11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Die lithotrophe Lebensweise ist ein Merkmal, das man ausschließlich bei Prokaryonten antrifft. Lithotrophe Bakterien oxidieren reduzierte anorganische Verbindungen und wachsen in Mineralsalzmedien ohne organische Substanzen. Je nach Art des Energiestoffwechsels werden sie in photo- und chemolithotrophe Organismen eingeteilt. Die Chemolithotrophen gewinnen die Energie fr ihr Wachstum aus der Oxidation von anorganischen Verbindungen. Die meisten chemolithotrophen Organismen sind zugleich autotroph und verwenden CO2 als C-Quelle. In solchen Fllen dient die anorganische Oxidationsreaktion auch als Quelle fr Reduktionsmittel (NAD(P)H), die fr die CO2-Fixierung und fr andere Syntheseschritte (Chemosynthese) bentigt werden. Die Chemosynthese ermglicht Leben im Dunkeln allein auf Kosten von anorganischer Substanz. Dagegen verwenden photolithotrophe Organismen Licht als Energiequelle und die anorganischen Verbindungen dienen lediglich als Elektronendonator fr Biosynthesen (Kap. 14). In der Natur gibt es zahlreiche Beispiele fr Symbiosen zwischen Tieren und lithotrophen Bakterien; außerdem sind auch die Plastiden der Pflanzen und Algen ursprnglich prokaryontische Endosymbionten. Erst solche Symbiosen vermitteln den eukaryontischen Wirten die Fhigkeit zur photo- oder chemolithotrophen Lebensweise. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG berblick 11.1 Habitate und Lebensweise von chemolithotrophen Bakterien . . . 323 11.1.1 11.1.2 11.1.3 11.1.4 11.1.5 Art und Herkunft der Substrate . . . 323 Habitate . . . 324 Lebensweise . . . 324 Stoffwechseltypen und ihre Nischen . . . 326 Symbiosen . . . 327 11.2 Prinzipien der Lithotrophie . . . 328 11.2.1 11.2.2 Stoffwechselprinzip . . . 328 Rcklufiger Elektronentransport . . . 328 11.3 Reduzierte Stickstoffverbindungen als Elektronendonatoren . . . 329 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 Ammonium- und nitritoxidierende Nitrifikanten . . . 330 Biochemie der Ammoniumoxidation . . . 330 Biochemie der Nitritoxidation . . . 331 kologische und praktische Bedeutung der Nitrifikation . . . 332 11.4 Reduzierte Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren . . . 333 11.4.1 11.4.2 Biochemie der Sulfid- und Schwefeloxidation . . . 336 Schwefelwasserstoffoxidierende Symbionten . . . 338 11.5 Reduzierte Metallionen als Elektronendonatoren . . . 339 11.5.1 11.5.2 Biochemie der Oxidation von Metallionen . . . 341 Erzlaugung . . . 341 11.6 Wasserstoff als Elektronendonator . . . 342 11.6.1 11.6.2 Biochemische Grundlagen . . . 343 Aerobe wasserstoffoxidierende Mikroorganismen . . . 343 11.7 Kohlenmonoxid als Elektronendonator . . . 344 G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.1 Habitate und Lebensweise von chemolithotrophen Bakterien 11.1 Habitate und Lebensweise von chemolithotrophen Bakterien 11.1.1 Art und Herkunft der Substrate Chemolithotrophe Bakterien leben von der Oxidation anorganischer Substrate (lithos, griech. Stein). Reduzierte anorganische Verbindungen werden zu oxidierten Produkten umgesetzt und diese ausgeschieden (Abb. 11.1). Die bei der Oxidation freigesetzten Reduktionsquivalente werden fr die Atmung und fr Biosynthesen bentigt. In der Natur kommen reduzierte anorganische Verbindungen meist nicht zusammen mit gut abbaubaren organischen Verbindungen vor. Deshalb mssen chemolithotrophe Bakterien ihr Zellmaterial hufig aus CO2 aufbauen, sie sind chemolithoautotroph. Diesen neuen Modus vivendi, nmlich eine Chemosynthese aus CO2 mithilfe einer anorganischen Redoxreaktion, hat erstmals Sergej Winogradsky 1887 erkannt (Plus 11.1). Die reduzierten anorganischen Verbindungen stammen aus dem Stoffwechsel von Bakterien, die unter anoxischen Bedingungen eine anaerobe Atmung betreiben (Kap. 13). In solche Regionen gelangtes, schwer abbaubares organisches Material (z. B. Lignocellulose) wird langsam zu Grpro- Oxidation Reduktion H2S 2 O2 + O2 4 H 2O Membran 4 H 2O CH3–COOH H2SO4 8 [H] ATP ElektronentransportPhosphorylierung ATP 2 Pyruvat Gärung 4 [H] löslich 2 Pyruvat H2O (N2) Abb. 11.1 Stoffwechselschema der Chemolithotrophie. aerobe Atmung (chemolithotroph) H2S + 4 H2O Glucose SubstratkettenPhosphorylierung oxidiertes Produkt D anaerobe Atmung Membran 2 CO2 ElektronenADP + Pi transportphosphoryATP lierung n[H] QH2 oder Cyt cred ATP H2SO4 2 H 2O anorganischer Elektronendonator DH2 O2 (selten NO3–) ElektronentransportPhosphorylierung 8 [H] – O2 323 2 Ethanol + 2 CO2 oder 2 Lactat oder Acetat, H2, CO2... G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Abb. 11.2 Verschiedene Typen des bakteriellen Energiestoffwechsels und ihre Rolle im Stoffkreislauf der Natur. Oben ist die chemolithotrophe Lebensweise am Beispiel der Oxidation von H2S dargestellt, darunter ist die anaerobe Atmung am Beispiel der Sulfatatmung und ganz unten die Grung gezeigt. Die anaerobe Atmung sorgt fr den Nachschub an reduzierten anorganischen Elektronendonatoren und schließt so den Kreislauf der Stoffe. Dieser Kreislauf beruht auf einem Wechsel von aerober und anaerober Lebensweise in oxisch-anoxischen Gradienten im natrlichen Habitat. Angetrieben wird der Kreislauf durch den Energiegehalt organischen Materials, das als Elektronendonator dient. Es wird durch chemoorganotrophe Mikroorganimen in Gegenwart eines Oxidationsmittels (Elektronenakzeptor) abgebaut. Der Aufbau der organischen Substanz und die Freisetzung von Sauerstoff aus Wasser sind letztlich vom Sonnenlicht abhngig (nach Doenecke et al., 2005). 324 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Plus 11.1 Winogradsky’s Erkenntnisse Winogradsky fhrte seine Versuche mit dem farblosen fdigen Riesenbakterium Beggiatoa durch, das wegen seiner Grße schon lnger bekannt war. Er inkubierte die BeggiatoaBakterienmatten, die er am Grund von Teichen gesehen hatte, mit Gips (CaSO4), der als Substrat fr H2S bildendende Sulfatreduzierer diente. Dabei beobachtete er lebhaftes Wachstum nahe der Oberflche des Wassers. Inkubierte er Beggiatoa in einer feuchten Kammer in Gegenwart von Schwefelwasserstoff und Luft und ohne organische Verbindungen, wurden in den Zellen Schwefelkgelchen abgelagert. Bei Mangel an H2S verschwanden diese wieder und es bildete sich Schwefelsure. Beggiatoa veratmete also offenbar Schwefel anstelle organischer Substanz. Winogradsky schloss daraus: „Durch einen rein anorganischen Prozess, den der Schwefeloxidation, werden alle ihre Lebensbewegungen im Gange erhalten. Darum habe ich diese Organismen Schwefelorganismen oder Schwefelbacterien genannt.“ Seine Kollegen in Straßburg erkannten sogleich die Neuartigkeit des Stoffwechseltyps und gratulierten ihm mit den Worten: „Sie haben einen neuen Modus vivendi gefunden“ (in H. G. Schlegel, Geschichte der Mikrobiologie, 1999, Deutsche Akadamie der Naturforscher, Leopoldina). Die Herkunft des Zellkohlenstoffs aus CO2 entdeckte Winogradsky spter an nitrifizierenden Bakterien. Seine Arbeiten sind ein Muster an Beobachtung, berlegung, vorsichtiger Schlussfolgerung und weitsichtiger Betrachtung, die bis heute ihren Wert als Lektre behalten haben. dukten, wie Alkohol, Essigsure, Wasserstoff und CO2, umgesetzt (Abb. 11.2). Bakterien mit einer anaeroben Atmung knnen diese Grprodukte vollstndig zu CO2 oxidieren. Die Produkte der anaeroben Atmung und der Methanbildung (NH3, H2S, CH4, Fe(II) u. a.) diffundieren in den oxischen Bereich und werden an einer schmalen Grenzschicht durch aerobe chemolithotrophe Bakterien oxidiert. Die oxidierten Produkte (NO3–, SO42–, CO2, Fe (III) u. a.) diffundieren wieder in die anoxische Zone und stehen fr die anaerobe Atmung erneut zur Verfgung. Chemolithotrophe Bakterien wirken so entscheidend am Stoffkreislauf mit. 11.1.2 Habitate Chemolithotrophe Mikroorganismen bentigen zum einen reduzierte Elektronendonatoren, die in der Natur vor allem durch anaerobe Atmungsprozesse in anoxischen Habitaten gebildet werden. Zum anderen bentigen sie aber auch Sauerstoff (selten andere oxidierte Elektronenakzeptoren), der nur in oxischen Habitaten vorhanden ist. Die Bakterien sind meist mikrooxisch und siedeln sich in Sedimenten an der Schichtgrenze zwischen anoxischer und oxischer Zone an. Dort trifft der notwendige Elektronendonator aus der unteren Schicht auf einen geeigneten Elektronenakzeptor in der oberen Schicht. Obwohl diese Stoffgradienten bereits fr die Einnischung der verschiedenen Gruppen chemolithotropher und anaerob atmender Bakterien wichtig sind, werden sie erst durch die Stoffwechselaktivitten der entsprechenden Mikroorganismen erzeugt. Die Grenzschicht, in der eine chemolithotrophe Lebensweise stattfinden kann, ist sehr eng begrenzt, da die notwendigen Substrate nur durch Diffusion dorthin gelangen. Die Mischzeit eines Molekls ist dabei proportional zum Quadrat der Diffusionsstrecke. Ein kleines Substratmolekl braucht nur Millisekunden, um einen Mikrometer weit zu diffundieren und mit seinem Reaktionspartner zu reagieren, bei 0,1 mm Strecke ist die Mischzeit schon 10 Sekunden, und bei 1 Millimeter gar 15 Minuten. Deshalb leben die chemolithotrophen Mikroorganismen in einer nur 0,1 bis maximal 1 Millimeter dicken Grenzschicht zwischen oxischer und anoxischer Zone. Die Diffusion der reduzierten anorganischen Substrate an die Sauerstoffgrenzschicht erfolgt langsam und damit ist der Nachschub von Substrat wachstumsbegrenzend. Aus dem Gleichgewicht zwischen Nachdiffusion und Verbrauch der Substrate resultieren winzige Substratkonzentrationen. 