1. Einleitung - G-News

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Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften
Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart
Universität Fribourg
Benjamin Blaser
01-204-692
1. Einleitung
Nonverbale Kommunikation ist ein zentrales Element zwischenmenschlicher
Interaktion. Wenn wir miteinander sprechen, übertragen wir einen Grossteil der
Information via nonverbale Kommunikationskanäle. Mimik, Nähe, Stimme,
Modulation, Haptik, Körperhaltung etc. tragen alle zur Verständigung bei,
unterstützen die oder widersprechen den Aussagen, die wir auf verbaler Ebene
machen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass gemeinhin gilt, ein persönliches
Gespräch von Angesicht zu Angesicht lasse sich durch nichts ersetzen.
Das Internet mit all seinen neuen Kommunikationsmöglichkeiten zwingt uns aber
tagtäglich, andere Interaktionsformen zu wählen als das persönliche face-to-face
Gespräch. E-Mail, Chat, Diskussionsforen, Computerspiele, Instant Messengers und
viele weitere Medien im Zusammenhang mit dem Internet haben in weniger als einem
Jahrzehnt die grosse Welt zu einem kleinen Dorf schrumpfen lassen.
Wer sich aber regelmässig im Internet bewegt und sich mit anderen Menschen
austauscht, wird schnell merken, wie schwierig es ist, mit dem neuen Medium
umzugehen. Nirgendwo sonst entstehen scheinbar so schnell so grundlegende
Missverständnisse wie in einem textbasierten Kommunikationssystem. Woran mag
das liegen?
Ziel der dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten des
Internets nach ihrem Potential zur Übertragung nonverbaler Informationsinhalte zu
untersuchen. Weiter wird die Leistungsfähigkeit dieser Möglichkeiten untersucht, der
Annahme folgend, dass das Internet, bzw. seine Nutzer, Möglichkeiten gefunden
haben, die Abwesenheit der nonverbalen Kommunikationskanäle zumindest teilweise
zu kompensieren.1 Dabei haben unterschiedliche Medien verschiedene Wege
eingeschlagen. Welche das sind, wird ebenfalls dargelegt.
1
Giese meint dazu: „Some of the adaptations that have occurred to compensate for this lack of
expression include the reconfiguration of typographical symbols in particular ways and the use of new
textual conventions to replace some of the expression that is lost with the absence of physical
proximity. These new conventions are still a far cry from the rich repertoire available to people who
communicate face-to-face.“ Vgl. GIESE, M.: Self Without Body: Textual Self-Represenatation in an
Electronic Community. In: First Monday, Issue 3, Vol. 4, 1998, S. 2
http://www.firstmonday.dk/issues/issue3_4/giese/index.html
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1.1. Motivation
Nonverbale Kommunikation hat in unserem Alltag einen sehr hohen Stellenwert.
Oftmals unbewusst steuert und verändert sie unser Verhalten anderen Menschen
gegenüber. Studien haben immer wieder gezeigt, dass tatsächlich ein Grossteil
unserer Mitteilungsleistung in der Face-to-Face Kommunikation über nonverbale
Kanäle erbracht wird. Die Rede ist von 60% und mehr. Burgoon spricht gar von 93%
nonverbalem Mitteilungsanteil.2 Wie Finnegan3 aber richtig festhält, implizieren
solche Studien durch die Aufteilung in verbale und nonverbale Kommunikation, dass
nonverbale Kommunikation etwas eigenes, separates ist. Tatsächlich tauchen aber in
einer face-to-face Situation beide stets gleichzeitig auf, sie sind gewissermassen
untrennbar. Bei der Kommunikation über Distanz mittels elektronischer Medien oder
herkömmlicher Massenmedien, erzwingt die Kanalrestriktion aber wirklich eine
Trennung von nonverbaler (unübermittelbarer) und verbaler (übermittelbarer)
Information. Dies gilt insbesondere auch für die überwiegende Mehrheit an
Kommunikationsformen über das Internet. Wie gross der Einfluss der nonverbalen
Kommunikation auch im Internet ist, ist bisher wenig untersucht. Durch den
langjährigen Gebrauch des Internets hat der Autor, wie wahrscheinlich viele andere
Menschen auch, festgestellt, dass nonverbale Kommunikation auch dann auf unser
Verhalten einen Einfluss haben kann, wenn sie begrenzt ist oder gar nicht stattfinden
kann. Trotzdem deuten wir dieses Fehlen nonverbaler Signale oft als bewusstes
Handeln unseres Interaktionspartners. Das hat zur Folge, dass bei der Verständigung
über die verschiedenen Medien des Internets oft Probleme auftreten, die durch
regulierende oder steuernde Funktionen der nonverbalen Zeichengebung in einem
Face-to-face Gespräch hätten verhindert werden können. Deshalb ist es interessant,
der Problematik der nonverbalen Kommunikation im Internet nachzugehen.
Aufschlussreich ist auch, das Verhalten der Nutzer in den verschiedenen interaktiven
Medien im Internet nach den Methoden zu untersuchen, die sie wählen, um die
Abwesenheit des Nonverbalen zu kompensieren. Besonders bekannt sind vermutlich
2
Vgl. BURGOON, Judee K.: Nonverbal Signals, in:
KNAPP, M.L.; MILLER, G.R. (Hrsg.): Handbook of interpersonal Communication, Thousand Oaks,
1994, S. 234-235.
3
Vgl. FINNEGAN, Ruth: Communicating – The multiple Modes of human Interconnection, New
York, 2002 S. 37
2
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die Smilies oder Emoticons. Damit ist aber die Kompensation noch lange nicht am
Ende. Viele weitere Techniken haben sich herauskristallisiert, die letztich nur deshalb
benötigt
werden,
weil
natürliche
nonverbale
und
parasprachliche
Kommunikationskanäle im Internet nicht zugänglich sind. Wie effektiv diese
Kompensationen tatsächlich funktionieren, soll in dieser Arbeit mittels einer
empirischen Studie ermittelt werden.
2. Nonverbale Kommunikation
2.1. Eingrenzung des Begriffs
Richmond und McCroskey4 unterscheiden „nonverbal behavior“ und „nonverbal
communication“5. Nonverbal behavior, also nonverbales Verhalten findet ihnen
zufolge praktisch immer statt, zur nonverbalen Kommunikation kommt es aber erst,
wenn ein Rezipient das nonverbale Verhalten des Senders empfängt und interpretiert,
also eine „message“, eine Nachricht übermittelt wird, selbst wenn dies vom Sender
nicht mit Absicht geschieht. Damit es zu Verständigung kommen kann, müssen aber
beide Interaktionspartner, der Encoder und der Decoder ein gemeinsames bzw.
überlappendes Zeichensystem haben, ansonsten kommt es zwangsläufig zu
Missverständnisen.6 Ein populäres Beispiel hierfür wäre wohl das Missverständis
zwischen Katze und Hund, deren Schwanzbewegung und Lautgebung sich
anscheinend nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Was für
McCroskey nonverbal communication ist, ob beabsichtigt oder nicht, unterscheiden
Ekman und Friesen7 ebenfalls in zwei Kategorien. Der „informative act“ ist
nonverbale Kommunikation, die seitens des Senders/Encoders unbeabsichtigt ist,
durch den Empfänger/Decoder aber interpretiert wird und somit zu einer Nachricht
wird. Der „communicative act“ schliesslich ist die beabsichtigte nonverbale
Kommunikation, mit der der Encoder bewusst und beabsichtigt ein Zeichen von sich
gibt, mit der Absicht dem Decoder eine Nachricht zu übermitteln.
4
RICHMOND, V.P.; McCROSKEY, J.C.: Nonverbal Behavior in Interpersonal Relations, 5th edition,
Boston, 2004
5
Vgl. RICHMOND & McCROSKEY, 2004, S. 6 ff
6
Vgl. WEINER, M.; DEVOE, S.; RUNBINOW, S.; GELLER, J.: Nonverbal behaviour and nonverbal
communication, in Psychological Review 79, S. 185-214, 1972.
7
Vgl. EKMAN, P.; FRIESEN, W. V.: The repertoire of nonverbal behavior: categories, origins, usage
and coding. Semiotica 1, S. 49-98, 1969.
3
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Für vorgesehene Arbeit ist nur nonverbale Kommunikation, bzw. der „communicative
act“ von Interesse, geht es ja darum, herauszufinden, ob die Möglichkeiten des
Internets, nonverbale Signale zu übertragen, den Anforderungen eines Rezipienten
genügen können. Ein „Smilie“, das niemand sieht (oder eben liest), wird auch nicht
interpretiert, überträgt also keine Nachricht und ist deshalb für eine Analyse von
nonverbaler Kommunikation bedeutungslos. Zu unbeabsichtigten nonverbalen
Zeichen kann es allerdings sehr oft kommen. Technische Ursachen können zum
Beispiel einer Reaktionsverzögerung zugrunde liegen. Solche unfreiwilligen Pausen
im Chatfluss können schnell zu Missverständnissen führen und haben vermutlich
schon manche Unstimmigkeit im Internet provoziert. Das Medium Internet spielt hier
den Kommunizierenden auf dem chronemischen Kanal regelmässig einen Streich.
Nonverbale
Kommunikation
als
Resultat
von
interpretiertem/rezipiertem
nonverbalem Verhalten findet auf mehreren Kommunikationskanälen statt, oftmals
sogar gleichzeitig. Richmond und McCroskey unterscheiden folgende Kategorien
nonverbalen Verhaltens:
-
Physical Appearance
-
Gesture and Movement
-
Face and Eye Behavior (mimics, oculesics)
-
Vocal Behavior (vocalics)
-
Space (proxemics)
-
Touch (haptics)
-
Environment (u.U. olfactics)
-
Time (chronemics)
Einige dieser Kanäle sind einfacher zu „digitalisieren“ als andere. Mit „Digitalisieren“
sei hier die Übersetzung, oder besser gesagt die Übertragung eines nonverbalen
Signals, wie etwa eines Lächelns, auf einen verbalen Kanal, wie etwa der
geschriebenen Sprache, gemeint.8 Der Vergleich der Ebenen analog-digital mit
8
Vgl. dazu WATZLAWICK, Paul; BEAVIN, Janet H.; JACKSON, Don D. (1974 [1967]):
Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 4., unveränderte Aufl. Bern: Hans
Huber. S. 61-68
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nonverbal-verbal bietet sich nach der Meinung des Autors an, weisen doch „digital“
und „verbal“ die Gemeinsamkeit auf, dass sie einen höheren Abstraktionsgrad haben
als analoge Signale9, bzw. nonverbale Signale, die näher am Sender liegen, bzw. von
den Interaktionspartnern weniger (bewusste) Encodierungs- bzw. Decodierungsarbeit
verlangen. Diese Arbeit wird vermutlich zeigen, dass sich Verhalten des Gesichts und
der Augen am ehesten noch digitalisieren lassen, während Physical Appearance oder
Environment nahezu unmöglich zu digitalisieren sind, ohne die intendierte (oder eben
nicht-intendierte) Nachricht zu verändern.10
Im Folgenden werden nun die vorgängig erwähnten Kanäle nonverbalen Verhaltens
eingehender beleuchtet.
2.2. Das körperliche Erscheinungsbild (Physical Appearance)
Das körperliche Erscheinungsbild ist oftmals der erste Eindruck, den wir von einem
Interaktionspartner haben. Genauer gesagt, ist der erste Eindruck, den wir durch das
Erscheinungsbild haben, oft massgebend für die weitere Entwicklung der
Begegnung.11 Spricht uns das Gegenüber nicht an, verzichten wir vielleicht gänzlich
auf eine Interaktion und belassen es bei einem flüchtigen Blick. Die Abwesenheit
dieses visuellen Kanals nonverbaler Signale, die von unserem Körper ausgehen, ist im
Internet in fast allen Kommunikationsmitteln deutlich zu spüren. Für die einen ist
diese „visuelle Anonymität“ ein Segen, andere vermissen vielleicht manchmal die
unterstützende Funktion, die das Erscheinungsbild bei der Kommunikation haben
kann. Tatsächlich lässt sich Physical Appearance bestenfalls im Videochat bzw. in der
Videokonferenz adäquat wiedergeben. Anderen Kommunikationsmitteln bleibt der
Kanal versperrt. Die Abwesenheit des visuellen Kanals für Physical Appearance lässt
sich praktisch nicht kompensieren. Wer keine Kamera hat, kann seinen Körper nicht
sprechen lassen.
9
z.B. in der Elektronik
Man stelle sich z.B. vor, welcher Unterschied besteht zwischen einer Begegnung mit einem
attraktiven Menschen auf der Strasse vs. der Begegnung mit einer Person, die sich im Textchat als
attraktiv beschreibt. Als visuelle Lebewesen werden wir unseren Augen sofort trauen, dem Versuch
den fehlenden optischen Kanal zu kompensieren, werden wir dagegen wahrscheinlich eher skeptisch
gegenüberstehen.
11
Vgl. RICHMOND & McCROSKEY, 2004, S. 15 ff
10
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2.3. Gestik und Bewegung (Gesture and Movement)
Ähnlich sieht es auch bei dem verwandten Kanal der Gestik und der Bewegungen aus.
Ohne Videokamera/Webcam lassen sich Gesten nur bruchstückhaft kompensieren. So
kann man zwar im Textchat durchaus bewusste gestische Signale verbalisieren
(digitalisieren), die viel zahlreicheren unbewussten Signale bleiben aber ungesehen.
Da es etwas umständlich ist, im Text- oder im Audiochat oder auf einer Textseite
Kompensationsversuche wie *mitderFaustaufdenTischhau* oder *vorbeug* zu
schreiben bzw. zu sagen, sieht man solche Kompensationsversuche in der Praxis
selten. Auch dieser Kanal entfällt in der Kommunikation im Internet also
grösstenteils. Interessant sind hierzu die Feststellungen von Cohen12, der in seinem
Artikel feststellt, dass Gestik oft den Weg für die eigentliche verbale Aussage im
Voraus ebnet, die nonverbale Aussage also vor der verbalen steht.13
2.4. Mimik (Face and Eye Behavior, oculesics)
Unser Mund arbeitet ständig14 und die Augen seien die Pforten zur Seele. Die oberen
30 Centimeter unseres Körpers sind gleichsam ein Fokussierpunkt der nonverbalen
Kommunikation. Das menschliche Gesicht und alle seine Bestandteile sind zu einer
grossen Zahl verschiedener Ausdrücke fähig. Neben den Augen und dem Mund
spielen auch Stirn, Augenbrauen, Nase, Wangen, Kinn und nicht zuletzt die Haare
eine wichtige Rolle für die nonverbale Kommunikation. Daher sollte es nicht
erstaunen, dass die Nutzer des Internets vor allem für die nonverbale Kommunikation,
die vom Gesicht ausgeht, eine Vielzahl von Kompensationsformen gefunden hat,
deren Wirksamkeit zu untersuchen, unter anderem das Ziel dieser Arbeit sein soll.
Smilies und Emoticons in textuellen Chats im Internet und in Computerspielen sind
weit verbreitet. Wie einheitlich sie gedeutet werden und wie zuverlässig sie deshalb
als Kompensationsform sind, sei zu untersuchen. Die schiere Quantität der
bestehenden Kompensationsformen für den Kanal Mimik lässt erahnen, wie wichtig
dieser für die zwischenmenschliche Verständigung ist.
12
COHEN, A.A.: The communicative functions of hand illustrators. Journal of Communication, 27,
1977, S. 54-63.
13
Was ein interessanter Ansatzpunkt sein könnte, falls sich herausstellen sollte, dass die Kompensation
von Gestik im Internet nicht gut funktioniert.
14
Vgl. RICHMOND & McCROSKEY, 2004, S. 84
6
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2.5. Stimme (Vocal Behavior, vocalics)
Die Stimme ist zwar unser Mittel uns verbal zu verständigen; sie erfüllt aber beim
Sprechen auch einen wichtigen nonverbalen Zweck. Tonlage, Sprechtempo,
Lautstärke, Modulation, Deutlichkeit der Aussprache etc. gelten alle als wichtige
nonverbale
Faktoren,
die
die
verbale
Kommunikation
unterstützen.
Dank
Sprachübertragung im Internet ist es mittlerweile in verschiendenen Fällen möglich,
auch vocalics zu übertragen, ohne sie bewusst umcodieren zu müssen. Für rein
textuelle Chats aber bieten sich nachwievor nur wenige Möglichkeiten, das Wegfallen
der vocalics-Kanäle zu kompensieren. Die wenigen Kompensationsformen, die es
gibt, basieren hauptsächlich auf graphostylistischen Variationen, wie etwa
Grossschreibung oder Zeichenwiederholung.15
2.6. Raum (space, proxemics)
Einer der wohl schwierigsten Aspekte der nonverbalen Kommunikation im Internet
ist der Umgang mit Raum. Interaktion im Internet zeichnet sich oftmals gerade
dadurch aus, dass sie sehr grosse Distanzen mit sehr geringem Aufwand überwinden
kann. Selbst die modernsten Übertragungsmittel sind aber nachwievor nicht in der
Lage, das Fehlen der körperlichen Präsenz zu kompensieren. (und das wird
vermutlich in absehbarer Zeit auch so bleiben). Raum als Medium dürfte also für die
Untersuchung der nonverbalen Kommunikation im Internet von geringem Interesse
sein. Einzig in virtuellen Welten, in der sich die Interaktionspartner mittels
sogenannten Avataren bewegen, bietet sich ansatzweise die Möglichkeit, sich im –
virtuellen – Raum zu bewegen.
2.7. Berührung (touch, haptics)
Ähnlich sieht es im Bereich der haptics aus. Auch dieser Kanal erfordert die
physische Gegenwart der beiden Interaktionspartner. Da diese im Internet niemals
gegeben ist, fallen die Kompensationsmöglichkeiten entsprechend gering aus. Ausser
einer Umschreibung/Beschreibung, die als Kompensationsmethode für alle Kanäle
bedingt in Frage kommt, lässt sich das Fehlen der haptics nicht kompensieren.
15
So wird z.B. Grossschreibung von vielen Nutzern des Internets als Schreien oder nachdrückliches
Reden empfunden und ist, wenn im Übermass angewandt, ziemlich verpöhnt.
7
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2.8. Umgebung (Environment und deren Eigenschaften)
Die Ausgestaltung der Umgebung lässt sich im Internet ebenfalls nur sehr schwer
beeinflussen. In gewissen virtuellen Welten, wie etwa „Second Life“, ist es zwar
möglich, die Umgebung zu bestimmen und auch zu verändern, mehr als die
Projektion eines virtuellen Raumes ist aber auch hier nicht möglich. Geruch,
Temperaturen lassen sich nachwievor nicht übermitteln. In textuellen Chats stellt die
Situation des Chats bereits die einzige Umgebung dar. Einzig der Kontext der
jeweiligen Diskussionen ist variabel, eine physische Umgebung fehlt offensichtlich.
Auch hier lassen sich bestenfalls Beschreibungen oder Simulationen als Ersatz
heranziehen.
2.9. Zeit (chronemics)
Der Faktor Zeit hingegen ist gerade im Internet ein sehr kritischer Punkt. Durch
technischen Fortschritt ist es mittlerweile theoretisch möglich, mit nur noch
minimalsten
Verzögerungen
zu
kommunizieren.
Verzögerungen
bei
einer
Unterhaltung können sehr schnell zu Missverständnissen führen. Gepaart mit der
Tatsache, dass andere nonverbale Kanäle im Internet nicht verfügbar sind, die
beispielsweise eine Schweigephase in einer face-to-face Situation hätten überbrücken
können, ein Blick, eine Geste, eine Berührung o.ä., können Schweigephasen im
Internet, je nach Rezipient sehr unterschiedlich und unter Umständen auch sehr falsch
verstanden werden. Hinzu kommt, dass durch den eben beschriebenen Umstand des
Fehlens anderer regulierender Kanäle, die Versuchung steigen kann, einen
Kommunikationsfluss willkürlich zu unterbrechen. Beispielsweise weil der eine
Interaktionspartner sich vom Computer wegbewegt, um eine Tasse Kaffee zu holen.
