Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 1. Einleitung Nonverbale Kommunikation ist ein zentrales Element zwischenmenschlicher Interaktion. Wenn wir miteinander sprechen, übertragen wir einen Grossteil der Information via nonverbale Kommunikationskanäle. Mimik, Nähe, Stimme, Modulation, Haptik, Körperhaltung etc. tragen alle zur Verständigung bei, unterstützen die oder widersprechen den Aussagen, die wir auf verbaler Ebene machen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass gemeinhin gilt, ein persönliches Gespräch von Angesicht zu Angesicht lasse sich durch nichts ersetzen. Das Internet mit all seinen neuen Kommunikationsmöglichkeiten zwingt uns aber tagtäglich, andere Interaktionsformen zu wählen als das persönliche face-to-face Gespräch. E-Mail, Chat, Diskussionsforen, Computerspiele, Instant Messengers und viele weitere Medien im Zusammenhang mit dem Internet haben in weniger als einem Jahrzehnt die grosse Welt zu einem kleinen Dorf schrumpfen lassen. Wer sich aber regelmässig im Internet bewegt und sich mit anderen Menschen austauscht, wird schnell merken, wie schwierig es ist, mit dem neuen Medium umzugehen. Nirgendwo sonst entstehen scheinbar so schnell so grundlegende Missverständnisse wie in einem textbasierten Kommunikationssystem. Woran mag das liegen? Ziel der dieser Arbeit ist es, die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten des Internets nach ihrem Potential zur Übertragung nonverbaler Informationsinhalte zu untersuchen. Weiter wird die Leistungsfähigkeit dieser Möglichkeiten untersucht, der Annahme folgend, dass das Internet, bzw. seine Nutzer, Möglichkeiten gefunden haben, die Abwesenheit der nonverbalen Kommunikationskanäle zumindest teilweise zu kompensieren.1 Dabei haben unterschiedliche Medien verschiedene Wege eingeschlagen. Welche das sind, wird ebenfalls dargelegt. 1 Giese meint dazu: „Some of the adaptations that have occurred to compensate for this lack of expression include the reconfiguration of typographical symbols in particular ways and the use of new textual conventions to replace some of the expression that is lost with the absence of physical proximity. These new conventions are still a far cry from the rich repertoire available to people who communicate face-to-face.“ Vgl. GIESE, M.: Self Without Body: Textual Self-Represenatation in an Electronic Community. In: First Monday, Issue 3, Vol. 4, 1998, S. 2 http://www.firstmonday.dk/issues/issue3_4/giese/index.html 1 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 1.1. Motivation Nonverbale Kommunikation hat in unserem Alltag einen sehr hohen Stellenwert. Oftmals unbewusst steuert und verändert sie unser Verhalten anderen Menschen gegenüber. Studien haben immer wieder gezeigt, dass tatsächlich ein Grossteil unserer Mitteilungsleistung in der Face-to-Face Kommunikation über nonverbale Kanäle erbracht wird. Die Rede ist von 60% und mehr. Burgoon spricht gar von 93% nonverbalem Mitteilungsanteil.2 Wie Finnegan3 aber richtig festhält, implizieren solche Studien durch die Aufteilung in verbale und nonverbale Kommunikation, dass nonverbale Kommunikation etwas eigenes, separates ist. Tatsächlich tauchen aber in einer face-to-face Situation beide stets gleichzeitig auf, sie sind gewissermassen untrennbar. Bei der Kommunikation über Distanz mittels elektronischer Medien oder herkömmlicher Massenmedien, erzwingt die Kanalrestriktion aber wirklich eine Trennung von nonverbaler (unübermittelbarer) und verbaler (übermittelbarer) Information. Dies gilt insbesondere auch für die überwiegende