11.1.3 Lebensweise Chemolithotrophe Bakterien sind typische Gradientenorganismen. Da in der Grenzschicht zwischen oxischer und anoxischer Zone nur geringe Substratkonzentrationen auftreten und kaum organische Substrate vorhanden sind, tolerieren diese Bakterien auch nur solche geringen Substratkonzentrationen. Organische Verbindungen haben sogar oft toxische Wirkung. Die Organismen sind hufig obligat chemolithoautotroph und oft Spezialisten. Viele fixieren CO2. Die Redoxpotenziale der meisten anorganischen Redoxreaktionen sind relativ positiv, sodass bei der Oxidation anorganischer Substrate nicht NAD+ als Elektronenakzeptor (Eh’ = –0,32 V) dienen kann. Vielmehr werden Chinone (Eh’ ca. 0 V) oder Cytochrome vom Typ c (Eh’ +0,3 – +0,35 V) reduziert. In der Atmungskette hin zu Sauerstoff entfallen also bis zu zwei Kopplungsstellen (NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase, Komplex I, G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.1 Habitate und Lebensweise von chemolithotrophen Bakterien 325 und der Cytochrom-bc1-Komplex = Ubichinol-Cytochrom-c-Oxidoreduktase, Komplex III) (Kap. 7.4). Die entsprechend geringen ATP-Ausbeuten fhren zu einem langsamen Wachstum mit geringen Zelldichten. Allerdings gleichen die chemolithotrophen Organismen diese geringen Energieausbeuten teilweise durch einen hohen Stoffumsatz wieder aus. Der erste Schritt bei der Oxidation einiger chemisch schwer angreifbarer Substrate wie Methan oder Ammoniak verbraucht sogar Reduktionsquivalente in einer Monooxygenase-Reaktion. Die biologischen Reaktionen in den Zellen stehen hufig in Konkurrenz zu spontan ablaufenden chemischen Oxidationen. Zum Beispiel oxidiert Luftsauerstoff H2S spontan zu Schwefel, Thiosulfat und Sulfat, oder Fe2+ zu Fe3+. Der hohe Stoffumsatz der Bakterien als Folge der geringen Energieausbeute konkurriert erfolgreich mit dem spontanen chemischen Prozess, vor allem sorgt er fr den raschen und fast vollstndigen Verbrauch von Sauerstoff. Fr Biosynthesen, besonders fr die autotrophe CO2-Fixierung, bentigen Chemolithotrophe NAD(P)H, das sie nur ber einen rcklufigen Elektronentransport aus reduzierten Chinonen oder Cytochromen unter Beteiligung der NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase und des Cytochrom-bc1-Komplexes gewinnen knnen. Dieser energieaufwndige Prozess (die Elektronen werden sozusagen „bergauf“ gehoben) ist zustzlich verantwortlich fr die geringen Zellzahlen und das langsame Wachstum. Hinzu kommt, dass die CO2-Fixierung pro CO2 nicht nur 2 NAD(P)H, sondern zustzlich 3 ATP bentigt (s. Calvin-Zyklus, Kap. 8.6.1). Box 11.1 Vorkommen und Kultivierung von Chemolithotrophen Obwohl lithotrophe Organismen oxische bis anoxische Gradientenhabitate brauchen, kommen die meisten ubiquitr vor. Dies ist vor allem darauf zurckzufhren, dass bereits winzige Partikel, auf denen sich Mikroorganismen berall in der Umwelt ansiedeln, fr die Ausbildung von Gradienten im Mikromaßstab ausreichen (Kap. 11.1.2) und vielen lithotrophen Organismen die Einnischung erlauben. Bekannte Beispiele sind Belebtschlammflocken im Abwasser, Bodenkrumen oder mariner „Schnee“. Hohe Zahlen lithotropher Mikroorganismen sind an oligotrophen Standorten im Dunkeln zu erwarten, wo weniger Konkurrenz durch schneller wachsende Chemoorganotrophe herrscht. Photolithotrophe dominieren im Licht. Die meisten Lithotrophen sind autotroph und bentigen CO2 als C-Quelle. Fr die Anreicherung und Isolierung chemolithotropher Mikroorganismen benutzt man deshalb Minimalmedien, die den gewnschten Elektronendonator als einzige reduzierbare Verbindung enthalten, und die dunkel und mit CO2 als einziger C-Quelle gehalten werden (Abb.). Je nach den anzureichernden Organismen whlt man den Elektronenakzeptor. Bei Anreicherungen lithotropher Mikroorganismen muss man mit langsamem Wachstum (Generationszeit im Bereich von Tagen) und geringer Zellausbeute rechnen. So mssen Acidithiobacillus ferrooxidans etwa 150 g Fe2+ und Nitrosomonas 30 g Ammoniak oxidieren, um 1 g Zelltrockenmasse zu bilden. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Luft Beggiatoa-“Platte“ Mineralmedium: 0,2% Agar 2,5 mM HCO3– Mineralmedium: 1,5% Agar 1- 8 mM Na2S Marines Gradientenmedium fr die Anzucht von schwefelwasserstoffoxidierenden Bakterien. Wie im natrlichen Lebensraum bildet sich ein Gradient des Elektronendonators H2S aus der unteren anoxischen Zone und des Elektronenakzeptors Sauerstoff aus dem Luftraum oben. HCO3– dient als einzige C-Quelle. Schwefelwasserstoffoxidierende Bakterien (z. B. Beggiatoa sp.) siedeln sich als „Platte“ an der Stelle an, wo optimale H2S- und Sauerstoffkonzentrationen fr das Wachstum herrschen. 326 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Kultivierung Chemolithotrophe Bakterien sind bis heute schwer im Labor zu kultivieren (Box 11.1). Dies hat mehrere Grnde: 1. Trotz hoher Stoffumsatzraten erzielen sie nur geringe Zellausbeuten und wachsen langsam. Dies liegt an den relativ hohen Redoxpotenzialen der meisten anorganischen Substrate, die nur wenig Energiekonservierung erlauben, und dem Energiebedarf der NAD(P)H-Bildung durch rcklufigen Elektronentransport. 2. Die Stoffgradienten, die von den verschiedenen Mikroorganismen in der Natur aufgebaut werden, sind im Labor nur schwer nachzustellen. 3. Sowohl die anorganischen Elektronendonatoren als auch der Sauerstoff werden nur in geringen Konzentrationen toleriert. Ebenso wirken organische Substanzen oft toxisch. Stoffwechseltypen und ihre Nischen 11.1.4 Chemolithotrophe Bakterien nutzen in der Natur Nischen, in denen Gradienten von Sauerstoff, reduzierten anorganischen Verbindungen und organischen Verbindungen herrschen (Abb. 11.3). In Gegenwart von organischen Verbindungen werden anorganische Verbindungen hufig nur cometabolisiert. Fakultativ chemolithotrophe Bakterien knnen sowohl anorganische als auch organische Stoffe oxidieren. Bei Wachstum mit anorganischen Verbindungen reprimieren sie die Synthese der 2-Oxoglutarat-Dehydrogenase, eines Schlsselenzyms des Citratzyklus. Obligat chemolithoautotrophe Bakterien sind Spezialisten, die sich in Nischen unter mikrooxischen Bedingungen ohne Licht durchsetzen knnen, wenn nur anorganische Substrate verfgbar sind. Ihr Citratzyklus ist unvollstndig und sie bentigen dessen Reaktionen nur noch fr Biosynthesen. Diese Nischen haben sich verschiedene Bakteriengruppen erobert, die nicht miteinander verwandt sind. Vielmehr findet man bei jedem Stoffwechseltyp Vertreter verschiedener Verwandtschaftsgruppen. Die Stoffwechseltypen teilt man nach den verwendeten anorganischen Substraten ein, also nach Bakterien, die z. B. Methan, reduzierte Stickstoffverbindungen, reduzierte Schwefelverbindungen oder reduzierte Metallionen oxidieren (Abb. 11.4). So oxidieren Nitrifikanten in der obersten, oxischen Schicht der Sedimente Ammonium, das aus Abbauprozessen und anaerober Atmung stammt, zu Nitrat. Nitrat dient wiederum anderen chemolithotrophen oder chemoorganotrophen Nitratatmern in tieferen Schichten der Sedimente als Elektronenakzeptor. Aerobe oder nitratreduzierende Bakterien (Sulfurikanten) oxidieren Sulfid, das durch Sulfatatmung entstanden ist. Auch die methanogenen Archaebakterien und die acetogenen Bakterien, die sich ganz unten in anaeroben Sedimenten ansiedeln, gehren zu den Chemolithotrophen. Beide Gruppen verwerten Wasserstoff als Elektronendonator und reduzieren damit den Elektronenakzeptor CO2 in Gradient Stoffwechseltypen organische Verbindungen O2 Abb. 11.3 Chemolithotropher