Wird dieser Umstand nicht auf verbaler Ebene erklärt, kann die entstandene Lücke im
Kommunikationsfluss sehr schnell sehr unterschiedlich aufgefasst werden.
3. Kommunikation im Internet
Das Internet
als elektronische Plattform für
eine Vielzahl
verschiedener
Möglichkeiten, in gegenseitigen Kontakt zu treten, hat sich seit der Eröffnung des
World Wide Web 1992 rasant weiterentwickelt. Im Laufe der Zeit kamen nebst der
Darstellung von Text mittels HTML auch neue Technologien und neue Software
8
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hinzu, die die Möglichkeiten, über das Internet zu kommunizieren, deutlich vermehrt
haben. In diesem Abschnitt soll nun eine kurze Übersicht erstellt werden, welche
Kommunikationsmittel heute im Internet zur Verfügung stehen und welche
Kommunikationsknanäle diese bedienen können.
3.1. Medien der computervermittelten Kommunikation
3.1.1. E-Mail
Das sehr bekannte und mittlerweile auch schon alte Kommunikationsmittel E-Mail
unterscheidet sich vom traditionellen Briefeschreiben vor allem dadurch, dass es
aufgrund der elektronischen Verarbeitung mit sehr viel weniger Verzögerung
zwischen Senden und Empfangen verbunden ist. Mit modernen E-Mail Programmen
ist es auch möglich, Dateien anzuhängen, beispielsweise ein Foto. Im Kern handelt es
sich aber bei E-Mail nachwievor um ein textuelles, asynchrones Medium, das von
sich aus keine der acht nonverbalen Kommunikationskanäle bedient.
3.1.2. SMS (Short Message Service) und MMS (Multimedia Message Service)
Diese Dienste sind zwar grundsätzlich keine auf dem Internet aufbauende Medien,
theoretisch unterscheiden sie sich allerdings nur geringfügig von E-Mails. Mittels von
Mobiltelefonen, Festnetztelefonen oder Computern lassen sich digitale Text- oder im
Falle von MMS auch Bild-, Ton- und Videobotschaften übermitteln. Gegenüber EMail haben SMS den Vorteil, tendenziell noch die kürzere Übertragungsdauer zu
haben. Dafür sind sie sehr kurz (160 Zeichen pro Nachricht). Von sich aus bedienen
SMS keinen der acht Kanäle. Durch die schnelle Verarbeitungszeit könnte man aber
versucht sein zu glauben, der chronemische Kanal werde bedient. Die etwas
fortschrittlicheren MMS ermöglichen eine erweiterte Signalübertragung, auch von
Bewegtbild. Anders als Videochats sind auch sie aber nicht synchron und lassen so
höchsten die Aufzeichnung einer Nachricht auf den Kanälen physical appearance,
mimics, vocalics und möglicherweise environment zu. Da das telefonieren aber
einfacher, schneller und möglicherweise sogar billiger ist als das Aufzeichnen einer
Videobotschaft, ist MMS kein sonderlich populärer Dienst. Interessant für die
vorliegende Arbeit sind SMS, in denen sich die Kompensation nonverbaler Signale in
textueller Form anbietet.
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3.1.3.Diskussionsforen
Eines der ältesten Kommunikationsmittel im Internet ist das Diskussionsforum oder
Bulletinboard. Ähnlich wie in einer Mailbox, wie sie bereits vor der Eröffnung des
WWW bestanden haben, schreiben verschiedene User zu verschiedenen Zeitpunkten
Diskussionsbeiträge in eine Website, auf der die Beiträge dann von allen anderen
Diskutanden eingesehen werden können. Die Nachrichtenübermittlung erfolgt also
durch Text bzw., geschriebene Sprache und ist zeitlich unabhängig von den Beiträgen
anderer. Ohne Kompensationsversuche lassen sich in einem Diskussionsforum keine
der acht nonverbalen Kommunikationskanäle nach Richmond & McCroskey
bedienen.
3.1.4. Textchats
Eine Stufe weiter gehen die Textchats, die beispielsweise auf IRC (Internet Relay
Chat) aufbauen können. Auch hier schreiben die Teilnehmer einer Diskussionsrunde
oder eines Gesprächs ihre Beiträge in ein Fenster, wo sie dann für alle Teilnehmenden
ersichtlich sind. Anders als bei einem Diskussionsforum bleiben aber die Beiträge
meist nicht unbegrenzt erhalten und Kommunikation erfolgt zeitabhängig. Auf eine
Frage kann unmittelbar eine Antwort folgen, man braucht nicht erst zu warten, bis der
andere die neusten Beiträge abgerufen hat. Kommunikation erfolgt so schnell, wie die
Verbindung und das Lese- bzw. Schreibtempo der beiden (oder mehrerer)
Interaktionspartner zulässt. Textchats lassen sowohl One-to-One, als auch One-toMany und Many-to-Many Kommunikation zu. Ohne Kompensationsmittel lässt sich
im Textchat lediglich der zeitliche Kommunikationskanal der nonverbalen
Kommunikation bedingt bedienen. Durch den während einem Gespräch entstehenden
Textfluss, lässt sich mittels Beschleunigung oder Verlangsamung des Schreibens
mitunter eine Stimmung nonverbal übertragen. Allerdings können auch externe
Einflüsse, wie technische Störungen oder Verhinderungen solche temporalen
Veränderungen verursachen, wodurch es zu Missverständnissen kommen könnte,
wenn zu stark auf den zeitlichen Kanal geachtet wird.
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Tabelle 1: Beispiel eines IRC chats
3.1.5. Instant Messaging
Letztlich eine Weiterentwicklung des Textchats, bieten die verschiedenen Instant
Messaging Services wie MSN, ICQ und AIM zwar keine grundlegend neuen
Funktionen gegenüber dem Textchat. Allerdings stellen sie ein anderes Umfeld dar
als letztere. Muss man einen Textchat meist extra aufsuchen, zum Beispiel um einen
Freund da anzutreffen, fällt dies mit Instant Messaging leichter, weil der Freund
automatisch in einer Liste aufgeführt wird, wenn er online ist. So kann man etwas
unkomplizierter ein Gespräch beginnen. Früher waren viele IM Dienste auf One-toOne Kommunikation begrenzt (man kann aber mehrere solche Gespräche
nebeneinander führen), heute lassen sie in vielen Fällen auch Konferenzschaltungen
zu, also auch One-to-Many und Many-to-Many. Zwar bedienen von sich aus auch die
IM Dienste höchstens den zeitlichen Kanal ohne Kompensationsversuche, anders als
viele Textchats, bieten IM Dienste aber meistens bereits eingebaute Funktionen, um
Emoticons zu verschicken. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass Emoticons
lediglich Kompensationen nonverbaler Kommunikation sind, es erleichtert aber deren
Einsatz, weil nur noch ein Knopf gedrückt werden muss. Auch die Übermittlung von
Dateien ist möglich, z.B. um ein Foto zu verschicken.
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Tabelle 2: Beispiel eines Instant Messengers
3.1.6. Voice Chats
Mit der Verbreiterung der Bandbreiten für Internetanschlüsse und der zunehmenden
Rechenleistung der eingesetzten Computersysteme wurde auch die Sprachübertragung
möglich. Dienste wie TeamSpeak, Ventrilo, iChat, Skype etc. lassen heute ohne
grossen Aufwand zu, sowohl per Text als auch per Sprache miteinander zu
kommunizieren. Das Prinzip ist dabei gleich wie bei einem Textchat oder Instant
Messaging Dienst, mit dem Zusatz, dass neben Text auch Sprache übermittelt werden
kann, natürlich nur sofern beide Teilnehmer über Lautsprecher und ein Mikrofon
verfügen. Die Entwicklung dieser Software führte schliesslich auch zu der
sogenannten Voice-over-IP16 Technologie, die heute für Schlagzeilen sorgt. Dabei
geht es letztlich nur darum, dass digitalisierte Sprachdaten nicht mehr über ein
eigenes Netz übertragen werden müssen, wie beim Telefonnetz, sondern dass sie
durch das Internet geführt werden können. Das hat für den Nutzer vor allem massive
Preisvorteile zu Folge. Dienste wie Skype oder Ja-Jah nutzen diese Technologie
bereits. Telekomunternehmen weltweit sehen in VoIP die Zukunft der Telefonie.
Mit Voicechat lässt sich nebst verbaler Sprache auch parasprachliche Signalgebung
übertragen. Vocalics wie Tonfall, Sprechtempo etc. gehen also nicht mehr verloren.
Damit haben die Voice Chats gegenüber den rein visuellen Medien den Vorteil, dass
sie statt höchstens einem , bereits zwei Kanäle nonverbaler Kommunikation bedienen
können: chronemics und vocalics.
16
Voice-over-IP, kurz VoIP: Sprache über das Internet Protokoll.
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3.1.7. Video Chats
Mit der Erfindung der digitalen Videokamera ebnete sich auch der Weg, Bilddaten
über grosse Strecken digital zu übertragen. Mittels einer Webcam ist es heute
problemlos möglich, fast unmittelbares Bildmaterial aus aller Welt auf den
heimischen Bildschirm zu holen. Videokonferenzen sind längst keine Zukunftsmusik
mehr. Durch die Übertragung von bewegten Bildern lassen sich so nun endlich auch
visuelle Kanäle übertragen, die den Textchats und Voicechats verwehrt waren. So
ermöglichen Video Chats nun auch die Übertragung von Mimik, Gestik,
Augenbewegungen etc. Allerdings ist die Verbreitung von Videochats noch relativ
gering. Zwar ist sie technisch keine grosse Herausforderung mehr. Es mag aber sein,
dass viele Leute, die im Internet kommunizieren, gar kein Interesse haben, so viel von
sich selber preiszugeben. Gegenüber den Voice Chats, bieten die Video Chats bereits
bis zu fünf bedienbare nonverbale Kommunikationskanäle (physical appearance,
gesture and movement, mimics & oculesics, vocalics, chronemics).
3.1.8. Computergames, Virtueller Raum
Durch die rasante Entwicklung des Internet und der Computerwelt eröffnen sich nebst
neuen Übertragungsformen auch neue Umgebungen, in denen Kommunikation im
Internet stattfinden kann. Viele Computerspiele die heute auf dem Markt sind, bieten
online einen Multiplayer Spielmodus an, in dem man sich mit anderen Spielern auf
der ganzen Welt treffen und messen kann. Natürlich ist dabei die Kommunikation
ebenfalls von grossem Stellenwert. MMORPGs17 wie beispielsweise das sehr
erfolgreiche World of Warcraft, aber auch schon die wesentlich älteren MUDs18,
stellen neue Kommunikationsumgebungen dar. Besonders interessant sind natürlich
diejenigen, die, anders als ein MUD, nicht nur auf Text basieren, sondern, wie eben
beispielsweise World of Warcraft oder Second Life, auch eine graphische Umgebung
umfassen. Die Spieler treten in diesen virtuellen Welten mit Hilfe eines sogenannten
Avatars auf und kommunizieren mit anderen Avataren. Die Verständigung kann dazu
sowohl per einfachem Textchat vollzogen werden, als auch per Voicechat und, anders
17
Massively Multiplayer Online Role Playing Game, sprich ein Rollenspiel an dem sehr viele Spieler
gleichzeitig teilnehmen können.
18
Multi User Dungeon, ein textbasiertes Rollenspielprinzip, aufbauend auf den klassischen
Rollenspielen. Vgl. dazu z.B.: SCHÖNHAGEN, Philomen: Soziale Kommunikation im Internet. Zur
Theorie und Systematik computervermittelter Kommunikation vor dem Hintergrund der
Kommunikationsgeschichte. Bern, 2004, S. 288.
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als Text- oder Voicechat alleine, bieten die Avatare auch noch eine rudimentäre
Möglichkeit, auch Körpersprache anzuwenden. So kann man sich beispielsweise
verbeugen, lachen, tanzen, weinen, die Hand aufstrecken, nicken, kopfschütteln und
so weiter. Diese sogenannten Emotes stellen, von einer nonverbalen Sichtweise her
argumentierend, eine der am weitesten fortgeschrittenen Kommunikationsformen im
Internet dar. Zwar sind es nach wie vor lediglich Kompensationen, allerdings schon
deutlich weniger abstrakte, als beispielsweise das blosse Beschreiben einer Handlung,
wie z.B. *nicken*. Die Kompensation bleibt auf der visuellen Ebene und braucht
nicht zusätzlich den Mediensprung auf die verbale Ebene zu machen. Trotzdem
kommt es natürlich auch in solchen Umgebungen zu Missverständnissen.
Gegenüber den Videochats erweitert der virtuelle Raum die Kanalvielfalt um den
Kanal Raum (proxemics), da es Avataren möglich ist, sich einander anzunähern bzw.
sich fernzuhalten. Allerdings ist natürlich ein Avatar auch nur ein Ersatz für die
eigentliche Körperlichkeit eines Users, insofern muss diese Aussage mit Vorsicht
genossen werden.
3.2. Kompensationen für nonverbale Kommunikation in der CMC19
3.2.1. Smilies und Emoticons
Zu den ersten in Webkreisen anerkannten Methoden, nonverbale Kommunikation in
der computervermittelten Kommunikation zu ermöglichen gehören die Ur-Smilies
von Scott E. Fahlmann20, einem Professor für Computerwissenschaften an der
Carnegie Mellon University in den USA. Recherchen im Jahr 2002 sicherten den
Beweis, dass Fahlmann tatsächlich am 19. September 1982 in einem Messageboard
vorgeschlagen hatte, nicht ernstgemeinte Aussagen bzw. Witze mit einem :-) zu
versehen, während Ernstgemeintes, Wut oder Missfallen mit einem :-( zu versehen
sei. Bis heute, mehr als 25 Jahre nach dessen Erfindung, haben diese Zeichen ihre
Aussage mehr oder weniger beibehalten. Daraus heraus haben sich später viele
Variationen entwickelt. Aus den recht rudimentären ASCII Gesichtern wurden mit der
Ankunft von Diskussionsforen und Instant Messaging schnell auch kleine Bilder,
bzw. sogar animierte Bilder, die die Interpretation zumindest für Computerneulinge
19
CMC = computer mediated communication, computervermittelte Kommunikation
Die genaue Entstehungsgeschichte auf: FAHLMANN, Scott E.: Smilie Lore :-),
http://www.cs.cmu.edu/~sef/sefSmiley.htm
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vereinfachen sollten. Die Zahl der möglichen Emoticons, sowohl in Bild als auch in
ASCII Ausführung ist immens. Diese Arbeit verzichtet daher darauf, einen
umfassenden Überblick bieten zu wollen. Einige der wichtigsten und bekanntesten
Zeichen sind:
:) oder :-), für Freude, Lächeln, Ironie, Sympathie, Witz und dergleichen
:( oder :-(, für Trauer, Enttäuschung, Beleidigung, Mitgefühl etc.
;) oder ;-), für ein Augenzwinkern als Zeichen für Schalk, Ironie, Sarkasmus,
Zweideutigkeit etc
:p, :-p oder :-P, für Zunge herausstrecken, frech sein
:-|, für zusammengekniffenen Mund, als Zeichen von Gleichgültigkeit,
Langeweile, Sättigung
:-* für einen Kuss
:-o oder :-0 für offenen Mund als Zeichen von Erstaunen, Erschrecken,
Sprachlosigkeit
>:-( oder >:-O als Zeichen für Stirnrunzeln, Zorn, Wut, Aufschrei, Missfallen
};-) für teuflische Gedanken
:D oder :-D für Lachen, grosse Freude, Begeisterung
X-( für Hand vor den Kopf schlagen, Dummheit, Unglauben
:-X für Schweigen, versiegelte Lippen
O:-) für Unschuld, Engel, Heiligenschein
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Wie hier zu erkennen ist, bedienen Smilies vor allem die visuellen Kanäle der mimics
und der oculesics, also der Bewegungen von Augen- und Mundpartie des Gesichts.
Gestik ist weit schwerer zu übertragen, da die üblichen Zeichensysteme scheinbar
nicht geeignet sind, ganze Körper darzustellen. Es gibt ein paar Ausnahmen, deren
Aussagekraft und Variabilität ist aber sehr gering. ( :)-[:=^==| )21
Allerdings sind wir grade im Interpretieren von Gesichtsausdrücken sehr geübt.
Insofern bedienen die Smilies zwar nur einen einzigen von Richmond & McCroskeys
Kanälen, dessen Informationsgehalt ist aber vergleichsweise hoch.
Graphische Emoticons unterscheiden sich von den ASCII basierten vor allem
dadurch, dass sie nicht mehr auf der Seite liegen.
Beispiele hierfür sind:
Tabelle 3: Drei Beispiele für grafische Emoticons
Eine dritte Gruppe von Emoticons bilden die Emoticons der asiatischen Stilrichtung.
Anders als die westliche Richtung, die von links nach rechts geschrieben wird und
infolgedessen auf der Seite liegend interpretiert werden muss, stehen die asiatischen
Emoticons, wie die graphischen, bereits richtig im Text.
Ein paar populäre Beispiele sind:
(^_^) als Standardsmilie, amüsiert sein
(0_0) für Schock, Erstaunen, aufgerissene Augen
(-.-)
etwas doof finden
(-_-)
Langeweile, genervt sein
Oft werden die Zeichen auch ohne Klammern geschrieben, etwa so ^_^ oder vermehrt
auch nur noch ^^.
3.2.2. Inflektive, Handlungsanweisungen, Onomatopoíesis, Erikative
Die Gruppe der beschreibenden Wörter kann, entsprechend den Kanälen, die sie zu
ersetzen versuchen, in zwei Gruppen geteilt werden.
s
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Onomatopoíesis oder auch Onomatopoesie sind Worte, die Geräusche oder Laute
beschreiben oder nachahmen sollen. Dazu gehören beispielsweise Worte wie quak,
räusper, schnurr etc. Onomatopoíesis bedient daher den auditiven Übertragungskanal
und kann bei der Adaptation der vocalics und auch des environment helfen.
Zusätzlich
bedient
er
auch
noch
parasprachliche
Lautäusserungen,
die
Richmond&McCroskey nicht konkret einordnen lassen.
Sogenannte Inflektive22 oder in manchen Kreisen auch Erikative23 genannt, sind
Verbstämme, die eine Handlung beschreiben. Sie bieten die Möglichkeit, Gestik,
Körperhaltung, Erscheinungsbild, Umwelt etc näher zu beschreiben. Beispielsweise
hüpf, trötzel, tob usw.
Anders als die Smilies und Emoticons können Inflektive, sowie auch Onomatopoíesis
aber niemals universell sein. Sie sind immer an eine bestimmte Sprache oder
Sprachgruppe gebunden, ausserhalb der sie mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht
verstanden werden. So ist es zwar wahrscheinlich, dass ein onomatopoietischer
Ausdruck auf Deutsch von deutschsprachigen Rezipienten sehr gut verstanden wird,
ein Englisch oder Französisch sprechender Rezipient könnte aber möglicherweise
bereits nichts mehr damit anfangen.
In der CMC werden Inflektive und Onomatopoíesis oft in Asteriske (*) gebunden, um
sie vom restlichen, verbalen, Kontext abzuheben. Das sieht dann beispielsweise so
aus: *knuddel*, *lach*, *heul*. Kalinowski24 nennt diese Wortart Wurzelwörter.