Mehrheit an Kommunikationsformen über das Internet. Wie gross der Einfluss der nonverbalen Kommunikation auch im Internet ist, ist bisher wenig untersucht. Durch den langjährigen Gebrauch des Internets hat der Autor, wie wahrscheinlich viele andere Menschen auch, festgestellt, dass nonverbale Kommunikation auch dann auf unser Verhalten einen Einfluss haben kann, wenn sie begrenzt ist oder gar nicht stattfinden kann. Trotzdem deuten wir dieses Fehlen nonverbaler Signale oft als bewusstes Handeln unseres Interaktionspartners. Das hat zur Folge, dass bei der Verständigung über die verschiedenen Medien des Internets oft Probleme auftreten, die durch regulierende oder steuernde Funktionen der nonverbalen Zeichengebung in einem Face-to-face Gespräch hätten verhindert werden können. Deshalb ist es interessant, der Problematik der nonverbalen Kommunikation im Internet nachzugehen. Aufschlussreich ist auch, das Verhalten der Nutzer in den verschiedenen interaktiven Medien im Internet nach den Methoden zu untersuchen, die sie wählen, um die Abwesenheit des Nonverbalen zu kompensieren. Besonders bekannt sind vermutlich 2 Vgl. BURGOON, Judee K.: Nonverbal Signals, in: KNAPP, M.L.; MILLER, G.R. (Hrsg.): Handbook of interpersonal Communication, Thousand Oaks, 1994, S. 234-235. 3 Vgl. FINNEGAN, Ruth: Communicating – The multiple Modes of human Interconnection, New York, 2002 S. 37 2 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 die Smilies oder Emoticons. Damit ist aber die Kompensation noch lange nicht am Ende. Viele weitere Techniken haben sich herauskristallisiert, die letztich nur deshalb benötigt werden, weil natürliche nonverbale und parasprachliche Kommunikationskanäle im Internet nicht zugänglich sind. Wie effektiv diese Kompensationen tatsächlich funktionieren, soll in dieser Arbeit mittels einer empirischen Studie ermittelt werden. 2. Nonverbale Kommunikation 2.1. Eingrenzung des Begriffs Richmond und McCroskey4 unterscheiden „nonverbal behavior“ und „nonverbal communication“5. Nonverbal behavior, also nonverbales Verhalten findet ihnen zufolge praktisch immer statt, zur nonverbalen Kommunikation kommt es aber erst, wenn ein Rezipient das nonverbale Verhalten des Senders empfängt und interpretiert, also eine „message“, eine Nachricht übermittelt wird, selbst wenn dies vom Sender nicht mit Absicht geschieht. Damit es zu Verständigung kommen kann, müssen aber beide Interaktionspartner, der Encoder und der Decoder ein gemeinsames bzw. überlappendes Zeichensystem haben, ansonsten kommt es zwangsläufig zu Missverständnisen.6 Ein populäres Beispiel hierfür wäre wohl das Missverständis zwischen Katze und Hund, deren Schwanzbewegung und Lautgebung sich anscheinend nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen lassen. Was für McCroskey nonverbal communication ist, ob beabsichtigt oder nicht, unterscheiden Ekman und Friesen7 ebenfalls in zwei Kategorien. Der „informative act“ ist nonverbale Kommunikation, die seitens des Senders/Encoders unbeabsichtigt ist, durch den Empfänger/Decoder aber interpretiert wird und somit zu einer Nachricht wird. Der „communicative act“ schliesslich ist die beabsichtigte nonverbale Kommunikation, mit der der Encoder bewusst und beabsichtigt ein Zeichen von sich gibt, mit der Absicht dem Decoder eine Nachricht zu übermitteln. 4 RICHMOND, V.P.; McCROSKEY, J.C.: Nonverbal Behavior in Interpersonal Relations, 5th edition, Boston, 2004 5 Vgl. RICHMOND & McCROSKEY, 2004, S. 6 ff 6 Vgl. WEINER, M.; DEVOE, S.; RUNBINOW, S.; GELLER, J.: Nonverbal behaviour and nonverbal communication, in Psychological Review 79, S. 185-214, 1972. 