Stoffwechsel in natrlichen Gradientenhabitaten. anorganische Elektronendonatoren DH2 G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Cometabolismus von organischen Elektronendonatoren fakultativ chemolithotrophe Generalisten (mixotroph) Citratzyklus reprimiert obligat chemolithoautotrophe Spezialisten (mikrooxisch) Citratzyklus unvollständig 11.1 Habitate und Lebensweise von chemolithotrophen Bakterien CO CO/ CO2 H2 H2/ 2 H+ NADH H2S Fe 2+ Eo' – 0,4 V H2S/ SO42– ∆H+ 0V Succ./ Fum. Chinol NH4+ NO3– NO2– ∆H+ Cyt c ∆H+ NH4+/ NO2– NO2–/ NO3– Fe2+/ Fe3+ (pH 1) + 0,4 V H2O/O2 + 0,8 V 1 ATP O2 einer anaeroben Atmung zu Methan oder Acetat (Kap. 13.7). Ein Großteil des Methans diffundiert in oxische Zonen und wird dort von aeroben methanotrophen Bakterien als Elektronendonator verwendet – nur ein geringer Teil entweicht in die Atmosphre. Der methanotrophe Stoffwechsel ist als eine Art chemolithotrophe Lebensweise zu sehen. Da Methan ein organisches Molekl ist, wird dieser Stoffwechseltyp in Kapitel 10.6.4 nher behandelt. Je nach Gehalt des Standorts an biologisch verfgbaren Eisenmineralien oder anderen schwerlslichen Metallsalzen findet man auch chemolithotrophe Mikroorganismen, die reduzierte Metallionen oder sogar elementares Eisen als Elektronendonatoren oxidieren. Weitere besondere Gruppen anaerober Chemolithotropher sind die anaeroben AnammoxBakterien (Kap. 13.2.3), die Ammonium mit Nitrit als Elektronenakzeptor oxidieren und im Meer an der Stickstofffreisetzung aus Nitrat beteiligt sind, und die anaeroben methanoxidierenden Konsortien (Kap. 13.7), die sich vor allem an Lagersttten von Methaneis ansiedeln. 11.1.5 327 Symbiosen Die Gase CH4 und H2S kommen in der Natur in großen Mengen als Produkte der anaeroben Methanogenese und der Sulfatatmung vor. Am Meeresgrund, zu dem kein Licht vordringt, existieren viele Symbiosen zwischen Tieren und chemolithoautotrophen Bakterien. Diese Bakterien oxidieren Methan zu CO2 bzw. H2S zu H2SO4. Sie fixieren den Kohlenstoff aus Methan oder aus CO2 in Zellmaterial und in Form organischer Verbindungen und ernhren so ihre Wirtsorganismen, wie Muscheln, darmlose Rhrenwrmer (Pogonophoren) und einige Oligochaeten. Der Wirt lebt also im Dunkeln von der Chemosynthese der Bakterien. Diese Symbiosen sind der Ersatz fr die Symbiosen mit Algen und Cyanobakterien, die den eukaryontischen Wirt durch Photosynthese ernhren und Licht bentigen. Letztlich kann man Lithotrophie als ausschließlich prokaryontisches Merkmal ansehen, denn selbst die photolithotrophen Pflanzen verdanken ihr Dasein photolithoautotrophen Endosymbionten. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Abb. 11.4 Redoxskala der wichtigsten chemolithotrophen Elektronendonatoren. Die Skala gibt die Standardredoxpotenziale verschiedener Redoxreaktionen an. Die schwarzen Pfeile zeigen die Redoxspannen im chemolithotrophen Stoffwechsel mit Sauerstoff als Elektronenakzeptor. Die roten Pfeile zeigen Beispiele anaerober chemolithotropher Systeme. Das Redoxpotenzial von Fe(II) schwankt, je nach Lslichkeit der Fe(II)bzw. Fe(III)-Mineralien stark (gestrichelter Teil des Pfeils bei Fe(II)). Der durchgezogene Teil des Pfeils zeigt das Potenzial bei einem pH-Wert von 1 an, das fr acidophile Fe(II)-Oxidierer relevant ist. Am Beispiel der Nitritoxidation ist die Thermodynamik der Energiekonservierung (blau) und des rcklufigen Elektronentransports (rot) gezeigt. DH zeigt an, dass hier Energie in Form einer Proton motive Force konserviert wird. 328 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise 11.2 Prinzipien der Lithotrophie 11.2.1 Stoffwechselprinzip Das Wachstum chemolithotropher Organismen beruht auf energieliefernden Redoxreaktionen zwischen anorganischen Elektronendonatoren und Elektronenakzeptoren, die eine ATP-Synthese erlauben. Diese Reaktionen laufen an der Cytoplasmamembran oder an intracytoplasmatischen Membranen ab. Im Fall der Oxidation von reduzierten Metallionen findet der Prozess jedoch an der Zelloberflche statt. Spezifische Dehydrogenasen oxidieren den Elektronendonator und die Elektronen werden ber transmembrane Elektronentransportsysteme der aeroben oder anaeroben Atmungskette zu einer terminalen Reduktase geleitet, die in der Regel Sauerstoff (selten andere Elektronenakzeptoren) reduziert. Die freigesetzte Energie wird in Form eines Protonengradienten (engl. proton motive force, DH+) ber die Membran gespeichert und ber die ATP-Synthase zur Phosphorylierung von ADP zu ATP genutzt (Elektronentransportphosphorylierung, ETP). Das generelle Schema des Energiestoffwechsels der Chemolithotrophen ist damit identisch mit dem der aeroben oder anaeroben Atmung (Kap. 7, 13). Die Standardredoxpotenziale (E0’) der mglichen Elektronendonatoren zwischen –0,5 V und +0,4 V (Abb. 11.4) zeigen die jeweils verfgbare freie Energie aus der Oxidation der betreffenden Verbindung an. Welche Paare von Elektronendonatoren und -akzeptoren fr Chemolithotrophe in Frage kommen, hngt von den einzelnen Redoxpotenzialen der Reaktionspartner ab. Nach der Gleichung DG = –nFDE entspricht eine elektrochemische Potenzialdifferenz von etwa 0,1 V zwischen einem Elektronendonator und einem Akzeptor einer Energie von 20 kJ, wenn 2 Elektronen bertragen werden. Dieser Energiebetrag reicht aus, um ein Proton (das biologische Energiequant) ber die Membran zu transportieren. Es sind nur Kombinationen zwischen einem Elektronendonator von niedrigerem Redoxpotenzial und einem Elektronenakzeptor von hherem Redoxpotenzial mglich (Abb. 11.4). Sauerstoff (E0’ = +0,81 V) bringt als Elektronenakzeptor der aeroben Atmung die grßte Energieausbeute; mit alternativen Elektronenakzeptoren ist die Energieausbeute geringer. 11.2.2 Rcklufiger Elektronentransport Aus den Redoxpotenzialen der anorganischen Elektronendonatoren (Abb. 11.4) kann man ablesen, dass nur die CO- oder H2-verwertenden Chemolithotrophen fr den Baustoffwechsel unmittelbar NAD(P)+ zu NAD(P)H reduzieren knnen. Die Potenziale der brigen anorganischen Elektronendonatoren (z. B. Ammonium, Nitrit oder Sulfid) sind viel positiver als das von NAD(P)H. Deshalb werden die Elektronen aus diesen Verbindungen erst auf der Ebene der Chinone oder des Cytochrom c in die Atmungskette eingeschleust. Die Versorgung mit NAD(P)H fr Biosynthesen stellt bei diesen Organismen ein energetisches Problem dar, das durch den Prozess des rcklufigen Elektronentransports gelst wird. Damit bezeichnet man die Umkehrung („Rckwrtslaufen“) der Reaktionen der Atmungskettenkomplexe. Diese katalysieren die endergone Elektronenbertragung von Cytochrom c auf den Chinonpool (Komplex III), bzw. vom Chinol auf NAD(P)+ (Komplex I), die durch das Einstrmen von Protonen ber die Membran angetrieben wird. Der dafr notwendige Protonengradient stammt aus der Oxidation des anorganischen Elektronendonators. Bei einigen Chemolithotrophen, z. B. bei nitrifizierenden G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.3 Reduzierte Stickstoffverbindungen als Elektronendonatoren 329 Bakterien, wird pro Reaktionszyklus weniger Energie konserviert als fr den rcklufigen Elektronentransport zum NAD(P)H bentigt wird. Diese Bakterien sorgen deshalb durch einen hohen Substratumsatz fr die Aufrechterhaltung des notwendigen Membranpotenzials, wachsen aber wegen des hohen Energieaufwands fr den rcklufigen Elektronentransport nur langsam und zu geringen Dichten. 11.3 Reduzierte Stickstoffverbindungen als Elektronendonatoren Bei der Zersetzung von Biomasse wird der organisch gebundene Stickstoff als Ammoniak freigesetzt. Bei der anaeroben Atmung werden wir zudem einen Fall kennen lernen, wo Nitrat ber Nitrit zu Ammoniak reduziert wird (Kap. 13.2.2). Wichtig sind ausschließlich biologische Quellen von Ammonium. Als Mineralien kommen Ammoniumsalze wegen ihrer guten Lslichkeit praktisch nicht vor. Ammoniak bzw. Ammonium-Ionen werden von nitrifizierenden Mikroorganismen (Nitrifikanten) zu Nitrit und weiter zu Nitrat oxidiert (Plus 11.2). Diese Nitrifikation hat große kologische Bedeutung. Sie fhrt das flchtige Stoffwechselprodukt Ammoniak zurck in das nichtflchtige Nitrat, welches bevorzugte Stickstoffquelle von Pflanzen und aeroben Mikroorganismen ist. Der Prozess der Nitrifikation, also die aerobe Oxidation von Ammonium-Ionen zu Nitrat, wird nie von einer Bakterienart allein geleistet, sondern von syntrophen Assoziationen aus zwei physiologischen Typen von Bakterien. Man findet stets getrennte Arten ammoniumoxidierender Bakterien, die Nitrit als Endprodukt ausscheiden, und nitritoxidierender Bakterien, die das Nitrit weiter zu Nitrat oxidieren. Es sind neutrophile Organismen mit einem pH-Optimum zwischen 7 und 8. In diesem Bereich wirken Ammoniak und Nitrit am wenigsten toxisch. Die Ammoniakoxidierer versorgen die Nitritoxidierer mit Substrat und diese verhindern durch ihre Stoffwechselaktivitt, dass sich toxisches Nitrit anhuft. Dementsprechend sind Vertreter beider Gruppen in der Natur stets eng vergesellschaftet (Abb. 11.5). Es ist ein Rtsel, warum der Gesamtprozess nicht in einem einzigen Organismus abluft. Plus 11.2 10 μm Abb. 11.5 Mischkultur von nitrifizierenden Bakterien in einer Belebtschlammflocke. Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) einer Kultur von Nitrosomonas- (grn) und Nitrospira-Arten (rot) aus einer Klranlage. Die schwarzen Silberkrnchen einer in-situ-Autoradiografie zeigen den Einbau von radioaktivem Pyruvat in Zellen von Nitrospira (Mixotrophie!) und der heterotrophen Begleitflora, whrend Nitrosomonas als obligat autotropher Organismus Pyruvat nicht verwertet (aus Daims et al., 2001). Salpeter Nitrat ist wichtiger Bestandteil von Schießpulver (auch Schwarzpulver genannt), das sich aus Kaliumnitrat, Schwefel und Kohle zusammensetzt. Es ist deshalb verstndlich, dass die Verfgbarkeit von Nitrat ein wichtiges Ziel der Machthaber war. Die Gewinnung von Nitrat war strikt reguliert und dieses Recht stand nur den Knigen zu (Regalie = Knigsrecht). Lange Zeit kannte man nur Nitratvorkommen in gypten und Indien (Bengalen; das berhmte Taj Mahal wurde mit Geld aus dem Salpeterhandel erbaut, und ein Grund fr den Feldzug Napoleons nach gypten waren die dortigen Nitratvorkommen). Der lange Seeweg ber Venedig und die Zlle machte das Handelsgut teuer. Deshalb wurde Nitrat haupt- schlich durch die Aktivitt von nitrifizierenden Bakterien aus dem Harn von Tier und Mensch biologisch erzeugt. Salpeter (CaNO3, „Steinsalz“), der an den Wnden von eigens angelegten Salpetergruben, Dunggruben und Viehstllen auskristallisierte (ausblhte), wurde von einem besonderen Berufsstand gewonnen, den Salpeterern. Zur Zeit Napoleons verfgte Frankreich ber eine mehrfach grßere Salpeterproduktion als seine Gegner, eine Voraussetzung fr seine militrische berlegenheit. Erst durch die Entdeckung von ergiebigen Nitratlagersttten in Chile und die Erfindung von Dynamit durch Nobel verlor Salpeter seine Aura. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 330 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Nitrosomonas europaeus 11.3.1 Nitrobacter vulgaris Abb. 11.6 Intracytoplasmatische Membransysteme in Nitrifizierern. Die sechseckigen Strukturen im Cytoplasma sind Carboxysomen, in denen bei diesen Organismen die Ribulose-1,5-bisphosphatcarboxylase/Oxygenase verpackt ist (Balken: oben 5 mm, unten 0,25 mm) (aus Bergey’s Manual of Systematic Microbiology, 2005). Tab. 11.1 Nitrifizierende Mikroorganismen. Die Arten der Proteobakterien sind mit der jeweiligen Klasse (alpha – delta) bezeichnet. Sowohl die ammonium- als auch die nitritoxidierenden Mikroorganismen sind polyphyletisch, d. h. sie haben sich mehrfach unabhngig voneinander entwickelt. Alle Gattungsnamen der ammoniumoxidierenden Arten beginnen mit der Vorsilbe Nitroso-, die der nitritoxidierenden Arten mit der Vorsilbe Nitro-. Mischkulturen nitrifizierender Mikroorganismen knnen relativ leicht angereichert werden, whrend die Isolierung einzelner Stmme bzw. die Trennung der Nitroso- und Nitrobakterien wegen ihres langsamen Wachstums, der geringen Biomassenausbeuten und der Toxizitt von Nitrit schwierig ist. Nitrosobakterien gehren vor allem in die Gruppe der betaoder gamma-Proteobakterien (Tab. 11.1); die bekannteste Art ist Nitrosomonas europaea (Abb. 11.6). Nitrobakterien finden sich in den alpha-, gamma- und delta-Proteobakterien, wie auch in einer weiteren separaten Gruppe gramnegativer Bakterien, die nach der Gattung Nitrospira benannt ist. Die bekannteste Gattung ist das alpha-Proteobakterium Nitrobacter (z. B. N. vulgaris; Abb. 11.6). Allerdings scheinen die Nitrospirae in der Natur wesentlich hufiger zu sein als die Nitrobacter-Verwandten und die Hauptrolle bei der Nitritoxidation zu spielen. Die meisten nitrifizierenden Bakterien enthalten ausgedehnte intrazellulre Membranstrukturen, in denen die membrangebundenen Enzyme der Ammoniumoxidation (Ammonium-Monooxygenase) bzw. der Nitritoxidation (Nitrit/Nitrat-Oxidoreduktase) sowie der aeroben Atmungskette lokalisiert sind (Abb. 11.6). Vor kurzem wurde darber hinaus ein erster Vertreter von ammoniumoxidierenden Archaebakterien isoliert, das mesophile Crenarchaeum Nitrosopumilus maritimus. Dieser Organismus ist zugleich die erste charakterisierte Art einer nichtthermophilen Gruppe der Crenarchaeota, deren Existenz bisher nur aus Metagenomanalysen von Umweltproben bekannt war. Dies deutet auf eine weite Verbreitung des nitrifizierenden Stoffwechsels auch in bisher noch unbekannten Mikroorganismen hin. Die Nitrosobakterien sind in der Regel obligat chemolithoautotroph, whrend einige Arten von Nitrobakterien fakultativ chemolithotroph sind und einige organische Substrate mit Sauerstoff oder Nitrat oxidieren. Die CO2-Assimilation aller bekannter eubakterieller Nitrifizierer luft ber den Calvin-Zyklus. 11.3.2 Arten der Proteobakterien Ammonium- und nitritoxidierende Nitrifikanten Biochemie der Ammoniumoxidation Klasse Ammonium wird durch die Nitrosobakterien nach folgender Gleichung zu Nitrit oxidiert: Ammoniumoxidierer Nitrosomonas europaea beta Nitrosospira briensis beta Nitrosolobus multiformis beta Nitrosococcus oceanus gamma Nitrosopumilus maritimus Crenarchaeota Nitritoxidierer Nitrobacter hamburgensis alpha Nitrococcus mobilis gamma Nitrospina gracilis delta Nitrospira marina Nitrospirae NH4+ + 1,5 O2 p NO2– + H2O + 2 H+ (DG0’ = –275 kJ/mol). An der Umsetzung sind drei Enzyme beteiligt (Abb. 11.7). Der erste Schritt ist die Oxidation von Ammonium zu Hydroxylamin (A). Diese Reaktion ist chemisch schwierig und erfordert molekularen Sauerstoff als Cosubstrat fr eine membrangebundene Ammonium-Monooxygenase. Fr die Reaktion dieses Enzyms werden 2 Reduktionsquivalente ([H]) bentigt, die aus der folgenden Oxidation des Hydroxylamins abgezweigt werden. Die Gesamtreaktion des Enzyms verluft nach folgender Gleichung: NH4+ + 2 [H] + O2 p H2NOH + H2O + H+ (DG0’ = –80 kJ/mol; berechnet fr [H] = reduziertes Cytochrom c). Der DG0’-Wert dieser Reaktion mit Wasserstoff als Reduktionsmittel (2[H] = H2) errechnet sich zu –221 kJ/mol. Da aber dem Enzym kein G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.3 Reduzierte Stickstoffverbindungen als Elektronendonatoren Wasserstoff (E0’ = –0,41 V), sondern Cytochrom c (E0’ ca. +0,32 V) zur Verfgung steht, verringert sich die freigesetzte Energie entsprechend des Potenzialunterschieds (DE0’ = –0,73 V). Mit DG = –nFDE erhlt man so DG0’ = –80 kJ/mol mit Cytochrom c als Reduktionsmittel ([H] = reduziertes Cytochrom c). Die Ammonium-Monooxygenase ist ein Kupferenzym, das hnlichkeit mit der Methan-Monooxygenase zeigt (Kap. 10.6.4) und wie diese eine nur geringe Wechselzahl hat. Die Ammonium-Monooxygenase kann auch eine alternative Reaktion mit N2O4 anstelle von Sauerstoff katalysieren: + Hydroxylamin-Oxidoreduktase + 0,1 V –1 NH2OH + H 2O –3 NH3 + O2 + 2 H+ Der direkte Elektronendonator fr die Ammonium-Monooxygenase ist nicht bekannt. Wahrscheinlich erfllen Cytochrom-c-hnliche Proteine diese Funktion (Abb. 11.7), da man entsprechende Gene in nitrifizierenden Bakterien gefunden hat und die freigesetzten Elektronen etwa das Redoxpotenzial von Cytochrom c besitzen. Die zweite Reaktion der Ammoniumoxidation wird durch die Hydroxylamin-Dehydrogenase katalysiert (S). Es ist ein periplasmatisches Enzym, das die 4-Elektronen-Oxidation von Hydroxylamin zu Nitrit katalysiert: H2NOH + H2O p NO2– + 4 [H] + H+ (DG0’ = –98 kJ/mol; mit [H] = reduziertes Cytochrom c). Cytochrom +3 NO2– 4 e– H+ c554 1 2 e– 2 e– Cytochrom cm552 3 AmmoniumMonooxygenase terminale Oxidase ½ O2 + 0,74 V + 0,81 V H+ H2O Abb. 11.7 Mechanismus der Ammoniumoxidation. Es sind jeweils die Redoxpotenziale der Teilreaktionen angegeben, ebenso die Oxidationsstufe des N-Atoms in den jeweiligen Intermediaten. Beachte, dass die Lokalisierung der AmmoniumMonooxidase-Reaktion noch unbekannt ist. Weitere Erklrung siehe Text. Die Hydroxylamin-Dehydrogenase ist ein komplexes Multihmenzym, das die Elektronen vermutlich ber ein lsliches auf ein membranstndiges Cytochrom c bertrgt. Von dieser Stufe aus werden die Reduktionsquivalente in zwei Richtungen verteilt: 2 Elektronen laufen zurck zur Ammonium-Monooxygenase, 2 Elektronen werden zur terminalen Oxidase weitergeleitet und dort auf Sauerstoff bertragen (Abb. 11.7 D). Vermutlich werden erst bei dieser letzten Reaktion Protonen ber die Membran gepumpt. Der erzeugte Protonengradient dient dann zur ATP-Bildung ber ATP-Synthase und wird fr den rcklufigen Elektronentransport sowie fr andere energieverbrauchende Prozesse bentigt. Letztlich stehen so bei der Ammoniumoxidation also von 6 mglichen nur 2 Elektronen fr die Energiekonservierung zur Verfgung. Die Ammonium-Monooxygenase setzt neben Ammonium auch einige andere Substrate, wie z. B. Methan und andere kleine Kohlenwasserstoffe oder aromatische Verbindungen, unspezifisch um (Cometabolismus). Diese Substrate werden in der Regel nicht durch die Ammoniumoxidierer selbst genutzt, sondern in fr andere Bakterien leichter verwertbare Produkte umgewandelt. 