenger: z.B. Nano-Ton Verbesserte mechanische und technische Eigenschaften: z.B. Nano-Ton, Nano-Titannitrid Nano-Sensor zur Angabe von Haltbarkeitsveränderungen oder CO2Verlusten Abbildung 1 Mögliche Nano-Anwendungen bei PET-Flaschen. *Titan-Nitrid ist gemäss der EFSA-Beurteilung für PET-Flaschen zugelassen. Nano-Tonpartikel werden als Nano-Blends in Verpackungsmaterialien zur Verbesserung der mechanischen und technischen Eigenschaften sowie für eine verstärkte Barrierewirkung gegenüber Gasen (v.a. Kohlensäure und Wasserdampf) eingesetzt. Zum Beispiel verbessert ein in ein Polymer eingebundenes oberflächenmodifiziertes Montmorillonit oder Ton die Gasbarriere und Flammbeständigkeit sowie die mechanische Verarbeitbarkeit von unterschiedlichen Kunststoffen, z.B. EVOH1 (Lagaron et al. 2005). Die guten Gasbarriere-Eigenschaften der Nano-Blends mit NanoSchichtsilikaten ermöglichen es daher beispielsweise Bier in PET-Flaschen anzubieten. Eine ähnlich hohe Barrierewirkung zeigen auch Nano-Blends, in die Nylon eingearbeitet ist, oder MultilayerGetränkeflaschen2, bei denen zwischen zwei PET-Schichten eine Nylon oder EVOH-Barriere eingearbeitet wurde. Multilayer-Flaschen werden häufig eingesetzt, da sie zusätzlich zu den guten Barriereeigenschaften auch kostengünstig sind. Durch den Einsatz von Nano-Blends kann ausserdem die 1 Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer Die Nylon oder EVOH-Barriere beträgt ca. 5% Massenanteil und wird in einem speziellen Spritzgussverfahren direkt in die Preforms (dt. PET-Rohling) eingearbeitet (Orzinski 2006) Seite 2 von 5 2 Effizienz von Spritzguss-Kunststoffflaschen durch höhere Taktzeiten sowie Materialeinsparungen signifikant gesteigert werden (Eipert 2008). PET-Flaschen mit einer Nano-Beschichtung (innen oder aussen) haben die Barriereeigenschaften einer Glasflasche mit den Gewichtsvorteilen einer PET-Flasche. Die Schutzschicht aus SiO oder Kohlenstoff verhindert das Eindringen von Gasen wie Sauerstoff oder den Verlust von Kohlendioxid. Dadurch wird die Haltbarkeit von Säften, kohlensäurehaltigen Getränken, Bier, Wein als auch von flüssigen und festen Nahrungsmitteln verlängert. Inhaltsstoffe und Geschmack können auch unter besonderen klimatischen Bedingungen über einen längeren Zeitraum geschützt werden (KHS). Während die Kohlenstoffbeschichtung eine leicht bräunliche Färbung erzeugt, ist die SiO-Beschichtung optisch transparent. Die französische Firma Sidel weist darauf hin, dass die Plasma-Innenbeschichtung auch die Migration von Acetaldehyd aus der PET-Flasche in das Füllgut verhindert (Actis). Gute bis sehr gute Barriereeigenschaften gegen Gase oder Dämpfe haben auch Materialien mit einer Aluschicht oder mit einer anderen Metallisierung. Im Getränkebereich werden solche Barrieren v. a. bei Tetra-Pak-Verpackungen verwendet. Aber auch der Einsatz von aktiven Barrieren, d.h. Barrieren, welche Sauerstoff (O2) absorbieren (engl. O2-Scavenger) können, werden immer häufiger eingesetzt und können technologisch sogar als Blends direkt in Polymere eingearbeitet werden. 3. Herkunft und Herstellungsprozess der Ausgangsmaterialien Montmorillonit, Hectorit und Saporit sind natürliche Ton-Materialien. Ton wird meist in Afrika abgebaut und aus grösseren Partikeln werden nanoskalige Plättchen gewonnen. Diese Plättchen sind meist nur ca. 1nm dick und haben eine Fläche von mehreren 10nm. Die Nano-Tonteilchen lagern sich bevorzugt zusammen, wodurch die Barrierewirkung. nachlässt. Um dies zu verhindern und eine erwünschte Verteilung zu erhalten, müssen die Nano-Teilchen modifiziert werden und dürfen nur auf spezielle Weise (z.B. durch in-situ Polymerisation) in eine Kunststoffmischung eingearbeitet werden. Eine Alternative dazu ist der Layer-by-Layer (dt. schichtweiser) Auftrag von einem positiv-geladenen Polymer und negativ-geladenem Nano-Ton. Der Nano-Ton wird so als ein Additiv bzw. Bestandteil einer Kunststoffmischung (z.B. Polyamid) in Verpackungen eingebracht. Zur Verbesserung der Sperreigenschaften der PET-Flaschen werden diese üblicherweise mittels plasmaunterstützter chemischen Gasphasenabscheidung (engl. Plasma Enhanced Chemical Vapour Deposition, PECVD) mit amorphem Kohlenstoff oder SiO überzogen. Dabei wird eine mehrere nanometer dicke Sperrschicht auf der Innenoder Aussenseite der Flasche abgeschieden. 