7 Vgl. EKMAN, P.; FRIESEN, W. V.: The repertoire of nonverbal behavior: categories, origins, usage and coding. Semiotica 1, S. 49-98, 1969. 3 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Für vorgesehene Arbeit ist nur nonverbale Kommunikation, bzw. der „communicative act“ von Interesse, geht es ja darum, herauszufinden, ob die Möglichkeiten des Internets, nonverbale Signale zu übertragen, den Anforderungen eines Rezipienten genügen können. Ein „Smilie“, das niemand sieht (oder eben liest), wird auch nicht interpretiert, überträgt also keine Nachricht und ist deshalb für eine Analyse von nonverbaler Kommunikation bedeutungslos. Zu unbeabsichtigten nonverbalen Zeichen kann es allerdings sehr oft kommen. Technische Ursachen können zum Beispiel einer Reaktionsverzögerung zugrunde liegen. Solche unfreiwilligen Pausen im Chatfluss können schnell zu Missverständnissen führen und haben vermutlich schon manche Unstimmigkeit im Internet provoziert. Das Medium Internet spielt hier den Kommunizierenden auf dem chronemischen Kanal regelmässig einen Streich. Nonverbale Kommunikation als Resultat von interpretiertem/rezipiertem nonverbalem Verhalten findet auf mehreren Kommunikationskanälen statt, oftmals sogar gleichzeitig. Richmond und McCroskey unterscheiden folgende Kategorien nonverbalen Verhaltens: - Physical Appearance - Gesture and Movement - Face and Eye Behavior (mimics, oculesics) - Vocal Behavior (vocalics) - Space (proxemics) - Touch (haptics) - Environment (u.U. olfactics) - Time (chronemics) Einige dieser Kanäle sind einfacher zu „digitalisieren“ als andere. Mit „Digitalisieren“ sei hier die Übersetzung, oder besser gesagt die Übertragung eines nonverbalen Signals, wie etwa eines Lächelns, auf einen verbalen Kanal, wie etwa der geschriebenen Sprache, gemeint.8 Der Vergleich der Ebenen analog-digital mit 8 Vgl. dazu WATZLAWICK, Paul; BEAVIN, Janet H.; JACKSON, Don D. (1974 [1967]): Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 4., unveränderte Aufl. Bern: Hans Huber. S. 61-68 4 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 nonverbal-verbal bietet sich nach der Meinung des Autors an, weisen doch „digital“ und „verbal“ die Gemeinsamkeit auf, dass sie einen höheren Abstraktionsgrad haben als analoge Signale9, bzw. nonverbale Signale, die näher am Sender liegen, bzw. von den Interaktionspartnern weniger (bewusste) Encodierungs- bzw. Decodierungsarbeit verlangen. Diese Arbeit wird vermutlich zeigen, dass sich Verhalten des Gesichts und der Augen am ehesten noch digitalisieren lassen, während Physical Appearance oder Environment nahezu unmöglich zu digitalisieren sind, ohne die intendierte (oder eben nicht-intendierte) Nachricht zu verändern.10 Im Folgenden werden nun die vorgängig erwähnten Kanäle nonverbalen Verhaltens eingehender beleuchtet. 2.2. Das körperliche Erscheinungsbild (Physical Appearance) Das körperliche Erscheinungsbild ist oftmals der erste Eindruck, den wir von einem Interaktionspartner haben. Genauer gesagt, ist der erste Eindruck, den wir durch das Erscheinungsbild haben, oft massgebend für die weitere Entwicklung der Begegnung.11 Spricht uns das Gegenüber nicht an, verzichten wir vielleicht gänzlich auf eine Interaktion und belassen es bei einem flüchtigen Blick. Die Abwesenheit dieses visuellen Kanals nonverbaler Signale, die von unserem Körper ausgehen, ist im Internet in fast allen Kommunikationsmitteln deutlich zu spüren. Für die einen ist diese „visuelle Anonymität“ ein Segen, andere vermissen vielleicht manchmal die unterstützende Funktion, die das Erscheinungsbild bei der Kommunikation haben kann. Tatsächlich lässt sich Physical Appearance bestenfalls im Videochat bzw. in der Videokonferenz adäquat wiedergeben. Anderen Kommunikationsmitteln bleibt der Kanal versperrt. Die Abwesenheit des visuellen Kanals für Physical Appearance lässt sich praktisch nicht kompensieren. Wer keine Kamera hat, kann seinen Körper nicht sprechen lassen. 