Aschwanden25 spricht auch von Handlungsanweisungen. Sie ordnet dieser Gruppe der
Kompensationsformen drei primäre Funktionen zu. Diese sind26:
1. Kompensation der physischen Präsenz, Schaffung fiktiver Szenarien.
2. Identitätsstiftung, Kennzeichnung der Sprache als „Insidersprache“
3. Sprachspiel: Wegen ihrer auffälligen Form mit den Verbstämmen und den
22
Vgl. TEUBER, Oliver: fasel beschreib erwähn - Der Inflektiv als Wortform des Deutschen" In:
Germanistische Linguistik, Nr. 141-142. S. 7-26. 1998, erwähnt in SIEVER, Torsten: Der Ursprung
von Inflektiven (sic), http://www.mediensprache.net/de/websprache/chat/inflektive/ursprung.asp , 2002
23
Angeblich nach der Übersetzerin der Donald Duck Comics im deutschen Ehapa Verlag, Erika Fuchs,
benannt.
24
KALINOWSKI, U.: Emotionstransport in textuellen Chats. Braunschweig, 1999,
http://www.mediensprache.net/networx/networx-12/emotionstransfer.html
25
Vgl. ASCHWANDEN, Brigitte. In: „Wär wott chätä?“ Zum Sprachverhalten deutschschweizer
Chatter. Networx Nr. 24, Zürich, 2001. http://www.mediensprache.net/de/networx/docs/networx24.asp
26
Vgl. ASCHWANDEN, B., S. 47-48
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infiniten Verb-Letzt-Konstruktionen sind die Handlungsbeschreibungen höchst
autoreferenziell.
3.2.3. Abkürzungen, Akronyme
Aus wissenschaftlicher Sicht eine oftmals missverstandene Kategorie nonverbaler
Zeichengebung in der CMC bilden die Abkürzungen. Alexandra Schepelmann27
ordnet sie den Emoticons zu. Diese Einordnung ist aber fragwürdig, wenn man die
Zeichen nach den Kanälen, die sie bedienen, einordnen will.
Wie im Abschnitt 3.2.1. gezeigt wurde, bedienen Emoticons in allererster Linie die
visuellen Kanäle der Gesichtsausdrücke. Abkürzungen hingegen beschreiben
mehrheitlich Veränderungen in der Umgebung (environment), der Gestik oder
Körpersprache oder des Parasprachlichen.
Viele der bekanntesten Abkürzungen stammen aus dem Englischen. Ihre Universalität
ist daher auch anzuzweifeln. Bekannte Beispiele sind:
LOL Laughing Out Loud, laut herauslachen
ROFL Rolling On the Floor Laughing, am Boden liegen vor Lachen, auch rotfl
AFK Away from Keyboard, weg von der Tastatur
BRB Be Right Back, bin gleich zurück
Nebst diesen Abkürzungen, deren Ziel es ist, dem Gegenüber Informationen
zukommen zu lassen, die im Face-to-Face Gespräch auf nonverbaler Ebene ganz
selbstverständlich übertragen würden, gibt es in der CMC auch noch eine ganze Reihe
anderer Abkürzungen, die fälschlicherweise auch für nonverbale Kommunikation
gehalten oder nach den Auffassungen gewisser Autoren auch als Emoticons
interpretiert werden könnten. Solche Abkürzungen sind Beispielsweise AFAIK,
RTFM, IIRC (as far as I know, read the fucking manual, if I remember correctly).
Da es sich hier um verbale Kommunikation, lediglich in abgekürzter Form handelt,
sind diese Abkürzungen keine Emoticons und sollten daher nicht verwechselt werden.
27
SCHEPELMANN, Alexandra: Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat,
Diplomarbeit, Wien, 2004, Abschnitt 3.2.2.6: Emoticons.
http://www.univie.ac.at/linguistics/publikationen/diplomarbeit/schepelmann/Daten/index.htm
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3.2.4. Interpunktionszeichen
Ein weiteres wichtiges Element nonverbaler Kompensationsformen im Internet ist die
Gruppe
der
Interpunktionszeichen.
In
textueller
CMC
werden
bekannte
Interpunktionszeichen oftmals anders verwendet, als die Grammatik dies vorsieht.28
Nebst der Tatsache, dass die Kommaregeln oft nicht beachtet werden, was auch schon
mal zu Missverständnissen führen kann, sind es vor allem Fragezeichen,
Ausrufezeichen und Punkte, die sehr oft eingesetzt werden, um nonverbale Signale zu
senden.
!!! kann beispielsweise als Verstärker auftreten, ! am Satzende kann Freude,
Entsetzen oder Bestätigung bedeuten. In gewissen Szenen29 kann „!“ sogar als
alleinstehende Aussage gelten, die etwa einem „Ja“ oder auch einem „Nein“
gleichkommen kann. Die jeweilige Bedeutung ist aus dem Kontext herauszulesen,
was natürlich die Reliabilität von ! als Zeichen sehr gering hält. Jeder interpretiert das
Zeichen ein bisschen anders. Im alltäglichen Gebrauch in der CMC kann aber davon
ausgegangen werden, dass das Ausrufezeichen einen wichtigen Platz in der
Kompensation von nonverbaler Kommunikation innehat.30
Ähnlich wichtig dürfte das Fragezeichen, oder ??? sein. Es drückt vor allem
Unsicherheit aus und vermag so etwa einen verwirrten oder fragenden
Gesichtsausdruck zu ersetzen. Anders als das Ausrufezeichen, tritt es ausserhalb von
normalen Fragesätzen aber selten alleine auf. Die kompensatorische Funktion entsteht
erst durch ein auffälliges Wiederholen des Zeichens vor oder nach einer Aussage.
Ebenfalls wiederholt tritt der Punkt in der CMC auf. „...“ kann Langeweile,
Frustration, Fortsetzung, Gedankenpause bzw. Sprechpause, Ironie und je nach
Kontext noch eine ganze Reihe anderer Dinge bedeuten. Auch hier kommt die
nonverbale Aussagekraft erst durch den Kontext und die Wiederholung des Punkts zu
Stande.
Klar wird das mit folgendem Beispiel:
28
Grammatik ist natürlich immer auch an eine Sprache gebunden und als solches von Sprache zu
Sprache unterschiedlich.
29
So gesehen im Online Spiel „World of Warcraft“ im Jahr 2006.
30
Vgl. GAJADHAR & GREEN 2003, SCHEPELMANN 2004
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„Ja, klar.“ vs. „Ja, klar...“
Die Bedeutung des zweiten Satzes ist selbst ohne gegebenen Kontext vermutlich eine
andere, als die des ersten.
Aschwanden erwähnt die Auslassungszeichen (...) in ihrer Arbeit mit folgendem
Verdikt: „Es scheint sich im Fall der Auslassungspunkte tatsächlich um eine Imitation
der sprechsprachlichen Phänomene zu handeln - also um die Imitation von
Sprechpausen und von Modulationen der Intonationskurve – [...]“31
Damit wird auch deutlich, dass zumindest die Dreifachpunkte offenbar keine
alleinstehende Aussage besitzen, wohl aber der Verständigung dienen können, wenn
sie zusammen mit ihrem Kontext reflektiert werden und so den Kanal der vocalics
mitkompensieren.
3.2.5. Weitere Zeichen
Nebst den Emoticons, Akronymen, den Inflektiven bzw. Onomatopoesie und
Interpunktionszeichen, spielen auch Elemente wie zeitlicher Abstand zwischen
Mitteilungen, Tempo des Schreibens, Tippfehler etc. unter Umständen eine Rolle bei
der nonverbalen Kommunikation in der CMC. Grade im synchronen Chat oder Instant
Messaging übermitteln diese Zeichen auf dem chronemischen Kanal eine zusätzliche
Information über den Schreiber, die der Rezipient interpretieren kann oder nicht richtiger- oder fälschlicherweise.
4.
Theorie
der
nonverbalen
Kommunikation
in
der
computervermittelten Kommunikation
Wie bereits gezeigt wurde, bildet die Kategorisierung des Kommunikations- bzw.
Interaktionsprozesses in verschiedene Kanäle einen zentralen Aspekt dieser Arbeit.
Nur so ist es überhaupt möglich, eine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen
Formen von Zeichengebung vorzunehmen. Der hochkomplexe Prozess der
nonverbalen Kommunikation wird dadurch etwas überschaubarer.
Wie ebenfalls bereits erläutert wurde, verfügen andere CMC-Medien über
verschiedene Möglichkeiten, oder anders gesagt über verschiedene Bandbreiten an
Kanälen, über die kommuniziert werden kann.
31
Vgl. ASCHWANDEN, B., 2001, S. 50
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Die Wissenschaft im Bereich der interpersonalen Kommunikation/Interaktion geht im
Normalfall gleichsam vom Idealzustand aus. Es ist dies das Face-to-Face Gespräch, in
dem sich die Interaktionspartner körperlich relativ nahe sind und somit alle der acht
von Richmond und McCroskey definierten Kanäle bedienen können.
In der CMC ist dieser Idealzustand nicht mehr erreichbar. Weder kann auf allen
nonverbalen Kanälen kommuniziert werden, noch ist es unter Umständen überhaupt
möglich nonverbale und verbale Signale gleichzeitig zu übertragen, wie das im F2FGespräch meistens der Fall ist.
Giese32 und Gajadhar & Green33 haben in ihren Studien gezeigt, dass das Wegfallen
gewisser Kanäle und damit die Verunmöglichung, gewisse Signale zu senden oder zu
empfangen, bei den Kommunikanden offenbar als Mangel erkannt wird und
Techniken/Methoden gesucht werden, diese Mängel zu kompensieren, indem die
Zeichengebung auf einen anderen Kanal übersetzt wird. Auch Uwe Kalinowski hält
als These für seine Arbeit „Emotionstransport in textuellen Chats“34 fest:
„Emotionstransfer funktioniert als Zeichensystem auf den parasprachlichen
Kanälen parallel zu der gesprochenen Sprache. Diesem Zeichensystem kommt
neben der Sprache ein eigener kommunikativer Stellenwert zu. Dieses gilt
insbesondere im Bereich informeller Kommunikation mit einem Schwerpunkt
auf der Gestaltung interpersoneller Beziehungen.
Menschen
haben
in
Kommunikationssituation
einer
synchronen,
das Bedürfnis,
informellen
Emotionen
'sozialisierenden'
auszudrücken
(auf
emotionaler Ebene zu kommunizieren).
Dieses Bedürfnis wird in jedem Medium realisiert, in dem eine solche
Kommunikationssituation
vorliegt.
Die
zur
Verfügung
stehenden
darstellerischen Möglichkeiten des Mediums werden dabei kreativ und effizient
genutzt, um die für diese Kommunikationssituation benötigten emotionalen
Signale zu transportieren/kommunizieren.
32
GIESE, M.: 1998
GAJADHAR, J. ; GREEN, J.: 2005
34
KALINOWSKI, U., 1999
33
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Wenn
die
parasprachlichen
Kanäle
der
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klassischen
Face
to
Face
Kommunikation wegfallen, ist Emotionstransport deshalb trotzdem möglich,
sogar unabdingbar nötig für das Funktionieren dieser Kommunikationssituation
und wird deshalb mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Mediums
realisiert.
Es ist meines Erachtens nach davon auszugehen, daß eine Portierung der
‚Emotionszeichen‘ auf den verwendeten Kommunikationskanal stattfindet.“
Dieses Prinzip der Kompensation durch Adaptation ist der zweite theoretische
Grundstein dieser vorliegenden Arbeit. Wie effizient diese Kompensation tatsächlich
ist, wird sich zeigen.
Die Arbeit von Gajadhar & Green liefert ebenfalls empirische Hinweise darüber,
welche Zeichen nonverbaler Kommunikation im Internet besonders oft anzutreffen
sind. Es sind dies, wenig überraschend, vor allem die einfachsten und „natürlichsten“
Techniken, Nonverbales mittels Textzeichen wiederzugeben.
Dazu gehören:
- Zweckentfremdete Interpunktionszeichen wie etwa: ... , !!! , ???
- Bildhafte Konstellationen von Zeichen, wie etwa: :-) , :-(
- Lautmalerische Ausdrücke wie: uhmmm, ohh, mjam, grmbl, iihh, blubb
- Metakommunikative Einschübe, in Abkürzungsform, wie: afk, lol, brb
Allerdings ist dies nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was einem im täglichen Umgang
im Internet begegnet. Für diese Arbeit wichtig ist, möglichst die vermutlich
weitverbreitetsten Kompensationsformen zu wählen, um möglichst viel über die
Verständlichkeit dieser Techniken zu erfahren.
Diese Arbeit wird sich daher besonders mit den nach Gajadhar & Green und dem
Autor meistverwendeten Zeichen beschäftigen.
Der Sinn hinter diesem Auswahlprozess ist der, dass nur ein möglichst
weitverbreitetes und bekanntes Zeichensystem (bzw. Code) das Potential haben kann,
nahezu universell verständlich zu sein.
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Anders als nonverbale Kommunikation in einer F2F-Situation, ist die nK in der CMC
ein erlerntes Verhalten. Man kann also nicht davon ausgehen, dass jemand, der zuvor
noch nie einen Computer benutzt hat, bereits in seinem ersten Satz, den er in einem
Chat schreibt, ein Smilie benutzen wird. Das gilt deshalb auch für Codes, die im
Internet beispielsweise nur innerhalb einer kleinen Szene spezieller Personen
gebräuchlich ist. Beispielsweise wird ein Gamer den Code „gg“ vermutlich richtig als
„good game“, bzw. „bg“ als „bad game“ interpretieren können, während ein Chatter,
der niemals ein Spiel online gespielt hat, das „gg“ vielleicht eher als breites Grinsen
empfinden würde, in Anlehnung an das in Chats relativ gebräuchliche *g*, das für
Grinsen steht. „bg“ würde der Chatter möglicherweise sogar als „big grin“
interpretieren und damit den Gamer fundamental falsch verstehen. „:-)“ hingegen
müssten, der Hypothese dieser Arbeit zufolge, aber beide in etwa gleich deuten
können.
Paul Ekman, der sich eingehend mit der Erforschung von Emotionen beschäftigt hat,
vertritt den Standpunkt, dass alle Emotionen ursprünglich eine Funktion hatten, die
das Überleben vereinfachten. Er verbindet damit gleichsam die Emotionsforschung
mit der darwinschen Evolutionstheorie und postuliert damit gleichzeitig, dass gewisse
Grundzüge von Emotionen vermutlich sehr tief in uns Menschen, aber auch in
anderen Tieren, verwurzelt sind.35 Es wäre vielleicht unvorsichtig, nur von
angeborenem Verhalten zu sprechen, zumindest eine sehr starke und sehr früh
beginnende Konditionierung ist aber naheliegend. Ein Kleinkind muss das Lächeln
nicht erst erlernen, was aber ein Lächeln beim Gegenüber bedeutet, ist zumindest
teilweise auch ein Lernprozess. Ein Bekannter - im Gespräch über die Funktion von
Mimik - vermutete etwas makabrerweise, dass ein Lächeln durchaus auch als
Bedrohung aufgefasst werden könnte, wenn man nur oft genug lächeln würde, bevor
man zuschlägt.
So handelt es sich also beim nonverbalen Kommunizieren, und dazu gehört auch das
„affect display“, und der Interpretation von nonverbalen Signalen um eine Mischung
aus angeborenem und sozialisiertem Verhalten.
35
Vgl. EKMAN, Paul: All Emotions Are Basic. In: EKMAN, P.; DAVIDSON R. J. (Hrsg.) The Nature
of Emotion, Fundamental Questions. New York, 1994, S. 15-19.
23
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Auf der Suche nach einem möglichst leicht und über eine möglichst breite
Bevölkerungsgruppe verständlichen CMC-Zeichensystem, müsste also darauf
geachtet werden, die Zeichen möglichst nahe an ihren Entsprechungen in der F2FKommunikation zu halten. Das hiesse Mediensprünge36 möglichst zu vermeiden.
Das ist jedoch in der CMC in praktisch allen Fällen unmöglich. Wie bereits in Kapitel
drei erläutert wurde, bedienen viele CMC Medien lediglich die visuellen Kanäle. Mit
wenigen Ausnahmen ist es im Internet nur möglich auf visuellem oder auditivem Weg
Signale zu übertragen. Signalübertragung für Geschmacksinn, Geruch, und
weitgehend auch Berührung37 ist ohne Portierung38/Adaptation nicht möglich.
Für die von Richmond & McCroskey vorgestellten acht Kanäle nonverbaler
Kommunikation zwingt sich folglich in den meisten Fällen ein Mediensprung auf.
Dabei wird ein Signal auf einen visuellen Kanal portiert. Das rezipierende Organ ist
also in der Mehrzahl der Fälle das Auge. Die Information wird anschliessend im Hirn
verarbeitet
und
bewusst
einer
Bedeutung
zugewiesen.
Dieser
bewusste
Interpretationsprozess ist es, der die Rezeption zusätzlich subjektiviert, weil hier
möglicherweise Erlerntes und Konditioniertes hinzukommt, das möglicherweise ohne
den Mediensprung nicht von Bedeutung gewesen wäre. Besonders komplex ist die
Portierung, wenn dabei auch der Sprung von nonverbalem Signal zu verbalem Signal
vollzogen wird.
Als Beispiel sei hier eine mögliche Situation in einem online Chat gegeben:
Angenommen Teilnehmer A lächelt und möchte das seinem Interaktionspartner B
mitteilen. Er hat dazu in einem Chat eine Vielzahl von Möglichkeiten:
- Er kann ein Smilie oder Emoticon setzen, beispielsweise :-). Damit vollzieht er die
kleinstmögliche Adaptation. Das Auge nimmt das Zeichen visuell wahr und das Hirn
ordnet ihm die Bedeutung eines lachenden Gesichts zu. Die Interpretation kann nun
zwar immer noch sehr vielseitig ausfallen, irgendetwas mit lächeln oder lachen wird
36
Damit ist hier der Sprung von einem Wahrnehmungssinn auf einen anderen Wahrnehmungssinn
gemeint. Also beispielsweise der Sprung von Gehör auf die Augen, nicht etwa von E-Mail auf Chat.
37
Erste Experimente in Singapur zeigen Wege auf, die Berührungen möglicherweise in Zukunft mit
technischen Hilfsmitteln übertragen werden können. Vgl. LUO, S.: A hug for a lonely pet across the
net. In: The Straits Times, 28.11.2005, S.4., http://www.ntu.edu.sg/corpcomms2/news/ST-28.11.054%20A%20HUG%20FOR%20A%20LONELY%20PET%20ACROSS%20THE%20NET.pdf
38
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es aber vermutlich sein. Aschwanden fasst die Funktion von Emoticons wie folgt
zusammen: „[Man kann] also folgern, dass ihnen keine eindeutige Bedeutung
zukommt, dass sie aber eine wichtige, modalisierende Funktion erfüllen, die im Faceto-face-Gespräch
vom Gesichtsausdruck und
bestimmten
Gesten,
von
der
Stimmführung, von Lachen, von Interjektionen und auch von Abtönungspartikeln
übernommen wird.“39
- Oder er kann eine Inflektivwendung40 oder eine abgekürzte Inflektivwendung oder
ein Akronym wählen. Nehmen wir als Beispiel *g*. Wieder wird das Zeichen visuell
wahrgenommen, muss aber nun erst noch weiterverarbeitet werden, damit erkannt
werden kann, dass es sich dabei vermutlich um die Abkürzung für *grinsen* handelt.
Der Sprachcode grinsen muss nun einer Bedeutung zugeordnet werden, bis
schliesslich klar ist, dass A vermutlich grinst. Nebst Mediensprung, erfordert diese
Signalgebung also auch noch erlernte Kenntnisse im Bereich der Sprache und der
Konventionen im Internet. Im Fall von Abkürzungen, z.B. aus dem Englischen, sind
sogar noch Fremdsprachenkenntnisse erforderlich.