11.3.3 2 + NH4 + 2 [H] + N2O4 p H2NOH + H2O + H + 2 NO (DG0’ = –6 kJ/mol; berechnet fr [H] = reduziertes Cytochrom c). 331 2 e– H+ Biochemie der Nitritoxidation Nitrit wird durch die Nitrobakterien nach folgender Gleichung zu Nitrat oxidiert: NO2– + 0,5 O2 p NO3– + H2O (DG0’ = –74 kJ/mol). Die Umsetzung wird von zwei membrangebundenen Enzymen katalysiert (Abb. 11.8). Die Nitrit/Nitrat-Oxidoreduktase, ein Molybdn-Enzym, katalysiert die Oxidation von Nitrit zu Nitrat: NO2– + H2O p NO3– + 2 [H] (DG0’ = +22 kJ/mol; mit [H] = reduziertes Cytochrom c; Berechnung siehe Kap. 11.3.2). G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG +3 +5 NO2– NO3– Nitrit-Oxidoreduktase ½ O2 H+ H2O terminale Oxidase + 0,43 V + 0,81 V Abb. 11.8 Mechanismus der Nitritoxidation. Es sind jeweils die Redoxpotenziale der Teilreaktionen und die Oxidationsstufen der N-Atome angegeben. Erklrung siehe Text. 332 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Plus 11.3 Energetik der Nitrifikation und des AnammoxProzesses Da die Redoxpotenziale der Ammonium/ Nitrit- und der Nitrit/Nitrat-Redoxpaare relativ hoch sind (Abb. 11.4, S. 327), kommen aus thermodynamischen Grnden fr Nitroso- und Nitrobakterien nur noch wenige Elektronenakzeptoren infrage, um diese reduzierten Stickstoffverbindungen zu oxidieren. Dementsprechend benutzen alle nitrifizierenden Mikroorganismen Sauerstoff als Elektronenakzeptor. Fr Nitrosomonas wurde daneben auch eine indirekte Ammoniumoxidation nachgewiesen, allerdings nur mit sehr reaktivem Stickstoffdioxid als Elektronenakzeptor (NO2 bzw. N2O4 nach chemischer Dimerisierung). NO2 entsteht aus NO in einer Nebenreaktion der AmmoniumMonooxygenase, nach der Gleichung: NO + O2 + 2 [H] p NO2 + H2O (DG0’ = –132 kJ/mol mit [H] = reduziertes Cytochrom c; Berechnung siehe Kap. 11.3.2). Bei allen Nitrifikanten wird Energie nur durch die terminale Oxidase (Komplex IV) konserviert. Diese transloziert pro Mol O2 4 Protonen ber die Membran, die fr die Bildung von einem ATP durch ATP-Synthase ntig sind. Whrend unter aeroben Bedingungen die oben vorgestellten aeroben chemolithotrophen Nitrifizierer die Ammoniumoxidation dominieren, hat man in den letzten Jahren auch die anaerobe Ammoniumoxidation (Anammox) als bakteriellen Prozess identifiziert. Hier findet man einen speziellen Fall einer anaeroben Atmung, in der Ammonium als Elektronendonator und Nitrit als Elektronenakzeptor zu molekularem Stickstoff umgesetzt werden (Kap. 13.2.3). Die Reaktion wird erst exergon, wenn ein Elektronenakzeptor mit einem Standardredoxpotenzial von mehr als +0,43 V verwendet wird, allerdings ist dieser Elektronenakzeptor bisher nicht bekannt. Die Elektronen werden wahrscheinlich direkt zur terminalen Oxidase weitergeleitet, wo wie bei der Ammoniumoxidation die Energiekonservierung erfolgt (Plus 11.3). Neben den Nitrifikanten und den Anammox-Bakterien kennt man auch einige heterotrophe Bakterien und Pilze, die Ammonium oder organische Amino- oder Nitroverbindungen zu Nitrit und Nitrat umsetzen (heterotrophe Nitrifikation). Im Gegensatz zu den vorgestellten Chemolithotrophen wachsen diese Organismen jedoch nicht in Minimalmedien mit Ammonium bzw. Nitrit als einzigen Elektronendonatoren, sondern bentigen organische Substrate. Die biochemischen Prozesse der Ammoniumoxidation bei diesen Organismen sind bisher nicht aufgeklrt. Sie scheinen jedoch nicht ber spezifische Reaktionen, sondern cometabolisch ber andere katabole Wege abzulaufen. Fr die Ammoniumoxidation wird vermutet, dass hier eine unspezifische Co-Oxidation ber die Methan-Monooxygenase methanotropher Bakterien stattfindet (Kap. 10.6.4). Die Rolle der heterotrophen Mikroorganismen bei der Nitratbildung ist eher bescheiden und wirkt sich nur bei schlechten Wachstumsbedingungen der autotrophen Nitrifikanten aus (z. B. in sauren Bden). 11.3.4 kologische und praktische Bedeutung der Nitrifikation Die weite Verbreitung der nitrifizierenden Bakterien belegt, dass diese Mikroorganismen eine wichtige Rolle im Stoffkreislauf spielen. In der modernen Abwasserbehandlung hat sich die Stickstoffeliminierung ber eine Kombination von nitrifizierenden und denitrifizierenden Stufen als Standardverfahren durchgesetzt. Dabei wird das Ammonium aus dem Abbau von Biomasse zunchst unter oxischen Bedingungen von den Nitrifizierern zu Nitrat oxidiert und anschließend unter anoxischen Bedingungen durch Denitrifikanten zu Stickstoff reduziert, der in die Atmosphre abgegeben wird. Die Nitrifikation luft bei geringer Konzentration von verwertbaren organischen Verbindungen am effizientesten, whrend fr eine effiziente Denitrifikation organische Substanz in grßerer Menge vorhanden sein muss. Effektive Stickstoffeliminierung in Klranlagen ist Nitrifikation aerob vom Belebtschlammbecken Denitrifikation anaerob [CH2O] + 0,8 NO3– + 0,8 H+ CO2 + 0,4 N2 + 0,4 H2O Abb. 11.9 Abwasserbehandlung mit Nitrifikationsstufe. Das Abwasser durchluft die Nitrifikation (oft im aeroben Tropfkrperverfahren) meist nach der Denitrifikationsstufe, muss dann aber im Kreislauf wieder zurckgefhrt werden, um effiziente Stickstoffelimination zu erreichen. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Vorfluter NH4+ + 2 O2 NO3– + H2O + 2 H+ 11.4 Reduzierte Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren 333 deshalb abhngig von der Prozessfhrung und kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Beispielsweise wird Abwasser aus der kohlenstoffarmen Nitrifikationsstufe in einer Rcklaufschleife in das vorgeschaltete Denitrifikationsbecken geleitet, in dem noch abbaubare Kohlenstoffverbindungen fr die anaerobe Atmung vorhanden sind (Abb. 11.9). In der Landwirtschaft ist die Nitrifikation unerwnscht, da das Ammoniumkation aus Dngemitteln viel langsamer aus dem Boden ausgewaschen wird als das Nitratanion, in das es durch die Aktivitt der Nitrifikanten umgesetzt wird (vgl. Humusstoffe, Kap. 10.4.). Als Gegenmaßnahme steht zur Diskussion, Dngemitteln Zusatzstoffe beizumischen, welche die Aktivitt der Nitrifizierer unterdrcken und so den Stickstoffverlust hinauszgern (z. B. 2-Chlor-6-(trichlormethyl)-pyridin). Schließlich spielen die Nitrifizierer auch eine bedeutende Rolle bei der Zerstrung von Gebuden und Denkmlern (Abb. 11.10). Ammoniak oder Stickoxide aus der Luft werden dabei von nitrifizierenden Bakterien, die sich als Biofilm auf oder unter der Oberflche des porsen Gesteins ansiedeln, zu Salpetersure oxidiert. Da heutzutage in den Abgasen große Mengen Stickoxide freigesetzt werden, fhrt dies zu erheblichen Korrosionserscheinungen und Instandhaltungskosten. 