9 z.B. in der Elektronik Man stelle sich z.B. vor, welcher Unterschied besteht zwischen einer Begegnung mit einem attraktiven Menschen auf der Strasse vs. der Begegnung mit einer Person, die sich im Textchat als attraktiv beschreibt. Als visuelle Lebewesen werden wir unseren Augen sofort trauen, dem Versuch den fehlenden optischen Kanal zu kompensieren, werden wir dagegen wahrscheinlich eher skeptisch gegenüberstehen. 11 Vgl. RICHMOND & McCROSKEY, 2004, S. 15 ff 10 5 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 2.3. Gestik und Bewegung (Gesture and Movement) Ähnlich sieht es auch bei dem verwandten Kanal der Gestik und der Bewegungen aus. Ohne Videokamera/Webcam lassen sich Gesten nur bruchstückhaft kompensieren. So kann man zwar im Textchat durchaus bewusste gestische Signale verbalisieren (digitalisieren), die viel zahlreicheren unbewussten Signale bleiben aber ungesehen. Da es etwas umständlich ist, im Text- oder im Audiochat oder auf einer Textseite Kompensationsversuche wie *mitderFaustaufdenTischhau* oder *vorbeug* zu schreiben bzw. zu sagen, sieht man solche Kompensationsversuche in der Praxis selten. Auch dieser Kanal entfällt in der Kommunikation im Internet also grösstenteils. Interessant sind hierzu die Feststellungen von Cohen12, der in seinem Artikel feststellt, dass Gestik oft den Weg für die eigentliche verbale Aussage im Voraus ebnet, die nonverbale Aussage also vor der verbalen steht.13 2.4. Mimik (Face and Eye Behavior, oculesics) Unser Mund arbeitet ständig14 und die Augen seien die Pforten zur Seele. Die oberen 30 Centimeter unseres Körpers sind gleichsam ein Fokussierpunkt der nonverbalen Kommunikation. Das menschliche Gesicht und alle seine Bestandteile sind zu einer grossen Zahl verschiedener Ausdrücke fähig. Neben den Augen und dem Mund spielen auch Stirn, Augenbrauen, Nase, Wangen, Kinn und nicht zuletzt die Haare eine wichtige Rolle für die nonverbale Kommunikation. Daher sollte es nicht erstaunen, dass die Nutzer des Internets vor allem für die nonverbale Kommunikation, die vom Gesicht ausgeht, eine Vielzahl von Kompensationsformen gefunden hat, deren Wirksamkeit zu untersuchen, unter anderem das Ziel dieser Arbeit sein soll. Smilies und Emoticons in textuellen Chats im Internet und in Computerspielen sind weit verbreitet. Wie einheitlich sie gedeutet werden und wie zuverlässig sie deshalb als Kompensationsform sind, sei zu untersuchen. Die schiere Quantität der bestehenden Kompensationsformen für den Kanal Mimik lässt erahnen, wie wichtig dieser für die zwischenmenschliche Verständigung ist. 12 COHEN, A.A.: The communicative functions of hand illustrators. Journal of Communication, 27, 1977, S. 54-63. 13 Was ein interessanter Ansatzpunkt sein könnte, falls sich herausstellen sollte, dass die Kompensation von Gestik im Internet nicht gut funktioniert. 