-Zuletzt kann A auch versuchen, eine Lautgebung zu adaptieren, etwa mit „hehe“, um
damit anzudeuten, dass er lächelt. Auch hier findet ein Mediensprung statt, ein
paraverbales, auditives Signal wird verbalisiert und visualisiert und muss folglich
vom Rezipienten B auch wieder entsprechend entschlüsselt werden. Einmal als
Lachen erkannt, ist die Interpretation dann aber einfach.
Diese Ausführungen lassen im Hinblick auf die Hypothese vermuten, dass diejenigen
Kompensationen nonverbaler Kommunikation am leichtesten verständlich sind, die
möglichst wenig Aufwand bei der Rezeption erfordern, bzw. die bei der Interpretation
möglichst wenig Spielraum offen lassen.
4.1. Kommunikative Kompetenz als Erfolgsfaktor
Ein
nicht
zu
vernachlässigender
Kompensationsformen
nonverbaler
Faktor
bei
Kommunikation
der
ist
Behandlung
die
von
allgemeine
39
Vgl. ASCHWANDEN, Brigitte. 2001, S. 44
25
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kommunikative Kompetenz. Darunter ist sowohl die Fähigkeit zu verstehen, sich
verbal verständigen zu können, als auch eine gewisse Erfahrung im Management von
heiklen Kommunikationssituationen. Da aber im Face-to-Face Gespräch immer
verbale und nonverbale Kommunikation vermischt auftreten, spielt auch die
nonverbale Kommunikationskompetenz eine Rolle. So erleichtert nonverbale
Kommunikation die Interaktion mit Mitmenschen erheblich und muss daher beim
Bestimmen einer kommunikativen Kompetenz mit einbezogen werden. Cohen41
spricht in dieser Hinsicht von „priming the pump“ und geht davon aus, dass
nonverbale Signale oft vor den verbalen Äusserungen kommen, diese also
gewissermassen einleiten. Das evolutionsgeschichtlich vermutlich ältere System der
nonverbalen Kommunikation dürfte also das verbale Kommunizieren eher erleichtern
als umgekehrt. Nun handelt es sich aber bei nonverbaler Kommunikation in der CMC
nicht um ein angeborenes Verhalten sondern um ein erlerntes. Daher spielt bei der
kommunikativen Kompetenz in der CMC vor allem auch das Vorwissen und die
Erfahrung eine Rolle. Je öfter eine Person mit Kompensationsformen nonverbaler
Kommunikation in Berührung gekommen ist, desto höher ist vermutlich seine
kommunikative Kompetenz im Rahmen der CMC. Insofern ist vorerst nicht klar, ob
eine Korrelation zwischen nonverbaler und verbaler kommunikativer Kompetenz in
der CMC besteht. Dies gilt es zu klären.
4.2. Forschungsstand
Im Bereich der nonverbalen Kommunikation gibt es eine schier unüberschaubare
Menge von Literatur aus verschiedenen Fachrichtungen, insbesondere der
Psychologie, der Kommunikationswissenschaften, der Linguistik und der Pädagogik.
Wie bereits eingangs erwähnt, beschäftigt sich aber die bestehende Theorie
mehrheitlich mit der nK in Face-to-Face Situationen. Die Übertragung in den Bereich
der computervermittelten Kommunikation ist noch sehr lückenhaft und es gibt nur
wenig Literatur, die sich eingehend mit dem Thema beschäftigt.
Ein paar Ausnahmen seien hier nun kurz vorgestellt:42
41
Vgl. COHEN, A.A., 1977.
Eine gute Anlaufstelle für aktuelle Literatur rund um das Thema Sprache in modernen elektronischen
Medien bietet die Website mediensprache.net, siehe
http://www.mediensprache.net/de/websprache/chat/research/index.asp
42
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- Joan Gajadhar und John Green untersuchten im Jahr 2003 das Chatverhalten von
Studenten in Neuseeland. In ihrer Arbeit „The Importance of Nonverbal Elements in
Online Chat43“ untersuchten sie vor allem Elemente sozialer Kommunikation in den
Chattransskripten eines Studentenchats, der als Instrument für eine Art Lerngruppe
eingerichtet worden war. Dabei stellten sie fest, dass sich auch unter den, wie sie
sagen, chatunerfahrenen Teilnehmern, schnell ein Codesystem herauskristallisiert
habe, dass von allen mehr oder weniger verstanden worden sei. Als Grund dafür steht
wohl die Tatsache, dass die Studenten vornehmlich bestehende Zeichen aus der
Schriftsprache in anderer Weise verwendeten, der „Lernaufwand“ sich mit dem neuen
Codesystem anzufreunden also vermutlich gering war. Die beiden stellen indes fest,
dass es durchaus möglich ist, ein wenig von der expressiven Vielfalt der nonverbalen
Kommunikation auch in digitale Medien zu übersetzen.
-Uwe Kalinowski schreibt 1999 eine linguistische Arbeit mit dem Titel „
Emotionstransport in textuellen Chats“44 und geht darin, im deutschsprachigen Raum
vermutlich erstmals, auf das Problem der nonverbalen Zeichengebung in rein verbalen
Medien ein. Er unterteilt die Zeichengebung in drei Kategorien: Instrumentelle
motorische Reaktionen, expressive motorische Reaktionen, expressive sprachliche
Reaktionen. Seine Begründung dafür ist, dass die Unterteilung in Kategorien wie
Mimik, Gestik, Blickverhalten, Körperhaltung und –orientierung, Berührung und
Umgang mit Raum und Zeit Kategorien aus der Face-to-Face Theorie seien und daher
für CMC Medien nicht geeignet seien.45 Stattdessen zieht er die erwähnte
Kategorisierung von Battacchi et al.46 vor. Er kommt in seiner Arbeit zum Schluss,
dass nonverbale Kommunikation auch in der CMC vorhanden ist und ausgelebt wird,
insbesondere dann, wenn es sich um informelle Kommunikation mit sozialisierenden
Absichten handelt.
43
Vgl. GAJADHAR & GREEN, 2003
Vgl. KALINOWSKI, U., 1999
45
Vgl. KALINOWSKI, U., 1999, S. 7
46
BATTACCHI, M. W.; SUSLOW, T.; RENNA, M.: Emotion und Sprache. Zur Definition der
Emotion und ihren Beziehungen zu kognitiven Prozessen, dem Gedächtnis und der Sprache. 2.
Auflage. Frankfurt a.M., 1997.
44
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-Brigitte Aschwanden untersucht 2001 ihn ihrer Arbeit „„Wär wott chätä?“ Zum
Sprachverhalten deutschschweizer Chatter.“47 die Natur der Chatsprache unter
Deutschschweizern. Nebst interessanten, aber für dieser Arbeit weniger relevanten
linguistischen Erkenntnissen kommt sie zum Schluss dass „In keiner anderen
mündlichen, dialogischen Gesprächsform der Körper in dieser absoluten Weise
abwesend sei. Dies habe zur Entwicklung von chat-spezifischen Zeichen und
Ausdrucksformen geführt, die die fehlende physische Präsenz nicht nur kompensieren,
sondern
als
Anlass
zum
Spiel
mit
der
Sprache
und
mit
den
Kommunikationssituationen nähmen.“48 Damit legt sie einen Grundstein für die hier
vorliegende Arbeit, die eben diese Kompensationsformen untersuchen will.
- Martin Städeli schliesslich stellt in seinem Aufsatz mit dem Titel „Freispruch auf
Bewährung, der Fall der Emoticons„49 fest, dass die Eindeutigkeit von Emoticons
eindeutig nicht gegeben sein könne. Ein simples :-) könne soziale Funktion,
Emotionsausdruck, Kommentierung und Ausdruck parasprachlichen Lachens sein.
Und als ob das nicht schon genug sei, könnten sich diese Funktionen auch noch
überlagern. Was Städeli damit aber auch festhält ist, dass Emoticons offensichtlich
eine Funktion haben. Zwar anscheinend keine eindeutige, sondern sehr stark vom
Kontext abhängige, aber doch Funktionen, die beim Gegenüber etwas auslösen. Sei
das nun die Gewissheit, dass es sich um einen Witz handelt, oder auch nur schon das
Andeuten von Wohlwollen.
Damit sei ein kleiner, exemplarischer Einblick in bestehende Literatur gegeben, die
mit dem Thema dieser Arbeit zusammenhängt.
47
ASCHWANDEN, Brigitte. 2001.
Vgl. ASCHWANDEN, B., 2001, S. 76
49
STÄDELI, Martin: Freispruch auf Bewährung, der Fall der Emoticons. In: „Unmitte(i)lbarkeit.
Gestaltung und Lesbarkeit von Emotionen“, Schriften zur Symbolforschung, Band 15. Paul Michel
(Hrsg.), Zürich, 2005.
48
28
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4.3. Hypothesen
Im Zuge der Lektüre des vorgestellten theoretischen Hintergrunds sowie
einer
kleinen Vorstudie, die bereits vorgenommen wurde50, ergeben sich einige Fragen, die
zu beantworten interessant sein könnten.
- I. Gibt es einen geschlechterspezifischen Unterschied beim Codieren und
Decodieren der nonverbalen Signale auch in der Internetkommunikation?51
Annahme: Ja.
- II. Welche Signale lassen sich generell reliabler codieren und decodieren, welche
Signale sind kaum codierbar? Annahme: Kompensationen von mimics &
oculesics gut, Rest schlecht.
- III. Welche Art Kanäle nonverbaler Zeichengebung lassen sich am besten, welche
am schlechtesten kompensieren? Annahme: Visuelle besser, alle anderen sehr
viel schlechter.52
- IV. Gibt es Unterschiede bei der Internetkommunikation zwischen verschiedenen
Kulturen?53 Annahme: Ja, dürfte aber durch den kulturell begrenzten Rahmen
der Studie nicht gross ins Gewicht fallen.
- V. Welche Kompensationsformen werden am einheitlichsten interpretiert/am besten
verstanden? Annahme: Je näher an der schriftlichen Sprache, desto besser.54
- VI. Haben Personen mit guten verbalen Sprachskills einen Vorteil beim Codieren
und Decodieren von nonverbalen Kompensationsformen in der CMC?
Annahme : Ja.
50
Arbeit für das Seminar Abschlussarbeiten bei Prof. J. Trebbe., „Kompensation nonverbaler Kanäle in
der computervermittelten Kommunikation“. 31.8.2005
51
Vgl. BURGOON, Judee K., 1994, S. 244.
52
Möglicherweise begründbar durch die Dominanz der visuellen Wahrnehmung in westlichen
Kulturen, vgl. BURGOON, Judee K., 1994, S. 242.
53
Vgl. BURGOON, Judee K., 1994, S. 245.
54
In Anlehnung an die Arbeit von Gajadhar & Green, die zum Schluss kommt, dass die meistgenutzten
Zeichensysteme diejenigen sind, die der geschriebenen Sprache am ehesten entsprechen.
29
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5. Methode
Um die Probanden zur ihrem Verhalten und ihren Kenntnissen bezüglich nonverbaler
Kommunikation in der CMC zu befragen, wurde ein Fragebogen55 mit insgesamt 42
Fragen erstellt, die teilweise noch in Unterfragen unterteilt sind. Der Fragebogen
besteht aus einer Mischung aus multiple-choice- and Bewertungsskalen-items. Die
Fragen beziehen sich einerseits auf soziodemographische Daten wie Alter,
Ausbildung, Geschlecht, Nationalität und Muttersprache andererseits aber auch auf
die verbale und nonverbale Kompetenz des jeweiligen Probanden und die
Gewohnheiten
im
Umgang
mit
nonverbaler
Kommunikation
und
den
Kompensationsformen derselben.
Aus den gewonnenen Daten der Fragen zur verbalen und nonverbalen Kompetenz der
Probanden wird ein Score erstellt, der als Richtwert für die kommunikative
Kompetenz eines Probanden steht. Anhand dieses Scores, lassen sich dann mögliche
Zusammenhänge zu anderen Antworten aufdecken.
Die Auswertung erfolgt in zwei Abschnitten. Sie erfolgt primär statistisch-empirisch.
Ein deskriptiver Teil legt dar, wieviele Antworten jede Antwortmöglichkeit erhalten
hat und wie die Stichprobe demographisch zusammengesetzt ist. Da die Stichprobe
mehrheitlich aus jungen Schweizern und Schweizerinnen besteht, kann natürlich
keine allgemeingültige Aussage gemacht werden. Trends und Tendenzen für eine
junge Schweizer Population können aber aufgezeigt werden.
Ein interpretativer Teil schliesslich soll klären, ob es einen Zusammenhang zwischen
verschiedenen Antworten und Antwortmustern gibt. Dies erfolgt in den meisten
Fällen über Kreuztabellen, anhand derer erste Zusammenhänge ersichtlich werden,
die dann unter Umständen genauer untersucht werden können. Beispielsweise gilt es
zu klären, ob ein hohe kommunikative Kompetenz auch eine hohe nonverbale
Kompetenz anzeigt, oder ob dies nicht so ist. Ein möglicher Aussagewunsch könnte
lauten „Emoticons können zur besseren Verständigung in textuellen Chats
massgebend beitragen.“ Oder aber „Es gibt in textuellen Chats keine zuverlässigen
Mittel, die zeitliche Ebene der nonverbalen Kommunikation zu regulieren.“
55
Siehe Anhang
30
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Vermutlich wird die Auswertung der Fragebögen eine ganze Reihe solcher
Schlussfolgerungen zulassen.
5.1. Erstellung eines Scores für kommunikative Kompetenz.
Um Rückschlüsse über die Kompetenz beim Codieren und Decodieren von
nonverbalen Signalen im Internet machen zu können, ist es nach der Ansicht des
Autors hilfreich, herauszufinden, ob Personen, die auch in der verbalen
Kommunikation höhere „Skills“ aufweisen, sich womöglich leichter tun bei der
Interpretation und Translation von nonverbalen Kommunikationsmerkmalen in
digitale Medien. Zu diesem Zweck wird ein Score erstellt, der basierend auf den
Antworten im Fragebogen eine Punktzahl errechnet. Ideale Antworten geben 2
Punkte, weniger geeignete noch 1 Punkt und unpassende Antworten keinen Punkt.
Die relevanten Fragen sind die Fragen 5-11 und die Frage 32 im Fragebogen.
Diese insgesamt 9 Teilfragen ergeben einen maximalen Score von 18 und einen
minimalen Score von 0. Personen mit einem Score von 10 oder mehr, würden dann
als kommunikativ überdurchschnittlich kompetent angesehen.
Die Fragen lauten:
5.1.1. „Wie gut lassen sich Ihrer Meinung nach Emotionen und Gefühlszustände im
Internet* vermitteln?“ (1 = sehr schlecht, 6 = sehr gut).
Teilfrage 1: Unter Freunden, Teilfrage 2: unter Fremden.
Unter Freunden geben die Ratings 6 und 5 jeweils zwei Punkte, ein Rating von 4
ergibt noch ein Punkt, was darunter liegt, gibt keinen Punkt mehr.
Unter Fremden geben Antworten 6 und 5 jeweils zwei Punkte, ein Rating von 4 und 3
jeweils noch ein Punkt. Dies mit der Begründung, dass bessere Kenntniss des
Gesprächspartners zweifellos die Kommunikation vereinfacht. Deshalb ist die
Bewertung unter Freunden ein bisschen strenger.
5.1.2. „Wie oft kommt es Ihrer Ansicht nach bei schriftlichen Dialogen im Internet*
zu Missverständnissen? (1= sehr oft, 6= sehr selten)
Ratings von 6-5 geben zwei Punkte, 4-3 jeweils einen Punkt. Die Begründung hier
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liegt darin, dass angenommen wird, dass Personen mit hohen verbalen Skills sich klar
genug verständigen können, um Missverständnisse zu verhindern, ohne unbedingt auf
Elemente der nonverbalen Kommunikation zurückgreifen zu müssen.
5.1.3. „Wie oft sind Sie beim kommunizieren im Internet* der Ansicht, es fehle Ihnen
an Mitteln, sich dem Gesprächspartner verständlich machen zu können? (1= sehr oft,
6= sehr selten)
Scores von 6-5 geben zwei Punkte, 4-3 einen Punkt. Auch hier gilt wieder die
Begründung, dass hohe verbale, bzw. schriftliche Skills möglicherweise die
Wichtigkeit der nonverbalen Kommunikation etwas mindert.
5.1.4.
„Wie beurteilen Sie folgenden Satz? „Ich will Dir ja keine Vorschriften
machen, aber solltest Du das nicht noch einmal überdenken?“
Antwort 1: Der Schreiber gibt einen neutralen Gedankenanstoss: 1 Punkt.
Antwort 2: Der Schreiber versucht etwas vorzuschreiben: 2 Punkte.
Antwort 3: Der Schreiber will unbedingt nichts vorschreiben: 0 Punkte.
Die Frage zielt darauf ab, die Befragten zwischen den Zeilen lesen zu lassen. Der
Auftakt „Ich will Dir ja nichts vorschreiben“ ist dabei vielsagend, dass eben gerade
dies nicht der Fall ist.
5.1.5. „Wie beurteilen Sie den folgenden Dialog? A: Hallo wie geht’s. B: Es geht,
danke. B fühlt sich:
Antwort 1: grossartig: 0 Punkte.
Antwort 2: eher gut: 1 Punkt.
Antwort 3: eher schlecht: 2 Punkte.
Antwort 4: sehr schlecht: 0 Punkte.
Wem es grossartig geht, der würde das in einer Antwort auch deutlich machen. „Es
geht“ hat meistens einen leicht negativen Unterton, daher wird angenommen, Antwort
3 sei das naheliegendste.
5.1.6. Beurteilen Sie folgende Situation: A: Stimmt etwas nicht? B: antwortet nicht A:
Hallo? B: antwortet immer noch nicht Wenn Sie in der Situation von A wären, was
würden Sie annehmen, angenommen Sie hätten vorher eine ganze Weile mit B
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geschrieben (z.B. in einem Chat) und dabei heikle Themen aufs Tapet gebracht.
Antwort 1: B ist verärgert oder traurig und will nicht weiterreden: 2 Punkte.
Antwort 2: B ist grade verhindert und kann nicht schreiben (z.B. Telefon o.ä.): 1
Punkt.
Antwort 3: Mit B ist alles OK, kleinere Pausen im Schreibfluss sind völlig normal: 0
Punkte.
Antwort 4: Vermutlich besteht ein technisches Problem: 0 Punkte.
Die etwas pessimistische Antwort 1 lässt zumindest auf eine rücksichtsvolle Person
schliessen, die auch auf temporale Kommunikationsstörungen nicht gleichgültig
reagiert. Antwort 2 zeugt von einem gewissen Mass an Erfahrung mit schriftlichen
Dialogen in der CMC (Unmöglichkeit der optischen Kontrolle, was der
Kommunikationspartner gerade tut).
5.1.7. „Jaja“ verbinden sie in erster Linie mit:
Antwort 1: klare Zustimmung: 0 Punkte
Antwort 2: Zustimmung ohne Begeisterung: 1 Punkt
Antwort 3: Resignation, Einlenken: 2 Punkte
Antwort 4: Ablehnung
Auch dies wieder ein Beispiel, das sich sehr oft auch in Alltagsgesprächen
wiederfindet. Dabei bedeutet „Jaja“ selten klare Zustimmung, aber sicher auch keine
reine Ablehnung.
5.1.8. „Sind Sie der Ansicht, es gäbe einen Unterschied, zwischen der Kommunikation
von Männern und Frauen im Internet*?“
Antwort 1: Ja: 2 Punkte.
Antwort 2: Nein: 0 Punkte.
Sensibilität für allfällige Unterschiede in den Kommunikationsgewohnheiten der
beiden Geschlechter wird hier als positives Skill honoriert.