11.4 Reduzierte Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren Oxidierbare Schwefelverbindungen kommen hauptschlich an zwei Standorten vor, als Metallsulfide im Boden und Gestein (Kap. 11.5) und als Schwefelwasserstoff (Produkt der anaeroben Atmung von Sulfatreduzierern) in Gewssern und Sedimenten. Fr Biologen sind zudem besonders die seltenen Schwefelquellen interessant. Durch die chemische Reaktion von Sauerstoff mit Schwefelwasserstoff entstehen neben S0 auch Thiosulfat und andere Schwefelverbindungen, die meist im Gemisch vorliegen. Viele Arten von Eubakterien und Archaebakterien nutzen eine Vielzahl reduzierter Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren (Tab. 11.3, Plus 11.4). Zu diesen Organismen zhlen unter anderem auch viele photolithotrophe Bakterien, die zu den physiologischen Gruppen der schwefelabhngigen Purpurbakterien (Chromatiaceae, Kap. 14.3.1) und der schwefelabhngigen Grnen Bakterien (Chlorobiaceae, Kap. 14.3.2) gehren. In diesem Kapitel werden die chemolithotrophen schwefel- und sulfidoxidierenden Mikroorganismen (Sulfurikanten) nher beschrieben. Diese werden auch als farblose Schwefelbakterien bezeichnet und umfassen viele phylogenetisch sehr unterschiedliche Gattungen, die in Tabelle 11.2 zusammengefasst sind. Bei den photolithotrophen Bakterien dient die Schwefeloxidation lediglich zur Versorgung des Baustoffwechsels mit Reduktionsquivalenten, whrend die chemolithotrophen Schwefeloxidierer damit zustzlich auch ihren Energiestoffwechsel betreiben. Dennoch verlaufen die Schlsselreaktionen der Schwefeloxidation dieser Organismen ber sehr hnliche biochemische Reaktionen. Die meisten Arten der farblosen Schwefelbakterien gehren zu den Proteobakterien. In der alpha-Gruppe finden sich dabei einige fakultativ chemolithoautotrophe Arten, z. B. in den Gattungen Paracoccus oder Starkeya. Diese wachsen aerob in neutralen Medien mit Thiosulfat als Elektronendonator, allerdings nicht mit Sulfid oder elementarem Schwefel. Acidiphilium acidophilum (pH-Optimum bei 3,0) ist zurzeit das einzige bekannte alpha-Proteobakterium, das neben Thiosulfat auch Schwefel als Elektronendonator verwendet. Die Gattung Thiobacillus reprsentiert neu- G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Abb. 11.10 Zerstrung von steinernen Skulpturen und Bauwerken. Tuffstein-Pestkreuz aus dem 17. Jahrhundert mit typischen Verwitterungsmerkmalen durch die Aktivitt nitrifizierender Bakterien und Flechten (Aufnahme B. Heider, Bobingen). Plus 11.4 Substratvielfalt der Sulfurikanten Verschiedene Arten von Sulfurikanten nutzen oft ganz unterschiedliche reduzierte Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren. Neben Schwefelwasserstoff (H2S) und elementarem Schwefel (S0) sind hier besonders Thiosulfat (S2O32–) und Tetrathionat (S4O62–) sowie andere Polythionate (–O3S–(S)n–SO3–) wichtig. Manche Arten oxidieren sogar das Sulfid aus mineralischen Erzen wie Eisensulfid (FeS), Pyrit (FeS2) oder sogar Bleiglanz (PbS). Da alle diese Verbindungen ein hnlich niedriges Redoxpotenzial wie Schwefelwasserstoff haben, ist ihre Oxidation entweder mit Sauerstoff oder Nitrat als Elektronenakzeptor mglich (Abb. 11.4). Tabelle 11.3 zeigt einige der bekannten Umsetzungen durch Sulfurikanten. 334 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Tab. 11.2 Schwefeloxidierende Mikroorganismen. Als optimale Temperaturen der bisher im Labor nicht kultivierbaren Gattungen wurden die blichen Standorttemperaturen angenommen. Obligat chemolithotrophe Arten sind fett gedruckt. Phylogenetische Gruppe Art Elektronendonatoren pH-Optimum Temperaturoptimum Archaebakterien Sulfolobus metallicus FeS2, S0 2–3 65hC 2–3 80hC 2–3 75hC 8 30hC S4O6 2– 7 30hC S4O6 2– 1–3 30hC S4O6 2– – HS , S Acidianus ambivalens alpha-Proteobakterien beta-Proteobakterien gamma-Proteobakterien 0 Metallosphaera sedula FeS2, S Paracoccus denitrificans S2O32– 0 – 0 S2O32–, – 0 S2O32–, – 0 S2O32–, HS , S , Thiobacillus denitrificans Acidithiobacillus thiooxidans HS , S , Acidithiobacillus ferrooxidans HS , S , 1–3 30hC Beggiatoa sp. HS–, S0 7 I 20hC Thioploca sp. – HS , S 0 7 I 20hC – HS , S 0 7 I 20hC – 0 7 30hC 7 85hC 3–4 65hC 7 65hC Thiomargarita namibiensis S2O32– epsilon-Proteobakterien Thiomicrospira denitrificans HS , S , Aquificales Aquifex pyrophilus S0, S2O32– Hydrogenobacter acidophilus Firmicutes Bacillus schlegelii 0 S , S2O3 S2O3 2– 2– Tab. 11.3 Summengleichungen der Umsetzung verschiedener reduzierter Schwefelverbindungen durch chemolithotrophe Mikoorganismen. Schwefelverbindung Summenformel Freie Energie (DG0’) Schwefelwasserstoff HS– + 2 O2 p SO42– + H+ –797 kJ/mol HS– + 4 NO3– p SO42– + 4 NO2– + H+ –500 kJ/mol – + 0 HS + H + 0,5 O2 p S + H2O - – + –209 kJ/mol – 0 HS + NO3 + H p S + NO2 + H2O 0 2– Schwefel S + 1,5 O2 + H2O p SO4 Thiosulfat S2O32– + 2 O2 + H2O p 2 SO42– + 2 H+ Tetrathionat S4O6 2– +2H –135 kJ/mol + + 3,5 O2 + 3 H2O p 4 SO4 2– –587 kJ/mol +6H –818 kJ/mol + –1484 kJ/mol trophile Sulfurikanten der beta-Proteobakterien. Die Arten dieser Gattung sind entweder obligat oder fakultativ chemolithotroph und verwerten eine Vielzahl von reduzierten Schwefelverbindungen. Neben aeroben Sulfurikanten findet man mit Thiobacillus denitrificans auch eine Art, bei der die Sulfid-oder Thiosulfatoxidation mit anaerober Atmung ber Denitrifikation gekoppelt ist (Name!). Die meisten bekannten Gattungen der Sulfurikanten gehren zu den gamma-Proteobakterien. Die bekanntesten sind die extrem acidophilen Arten der Gattung Acidithiobacillus (frher Thiobacillus), besonders A. thiooxidans und A. ferrooxidans, aber auch viele neutrophile Arten. Die meisten dieser Bakterien sind obligat chemolithotroph und nutzen viele verschiedene Schwefelverbindungen. Die Acidithiobacillus-Arten produzieren als Endprodukt große Mengen G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.4 Reduzierte Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren 335 Schwefelsure und sind an pH-Werte von 1–3 angepasst. Sie sind in Minimalmedien mit zugesetztem Schwefel einfach anzureichern und spielen in der Gewinnung von Metallen durch biologische Laugung eine große Rolle (Kap. 19.15). Die Bakterien verursachen schwere Korrosionsschden, wo Schwefelwasserstoff mit Luft in Kontakt kommt, z. B. in Abwasserkanlen. Unter den neutrophilen Sulfurikanten sind einige Gattungen besonders auffallend, da sie große Einzelzellen bilden. Dazu gehren z. B. die gamma-Proteobakterien Beggiatoa, Thioploca oder Thiomargarita (Plus 11.5). Bei diesen Gattungen wird Schwefel, der bei der Oxidation von Schwefelwasserstoff als Zwischenprodukt anfllt, in Form von Kgelchen im Periplasma gespeichert. Zugleich enthalten die Zellen große Vakuolen, in denen sie Nitrat als anaeroben Elektronenakzeptor ablagern. All diese Arten mit einer großen Nitratspeichervakuole sind obligat chemolithotroph und oxidieren Schwefelwasserstoff durch anaerobe Atmung ber Nitratammonifikation. Sie sind neben den obligat aeroben Schwefeloxidierern wichtig fr das biogeochemische Gleichgewicht des Schwefelkreislaufs. Auch die meisten symbiontischen Sulfurikanten, die sich z. B. mit marinen Tieren wie Muscheln oder Rhrenwrmer assoziiert haben und diesen das Wachstum auf Kosten der Oxidation von Schwefelwasserstoff mit Sauerstoff ermglichen, zhlen zu den gamma-Proteobakterien. Alle Plus 11.5 a d Biologie großer Schwefelbakterien c b NO3– Strömungsrichtung NO3– 20 μM Wasser Sediment H2S 500 μM H2S Marine denitrifizierende Sulfurikanten. a Beggiatoa-Matten in der Tiefsee (Aufnahme Holger Jannasch). b Thioploca-Fden in einem ausgestochenen Sedimentkern (Aufnahme Markus Httel). c Zelle von Thiomargarita namibiensis. Die Einschlsse sind Schwefelkgelchen, die als gespeichertes Reduktionsmittel dienen (Aufnahme Heide Schulz). d Lebensweise von Thioploca-Arten. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Beggiatoa-Arten siedeln sich als weiße Matten an der Oberflche von Sedimenten des Meeres und des Sßwassers an, in denen sulfatreduzierende Bakterien H2S produzieren (Plus 11.1, S. 324). Die Beggiatoa-Matten (Abb. a) wachsen dann auf der Grundlage der Oxidation des aufsteigenden Schwefelwasserstoffs mit Nitrat. Nahe verwandt sind weitere Gattungen wie Thioploca oder Thiomargarita, die Riesenzellen bilden (Abb. b, c). Thioploca-Arten bilden dabei fdige Zellen, die in selbst geschaffenen Rhren im Sediment nach oben und unten wandern und dabei je nach Bedarf Schwefelwasserstoff in den unteren Sedimentschichten bzw. Nitrat an der Sedimentoberflche aufnehmen und speichern (Abb. d). Thiomargarita namibiensis ist das bisher grßte bekannte Bakterium, das kugelfrmige Zellen mit bis zu 500 mm Durchmesser bildet, deren Grße vor allem auf das Volumen einer zentralen nitratspeichernden Vakuole zurckzufhren ist. Dadurch kann dieses Bakterium im anaeroben Sediment lange berleben und seltene Gelegenheiten zur Nitrataufnahme nutzen, wenn Strme das Sediment aufwirbeln. 