14 Vgl. RICHMOND & McCROSKEY, 2004, S. 84 6 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 2.5. Stimme (Vocal Behavior, vocalics) Die Stimme ist zwar unser Mittel uns verbal zu verständigen; sie erfüllt aber beim Sprechen auch einen wichtigen nonverbalen Zweck. Tonlage, Sprechtempo, Lautstärke, Modulation, Deutlichkeit der Aussprache etc. gelten alle als wichtige nonverbale Faktoren, die die verbale Kommunikation unterstützen. Dank Sprachübertragung im Internet ist es mittlerweile in verschiendenen Fällen möglich, auch vocalics zu übertragen, ohne sie bewusst umcodieren zu müssen. Für rein textuelle Chats aber bieten sich nachwievor nur wenige Möglichkeiten, das Wegfallen der vocalics-Kanäle zu kompensieren. Die wenigen Kompensationsformen, die es gibt, basieren hauptsächlich auf graphostylistischen Variationen, wie etwa Grossschreibung oder Zeichenwiederholung.15 2.6. Raum (space, proxemics) Einer der wohl schwierigsten Aspekte der nonverbalen Kommunikation im Internet ist der Umgang mit Raum. Interaktion im Internet zeichnet sich oftmals gerade dadurch aus, dass sie sehr grosse Distanzen mit sehr geringem Aufwand überwinden kann. Selbst die modernsten Übertragungsmittel sind aber nachwievor nicht in der Lage, das Fehlen der körperlichen Präsenz zu kompensieren. (und das wird vermutlich in absehbarer Zeit auch so bleiben). Raum als Medium dürfte also für die Untersuchung der nonverbalen Kommunikation im Internet von geringem Interesse sein. Einzig in virtuellen Welten, in der sich die Interaktionspartner mittels sogenannten Avataren bewegen, bietet sich ansatzweise die Möglichkeit, sich im – virtuellen – Raum zu bewegen. 2.7. Berührung (touch, haptics) Ähnlich sieht es im Bereich der haptics aus. Auch dieser Kanal erfordert die physische Gegenwart der beiden Interaktionspartner. Da diese im Internet niemals gegeben ist, fallen die Kompensationsmöglichkeiten entsprechend gering aus. Ausser einer Umschreibung/Beschreibung, die als Kompensationsmethode für alle Kanäle bedingt in Frage kommt, lässt sich das Fehlen der haptics nicht kompensieren. 15 So wird z.B. Grossschreibung von vielen Nutzern des Internets als Schreien oder nachdrückliches Reden empfunden und ist, wenn im Übermass angewandt, ziemlich verpöhnt. 7 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 2.8. Umgebung (Environment und deren Eigenschaften) Die Ausgestaltung der Umgebung lässt sich im Internet ebenfalls nur sehr schwer beeinflussen. In gewissen virtuellen Welten, wie etwa „Second Life“, ist es zwar möglich, die Umgebung zu bestimmen und auch zu verändern, mehr als die Projektion eines virtuellen Raumes ist aber auch hier nicht möglich. Geruch, Temperaturen lassen sich nachwievor nicht übermitteln. In textuellen Chats stellt die Situation des Chats bereits die einzige Umgebung dar. Einzig der Kontext der jeweiligen Diskussionen ist variabel, eine physische Umgebung fehlt offensichtlich. Auch hier lassen sich bestenfalls Beschreibungen oder Simulationen als Ersatz heranziehen. 2.9. Zeit (chronemics) Der Faktor Zeit hingegen ist gerade im Internet ein sehr kritischer Punkt. Durch technischen Fortschritt ist es mittlerweile theoretisch möglich, mit nur noch minimalsten Verzögerungen zu kommunizieren. Verzögerungen bei einer Unterhaltung können sehr schnell zu Missverständnissen führen. Gepaart mit der Tatsache, dass andere nonverbale Kanäle im Internet nicht verfügbar sind, die beispielsweise eine Schweigephase in einer face-to-face Situation hätten überbrücken können, ein Blick, eine Geste, eine Berührung o.