5.2. Auswahl der Stichprobe
Der Fragebogen wurde, mit der Aufforderung weitere Personen darauf hinzuweisen,
auf dem Schweizer Portal www.gamersnet.ch verlinkt. Das Portal richtet sich vor
allem an junge Menschen zwischen 14-30 Jahren. Ein grosser Teil der Leserschaft
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spielt regelmässig Spiele online. Man kann davon ausgehen, dass die Leser eine
gewisse Übung im Umgang mit digitalen Medien haben. Durch die Möglichkeit,
andere auf den Fragebogen aufmerksam zu machen, konnte das Feld zusätzlich auch
noch nach den naheliegenden Nachbarländern Deutschland und Österreich erweitert
werden. Vom ursprünglichen Plan, auch noch die Studentenschaft der Uni Fribourg
zu befragen, kam der Autor wieder ab. Erstens hätte dies die Stichprobe zusätzlich
verzerrt, durch das hohe Bildungsniveau und das relativ begrenzte Altersspektrum,
zweitens zeigte sich die Informatikabteilung der Universität hinsichtlich der
gewählten Umfragesoftware alles andere als kooperationsfreudig. In der Ansicht,
lieber weniger, dafür qualitativ und technisch einwandfrei auswertbare Daten zu
haben, blieben nach dem Ausscheiden des untauglichen Rücklaufs 128 verwertbare
Fragebogen.
5.3. Informationstechnische Hilfsmittel
Der Fragebogen wurde mit der Softwarelösung von www.onlineumfragen.com erstellt
und erhoben. Die Software bietet unter anderem eine Möglichkeit, die Resultate direkt
nach Excel oder SPSS zu exportieren. Dadurch fällt langwieriges Codieren der
ausgefüllten Fragebogen weg und es kann nach Beendigung der Umfrage sofort mit
der Auswertung begonnen werden. Die rein digitale Verarbeitung der Daten
verhindert auch Codierfehler oder sonstige menschliche Fehler, die beim Erheben von
Fragebogendaten ab Blatt auftreten könnten.
Die Auswertung erfolgte dann in Microsoft Excel 2004 für Mac und SPSS 16.0 für
Mac. Zum Zeitpunkt des Schreibens sind keine Fehler dieser Programme bekannt, die
möglicherweise zu falschen Resultaten führen könnten.
6. Auswertung
Die Auswertung des Rücklaufs ergab insgesamt 128 vollständig ausgefüllte und
verwertbare Fragebogen. Die Auswertung der über 42 Fragen pro Fragebogen soll
nun hier in zwei Teilen stattfinden. Der erste Teil soll primär deskriptiv darstellen,
wie die Antworten und soziodemographischen Daten der Teilnehmer ausgefallen
sind, bzw. wie sie verteilt sind. Der zweite Teil soll dann durch die Kombination von
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verschiedenen Items Rückschlüsse über die verschiedenen zu untersuchenden
Sachverhalte liefern.
6.1. Deskriptive Statistik
6.1.1. Die erste Frage des Fragebogens befragte die Probanden zu ihrer
Mediennutzung.
Wie erwartet, gaben 128 von 128 an, regelmässig das Web (WWW, Internet) zu
nutzen. Erstaunlicherweise konnte kein anderes Medium 100% erreichen.
Die folgende Tabelle illustriert die Verteilung auf einen Blick.
Tabelle 4: Nutzung verschiedener computergestützter Medien
Spitzenreiter nach dem World Wide Web sind, wenig erstaunlich E-Mail und SMS.
Eher überraschend schnitten die Instant Messenger mit fast 73% als Viertbeliebtestes
digitales Medium ab. Immerhin noch fast 48% gaben an, regelmässig digitale
Sprachkommunikation zu nutzen, was auch damit zusammenhängen könnte, dass der
Anteil der Gamer mit 71% vermutlich überdurchschnittlich hoch liegt.56
56
Wobei dieser Umstand aufgrund des stetig wachsenden online game Marktes möglicherweise eher
zukunftsweisend ist.
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Ebenfalls wenig erstaunlich Schnitt die Videokonferenz bzw. der Videochat mit grade
einmal 10% am schlechtesten ab. Die Vermutung hier liegt nahe, dass die Technik
hier in vielen Haushalten noch zu wenig weit entwickelt ist, um eine breite Nutzung
wahrscheinlich zu machen.
Die Web oder IRC Chats erreichten noch 37.5% Verbreitung. Vermutlich haben
insbesondere die Instant Messengers in den letzten Jahren den herkömmlichen Chats
viele Nutzer abgezogen. Ein Nutzer gab zudem an, regelmässig das digitale TV
Angebot von Zattoo57 zu nutzen. Da es sich hierbei aber wie auch beim
herkömmlichen Fernsehen um ein unidirektionales Medium handelt, ist es für diese
Arbeit nicht von Interesse.
6.1.2. Auf die Frage, wo sie die oben genannten Medien hauptsächlich einsetzten,
antworteten 97.7% mit „privat“ und 52.3% mit „beruflich“. Eine Mehrfachantwort
war möglich.
6.1.3. Smilies, Emoticons und andere Ausdrucksarten nonverbaler Kommunikation
gaben 2.3% an nie einzusetzen. 6.3% antworteten „selten“, 14.1% „manchmal“,
53.9% „oft“ und 23.4% gar „sehr oft“. Insgesamt dürfte man eine gewisse mediale
und kommunikative Kompetenz der Stichprobe annehmen können. Die Auswertung
des Scores für kommunikative Kompetenz wird darauf weiter eingehen.
6.1.4. Smilies, Emoticons und sonstige Ausdrucksarten von nK setzen 62.5% privat
mit allen Gesprächspartnern ein. 25% tun dies nur mit engeren Freunden. 2.3% sogar
nur mit dem Partner oder der Partnerin. Lediglich 3.1% setzen sie nur beruflich ein,
während 13.3% sowohl beruflich als auch privat davon Gebrauch machen.
Mehrfachnennungen waren möglich.
6.1.5. Auf einer Skala von 1-6 für „sehr schlecht“ bis „sehr gut“, mussten die
Befragten beurteilen, wie gut sich Emotionen und Gefühlszustände im Internet
vermitteln liessen. Dabei wurde unterschieden zwischen der Kommunikation unter
Freunden und der Kommunikation mit Fremden. Das Diagramm zeigt, dass allgemein
57
Vgl. www.zattoo.ch
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die Kommunikation mit Freunden/Bekannten den Probanden leichter zu fallen
scheint.
Tabelle 5: Verständlichkeit von nonverbalen Kompensationsformen
6.1.6.
Auf die Frage, wie oft es im Internet zu Missverständnissen komme,
antworteten die Probanden sehr gemischt. 7.8% waren der Ansicht, es komme sehr oft
zu Missverständnissen, 25.8% oft, 22.7% eher oft, 21.9% eher selten, 21.1% selten
und eine Person (0.8%) sehr selten.
6.1.7. Allerdings war das Resultat der Frage, wie oft sie der Meinung seien, es fehle
Ihnen an Mitteln, sich verständlich machen zu können etwas weniger homogen.
Erklären könnte man das unter Umständen damit, dass ein Missverständnis mitunter
erst dann als solches erkannt wird, wenn es aufgedeckt wurde. Insofern können
Missverständnisse entstehen, ohne dass die Gesprächspartner es überhaupt merken.
Wenn man aber selber nicht recht weiss, wie man einen komplizierten Sachverhalt
richtig kommunizieren soll, dann merkt man das sofort. Entsprechend antworteten auf
Frage 7 4.7% mit „sehr oft“, 14.1% mit „oft“, 20.3% „eher oft“, 17.2% „eher selten“,
32.8% „selten“ und 10.9% „sehr selten“. Eine vorsichtige Folgerung aus den Fragen 6
und 7 könnte also lauten, dass es möglicherweise zu mehr Missverständnissen kommt,
als sich die Leute bewusst sind.
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6.1.8. Auf die Frage, wie sie den Satz "Ich will Dir ja keine Vorschriften machen,
aber solltest Du das nicht noch einmal überdenken?" beurteilen würden, antworteten
55.5% damit, der Satz sei ein neutraler Gedankenanstoss. 41.4% empfanden die
Aussage als Versuch, Vorschriften zu machen (bzw. dies anzukündigen) und 3.1%
sahen darin die wörtliche Absicht, unbedingt keine Vorschriften machen zu wollen.
Diese Frage hat deskriptiv keinen grossen Mehrwert, dient jedoch zusammen mit
anderen Fragen später der Erstellung eines Scores zur verbalen Kompetenz.
6.1.9. Die Konversation „A: Hallo, wie geht's? B: Es geht, danke.“ Interpretierten
85.9% dahingehend, dass es B eher schlecht gehe. 9.4% waren der Meinung, es gehe
B eher gut. Bei 4.7% ging es B sehr schlecht und niemand war der Ansicht, B gehe es
grossartig.
6.1.10. Die Frage 10 lautete wörtlich: „Beurteilen Sie folgende Situation: A: Stimmt
etwas nicht? B: antwortet nicht A: Hallo? B: antwortet immer noch nicht.
Wenn Sie in der Situation von A wären, was würden Sie annehmen, angenommen Sie
hätten vorher eine ganze Weile mit B geschrieben (z.B. in einem Chat) und dabei
heikle Themen aufs Tapet gebracht.“
Diese klassische Situation für online chats, die zweifellos täglich hunderttausende
Male für Missverständnisse sorgt, interpretierten 38.3% als Verärgerung von B
(Weigerung zu Kommunizieren), 49.2% sahen darin eine Verhinderung von B
(beispielsweise
dass
das
Telefon
läutet),
8.6%
sahen
Unterbrüche
im
Kommunikationsfluss in Chats als normal an und 3.9% vermuteten ein technisches
Problem als Ursache für das plötzliche Schweigen.
6.1.11. „Jaja“ interpretierten nur 2.3% als klare Zustimmung. 60.9% sahen
Zustimmung ohne Begeisterung, 22.7% sahen Resignation oder Einlenken und 14.1%
sahen Ablehnung.58
6.1.12. Den Satz „Dann ist er über seine Schnürsenkel gestolpert und hat sich die
Knie aufgeschlagen :-)“, inbesondere das :-) am Ende des Satzes, interpretierten die
58
Im Schweizer Volksmund hört man hie und da den Spruch „Jaja heisst leck mich am Arsch!“, Frage
11 scheint das mehr oder weniger zu bestätigen.
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Befragten ebenfalls unterschiedlich. Die naheliegendste Interpretation wäre, dass der
Schreiber den beschriebenen Unfall lustig findet, aber nicht lacht. Diese Antwort
gaben jedoch nur 32.8%. 30.5% waren der Meinung, dass der Schreiber darüber
hinaus auch lacht. 27.3% waren gar der Ansicht, dass der Beschriebene, also
derjenige, der gestolpert war, den Unfall lustig fand. 1.6% sahen darin sogar das
Lachen des Verunfallten. 3.1% waren der Meinung der Satz sei nicht ernst gemeint
und weitere 3.1% waren der Ansicht, der Unfall habe sich gar nicht ereignet. Dies
zeigt bereits im Vorfeld der eigentlichen Untersuchung der Zusammenhänge, dass das
einfache Smilie nicht eindeutig ist.
6.1.13. Auf die Frage, mit welchem Zeichen sie versuchen würden, etwas als nicht
ernst gemeint zu markieren, antworteten 88.3% der Befragten mit dem Zeichen ;-).
5.5% wählten 8-), 2.3% :-0, jeweils 1.6% :-) und };-) und eine Person (0.8%) fand :-(
sei angebracht. Damit erreichte das klassische Smilie ;-) einen sehr hohen
Erkennungsgrad und scheint recht homogen interpretiert zu werden.
6.1.14. Mit dem Satz „Und ich sage Dir, ich werde dort NICHT MEHR
HINGEHEN.“ Konfrontiert, gaben 79.7% an, es handle sich um eine Form des
Nachdrucks. 18% interpretierten Zorn, 1.6% vermuteten ein Kind hinter dem
Schreiber und eine Person (0.8%) vermutete das unabsichtliche Drücken der CapsLock Taste sei die Ursache für die Grossschreibung.
6.1.15.
Ein Augenzwinkern würden 93.8% mit dem Emoticon ;-) signalisieren,
demselben, das für nicht ernst gemeinte Aussagen von der Mehrheit gewählt worden
ist. Diese Kontrollfrage scheint die Signifikanz des ;-) Smilies zu bestätigen.
Niemand würde mit :-) zwinkern. Eine Person (0.8%) würde dies mit |-) versuchen,
eine mit >), zwei (1.6%) mit B-) und 3.1% mit *-).
6.1.16. Lautes Lachen signalisieren 46.9% mit der aus dem Englischen stammenden
Abkürzung LOL (laughing out loud), dies obwohl die überwiegende Mehrheit der
Befragten Deutscher Muttersprache ist. 28.9% zogen „Hahaha!“ vor und 20.3%
wählten den eher graphischen Weg mit :-D. Nur 3.1% nutzten den Inflektiv
*lautlach* und eine Person (0.8%) begnügte sich mit einem schlichten :-). Niemand
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tappte in die Falle des „meh“, das im Englischen Sprachraum des Internets
üblicherweise eher für ein lautmalerisches Schulterzucken verwendet wird.
6.1.17. Die recht umfangreiche Frage 17, befragte die Testpersonen zur Aussagekraft
der Zeichen/Emoticons in der untenstehenden Tabelle. Die Befragten mussten die
Zeichen auf einer Skala von 1-6 einordnen, wobei 1 für keine und 6 für sehr viel
Aussagekraft stand. Insgesamt wurden die meisten Zeichen in etwa gleich beurteilt.
Lediglich das asiatische ^_^ wurde als weniger aussagekräftig empfunden,
vermutlich, weil es unter den Befragten weniger bekannt ist. Interessant auch der
Unterschied zwischen dem :-) und dem nasenlosen :), das doch weniger aussagestark
empfunden wird.
1
Aussagekraft
keine
wenig
eher wenig
eher viel
viel
sehr viel
2
3
4
:-)
:)

1.6
6.3
16.4
30.5
28.9
16.4
3.9
6.3
21.1
27.3
29.7
11.7
3.9
7.8
22.7
28.1
25.8
11.7
5
6
^_^
1.6
8.6
14.8
31.3
28.9
14.8
3.1
9.4
15.6
31.3
26.6
14.1
9.4
21.9
18.8
25.8
14.8
9.4
Tabelle 6: Aussagekraft sechs verschiedener Smilies
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6.1.18. Bei Frage 18 sollten die Befragten sechs verschiedene Emoticons ihrer
passendsten Gefühlslage zugeordnet werden.
Sehr deutlich waren die Antworten bei :-), das von 91.4% als fröhlich identifiziert
wurde. Noch deutlicher war mit 99.2% das traurige :-(. Auch das wütende >:-0 wurde
noch zu 87.5% richtig erkannt. :-| erkannten 77.3% als gelangweilt, jedoch auch
16.4% als traurig. Undeutlicher war die Interpretation des Zeichens :-p. 60.9%
erkannten das freche Zunge herausstrecken, 32% fanden es signalisiere „witzig“.
Am undeutlichsten Schnitt hier das vorher so eindeutige ;-) Fahlman Ursmilie ab, das
nur von 60.9% als witzig identifiziert wurde, von 25% als frech und von 13.3% als
fröhlich.
6.1.19. Als nächstes, galt es Abkürzungen ihren Bedeutungen zuzuordnen. Anders als
das aus der Mimik abgeleitete Emoticon System, handelt es sich hier um ein rein
logisches, erlerntes System von Sprachabkürzungen, die darüberhinaus auch noch von
den Sprachkenntnissen des Probanden abhängig sind.
„lol“ erkannten 95.3% als lautes herauslachen, trotz der Englischen Wurzeln dieser
Abkürzung. 4.7% erkannten keine Bedeutung.
„afk“, aus dem Englischen für „away from keyboard“ erkannten 86.7% der
Probanden. Knapp 11% erkannten es nicht. Zwei Personen verwechselten es mit
„soweit ich weiss“ (as far as I know, afaik) und eine Person (0.8%) vermutete den
Kraftausdruck „Ah, fuck!“ dahinter.
„brb“ für „be right back“, erkannten noch 83.6% richtig. 13.3% erkannten es nicht
und jeweils zwei Personen (1.6%) tippten auf „rülpsen“ oder „Widerwillen zeigen“.
„kek“, eine Spezialform von „lol“, die nur in dem Online-Spiel „World of Warcraft“59
verwendet wird, sich aber von da zu einem gewissen Mass im Internet verbreitet hat,
erkannten nur 15.6% der Probanden. 73.4% erkannten es nicht und gaben dies auch
zu. 5.5% dachten es steht für „bin kurz weg“, 3.9% für „lächeln“ und zwei Personen
(1.6%) für „etwas kaputt machen“. Die Tendenz, unbekannten Zeichenfolgen eine
Bedeutung zuordnen zu wollen, die plausibel sein könnte, wird sich noch deutlicher
abzeichnen. Interessant an dieser Frage ist vor allem, dass von 20 Personen, die die
Antwort wusste, nur 16 angaben, regelmässig Online Spiele zu spielen. Davon
59
Ein enorm populäres Online Rollenspiel seit 2005.
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ausgehend, dass nicht geraten wurde, würde das bedeuten, dass der Insiderausdruck
„kek“ sich bereits ausserhalb seines Entstehungsortes verbreiten konnte.
„rofl“, für „rolling on the floor laughing“ erkannten 86.7% richtig, 2.3% kannten
wohl den Ursprung der Abkürzung nicht genau, stimmten aber für lautes Lachen.
Eine Person (0.8%) erkannte einen falsch geschriebenen Namen Rolf und zwei
Personen (1.6%) dachten an Mitgefühl zeigen. 8.6% wussten es nicht.
„jghz“, vom Autor als Kontrollfrage frei erfunden und ohne Bedeutung gaben 85.2%
zu, nicht zu erkennen. 7% sahen darin ein Signal für Abscheu, 3.1% „einfach gut
finden“, 1.6% „freundlich sein“, 2.3% „auf später vertrösten“ und eine Person (0.8%)
sah darin den Wunsch, joggen gehen zu wollen.
6.1.20. „Jaja, klar...“ interpretierten 46.9% der Befragten als ironische Antwort und
Zeichen für keine Zustimmung. 36.7% sahen darin Zustimmung mit Vorbehalt und
6.3% uneingeschränkte Zustimmung. Zwei Personen (1.6%) waren jeweils der
Ansicht, der Schreiber überlege sich etwas oder verstehe etwas nicht. 7% gaben etwas
anderes an, was in den meisten Fällen auf das bereits erwähnte „Leck mich am Arsch“
hinauslief.
6.1.21. In Frage 21 galt es, aus 6 Sätzen, die alle mit „Du bist die Beste“ anfingen,
aber unterschiedliche Endungszeichen hatten, denjenigen mit der meisten Zuneigung
auszuwählen. 48.4% wählten das Herz „<3“, 35.2% das Ausrufezeichen ! und 11.7%
das Smilie :). 5.5% entschieden sich für das reguläre Punkt.
Niemand wählte :( oder ... .
6.1.22. Den grosszügigen Gebrauch von Ausrufezeichen in dem Satz „Gut, dann
treffen wir uns um 3 Uhr am Bahnhof! Bis gleich!“ verstanden 45.3% als Zeichen von
Vorfreude, bzw. positive Verstärkung, 35.9% dachten, der Schreiber wolle seinen
Worten Nachdruck verleihen. 4.7% hielten es für eine Befehlsform und gleichviele
für ein Zeichen von Unsicherheit. Eine Person (0.8%) sah darin negative
Verstärkung/Empörung. 8.6% rechneten den Ausrufezeichen keine Bedeutung zu,
vermutlich weil dieses Zeichen im Internet tatsächlich sehr oft verwendet wird und
seine hervorhebende Funktion in manchen Kreisen bereits verloren hat.