336 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise diese autotrophen bakteriellen Sulfurikanten nutzen den Calvin-Zyklus zur CO2-Assimilierung. Weitere bakterielle Gruppen von chemolithotrophen Schwefeloxidierern finden sich in den epsilon-Proteobakterien sowie bei den extrem thermophilen Aquificales, von denen einige Arten elementaren Schwefel oder Thiosulfat als mglichen Elektronendonator nutzen und CO2 ber den reduktiven Citratzyklus fixieren. Schließlich findet man auch bei den grampositiven Bakterien einige fakultative Chemolithotrophe mit Thiosulfat als Elektronendonator, z. B. Bacillus schlegelii; und auch von einigen photolithotrophen schwefeloxidierenden Chromatiaceae ist bekannt, dass sie im Dunkeln auf einen chemolithotrophen Stoffwechsel umschalten knnen. Es gibt auffallend viele Archaebakterien, die chemolithotroph mit reduzierten Schwefelverbindungen leben. Diese gehren z. B. zu den Gattungen Sulfolobus, Acidianus und Metallosphaera. Es handelt sich ausnahmslos um Vertreter der extrem thermoacidophilen Ordnung der Sulfolobales, die bei pH-Werten von 1–3 und Temperaturen bis 80hC optimal wachsen. Wie bei Acidithiobacillus fhrt die Schwefeloxidation durch diese Organismen zur Produktion von großen Mengen Schwefelsure. Die Bakterien sind also an die von ihnen selbst geschaffenen, durch Hydrogensulfat gepufferten (HSO4– p SO42– + H+, pKa = 2) sauren pH-Wert optimal angepasst. Einige Arten wie S. metallicus oder M. sedula wachsen sogar direkt auf sulfidischen Erzen wie Pyrit. A. ambivalens wechselt zwischen Schwefeloxidation mit O2 unter oxischen und Schwefelatmung mit H2 oder organischen Verbindungen unter anoxischen Bedingungen. 11.4.1 Biochemie der Sulfid- und Schwefeloxidation Je nach Verwandtschaftsgruppe haben sich bei den Sulfurikanten verschiedene Stoffwechselwege fr die Oxidation reduzierter Schwefelverbindungen entwickelt, die bei vielen Arten noch nicht vollstndig entschlsselt sind. Die hohe Reaktivitt vieler Schwefelverbindungen und die Instabilitt vieler Enzyme des Schwefelstoffwechsels erschweren die biochemischen Untersuchungen an diesem System. Dies gilt besonders fr die mikrobielle Verwertung von Schwefelwasserstoff bzw. Sulfiden, die oft durch chemische Oxidationsprozesse und Disproportionierungsreaktionen zu elementarem Schwefel, Polysulfiden oder anderen hher oxidierten Schwefelverbindungen umgesetzt werden. Die verschiedenen Arten sulfidoxidierender Sulfurikanten enthalten Enzyme, die Sulfid oxidieren und die freigesetzten Elektronen entweder auf Chinone (mithilfe einer SulfidChinon-Oxidoreduktase) oder auf Cytochrom c bertragen (mithilfe des Flavocytochrom c, einer Sulfid-Cytochrom-c-Oxidoreduktase). Es ist zurzeit nicht klar, ob die Sulfidoxidation hauptschlich durch eines dieser enzymatischen Systeme oder durch nichtenzymatische Umsetzung erfolgt. Allerdings scheinen alle sulfidoxidierenden chemolithotrophen Mikroorganismen zunchst als Zwischenprodukt elementaren Schwefel bzw. Polysulfide (z. B. Pentasulfid, HS–S–S–S–S–) zu produzieren. Dies steht im Gegensatz zur Sulfatreduktion, bei der das erste Intermediat Sulfit in einem Reduktionsschritt, bei dem 6 Elektronen bertragen werden, direkt zu Sulfid reduziert wird, ohne dass dabei elementarer Schwefel als Zwischenprodukt anfllt (Kap. 13.5). Zwischen verschiedenen Gruppen von Sulfurikanten unterscheiden sich die Stoffwechselwege der weiteren Oxidation von elementarem Schwefel oder Thiosulfat. Am besten verstanden sind sie beim extrem thermophilen Archaebakterium Acidianus ambivalens und bei Paracoccus-Arten. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.4 Reduzierte Schwefelverbindungen als Elektronendonatoren Sulfit-ChinonOxidoreduktase Chinoloxidase SO42– Thiosulfat-ChinonOxidoreduktase CQH2 CQH2 CQ CQ 3 4 ½ O2 APS-Reduktase S4O62– 2 chemische Umsetzung 2 [H] 6 S2O32– H2O H+ Schwefel-Oxygenase/ Reduktase 0 HSO3– + HS– 2 S + ½ O 2 + 2 H 2O 1 AMP nH+ 5 337 SO42– Pi 6 APS ADP ADP-Sulfurylase Schwefelstoffwechsel in Acidianus ambivalens Der Schwefelstoffwechsel von Acidianus ambivalens ist in Abbildung 11.11 dargestellt. Das Schlsselenzym der Schwefeloxidation bei A. ambivalens ist die cytoplasmatische Schwefel-Oxygenase/Reduktase, die eine Disproportionierung von Schwefel zu Sulfid und Sulfit bei gleichzeitiger Umsetzung mit Sauerstoff katalysiert: 2 S0 + 0,5 O2 p HS– + HSO3– + 2 H+ (DG0’ = –121 kJ/mol) (A). Das gebildete Sulfit wird dann entweder nichtenzymatisch zu Thiosulfat umgesetzt (S), das ber eine Thiosulfat-Chinon-Oxidoreduktase weiter zu Tetrathionat oxidiert wird (D), oder direkt durch eine Sulfit-ChinonOxidoreduktase zu Sulfat oxidiert (F). Beide Oxidoreduktasen sind membranstndig und nutzen ein archaebakterielles Chinon, CaldariellaChinon, als Elektronenakzeptor. Energiekonservierung erfolgt dabei erst im letzten Schritt bei der Reoxidation des reduzierten Caldariella-Chinols mit Sauerstoff durch eine Chinol-Oxidase (G). Diese pumpt whrend der Reaktion Protonen ber die Membran nach außen, die anschließend zur ATP-Synthese durch die ATP-Synthase genutzt werden. Alternativ dazu ist bei der Oxidation von Sulfit auch die ATP-Bildung durch Substratkettenphosphorylierung mglich (H). A. ambivalens besitzt wie die meisten anderen Schwefeloxidierer eine bidirektionelle Adenosinphosphosulfat(APS-)Reduktase und eine APS-Phosphat-Adenyltransferase; mit deren Hilfe kann bei der Oxidation von Sulfit zu Sulfat AMP via APS zu ADP phosphoryliert werden. Aus 2 ADP kann via Adenylatkinase 1 ATP und 1 AMP gebildet werden (Kap. 8.4.3). Schwefelstoffwechsel in Paracoccus sp. Der Schwefelstoffwechsel von Paracoccus sp. ist in Abbildung 11.12 dargestellt. Bei schwefeloxidierenden Paracoccus-Arten wurde ein proteingebundenes Schwefeloxidationssystem (Sox) charakterisiert. Alle Komponenten sind dabei im Periplasma lokalisiert. Deshalb erfolgt auch hier whrend der Schwefeloxidation keine direkte Energiekonservierung, sondern erst bei der Passage der freigesetzten Redoxquivalente durch die Atmungskette. Zunchst wird in einer oxidativen Reaktion ein Thiosulfatsubstat kovalent an die Thiolgruppe eines exponierten Cysteins eines G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG Abb. 11.11 Mechanismus der Schwefeloxidation bei Acidianus. Bei Acidianus findet die Schwefeloxidation durch eine cytoplasmatische Schwefel-Oxygenase/Reduktase und zwei membrangebundene Oxidoreduktasen statt. In der Membran dient ein archaebakterielles Chinon (CaldariellaChinon, CQ) als Elektronenakzeptor, und Protonen werden ber die Membran gepumpt. Außerdem ist eine Substratkettenphosphorylierung mglich. 338 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Thiosulfat-Dehydrogenase (SO32–) S2O32– 2 [H] 1 SoxY –S–S–SO3– SoxY –SH SO42– Sulfatase H2O 4 2 (H2S) Sulfatase SO42– H2O SoxY –S–SO3– SoxY –S–S– (S0) 3 6 [H] 3 H 2O Persulfid-Dehydrogenase Abb. 11.12 Mechanismus der Schwefeloxidation bei Paracoccus. Bei Paracoccus findet die Schwefeloxidation im Periplasma an einem Schwefeloxidationssystem (Sox) statt. Neben Thiosulfat knnten in diesen Oxidationszyklus auch andere Schwefelverbindungen eingespeist werden, z. B. Sulfit, Schwefelwasserstoff oder elementarer Schwefel (gestrichelte Pfeile). Tentakelkrone (“Kiemen“) Vestimentum Rumpf Dorsalgefäß Trophosom Blutsinus Ventralgefäß Nervenstrang Bakteriocytenepithel Opisthosoma Trgerproteins (SoxY) gebunden, Die Reaktion wird durch eine Thiosulfat-Dehydrogenase katalysiert. Die terminale Sulfongruppe wird durch eine Sulfatase hydrolysiert und Sulfat wird freigesetzt, wobei an SoxY ein Persulfid zurckbleibt (S). Der endstndige Schwefel dieses Intermediats wird dann durch eine Persulfid-Dehydrogenase um 6 Elektronen zu einer Sulfongruppe oxidiert (D). Nach hydrolytischer Abspaltung eines weiteren Sulfats (F) liegt SoxY schießlich wieder in der Ausgangsform vor. Neben Thiosulfat knnten in diesen Oxidationszyklus auch andere Schwefelverbindungen eingespeist werden, z. B. Sulfit, Schwefelwasserstoff oder elementarer Schwefel (Plus 11.6). Bei Organismen, die diese Verbindungen verwerten, wird Sulfit wahrscheinlich durch eine Nebenaktivitt der Thiosulfat-Dehydrogenase in den Stoffwechsel eingespeist, Schwefelwasserstoff kann mit den gebundenen Sulfongruppen zu Thiosulfat, und elementarer Schwefel mit den Persulfidgruppen zu lngerkettigen Derivaten reagieren (Abb. 11.12). Es ist auch verstndlich, dass die Oxidation von H2S oder S0 durch denitrifizierende Bakterien keine sauerstoffbentigenden Oxygenaseschritte enthalten kann, sondern nach folgender Gleichung abluft: H2S + 4 H2O p H2SO4 + 8 [H] (vgl. Abb. 11.2, S. 323). 