4. Entsorgung der Endprodukte, Recycling, Ressourcenverbrauch Nano-Tonteilchen aus PET-Flaschen gelangen unter normalen Umständen nicht in die Umwelt. Bezüglich Recycling ist gemäss erster Untersuchungen von PET-Recycling Schweiz die Recyclingqualität von PETGetränkeflaschen mit Nano-Blends eingeschränkt und sollte weiter auf Systemkonformität geprüft werden (PET Recycling 2007). Erfahrungen mit Nylon-Blends zeigen eindeutig, dass dieses gemischte PolymerMaterial nicht recyclingfähig ist und daher in die thermische Verwertung einfliessen muss. Dabei kann jedoch die Gefahr eines Austrags über die Luft bestehen. Bei eingebundenen SiO-Schichten ist eine Reinigung ebenfalls nicht möglich und es besteht die Möglichkeit der Verunreinigung des Recyclats. Anders verhält es sich mit der Recyclingfähigkeit von nanobeschichteten Flaschen (innen oder aussen). Diese weisen nach bisherigen Tests eine gute Recyclingfähigkeit auf und sind mit den Anforderungen des Recyclingsystems konform (Möller 2009, PET Recycling 2007). Vor der Wiederverwertung werden die Nanopartikel mit einer Lauge vom PET abgewaschen. Das aus beschichteten PET-Flaschen gewonnene Recyclat kann für die gleichen Produkte wieder verwendet werden wie das übrige Recyclat (PET Recycling 2009). Seite 3 von 5 Gemäss einer Ökobilanzstudie der TA-SWISS verursacht eine nanobeschichtete PET-Flasche bei Herstellung, Transport und Recycling ein Drittel weniger Treibhausgase als eine Aludose bzw. 60% weniger als eine Glas-Einwegflasche und ist damit in der Ökobilanz gleichwertig wie eine GlasMehrwegflasche (Möller 2009). Obwohl bereits eine grosse Anzahl von Studien zur Ökotoxikologie von Nanomaterialien existiert, reicht die Datenlage noch nicht aus, um eine umfassende Risikoabschätzung vornehmen zu können. Synthetisch hergestellte Nanomaterialien sind oft nur schwer wasserlöslich, neigen zu Verklumpung oder sind fest an ein Trägermaterial gebunden. Dies führt oft zum Verlust der Nanoeigenschaften dieser Materialien und der Freisetzung von Nanopartikel. Trotzdem haben Studien gezeigt, dass gewisse Nanomaterialien problematisch sind, wie z.B. Nano-Silber mit seiner bioziden Wirkung für die Umwelt. Zurzeit existiert jedoch kein Gutachten der European Food Safety Authority (EFSA) für Nano-Silber und Nano-Silberkomposite. 5. Menschliche Gesundheit Für die menschliche Gesundheit kann ein Risiko durch die Migration von Nano-Tonteilchen oder anderen Nano-Partikeln aus der Verpackung in das Lebensmittel bestehen. Bisher gibt es dazu jedoch erst sehr wenige Studien. In den vorhandenen Studien konnte gezeigt werden, dass Silizium und Aluminium in gemäss der EU Regulierung tolerierbaren Mengen in das Lebensmittel migrieren können. Die Migration wird durch Hochdruck-Behandlung oder Pasteurisierung bzw. Sterilisierung verstärkt (Mauricio-Iglesias 2011). Es gibt jedoch auch Hinweise, dass Nano-Schichten in MultilayerVerpackungen die Migration anderer Additive in das Lebensmittel verlangsamen. Eine Studie zur Toxizität zeigte, dass abgeblätterte Nano-Tonteilchen eine geringe Zytotoxizität und Genotoxizität aufweisen, wenn sie an Ratten verfüttert werden (Li 2010). Das einzige in Europa zurzeit explizit in nanoskaliger Form für Kunststoffe mit Lebensmittelkontakt zugelassene Material ist Titannitrid. Die Migration dieses Materials aus der Verpackung in Lebensmittel wurde von der EFSA als vernachlässigbar eingeschätzt. Zu einer abschliessenden Abklärung werden noch weitere Studien benötigt. Des Weiteren muss auch die Analytik von Nano-Kompositen in Lebensmitteln verbessert werden (Duncan 2011). 