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6.1.23. Die Dreifachfragezeichen am Ende des Satzes „Ich drücke also den „OK“
Knopf, schliesse das Programm und dann geht’s ???“ verstanden 78.1% der
Probanden als Verlangen nach Bestätigung. 13.3% sahen Bedarf für weitere
Erklärungen und 6.3% sahen darin eine ganz normale Frage. 2.3% griffen zeitlich
bereits voraus und vermuteten, es gehe auch nach dem Befolgen der Anweisungen
noch nicht. Niemand sah darin keine Bedeutung oder die Vergewisserung, dass der
Gesprächspartner noch da ist.
6.1.24. Dreifache Ausrufezeichen (!!!) am Ende eines Satzes werden ziemlich
unterschiedlich aufgefasst. 7% halten es für einen Befehl, 36.7% für positive
Verstärkung einer Aussage, 10.9% für negative Verstärkung, 28.1% für Zorn, 4.7%
für Ausdruck der Freude und 12.5% für eine schlechte Angewohnheit vieler
Internetianer.
6.1.25. Dreifache Fragezeichen allgemein werden zu gleichen Teilen (29.7%) als
Zeichen für Überforderung oder Klärungsbedarf verstanden. 10.2% sehen darin eine
weitere schlechte Angewohnheit. Knapp 14.8% halten es für eine starke Frage und
15.6% halten es für Unsicherheit. Niemand war der Ansicht, es könne sich um einen
Irrtum handeln.
6.1.26. Dreifache Punkte am Ende eines Satzes (...) wurden wie folgt interpretiert:
„Fortsetzung folgt“ 18%, „usw.“ 32.8%, „ich nerve mich“ 18%, Zeichen der
Unsicherheit 8.6%, „ich bin fertig, fahre du fort“ 10.1%, „ich überlege grade“ 11.7%.
Vermutlich hängt dieses Interpunktionszeichen stark vom Kontext ab, weshalb hier
ohne Kontext die Interpretation so weit gestreut ist.
6.1.27. Erikative, bzw. Inflektive, die oft in Asterisken eingefasst werden, scheinen
insgesamt eher die Ausnahme zu sein. 13.3% der Befragten gaben an, diese oft zu
benutzen, 18% nur manchmal. Die überwiegende Mehrheit gab entweder an diese
selten zu benützen (32.8%) oder nie (35.9%).
6.1.28. Von den Personen, die Angaben, mindestens selten Inflektive/Erikative
verwendet zu haben, taten 91 dies in Deutsch, 7 in Französisch, 50 in Englisch, eine
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in Italienisch 2 in Spanisch und 2 in anderen Sprachen. Mehrfachnennungen waren
möglich.
6.1.29. Das *duck* am Ende des Dialogs A: „Mein Computer spinnt, ich weiss nicht,
was ich noch probieren soll, es geht einfach nicht.“ B: „Versuchs doch mal mit zum
Fenster rausschmeissen“ *duck*“ verstanden 76.6% richtig als das in Deckung gehen
vor der Reaktion von A. 18% verstanden es aber so, dass B vor dem bereits
fliegenden Computer von A in Deckung gehe. 3.1% wussten es nicht und 1.6%
hielten es für einen Fachausdruck aus der Computerwelt. Jemand (0.8%) war gar der
Ansicht, damit sei eine Andeutung aus einem Disney Comic gemeint. Niemand hielt
*duck* für das Nachahmen einer Ente (engl.: Duck).
6.1.30. Das Abkürzen von Inflektiven, das aus der persönlichen Erfahrung des Autors
relativ oft anzutreffen ist, wurde auch weitgehend richtig gedeutet. Das *g* in „Du
siehst heute wieder bezaubernd aus, mein Schatz*g*“ verstanden 55.5% als
ironisches Grinsen und 40.% als freudiges Grinsen. 2.3% wussten es nicht und 1.6%
vermuteten hinter dem *g* einen Ausdruck für „gut finden“.
6.1.31. Hochinteressant waren die Antworten auf die Frage nach der Aussagekraft der
fünf verschiedenen, aber funktionell mehr oder weniger einheitlichen Emoticons :-) ,
:) , =) , ^_^ und (-:. Die Interpretation erfolgte, wider erwarten, sehr unterschiedlich,
insbesondere zwischen den identischen, aber richtungsverkehrten Smilies :-) und (-:.
Auf einer Skala von 1-6 von „wenig fröhlich“ bis „sehr fröhlich“ stuften die
Befragten die aufgeführten Emoticons ein. Die Unterschiede sind teilweise gering,
teilweise deutlich.
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Tabelle 7: Unterschiede in der Interpretation identischer, aber richtungsverkehrter Smilies
Bemerkenswert ist insbesondere die Zunahme der Werte 1-3 für das (-: Smilie. Die
Vermutung liegt nahe, dass dies damit zu tun hat, dass die Probanden alle aus linksnach-rechts orientierten Sprachkulturen stammen und es daher leichter fällt, das linksnach-rechts ausgerichtete Smilie zu interpretieren.
Tabelle 8: Verteilung der Fröhlichkeitsstufen auf fünf Emoticons
Interessant ist auch, dass das =) Smilie mit Abstand am meisten als sehr fröhlich
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interpretiert wurde. Davon ausgehend, dass das Gleichzeichen als hochgezogene, oder
weit geöffnete Augen interpretiert wird, würde diese Feststellung die Hypothese
stützen, dass Kompensationen von oculesics und mimics verständlicher sind, als
Kompensationen aus anderen Kanälen nonverbaler Kommunikation.
6.1.32. Mit 84.4% war die Mehrheit der Probanden der Meinung, es gebe einen
Unterschied zwischen der Kommunikation von Männern und Frauen auch in der
Kommunikation über digitale Medien. 15.6% waren der Ansicht, es gebe keinen
Unterschied. Interessant dürfte hier die Frage sein, ob ein Zusammenhang zwischen
Antwort und Geschlecht besteht, das z.B. die Frauen der Ansicht sind, es gäbe keinen
Unterschied, oder umgekehrt.
6.1.33. Auf die Frage, wo die Verwendung von Smilies, Emoticons etc. ihrer
Meinung nach angebracht sei (im Endeffekt also, wo es angebracht sei, zu versuchen
nonverbale Kommunikation zu kompensieren), antworteten 14.8%, es sei immer
angebracht. 50% der Befragten fanden es nur in privaten Interaktionen angebracht,
13.3% fanden es auch beruflich unter Kollegen ok. 18.8% fanden es nur unter
Freunden angebracht. 2.3% fanden es immer unangebracht. Jemand (0.8%) wollte nur
in einer intimen Beziehung davon Gebrauch machen.
6.1.34. Auf einer Skala von 1-6 (unverständlich bis sehr leicht verständlich) sollten
die Befragten die allgemeine Verständlichkeit von Kompensationsformen nonverbaler
Kommunikation (KnK) einordnen.
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Tabelle 9: Verständlichkeit von KnK auf einer Skala von 1-6
Die Mehrheit beurteilte die die Verständlichkeit eher mit gut bis sehr gut. Zusammen
nur 16% der Befragten bewerteten die KnK mit Rängen in der unteren Hälfte der
Skala.
6.1.35. „Wie würden sie am ehesten versuchen, ein Lächeln zu vermitteln?“ lautete
die Frage 35. Zur Auswahl standen die KnKs :-), hehe, *lächel*, *g*, lol und :).
Am meisten wurde :) als Vertreter der okulesischen/mimetischen Kompensationen
gewählt (42.2%), danach das auditive „hehe“ (29.7%), gefolgt von :-) (14.1%). Erst
dann folgte das aus der Schriftsprache tradierte, deskriptive *g* (grinsen) mit 10.2%
und der Inflektiv *lächel* mit 3.1%. Lol wurde nur von einer Person (0.8%) genannt,
was nicht erstaunen sollte, zumal lol nicht für ein Lächeln steht, sondern für
lautstarkes Lachen.
6.1.36. In der letzten Zuordnungsfrage mussten die lautmalerischen Ausdrücke
„grmbl“, „blubb“, „wow“ und „eek/ikk“ ihrer Bedeutung zugeordnet werden.
„grmbl“ identifizierten 79.7% richtig als Grummeln. 8.6% lagen mit Knurren noch
nahe. Jemand (0.8%) hielt es für blödeln. 10.9% wussten nichts damit anzufangen.
„blubb“ verstanden 47.7% als Blubbern was sicher nicht falsch ist, aber auch nicht
immer richtig. Je nach Kontext kann „blubb“ nämlich auch für „etwas doof finden“
(28.1%) oder „Unterlippe hängen lassen“ (7.8%) stehen. 16.4% konnten „blubb“ nicht
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zuordnen.
„Wow“, das auch aus der herkömmlichen Schrift- und Sprechsprache einigermassen
bekannt sein dürfte, wurde erwartungsgemäss auch von 97.7% als Ausdruck des
Staunens verstanden. 2.3% erkannten den Ausdruck nicht.
„Eek“, bzw. die deutschere Form „ikk“ erkannten 47.7% als Ausdruck des Ekels,
17.2% als Erschrecken, ca. 35% der Befragten erkannten entweder nichts (32%), oder
deuteten den Ausdruck falsch.
6.1.37. Von den Befragten waren 85% männlichen und 15% weiblichen Geschlechts.
Das scheint auf den ersten Blick eine sehr verzerrte Stichprobe zu sein, ist aber
wahrscheinlich in vielen Bereichen des Internets, gerade in Online Spielen, gar nicht
so weit von der Realität entfernt. Anders sähe es vermutlich in einer Stichprobe aus
einem der populären Webchats aus. Hier ist der weibliche Anteil der Nutzer deutlich
höher, bzw. ausgeglichener, das Durchschnittsalter aber auch deutlich tiefer.
6.1.38. Die Altersverteilung der Stichprobe sieht wie folgt aus:
Tabelle 10: Altersverteilung innerhalb der Stichprobe
Das Durschnittsalter liegt bei 22.7 Jahren.
6.1.39. Die Stichprobe bestand zum grössten Teil aus Schweizern, nämlich 106. 18
Personen stammten aus Deutschland, zwei aus Österreich, eine aus Italien und eine
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aus Norwegen.
6.1.40. Die Verteilung der Muttersprachen sah dementsprechend ähnlich aus.
123 waren Deutscher Muttersprache, 2 Italienischer, 1 Portugiesischer, 1
Germanischer und 1 Slavischer. Bei sämtlichen Interpretationen kann man wohl also
mit recht davon ausgehen, dass mit einem deutschsprachigen Hintergrund gerechnet
werden muss.
6.1.41. Die Verteilung des höchsten erreichten Bildungsabschlusses der Befragten sah
grafisch folgendermassen aus:
Tabelle 11: Höchste abgeschlossene Ausbildung in %
Damit liegt sie in etwa im Rahmen der für die Schweiz üblichen Verhältnisse60. Zu
Bedenken ist, dass die jüngsten Teilnehmer der Studie erst 16 und die ältesten erst 41
Jahre alt waren, wodurch die Verteilung als noch nicht abgeschlossener Prozess
betrachtet werden muss.
60
Als Beispiel: Die Werte sind in etwa vergleichbar mit den Werten der Wohnbevölkerung der Stadt
Bern über 25 Jahren. Vgl. Statistikdienste der Stadt Bern. Eidg. Volkszählung 2000,
http://www.bern.ch/leben_in_bern/stadt/statistik/bevoelkerung/vz5140
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6.2. Interpretation der Daten
6.2.1. Scores für kommunikative Kompetenz
Die Interpretation des unter Abschnitt 5.1 erläuterten Scores für kommunikative
Kompetenz bildet ein erstes Element für die Interpretation der erhobenen Daten.
Von 128 Scores, lagen nur 11 in der unteren Hälfte der Skala.
Der Durchschnittsscore (Mittelwert) betrug 11.375. Für weitere Untersuchungen
kann also nun mit dem korrigierten Wert von 11.375, statt 9 gerechnet werden. Die
Verteilung der Scores ingesamt verlief nahezu normalverteilt, und würde die
Normalverteilung vermutlich bei höherer Stichprobenzahl weiter annähern.
Tabelle 12: Verteilung der Scores im Vergleich zur Normalverteilung
50
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Tabelle 13: Verteilung der Kompetenzscores auf die Teilnehmer
6.2.2. Geschlechtspezifische Unterschiede
Eine der Hypothesen dieser Arbeit fragt nach möglichen geschlechtsspezifischen
Unterschieden in Gebrauch und Verarbeitung nonverbaler Kommunikationselemente
in der CMC. Zwar zeigt sich kein eindeutiges, sich durch alle Fragen hindurch
ziehendes Muster, was auch an der geringen Anzahl weiblicher Umfrageteilnehmer
liegen mag, einige Antworten weisen aber doch gewisse Auffälligkeiten auf, die
möglicherweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede zurückzuführen sind. Zwar
ist die Frage, inwiefern sich Männer und Frauen in punkto Kommunikation, oder auch
nur nonverbaler Kommunikation, unterscheiden nicht endgültig geklärt, es gibt in der
Wissenschaft aber Hinweise, dass insbesondere im Bereich der Mimik und des
Affekterlebens durchaus Unterschiede bestehen.61
Ein Kreuztabellenvergleich der Fragen 27 und 37 ergibt zwar keinen statistisch
haltbaren Zusammenhang, die Verteilung der Antworten ist aber zwischen Männern
und Frauen auffällig unterschiedlich. Frage 27 befragte die Probanden danach, wie oft
sie in der CMC Gebrauch von Inflektiven, bzw. Erikativen machten. Bereits in der
Vorstudie entstand die Vermutung, es könnte hier einen geschlechtsspezifischen
Unterschied geben. Frage 37 fragte denn auch nach dem Geschlecht der Probanden.
61
Vgl. FRISCH, Ingrid: Eine Frage des Geschlechts? Mimischer Ausdruck und Affekterleben in
Gesprächen. St. Ingbert, Röhrig 1997
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Kreuztabelle Geschlecht * v27
v27
oft
Geschlecht männlich Count
Geschlecht
weiblich
36
43
109
14.5
19.6
35.8
39.2
109.0
11.0%
16.5%
33.0%
39.4%
100.0%
5
5
6
3
19
2.5
3.4
6.2
6.8
19.0
26.3%
26.3%
31.6%
15.8%
100.0%
Expected Count
Geschlecht
Total
nie
18
Count
% within
selten
12
Expected Count
% within
manchmal
Tabelle 14: Verwendung von Inflektivwendungen bei Männern und Frauen
Bei aller Vorsicht, die in Anbetracht der kleinen weiblichen Befragtenzahl
einzuhalten ist, weichen die Antworten bei den Frauen doch relativ stark von den
Werten der Männer und der Erwartung ab. Wie es scheint, machen die weiblichen
Teilnehmer der Studie durchschittlich öfter von Inflektivwendungen gebrauch, als die
männlichen Teilnehmer. Inflektivwendungen oder Handlungsbeschreibungen sind
gewissermassen die letzte Möglichkeit, nonverbale Signale zu übertragen, indem man
sie einfach auf die verbale Eben portiert und so gleichsam metakommunikativ
signalisiert, was man im F2F-Gespräch, fühlen, sehen, riechen etc. würde. Gerade
nonverbale Kommunikation in den Kanälen Touch, Environment und Space lassen
sich durch den Gebrauch von Inflektiven einfacher kompensieren, als Beispielsweise
über Smilies oder Emoticons. *knuddel* oder *kuschel* sind vermutlich sehr hoch
auf der weiblichen Rangliste der SMS Inhalte.62
Ebenfalls deutliche Unterschiede gab es bei der Frage 35, wo nach einer KnK für ein
Lächeln gefragt wurde. Hier antworteten die Frauen über dem Erwartungswert oft mit
*lächel* oder *g*, während diese Inflektivwendungen bzw. Inflektivabkürzungen bei
den Männern weniger beliebt waren. Die Verteilung der übrigen KnK ist relativ
gleichmässig zwischen Männern und Frauen. Zwar sind die Zahlen erneut zu klein um
statistisch signifikante Unterschiede belegen zu können, dennoch weisst es
möglicherweise auf einen Unterschied hin.
62
Basierend auf eigener Erfahrung.
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Kreuztabelle Geschlecht * v35
Geschlecht
männlich
v35
:-)
Count
16
2
18
15.3
2.7
18.0
14.7%
10.5%
14.1%
35
3
38
32.4
5.6
38.0
32.1%
15.8%
29.7%
1
3
4
3.4
.6
4.0
.9%
15.8%
3.1%
10
3
13
11.1
1.9
13.0
9.2%
15.8%
10.2%
Count
1
0
1
Expected Count
.9
.1
1.0
.9%
.0%
.8%
46
8
54
46.0
8.0
54.0
42.2%
42.1%
42.2%
Expected Count
% within Geschlecht
hehe
Count
Expected Count
% within Geschlecht
*lächel*
Count
Expected Count
% within Geschlecht
*g*
Count
Expected Count
% within Geschlecht
lol
% within Geschlecht
:)
Total
weiblich
Count
Expected Count
% within Geschlecht
Tabelle 15: Geschlechterspezifische Unterschiede bei der Kompensation eines Lächelns
Auch bei Frage 34, in der nach der Verständlichkeit von KnK gefragt wurde,
antworteten die Frauen anders als die Männer. Mehr Frauen waren der Ansicht, KnK
seien schwer oder eher schwer verständlich. (31.6% der Frauen, vs. 12.9% der
Männer) Während 51.1% der Männer der Ansicht waren, KnK seien leicht oder sehr
leicht verständlich, teilten diese Meinung nur 26.4% der Frauen. Aufgrund der
kleinen Anzahl (<5) weiblicher Antworten, ist ein Chi-Quadrat Test nicht sinnvoll,
der Wert wäre allerdings signifikant (0.072).
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Kreuztabelle Geschlecht * v34
Geschlecht
männlich
v34
unverständlich
Count
1
0
1
Expected Count
.9
.1
1.0
.9%
.0%
.8%
5
3
8
6.8
1.2
8.0
4.6%
15.8%
6.2%
9
3
12
10.2
1.8
12.0
8.3%
15.8%
9.4%
32
8
40
34.1
5.9
40.0
29.4%
42.1%
31.2%
44
4
48
40.9
7.1
48.0
40.4%
21.1%
37.5%
18
1
19
16.2
2.8
19.0
16.5%
5.3%
14.8%
% within Geschlecht
schwer verständlich
Count
Expected Count
% within Geschlecht
eher schwer
Count
Expected Count
% within Geschlecht
eher leicht
Count
Expected Count
% within Geschlecht
leicht
Count
Expected Count
% within Geschlecht
sehr leicht
Total
weiblich
Count
Expected Count
% within Geschlecht
Tabelle 16: Verständlichkeit von KnK bei Männern und Frauen
Andere Fragen, beispielsweise die Fragen (und Unterfragen) 17, 18, 19 31 und 36
ergaben keine deutlichen Unterschiede in den Antwortmustern zwischen Männern
und Frauen.