11.4.2 Schwefelwasserstoffoxidierende Symbionten Neben freilebenden schwefeloxidierenden Chemolithotrophen sind auch einige Arten bekannt, die als Symbionten mariner Tiere leben. Besonders beeindruckende Beispiele fr solche Symbiosen kennt man von den mittelozeanischen Spreizungszonen am Meeresboden. Dort treten heiße Quellen mit vielen gelsten Mineralien und hohen Konzentrationen von H2S aus, die ber geothermische Prozesse im Erdmantel angetrieben werden. Bei Kontakt mit dem kalten Wasser der Tiefsee fallen die Mineralien aus und bilden kaminartige Strukturen, so genannte Schwarze Raucher. In der Nhe dieser Strukturen findet man reiche Lebensgemeinschaften von Tieren, die alle von schwefeloxidierenden chemolithoautotrophen Mikroorganismen als Primrproduzenten abhngen. Einige Tiere haben sich an diese Lebensrume durch Symbiose mit H2S-oxidierenden Bakterien angepasst. So findet man spezielle Arten von gamma-Proteobakterien in den Kiemen einiger Muschelarten und bei Riesenrhrenwrmern aus der Gruppe der Pogonophoren (Abb. 11.13). Letztere sind hochgradig an die symbiontische Lebensweise angepasst. Sie haben ihren kompletten Verdauungstrakt zurckgebildet und verfgen stattdessen ber ein spezielles Organ (Trophosom), in dem die endosymbiontischen H2S-oxidierenden Bakterien wachsen und ber das Blut des Wirts mit H2S, Sauerstoff und CO2 versorgt werden. Symbiosen mit H2S-oxidierenden autotrophen Abb. 11.13 Schema des Lngs- und Querschnitts von Pogonophoren (Riftia pachyptila). Diese darmlosen Tiere leben in Rhren, die den gesamten Krper bis auf die Tentakelkrone bedecken und von der grtelhnlichen Struktur des Vestimentums synthetisiert werden. Bis zu 50 % der Krpermasse nimmt ein besonderes Organ in der Rumpfsektion der Tiere ein, das Trophosom. In besonderen Zellen (Bacteriocyten) des inneren Epithels des Trophosoms befinden sich symbiontische schwefelwasserstoffoxidierende Bakterien, die durch das Blutgefßsystem des Wurms mit H2S, O2 und CO2 versorgt werden. Der Gasaustausch erfolgt durch die Tentakel am Vorderende der Wrmer, die stark durchblutet werden und die Funktion von Kiemen bernehmen. Mit dem Hinterende (Opisthosoma) verankern sich die Tiere am Grund der Rhren im Sediment. G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 11.5 Reduzierte Metallionen als Elektronendonatoren Plus 11.6 339 Varianten der Schwefeloxidation Aus Genomdaten ist zu entnehmen, dass hnliche Systeme wie bei Paracoccus sp. bei vielen anderen eubakteriellen Sulfurikanten und photolithotrophen Schwefelbakterien, nicht jedoch bei Archaebakterien vorkommen. Bei einigen weiteren Bakterien, besonders bei den extrem acidophilen Acidithiobacillus-Arten, wird jedoch ein anderer Stoffwechselweg fr die Sulfid- und Schwefel-Oxidation eingeschlagen. Aufgrund des stark sauren Mediums ist zu erwarten, dass bei diesen Arten die enzymatischen Reaktionen im Cytoplasma und nicht, wie bei Paracoccus, im Periplasma ablaufen. Da alle Acidithiobacillus-Arten Tetrathionat als Elektronendonator verwerten, wird ein Stoffwechselweg der Thiosulfatoxidation ber Tetrathionat als erstem Intermediat vermutet. Dieser verluft dann weiter ber Sulfatabspaltung durch eine Tetrathionat-Hydrolase und anschließende Oxidation des endstndigen Persulfids. Der Prozess ist analog zur Thiosulfatoxidation bei Paracoccus, bis auf die Beteiligung des SoxY-Trgerproteins. Die Thiosulfat-Dehydrogenase dieser Bakterien synthetisiert aus 2 Thiosulfatmoleklen ein Tetrathionat. Bakterien kennt man auch von marinen Muscheln, Schwmmen, dem Wattwurm Arenicola, darmlosen Oligochaeten u. a. 11.5 Reduzierte Metallionen als Elektronendonatoren Reduzierte Metallverbindungen, besonders Eisenmineralien, gibt es in Bden und Gestein, die Pyrit (FeS2, „Katzengold“, Abb. 11.14) und andere sulfidische Mineralien enthalten. Unter Ansuerung des Mediums erlauben die Mineralien die gleichzeitige Oxidation des reduzierten Metalls und des Sulfids. Außerdem kommen freie Fe2+-Ionen in Gewssern vor (Plus 11.7). Reduzierte Metallionen, besonders Fe(II) und Mn(II), werden von vielen chemolithotrophen Mikroorganismen als Elektronendonatoren genutzt. Sie sind, wie die meisten Metallsalze, schlecht lslich und knnen von Mikroorganismen nur genutzt werden, wenn diese Zugang zu den Metallionen erhalten. Eine mgliche Strategie der Mikroorganismen besteht darin, in extrem sauren Lebensrumen zu leben, da unter diesen Bedingungen relativ große Mengen von Fe2+-Verbindungen lslich sind. Außerdem liegt das Redoxpotenzial des Fe2+/Fe3+-Redoxpaars bei diesen Bedingungen noch relativ gnstig (E0 = +0,42 V bei pH 1), um als Elektronendonator zu dienen (Plus 11.7). Die Bakterien schaffen sich ihr saures Lebensmilieu selbst, indem sie neben dem reduzierten Metall auch den anorganischen Schwefel in Metallsulfiden (z. B. Pyrit, FeS2) zu Schwefelsure oxidieren. Viele der acidophilen Fe2+-oxidierenden Arten oxidieren zugleich Sulfid bzw. Schwefel als Elektronendonator. Bekannte acidophile Fe2+-oxidierende Arten sind in den eubakteriellen Gattungen Acidithiobacillus (Abb. 11.14) und Leptospirillum vertreten, zustzlich sind einige Arten von thermoacidophilen Archaebakterien bekannt, die Fe(II) in a b c Abb. 11.14 Acidithiobacillus ferrooxidans und sein Substrat, Pyrit. a Kultur von Acidithiobacillus ferrooxidans (Aufnahme Jim Horan). b Mikroskopische Aufnahme von Acidithiobacillus ferrooxidans (Aufnahme D. G. Lundgren). c Pyrit („Katzengold“, FeS2, Aufnahme Jim Horan). G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG 340 11 Oxidation anorganischer Verbindungen: Chemolithotrophe Lebensweise Plus 11.7 Neutrophile Mikoorganismen, die Metallionen oxidieren Neben den acidophilen gibt es auch neutrophile Bakterien, die Metallionen oxidieren und die damit offensichtlich andere Strategien fr die Mobilisierung der reduzierten Metallionen entwickelt haben. Das hohe Standardredoxpotenzial des Fe2+/Fe3+-Redoxpaars bei neutralem pH (E0’ = +0,77 V) lsst eigentlich keinen Energiegewinn mehr zu, da die Differenz zum Elektronenakzeptor Sauerstoff zu gering ist. Außerdem ist Fe(II) als FeCO3 schwer lslich. Da aber bei pH 7 Eisen(III)Mineralien (oder Fe(II, III)-Mineralien wie Magnetit, Fe3O4) noch schlechter lslich sind als Fe(II)-Mineralien, verschiebt sich das chemische Gleichgewicht zu Gunsten der Fe(II)-Oxidation. Das reale Redoxpotenzial E’ sinkt dadurch auf wesentlich niedrigere Werte, die Elektronentransport zur terminalen Oxidase zulassen (Abb. 11.4, S. 327). Bekannte neutrophile Fe(II)-oxidierende Arten sind die betaProteobakterien Gallionella ferruginosa oder Leptothrix discophora. Die nierenfrmigen Zellen von Gallionella sitzen auf einer charakteristischen stielartigen Struktur auf, in die przipitiertes Eisen(III)-oxid eingelagert ist, welches sich bei der Fe2+-Oxidation spontan bildet. Es ist deshalb zu vermuten, dass die Enzyme der Fe(II)-Oxidation nur an der Stielseite der Zelle ausgebildet werden, da sich die Zelle sonst in ihr unlsliches Stoffwechselprodukt einschließen wrde. Diese Bakterien kann man an vielen pH-neutralen Standorten mit reduzierten Metallionen beobachten, z. B. am Ende von Drainagerhren, in Moorgrben oder in Gebirgsbchen, wo sie dichte Flocken mit dicken rostigen Eisenoxidbelgen bilden (Abb.). Fr das scheidenbildende filamentse Bakterium Leptothrix discophora ist neben der Fe2+-Oxidation auch die Oxidation von Mn2+ zu Braunstein (MnO2) nachgewiesen. Das extrem thermophile Archaebakterium Ferroglobus placidus koppelt die Oxidation von Fe2+ sogar mit anaerober Atmung mit Nitrat als Elektronenakzeptor. a b 5 μm Neutrophile Metalloxidierer. a Typischer Standort in klaren Wasserlufen. Die Anwesenheit metallionenoxidierender Bakterien erkennt man an der rtlichen Farbe der Sedimente und den irisierenen dnnen Hutchen von Mangan- und Eisenoxiden an der Wasseroberflche (Aufnahme: U. Lttge, Darmstadt). b Zellen von Gallionella ferruginosa nach Doppelfrbung mit Berliner Blau und nach Ziehl-Neelsen. Die bohnenfrmigen Zellen bauen charakteristische Stielstrukturen auf, die mit Eisenoxiden inkrustiert werden. Durch dieses Nukleationszentrum der Eisenoxidation werden die Zellen vor reaktiven Sauerstoffmetaboliten (Fenton-Reaktion) geschtzt, außerdem auch vor der Einschließung durch die wachsenden Eisenoxidschichten bewahrt (Aufnahme H. Hanert, Braunschweig). Tab. 11.4 Fe(II)-oxidierende Mikoorganismen. Phylogenetische Gruppe Archaebakterien Art pH-Optimum Temperaturoptimum Ferroplasma acidarmanus Fe 2+ 2–3 60hC Sulfolobus metallicus FeS2 2–3 65hC Acidianus brierleyi FeS2 2–3 80hC Metallosphaera sedula FeS2 2–3 75hC 7 80hC 30hC Ferroglobus placidus beta-Proteobakterien Elektronendonatoren Fe 2+ 2+ 2+ Leptothrix discophora Fe , Mn 7 Gallionella ferruginosa FeCO3 7 30hC gamma-Proteobakterien Acidithiobacillus ferrooxidans Fe2+ 2–3 30hC Nitrospirae Leptospirillum ferrooxidans FeS2, Fe2+ 2 –3 30hC G. Fuchs, Allgemeine Mikrobiologie (ISBN 3134446081) c2006 Georg Thieme Verlag KG