6. Stand Bewilligung 6.1 Schweiz Gemäss der Gesetzgebung für Lebensmittelkontaktmaterialien müssen Nano-Materialien die Vorgaben der Schweizer Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung 817.02 einhalten. Innerhalb der Schweizer Bio-VO ist die Anwendung von Nanotechnologie generell und im speziellen für Verpackungen nicht geregelt. Gemäss der Bio Suisse Markenkommission Verarbeitung und Handel (MKV) sind NanotechnologieAnwendungen für Verpackungen von Knospe-Produkten momentan nicht erlaubt. 6.2 International Bis jetzt gibt es keine direkten Regelungen von Nanotechnologie für Verpackungsanwendungen bei BioProdukten. Entsprechend dem Fürsorge-Prinzip der IFOAM sollte aber mit Nanotechnologie bei Verpackungen vorsichtig umgegangen werden. Daher schliesst die IFOAM in ihrem Positionspapier die Anwendung von Nanotechnologie auch für den Verpackungsbereich von Bioprodukten aus. Naturland und Organic Canada schliessen Nanotechnologieanwendungen für Verpackungen aus. Seite 4 von 5 7. Fazit Die momentane Anwendung von Nanotechnologie bei PET-Flaschen lässt sich auf Nano-Blends und auf Beschichtungen mit Nano-SiO oder amorphen Kohlenstoff beschränken. Nano-Blends werden momentan am europäischen Markt sehr selten eingesetzt und sind nach bisherigen Untersuchungen in kein PETRecyclingsystem integrierbar. Demgegenüber ist eine Plasma-Innen- bzw. -Aussenbeschichtung mit NanoSiO oder Kohlenstoff häufiger anzutreffen. Vorteile bietet die Beschichtung beim Recycling, da solche PET-Flaschen im Gegensatz zu PET-Flaschen mit Nano-Blends mit den Anforderungen des Recyclingsystems konform sind. Zudem bildet die Plasmabeschichtung eine durchgehende Oberfläche aus inertem Quarzsand, durch die auch kein Stoff migrieren kann. Bisher nicht abschliessend geklärt ist allerdings bei welcher mechanischen Belastung diese Schicht spröde wird und sich Nanoteilchen in das Lebensmittel ablösen können. Aussenbeschichtete Kunststoffflaschen sind nach bisherigen Erkenntnissen im Vergleich zu innenbeschichteten anfälliger gegenüber mechanischen Belastungen (Orzinski 2006). 8. Literatur Actis barrier process – The plasma coating solution for your PET bottles, Sidel http://www.sidel.com/en/content/download/168/762/version/3/file/Actis_EN.pdf Duncan T.V. (2011). Applications of nanotechnology in food packaging and food safety: Barrier materials, antimicrobials and sensors; Journal of Colloid and Interface Science 363; 1-24. Eipert, A., Stransky, R. (2008) Kunststoffe 1/2008, 94-96. Hatzigrigoriou N.B. (2011). Nanotechnology in plastic food-contact materials; Journal of Applied Polymer Science Vol.122, 3720-3739. KHS Plasmax GmbH http://www.khsplasmax.de/images/publikationen/InnoPET-Plasmax_D.pdf Lagaron, J.M., Cabedo, L., Cava, D., Feijoo, J.L., Gavara, R., Gimenez, E. (2005). Improving packaged food quality and safety. Part 2: Nanocomposites; FoodAdditives and Contaminations 22(19): 994-998. Li, P.R., Wei, J.C., Chiu, Y.F., Su, H.L., Peng, F.C., Lin, J.J. (2010). Evaluation on Cytotoxicity and Genotoxicity of the Exfoliated Silicate Nanoclay; ACS Applied materials and interfaces 2: 1608. Mauricio-Iglesias, M., Gontard, N., Gastaldi, E. (2011). Impact of high pressure treatment on the structure of montmorillonite; Applied Clay Science 51: 174-176. Möller M., Eberle U., Hermann A. (2009). Nanotechnologie im Bereich der Lebensmittel - TA-Swiss. Orzinski M. (2006). Monolayer-Barriere-Blend-PET-Flaschen Untersuchung zur Eignung für die Bierabfüllung; Brauindustrie 11/2006. PET Recycling Schweiz (2007). Systemkonformität PRS – Barrieren; Faktenblatt –PRS-SK-Barrieren_200701-02_gp. Smartcoat http://www.sipa.it/en/products/bottle-production-machines/coating-system-smartcoat http://www.observatorynano.eu/project/document/2092/ Seite 5 von 5