6.2.3. Sprachliche, kulturelle Unterschiede
Die Hypothese, dass es kulturelle Unterschiede geben könnte, muss aufgrund der zu
kleinen kulturellen Varietät der Stichprobe ad acta gelegt werden. Muttersprache und
Nationalität sind, wie bereits in 6.1.39. und 6.1.40. erläutert wurden, überwiegend aus
der DACH Region und deutschsprachig. Lediglich bei der Verwendung von
Sprachen, gab es geringfügige Unterschiede. So zeigte sich, dass Probanden, die
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angaben, auch in Englisch zu kommunizieren, die höhere Erkennungsrate bei den
englischsprachigen Akronymen hatte. Diese Feststellung ist allerdings nicht nur
naheliegend, sondern auch wenig deutlich. Von denen die Angaben, auch in Englisch
zu kommunizieren, verstanden alle das Akronym „lol“, von denen die lediglich auf
Deutsch kommunizierten, verstanden es vier nicht. Die Bestätigung, dass es
tatsächlich kulturelle Unterschiede beim codieren und decodieren von nonverbalen
Signalen in der CMC gibt, wird in einer anderen, umfangreicheren Arbeit erbracht
werden müssen. Bestehende unterschiedliche Zeichensysteme wie etwa das
„westliche“ Smilie :-) gegenüber dem „asiatischen“ Smilie ^_^, deuten zwar auf einen
Unterschied hin, wie weit sich dieser aber auf die Wirkung der Zeichen auswirkt,
kann hier nicht beantwortet werden. Die Auswertung der Antworten 17U6 und der
Frage 1 zeigte allerdings, dass von 12 Personen, die das Emoticon ^_^ als sehr
aussagekräftig einstuften, alle 12 auch regelmässig Online Spiele spielten. Von den
19, die das Zeichen noch als deutlich aussagekräftig einstuften (Rating 5), waren
immerhin noch 17 Personen Online Gamer. Die Online Gamer machten auch 76.7%
der Teilnehmer aus, die in Frage 31U4 das Zeichen (^_^) als sehr fröhlich einstuften.
Erklären liesse sich das unter Umständen daran, dass vermehrt Einflüsse aus Asien,
wie das Smilie S6 (^_^), über den Spielemarkt in den Westen gelangen. Neuste
Nutzerzahlen des Spiels World of Warcraft63, beispielsweise, zeigen, dass von 10
Millionen aktiven Spielern weltweit, 5.5Mio aus Asien stammen. Dass es da zu
kulturellen Vermischungen und der Adoption von fremden Zeichensystemen kommt,
scheint naheliegend. Es ist also durchaus möglich, dass die Befragten, die Online
Spiele spielen, früher mit KnKs aus anderen Kulturkreisen in Berührung kommen, als
Beispielsweise Nutzer, die nur das World Wide Web nutzen.
6.2.4. Das Emoticon ;-)
Eines der ältesten Smilies , ist gleichzeitig auch eines der interessantesten im Hinblick
auf die Auswertung. Offenbar wird es von vielen Menschen relativ einheitlich
interpretiert, sowohl beim Codieren, als auch beim Decodieren.
Frage 13 suchte nach der häufigsten Methode, eine schriftliche Aussage als nicht ernst
gemeint zu kennzeichnen. Wie in Abschnitt 6.1.13. bereits gezeigt wurde, antwortete
63
Quelle: Blizzard Entertainment, Pressebericht vom 22. Januar, Irvine, 2008,
http://www.blizzard.com/press/080122.shtml
55
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die Mehrheit mit dem Smilie ;-). Frage 15 war ähnlich und fragte nach einer
Möglichkeit, ein Augenzwinkern zu vermitteln. Auch hier wurde ;-) am meisten
genannt. Es stellte sich die Frage, ob die gleichen Personen in beiden Fragen mit ;-)
antworteten. Eine einfache Pearsonsche Korrelationsanalyse ergab einen signifikante
Korrelation zwischen den Antworten von 13 und 15 von 0.205.
Korrelation Fragen 13 * 15
v13
v13
v15
Pearson Correlation
1
.205
Sig. (2-tailed)
.020
N
v15
*
128
128
*
1
Pearson Correlation
.205
Sig. (2-tailed)
.020
N
128
128
*. Correlation is significant at the 0.05 level (2tailed).
Tabelle 17: Signifikante Korrelation 13*15
Auch der Kreuztabellenvergleich der beiden Antwortmuster ergibt auf den ersten
Blick eine klare Übereinstimmung.
Kreuztabelle v15 * v13
Count
v13
v15
:-0
;-)
};-)
:-)
8-)
:-(
Total
|-)
0
0
0
0
0
1
1
;-)
3
108
2
2
5
0
120
*-)
0
4
0
0
0
0
4
B-)
0
1
0
0
1
0
2
>)
0
0
0
0
1
0
1
3
113
2
2
7
1
128
Total
Tabelle 18: Deutliche Übereinstimmung der Antworten
56
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Scherzhaftigkeit scheint also innerhalb der Stichprobe sehr einheitlich durch das
Emoticon ;-) ausgedrückt zu werden.
Etwas weniger deutlich, aber immer noch bemerkenswert ist die Übereinstimmung
der Tabellen Antworten von Frage 13 und 15 mit der Teilfrage 18.3, wo es darum
ging, dem Smilie ;-) eine Bedeutung zuzuordnen. Während die Fragen 13 und 15 also
jeweils den Befragten in die Rolle des Codierers stellten, muss in Frage 18.3 vielmehr
decodiert werden. Der Befragte ist der Rezipient.
Kreuztabelle v13 * v18U3
Count
;-) (v18U3)
fröhlich
v13
witzig
gelangweilt
Total
frech
:-0
1
2
0
0
3
;-)
13
70
0
30
113
};-)
0
1
0
1
2
:-)
0
1
0
1
2
8-)
3
4
0
0
7
:-(
0
0
1
0
1
17
78
1
32
128
Total
Tabelle 19: Homogenität bei der Zuordnung von ;-)
Kreuztabelle v15 * v18U3
Count
;-) (v18U3)
fröhlich
v15
Total
witzig
gelangweilt
Total
frech
|-)
0
0
1
0
1
;-)
14
75
0
31
120
*-)
1
3
0
0
4
B-)
1
0
0
1
2
>)
1
0
0
0
1
17
78
1
32
128
Tabelle 20: Übereinstimmung auch hier
Bedenkt man, dass die Begriffe „witzig“ und „frech“ mitunter sehr nahe beeinander
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liegen, ergibt sich für v13 eine Schnittmenge von 100 und für v15 eine Schnittmenge
von 106 mit v18U3.
Die Kompensation eines Lächelns (mimics) kombiniert mit einem zugedrückten Auge
(oculesics), als allgemeiner Ausdruck von Scherzhaftigkeit wird also innerhalb der
Stichprobe dieser Arbeit zu 76-84% richtig verstanden und angewendet. Das ist
bereits ein einheitlicheres Resultat, als beispielsweise die Antworten auf die Frage 8
(v8), wo es darum ging, beim Satz „Ich will Dir ja keine Vorschriften machen, aber
solltest Du das nicht noch einmal überdenken?“ möglicherweise zwischen den Zeilen
zu lesen (ohne dabei eine nonverbale Zusatzinformation oder KnK zu haben).
Nun wäre es interessant zu erfahren, ob Probanden mit höherer kommunikativem
Kompetenzscore bei den Fragen 13, 15 und 18.3 öfter die richtige Antwort gegeben
haben, als solche mit tieferem Score. Die Stichprobe ist für wirklich aussagekräftige
Resultate zu klein, die folgende Grafik weisst aber grundsätzlich die gleiche Form auf
wie die Verteilung der Scores auf die Stichprobe (Abschnitt 6.2.1.), man kann also
annehmen, dass ein tiefer Score allgemein die Probanden nicht daran gehindert hat,
das Zeichen ;-) richtig zu interpretieren.
Tabelle 21: Richtige Antworten in Relation zum Score der Antwortenden
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Damit wird die Hypothese gestärkt, dass Kompensationsformen des Kanals Face and
Eye behavior leichter codiert und decodiert werden können, als die KnK anderer
Kanäle. Weitere Unterstützung erhält diese Hypothese mit dem Zeichen :-).
6.2.5. Das Emoticon :-)
Im Abschnitt 6.1. wurde bereits erwähnt, dass das klassische „lächelnde Gesicht“Smilie offenbar von vielen Leuten und je nach Kontext sehr unterschiedlich
interpretiert wird. Die erste Frage, die sich explizit um das Zeichen :-) dreht, ist die
Frage 12. Personen, die in Frage 17 Angaben :-) berge viel oder sehr viel
Aussagekraft, gaben in Frage 12 keine einheitlichen Antworten, wie die
untenstehende Kreuztabelle zeigt. Folgende Beobachtungen können gemacht werden:
- Personen, die das Smilie als sehr aussagekräftig einstuften, antworteten etwa zu
gleichen Teilen, das Smilie in Frage 12 stehe für „lustig finden“ mit oder ohne
Lachen. (blau)
- Personen, die dem Smilie nur viel Aussagekraft zuschrieben, antworteten zu etwa
gleichen Teilen mit „lustig finden ohne Lachen“ und „der Beschriebene fand es
lustig“. Jedoch fanden deutlich weniger, dass es sich um „lustig finden und lachen“
handeln könnte. (rot)
Kreuztabelle v12 * 17_S1
17_S1
keine
v12 lustig
wenig eher wenig
eher viel
viel
sehr viel
Total
Anzahl
ohne
Lachen
lustig
Anzahl
mit
Lachen
0
2
5
13
15
7
42
0
3
7
14
7
8
39
2
3
7
5
14
4
35
beschrie Anzahl
bener
lustig
Tabelle 22: Zusammenhänge zwischen Aussagekraft und Interpretation
Grösser ist die Übereinstimmung beim Vergleich der Antworten von Frage 12 und
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Frage 31. In Frage 31 wurde nicht nach der Aussagekraft von :-) gefragt, sondern
nach dem Grad der Fröhlichkeit desselben Zeichens.
Es wäre anzunehmen, dass Personen, die die Fröhlichkeit sehr hoch einstufen, auch
eher dazu neigen, das Zeichen als Lachen zu interpretieren und nicht nur als „lustig
finden ohne zu lachen“. Tatsächlich scheint dies der Fall zu sein, wie die
nachfolgende Kreuztabelle von Frage 12 und 31 zeigt (rot). Ebenso weisst die
Gruppe, die Frage 12 als „lustig finden ohne zu lachen“ interpretierte mehr Personen
auf, die das Zeichen :-) in Frage 31 eher wenig, ein bisschen oder ziemlich fröhlich
einstuften (Werte von 2-4 auf der Skala von 1-6) (blau). Da niemand „wenig“ (Wert
1) vergab, fällt dieser Punkt weg.
Kreuztabelle 12 * 31
:-)
eher wenig
v12 lustig ohne Anzahl
lachen
lustig mit
Anzahl
lachen
beschriebe Anzahl
ner lustig
bisschen
ziemlich
fröhlich
sehr fröhlich
Total
1
2
10
22
7
42
2
1
3
22
11
39
0
3
11
13
8
35
Tabelle 23: Zusammenhang zwischen empfundener Fröhlichkeit und Lachen
Schliesslich stellt sich die Frage, ob Personen, die in Frage 17 dem :-) viel
Aussagekraft zusprachen, in Frage 31 auch der Ansicht waren, das Zeichen sei sehr
fröhlich. Eine Kreuztabelle zeigt den Trend auf:
Allgemein stimmen die Bewertungen der Fragen 17 und 31 eher überein. Völlige
Widersprüche gibt es keine (blau). Gute Übereinstimmungen verlaufen auf einer
Diagonale von links oben nach rechts unten (rot). Die Korrelation ist deutlich. Damit
ist zumindest eine gewisse Homogenität bei der Interpretation des Zeichens :-)
bewiesen. Damit reiht sich :-) neben ;-) in die Reihen der relativ64 gut verständlichen
Emoticons ein.
64
Die Relativität der Erkenntnisse muss in Anbetracht der kleinen Stichprobe und der geringen
kulturellen Varietät innerhalb der Stichprobe betont werden.
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Kreuztabelle 17_S1 * 31_:-)
Anzahl
:-)
eher wenig
S1
bisschen
ziemlich
fröhlich
sehr fröhlich
Total
keine
0
1
1
0
0
2
wenig
1
2
2
2
1
8
eher wenig
2
3
7
7
2
21
eher viel
1
1
10
22
5
39
viel
0
0
6
23
8
37
sehr viel
0
0
1
7
13
21
4
7
27
61
29
128
Total
Tabelle 24: Zusammenhang Fröhlichkeit und Aussagekraft
Korrelation 17_S1 * 31
:-)
:-)
Pearson Correlation
S1
1
.516
Sig. (2-tailed)
N
S1
Pearson Correlation
**
.000
128
128
**
1
.516
Sig. (2-tailed)
.000
N
128
128
**. Correlation is significant at the 0.01 level (2tailed).
Tabelle 25: Starke Korrelation 17_S1*31
Ein letzter Zusammenhang lässt sich beim Vergleich von Frage 18U5 und Frage 31
erkennen. Personen, die in 18U5 das Smilie :-) richtig als „fröhlich“ erkannt haben,
waren in Frage 31 auch mehrheitlich der Ansicht, das Emoticon sei fröhlich oder sehr
fröhlich.
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Kreuztabelle 18_:-) * 31_:-)
Count
:-)
eher wenig
:-)
bisschen
ziemlich
fröhlich
Total
sehr fröhlich
fröhlich
4
7
24
53
29
117
witzig
0
0
3
7
0
10
frech
0
0
0
1
0
1
4
7
27
61
29
128
Total
Tabelle 26: Einheitliche Interpretation von :-)
Dabei waren die Unterschiede zwischen den Antworten von :-) und :) nicht sehr
gross. Die Meinung zu beiden Zeichen war bei den Testpersonen weitgehend die
gleiche (rot). Die „Nase“ scheint also keinen erheblichen Unterschied zu machen, was
die Interpretation des Emoticons betrifft.
13_:-) * 31_:) Kreuztabelle
Anzahl
:)
wenig
:-)
Total
eher wenig
bisschen
ziemlich
fröhlich sehr fröhlich
Total
eher wenig
2
1
0
1
0
0
4
bisschen
0
2
3
2
0
0
7
ziemlich
1
1
6
14
5
0
27
fröhlich
0
1
5
15
37
3
61
sehr fröhlich
0
0
0
6
15
8
29
3
5
14
38
57
11
128
Tabelle 27: Geringer Unterschied zwischen :) und :-)
Die Korrelation ist entsprechend stark.
Es zeichnete sich ebenfalls ab, dass Personen, die den Emoticons :) und :-) hohe
Werte an Fröhlichkeit attestierten, eher dazu geneigt waren, damit auch ein Lächeln
(Frage 35) auszudrücken.
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Korrelation 13_:-) * 31_:)
:-)
:-)
:)
Pearson Correlation
1
.645
Sig. (2-tailed)
.000
N
:)
**
Pearson Correlation
128
128
**
1
.645
Sig. (2-tailed)
.000
N
128
128
**. Correlation is significant at the 0.01 level (2tailed).
Tabelle 28: Starke Korrelation :-) mit :)
Den Unterschied zwischen lächeln und laut lachen machten viele Teilnehmer mit
unterschiedlichen KnK deutlich. Leute die für ein Lächeln ein ASCII Smilie
verwendeten, benutzten für ein lautes Lachen eher eine Abkürzung oder einen
onomatopíetischen Ausdruck. Eine Gegenüberstellung der Fragen 16 und 35 zeigt die
Präferenzen auf:
Kreuztabelle v16 * v35
Anzahl
v35
:-)
v16
Total
hehe
*lächel*
*g*
lol
Total
:)
:-D
4
7
0
2
0
13
26
*lautlach*
1
1
2
0
0
0
4
:-)
0
0
0
0
0
1
1
LOL
8
17
2
9
1
23
60
Hahaha!
5
13
0
2
0
17
37
18
38
4
13
1
54
128
Tabelle 29: Unterschiede beim Ausdrücken von Lächeln und Lachen
Rote Zahlen: 23 Personen wählten für das laute Lachen die Abkürzung lol, für das
kleine Lächeln jedoch das Minimalsmilie :). 17 Personen wählten für das Lächeln das
Minimalsmilie, für das laute Lachen hingegen das lautmalerische „Hahaha!“.
Ebenfalls 17 Personen lachten mit „LOL“ und lächelten mit „hehe“.
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Blaue Zahlen: Jeweils 13 Personen nutzten für beide Ausdrucksarten eine KnK aus
derselben Kategorie: onomatopíetischer Ausdruck oder graphostylistisches Smilie.
Eine Person unterschied sogar anhand der Gross-Kleinschreibung zwischen laut
lachen (LOL) und lächeln (lol). Hier ist offenbar nicht mehr
die ursprüngliche
Aussage der Abkürzung funktionsbestimmend (laughing out loud). Vielmehr scheint
der Ausdruck „lol“ schon ein eigenständiges Zeichen zu sein, das mittels
Grossschreibung verstärkt oder Kleinschreibung abgeschwächt werden kann.
6.2.6. Kommunikative Kompetenz
Der unter 5.1. erläuterte Score für Kommunikative Kompetenz kann nun
herangezogen werden, um mögliche Zusammenhänge zwischen der angenommenen
kommunikativen Kompetenz eines Probanden und seinen Antworten aufzudecken.
Eine erste Kontrolle des Score bietet sich mit Frage 34 an. Darin wurde gefragt, wie
leicht verständlich KnK für den Teilnehmer seien. Tatsächlich stellte sich heraus, dass
Personen, die einen höheren Score haben, auch öfter der Ansicht waren, KnK seien
leicht verständlich.
Korrelation Verbale Kompetenz * v34
Verbale
Kompetenz
Verbale Kompetenz
Pearson Correlation
v34
1
Sig. (2-tailed)
N
v34
.213
*
.016
128
128
*
1
Pearson Correlation
.213
Sig. (2-tailed)
.016
N
128
128
*. Correlation is significant at the 0.05 level (2-tailed).
Tabelle 30: Korrelation zwischen kommunikativer Kompetenz und empfundener
Verständlichkeit
Die Korrelation bleibt auch erhalten, wenn die Variable Verbale Kompetenz in eine
binäre Variable (score_mod) umgewandelt wird, die misst, ob ein Proband oberhalb
oder unterhalb des Mittelwertes (11.38) liegt.
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Korrelation score_mod * v34
v34
v34
score_mod
Pearson Correlation
1
.180
Sig. (2-tailed)
.042
N
score_mod
*
128
128
*
1
Pearson Correlation
.180
Sig. (2-tailed)
.042
N
128
128
*. Correlation is significant at the 0.05 level (2-tailed).
Tabelle 31: Erhaltene Korrelation mit dichotomem Score
Weitere Tests mit dem Score für kommunikative Kompetenz ergaben allerdings keine
signifikanten Zusammenhänge mehr. Zwar haben die Frauen einen leicht höheren
Score als die Männer, durch die kleine Zahl Frauen lassen sich aber erneut keine
zweifelsfreien Aussagen machen.
Kreuztabelle score_mod * Geschlecht
Anzahl
Geschlecht
männlich
score_mod
Total
weiblich
unter ø
62
9
71
über ø
47
10
57
109
19
128
Total
Tabelle 32: Leichte Scorevorteile der Frauen
Ein Zusammenhang zwischen Score und der Beantwortung der zeichenspezifischen
Fragen konnte nicht bewiesen werden.
6.2.7. Verständlichkeit von Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation
Bei der der Auswertung der Fragen, die sich um sprachabgeleitete KnKs drehten,
zeigte sich primär, dass die Verständlichkeit dieser Zeichen davon abhängt, wie
vertraut eine Person mit den jeweiligen Zeichen ist. Neben dem bereits erwähnten
vermuteten Zusammenhang zwischen sprachlichen Kenntnissen und dem Verständnis
von Abkürzungen, zeigt eine Kreuztabelle der Fragen 27 und 29 vor allem eines:
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Personen die keinen Gebrauch von Inflektivwendungen machen, wissen auch nicht,
wie diese interpretiert werden sollen. Frage 27 fragte nach der Frequenz der
Verwendung von Inflektiven/Erikativen, Frage 29 suchte nach der richtigen Antwort
auf die Frage was *duck* am Ende eines Satzes bedeute. Die naheliegende, aber nicht
ganz richtige Antwort, es könnte sich um ein Ducken vor dem fliegenden Computer
handeln65, wurde mit Abstand am meisten von Personen genannt, die selten oder nie
Inflektivwendungen verwenden (rot). Damit stärkt sich die Vermutung, dass im
Umgang mit KnKs, die nicht auf Gesichtssprache basieren, nur Übung die
Verständlichkeit erhöhen kann, es sich also um ein erlerntes Verhalten handelt, dessen
Codepool
zwischen
zwei
Interaktionspartnern
nicht
selbstverständlich
übereinstimmen muss.
Kreuztabelle v27 * v29
Anzahl
v29
v27
Total
computer-
sich
fliegender
anweisung
ducken
disney
computer
weiss nicht
Total
oft
0
14
0
3
0
17
manchmal
0
20
0
2
1
23
selten
1
31
1
8
1
42
nie
1
33
0
10
2
46
2
98
1
23
4
128
Tabelle 33: Vertrautheit mit Inflektivwendungen als Faktor bei der Interpretation
Interessant ist auch der Vergleich der Antworten der Frage 27 und 35. In Frage 35
wurde danach gefragt, wie die Person am ehesten ein Lächeln übermitteln würde.
Tatsächlich antworteten Personen, die angaben niemals Inflektive zu verwenden,
mehrheitlich mit „hehe“, einem onomatopíetischen Ausdruck, der näher an der
nonverbalen Kommunikation im Face-to-Face Gespräch liegt, als die übertragene
Form des Inflektivs, der an eine Wortbedeutung gekoppelt ist. Überhaupt scheinen
Personen, die keinen oder selten Gebrauch von Inflektiven machen, mehrheitlich
KnKs vorzuziehen, die mehr oder weniger direkt einen der fünf Sinne ansprechen, sei
65
Siehe Anhang bzw. Abschnitt 6.1.29. für den genauen Wortlaut der Frage.
66
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das das Gehör mit „hehe“ oder das Auge mit „:)“ (blau).
Kreuztabelle v27 * v35
Anzahl
v35
:-)
v27
hehe
*lächel*
*g*
lol
Total
:)
oft
3
3
2
2
0
7
17
manchmal
2
6
2
6
0
7
23
selten
7
9
0
4
1
21
42
nie
6
20
0
1
0
19
46
18
38
4
13
1
54
128
Total
Tabelle 34: Präferenz von visuellen oder lautmalerischen Kompensationen
Diese Hypothese, dass Kompensationen des Kanals Gesichtssprache (face and eye
behavior) eher verstanden werden, als die komplexeren Kompensationen anderer
Kanäle, wird auch durch die Tatsache gestützt, wie hoch die allgemeine
Erkennungsarte gesichtssprachlicher KnK ist.
In Frage 18 liegt die durchschnittliche Erkennungsrate aller sechs Teilfragen bei
79.5%. Rechnet man die naheliegenden und zweitmeist genannten Antworten von
18U3 und 18U4 ebenfalls noch ein, liegt die durchschnittliche Erkennungsrate gar bei
über 89% für die visuellen Kompensationen des nonverbalen Kommunikationskanals
Gesichtssprache.
Im Vergleich dazu, liegt die durchschnittliche Erkennungsrate der onomatopíetischen
Ausdrücke der Frage 36 bei lediglich 68.2%.
Sehr hoch liegt allerdings auch die Erkennungsrate der vier weitverbreitetsten
Akronyme lol, afk, brb und rofl in Frage 19. Ihre durchschnittliche Erkennungsrate
liegt bei über 88%. Hier kann man davon ausgehen, dass die Tatsache, dass alle
Befragten regelmässige Internetnutzer waren, wesentlich dazu beigetragen hat, dass
diese vier Begriffe so gut erkannt wurden. Zu bedenken ist aber auch, dass der
Insidercode „kek“ lediglich zu 15.6% erkannt wurde und die nicht existierende
Abkürzung „jghz“ zu 14.8% falsch erkannt wurde.
Ohne Vorwissen sind Emoticons vermutlich einfacher zu verstehen, als Akronyme,
zumal sie nicht an eine Sprache gebunden sind. Sind die Akronyme aber erst bekannt,
sind sie äusserst zuverlässige Mittel, nonverbale oder metakommunikative
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Nachrichten zu übermitteln.
6.2.8. Interpunktionsbasierte Kompensationen nonverbaler Kommunikation
Die Kreuztabellen der Fragen 20 * 26, 22 * 24 und 23 * 25 ergaben keine
nennenswerten
Zusammenhänge.
Es
scheint,
dass
die
Funktion
der
„zweckentfremdeten“ Interpunktionszeichen ! bzw. !!!, ??? und ... vor allem vom
Kontext bestimmt wird. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Zeichen daher
bestenfalls als Ergänzung für einen bereits verständlich geschriebenen Satz, also eine
Mitteilung auf verbaler Ebene, dienen kann, in sich selber aber keine Bedeutung hat,
die eindeutig zugeordnet werden könnte. So kann ??? in einem Satz als
Frageverstärker auftreten, in einem anderen aber als Zeichen von Unklarheit
eingesetzt werden. In den drei erwähnten Kreuztabellen ergaben sich keine
erkennbaren Muster in den Antworten. Nicht einmal die Punkte „positive
Verstärkung“, die in beiden Fragen als Antworten vorgegeben waren, überschnitten
sich in den Antworten deutlich.
Auch ein Vergleich der Antworten von Frage 20 und der binären Variable
„score_mod“, die die Probanden anhand ihres kommunikativen Kompetenzscores in
zwei Gruppen teilt, ergab keine erkennbaren Muster. Wäre man auf der Suche nach
einem
allgemeinverständlichen
Code
für
die
Transskription
nonverbaler
Zeichengebung in die computerbasierten Medien, wären die von der Interpunktion
abgeleiteten Zeichen keine Hilfe.
Die relative Deutlichkeit, mit der die Zeichen innerhalb der Fragen (im Gegensatz zu
frageübergreifend) beantwortet wurden66, lässt aber zumindest darauf schliessen, dass
sich mit ihnen ein Kontext verdeutlichen lässt. Sie eignen sich also zumindest zur
Regulierung und Unterstützung der Kommunikation. Das grösste Problem dürfte hier
das Phänomen der Abstumpfung darstellen. In gewissen Kreisen werden
Interpunktionszeichen dermassen inflationär verwendet, dass sie von erfahreneren
Usern gar nicht mehr beachtet werden. Damit entfällt dann auch die ohnehin schon
kontextabhängige Funktion gänzlich.
66
Siehe Abschnitt 6.1. ff
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7. Erkenntnisse
7.1 Zusammenfassung
Die
Lizenziatsarbeit
mit
dem
Arbeitstitel
„Kompensation
nonverbaler
Kommunikationskanäle in der computervermittelten Kommunikation“ sollte anhand
bestehender Literatur zum Thema nonverbale Kommunikation einen Fragebogen
ausarbeiten und anhand der quantitativen Auswertung desselben Rückschlüsse
ermöglichen, welche Kompensationsformen, die in der CMC anzutreffen sind,
besonders geeignet sind, ihre Rolle zuverlässig zu erfüllen. Dazu wurden eine Reihe
von Hypothesen aufgestellt, die – ausgehend vom aktuellen Stand der Forschung –
erleichtern sollten, die möglichen Fragestellungen auf ein für eine solche Arbeit
geeignetes Mass zu reduzieren.
Aufgrund der kleinen Stichprobe und des begrenzten Kreises, in dem die Umfrage
durchgeführt wurde, lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Es lassen
sich aber Trends aufzeigen und die Deutlichkeit einiger Resultate lässt vermuten, dass
ähnliche Ergebnisse auch in einer anderen Stichprobe erzielt werden könnten.
Es hat sich ferner gezeigt, dass alle computergstützten Medien irgend eine Form der
Kompensation nonverbaler Zeichengebung kennen und dass diese von den Nutzern
privat und auch beruflich rege eingesetzt werden. Bei der Interpretation/Rezeption
dieser Kompensationsformen spielen eine Reihe von Faktoren mit. Dazu gehören die
Vertrautheit mit dem Codesystem, sozialisierte Verhaltensweisen, sprachliche
Kenntnisse,
persönliche
geschlechtsspezifische
Präferenzen
Merkmale.
und
vermutlich
Nonverbale
auch
kulturelle
Kommunikation
in
und
der
computervermittelten Kommunikation ist ein komplexes Gebilde, das trotz der
scheinbaren Rudimentarität seiner Codepools und seiner starken Kanalrestriktion eine
grosse Vielfalt entwickelt hat, die bei weitem noch nicht vollständig erschlossen
wurde.
Diese Arbeit hat gezeigt, dass visuelle Kompensationsformen des Kanals Mimik
(Emoticons),
schriftliche Kompensationsformen
des Kanals
Vocalics,
bzw.
Parasprachlichkeit (Onomatopíesis) und bekannte Akronyme aus der Schriftsprache
für Metakommunikation innerhalb der Stichprobe eine hohe Erkennungsrate
aufwiesen.
Damit
konnte einmal
mehr
gezeigt
werden,
dass nonverbale
Kommunikation auch in der computervermittelten Kommunikation nicht nur existiert,
69
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sondern auch existentiell ist. Die Hypothesen dieser Arbeit werden im Folgenden
nocheinmal aufgegriffen und reflektiert.
7.1.1. Die Hypothese „Gibt es einen geschlechterspezifischen Unterschied beim
Codieren
und
Decodieren
der
nonverbalen
Signale
auch
in
der
Internetkommunikation?“ konnte zwar nicht zweifellos bestätigt werden, die
Resultate der Umfrage deuten aber zumindest darauf hin, dass es gewisse
geschlechterspezifische Präferenzen geben könnte, welche KnK angewandt werden.
Besonders KnK, die auch die Kompensation in Kanälen ermöglichen, in denen es
sonst nicht möglich ist zu kommunizieren (Space, Environment, Touch), scheinen bei
den weiblichen Befragten beliebter zu sein, als bei den männlichen Teilnehmern der
Studie. Eine grösser angelegte Studie könnte hier vermutlich weitere Erkenntnisse
liefern.
7.1.2. Die Hypothese „Welche Signale lassen sich generell reliabler codieren und
decodieren, welche Signale sind kaum codierbar?“ lässt sich, nach den Ergebnissen
dieser Studie, mit einiger Wahrscheinlichkeit bestätigen. Tatsächlich scheinen KnK
aus dem Bereich der Gesichtssprache (insbesondere Mimik), die sich relativ direkt auf
ein Medium der CMC übertragen lassen, einfacher codieren und auch decodieren zu
lassen,
als
nonverbale
Kommunikation
aus
anderen
Kanälen.
Die
hohe
Erkennungsrate und auch die richtige Anwendung der Emoticons :-) und ;-) zeigt dies
deutlich. Nicht aussschliessbar ist im Rahmen dieser Studie allerdings der Einfluss
des Bekanntheitsgrades solcher Zeichen/Codes. Dies könnte beispielsweise in einem
Laborexperiment mit Personen, die bisher keinen Kontakt mit computergestützten
Medien hatten, untersucht werden. Klar ist, dass so gut wie alle KnK ursprünglich als
Insidercodes in Umlauf gebracht wurden und von dort aus mit der Zeit ein immer
grösseres Publikum ansprachen. Das lässt sich gut am Beispiel von „kek“ in Frage
19U3 zeigen, das fast nur von Personen erkannt wurde, die das Spiel, in dem dieser
Begriff geprägt wurde, auch gespielt haben dürften. Das sehr populäre „lol“ aus Frage
19 hingegen ist mittlerweile so verbreitet, dass nicht nur 95% der Befragten das
Zeichen richtig erkannten, man hört es mittlerweile sogar umgangssprachlich auf der
Strasse. Der Bekanntheitsgrad einer KnK trägt also sicherlich auch zum Erfolg im
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Umgang damit bei. Insofern weisen KnK hier eine Ähnlichkeit mit anderen
Codesystemen auf, die erst erlernt werden müssen; allen voran Sprachen.67
7.1.3. Die nahe an der vorhergehenden Hypothese liegende Frage danach „welche
Kanäle nonverbaler Zeichengebung sich am besten, welche am schlechtesten
kompensieren lassen“ liess sich ebenfalls dahingehend bestätigen, dass optische
Kanäle einfacher kompensierbar sind, als die Kanäle aller anderen Sinne. Das liegt
zweifellos auch daran, dass das Internet als Ausgangspunkt vieler computergestützter
Medien ein primär visuelles Instrument ist. Es zeigte sich aber auch, dass die
Übertragung von Sprache auf dem Vormarsch ist und möglicherweise ältere
Internetmedien wie den Textchat auch in Zukunft weiter verdrängen wird. Am
schlechtesten kompensierbar sind nachwievor nonverbale Kanäle, die auf der
physischen Präsenz des Kommunikationspartners beruhen. Space, Environment,
Touch und Physical appearance lassen sich mehrheitlich nur simulieren oder gar nicht
kompensieren. Während Videoübertragung immerhin schon das Vermitteln der
körperlichen Erscheinung möglich macht, werden sich die Kanäle Space und
Environment vermutlich nie vollständig übertragen lassen. Erste Bemühungen
Berührung über Distanz zu ermöglichen sind hingegen schon im Gang.68
7.1.4. „Gibt es Unterschiede bei der Internetkommunikation zwischen verschiedenen
Kulturen?“ Diese Frage muss in dieser Arbeit erwartungsgemäss unbeantwortet
gelassen werden. Zwar gibt es tatsächlich verschiedene Kompensationssysteme für
nonverbale Kommunikation, beispielsweise für Gesichtssprache, die in Asien anders
kompensiert wird, als im Westen. Mehr als eine geringfügig schlechtere Bewertung
des asiatischen Smilie ^_^ gegenüber den westlichen Varianten, konnte aber in die
vorliegenden Arbeit nicht nachgewiesen werden. Es bestehen aber Anzeichen dafür,
dass sich auch diese unterschiedlichen Zeichensysteme im Zuge der Globalisierung,
die das Internet geradezu verkörpert, bereits vermischen. Eine gezielte Studie mit
grösserer kultureller Diversität in der Stichprobe könnte hier vermutlich den Beweis
erbringen.
67
Aschwanden ordnet die „Chatsprache“ linguistisch zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit ein.
(ASCHWANDEN, B., 2001)
68
Vgl. LUO, 2005.
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7.1.5. Die Frage „Welche Kompensationsformen werden am einheitlichsten
interpretiert/am besten verstanden?“ muss relativiert beantwortet werden. Die
Ergebnisse der Umfrage zeigten einerseits, dass Inflektivwendungen offenbar
gegenüber den Emoticons eher geringere Beliebtheit aufweisen, andererseits sind
onomatopíetische Ausdrücke und Abkürzungen sehr beliebt und auch sehr einheitlich
erkannt
worden.
Problematisch
sind
hingegen
die
Verwendung
von
Interpunktionszeichen, die, wie die Ergebnisse zeigen, sehr stark kontextabhängig
sind und daher von sich aus keine Bedeutung haben. Das bringt mit sich, dass
Interpunktionszeichen zwar scheinbar die Möglichkeit bieten, eine Aussage nonverbal
in eine intendierte Richtung zu steuern, ob diese Richtung dann aber auch die
gewünschte ist, hängt vor allem auch davon ab, wie die verbale Aussage interpretiert
wurde. So dreht sich der Sachverhalt im Kreis und es ist nicht klar, welcher Teil der
Gesamtaussage letztlich den grösseren Einfluss auf die richtige Interpretation hat.
Was als Erkenntnis dieser Umfrage im Hinblick auf die fünfte Hypothese
mitgenommen werden kann, ist dass onomatopíetische Ausdrücke, die sich vor allem
als Kompensationen parasprachlicher Phänomene anbieten, beliebt sind und gut
decodiert werden können. Sie bieten damit eine Alternative oder Ergänzung für die
Emoticons.
7.1.6. Dass „Personen mit guten verbalen Sprachskills einen Vorteil beim Codieren
und Decodieren von nonverbalen Kompensationsformen in der CMC haben“, liess
sich nicht nachweisen. Personen mit einem hohem Score beantworteten die Fragen
nicht richtiger als Personen mit einem tiefen Score. Das mag einerseits an dem
erwähnten Einfluss des Bekanntheitsgrads von KnK liegen, könnte aber auch
dahingehend interpretiert werden, dass verbale Skills auch bei der kompensierten
nonverbalen Kommunikation einen geringen oder keinen Einfluss haben. Auch dies
liesse sich vermutlich mittels Laborexperimenten ergründen, die beispielsweise mit
sprachlich behinderten Menschen durchgeführt würden. Das verliesse dann allerdings
den Rahmen der Kommunikationswissenschaft.
7.2. Ausblick
Die vorliegende Arbeit hat vor allem eines gezeigt: Wie viele Facetten die nonverbale
Kommunikation auch dann noch hat, wenn sie nicht mehr auf herkömmlichem Weg
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stattfinden kann. Kompensationsformen haben sich entwickelt und entwickeln sich
auch immer weiter und immer wieder neu. Der Umgang mit ihnen ist ein Lernprozess
und es gibt scheinbar kein universales Mittel, mit dem sich Missverständnisse in der
computervermittelten Kommunikation verhindern liessen – genausowenig wie es dies
im Face-to-Face Gespräch gibt. Der einfachste Weg, möglichst reibungslos zu
kommunizieren, besteht darin seinen Kommunikationspartner möglichst gut
einschätzen zu können.
Nebst der Beantwortung einiger Fragen, hat diese Arbeit auch neue Fragen
aufgeworfen, die in einer weitergehenden Studie möglicherweise beantwortet werden
könnten. Hinweise auf geschlechter- und kulturspezifische Unterschiede in der
Kompensation nonverbaler Kommunikation sind vorhanden. Es wäre interessant,
diesen Hinweisen nachzugehen. Interessant wäre auch, zu ergründen, wie stark die
vorgestellten Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation erlernt sind. Man
darf
auf
weitere
Untersuchungen
in
diesem
relativ
jungen
Gebiet
der
Kommunikationswissenschaft gespannt sein. Eine gewisse Interdisziplinarität mit den
Wissenschaftsbereichen Psychologie und Linguistik könnte dabei eine fruchtbare
Ergänzung sein.
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8. Glossar
Avatar:
Eine Platzhalterfigur, die eine reale Person in einer virtuellen Welt
vertreten soll.
CMC:
Computer
Mediated
Communication,
computervermittelte
Kommunikation
F2F:
Face-to-Face, von Angesicht zu Angesicht.
HTML:
Abkürzung für Hypertext Markup Language. Die ursprüngliche
Skriptsprache, auf der das WWW basiert.
IM:
Instant
Messaging
oder
Instant
Messenger.
Textbasiertes
Chatsystem, das das sofortige übermitteln von Text zulässt.
Internet:
Die technische Infrastruktur Internet umfasst neben dem WWW
auch
noch
eine
Vielfalt
anderer
Kommunikations
und
Informationsplattformen.
KnK:
Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation
MMORPG:
Massively Multiplayer Online Role Playing Game: Rollenspiel in
dem Tausende von Nutzern gleichzeitig in einer virtuellen
Onlinewelt zusammenspielen können.
MUD:
Multi User Dungeon. Ein textbasiertes Rollenspiel, das den
Prinzipien der herkömmlichen Paper & Pencil Rollenspielen folgt.
nK
nonverbale Kommunikation
P2P:
Peer-to-Peer: Kommunikationsform, die von Nutzer zu Nutzer geht,
ohne dabei über einen zentralen Server geleitet werden zu müssen.
WWW:
Abkürzung für World Wide Web. Das auf Websites basierte
Informationsnetz des Internets.
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Ehrenwörtliche Erklärung
Hiermit bestätige ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als
die angegebenen Quellen verwendet habe. Passagen, die sich auf verwendete Quellen
beziehen, sind als solche gekennzeichnet.
Liebefeld, den ........................................................ 2008
...................................................................
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