ä., können Schweigephasen im Internet, je nach Rezipient sehr unterschiedlich und unter Umständen auch sehr falsch verstanden werden. Hinzu kommt, dass durch den eben beschriebenen Umstand des Fehlens anderer regulierender Kanäle, die Versuchung steigen kann, einen Kommunikationsfluss willkürlich zu unterbrechen. Beispielsweise weil der eine Interaktionspartner sich vom Computer wegbewegt, um eine Tasse Kaffee zu holen. Wird dieser Umstand nicht auf verbaler Ebene erklärt, kann die entstandene Lücke im Kommunikationsfluss sehr schnell sehr unterschiedlich aufgefasst werden. 3. Kommunikation im Internet Das Internet als elektronische Plattform für eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten, in gegenseitigen Kontakt zu treten, hat sich seit der Eröffnung des World Wide Web 1992 rasant weiterentwickelt. Im Laufe der Zeit kamen nebst der Darstellung von Text mittels HTML auch neue Technologien und neue Software 8 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 hinzu, die die Möglichkeiten, über das Internet zu kommunizieren, deutlich vermehrt haben. In diesem Abschnitt soll nun eine kurze Übersicht erstellt werden, welche Kommunikationsmittel heute im Internet zur Verfügung stehen und welche Kommunikationsknanäle diese bedienen können. 3.1. Medien der computervermittelten Kommunikation 3.1.1. E-Mail Das sehr bekannte und mittlerweile auch schon alte Kommunikationsmittel E-Mail unterscheidet sich vom traditionellen Briefeschreiben vor allem dadurch, dass es aufgrund der elektronischen Verarbeitung mit sehr viel weniger Verzögerung zwischen Senden und Empfangen verbunden ist. Mit modernen E-Mail Programmen ist es auch möglich, Dateien anzuhängen, beispielsweise ein Foto. Im Kern handelt es sich aber bei E-Mail nachwievor um ein textuelles, asynchrones Medium, das von sich aus keine der acht nonverbalen Kommunikationskanäle bedient. 3.1.2. SMS (Short Message Service) und MMS (Multimedia Message Service) Diese Dienste sind zwar grundsätzlich keine auf dem Internet aufbauende Medien, theoretisch unterscheiden sie sich allerdings nur geringfügig von E-Mails. Mittels von Mobiltelefonen, Festnetztelefonen oder Computern lassen sich digitale Text- oder im Falle von MMS auch Bild-, Ton- und Videobotschaften übermitteln. Gegenüber EMail haben SMS den Vorteil, tendenziell noch die kürzere Übertragungsdauer zu haben. Dafür sind sie sehr kurz (160 Zeichen pro Nachricht). Von sich aus bedienen SMS keinen der acht Kanäle. Durch die schnelle Verarbeitungszeit könnte man aber versucht sein zu glauben, der chronemische Kanal werde bedient. Die etwas fortschrittlicheren MMS ermöglichen eine erweiterte Signalübertragung, auch von Bewegtbild. Anders als Videochats sind auch sie aber nicht synchron und lassen so höchsten die Aufzeichnung einer Nachricht auf den Kanälen physical appearance, mimics, vocalics und möglicherweise environment zu. Da das telefonieren aber einfacher, schneller und möglicherweise sogar billiger ist als das Aufzeichnen einer Videobotschaft, ist MMS kein sonderlich populärer Dienst. Interessant für die vorliegende Arbeit sind SMS, in denen sich die Kompensation nonverbaler Signale in textueller Form anbietet. 9 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 3.1.3.Diskussionsforen Eines der ältesten Kommunikationsmittel im Internet ist das Diskussionsforum oder Bulletinboard. Ähnlich wie in einer Mailbox, wie sie bereits vor der Eröffnung des WWW bestanden haben, schreiben verschiedene User zu verschiedenen Zeitpunkten Diskussionsbeiträge in eine Website, auf der die Beiträge dann von allen anderen Diskutanden eingesehen werden können. Die Nachrichtenübermittlung erfolgt also durch Text bzw., geschriebene Sprache und ist zeitlich unabhängig von den Beiträgen anderer. Ohne Kompensationsversuche lassen sich in einem Diskussionsforum keine der acht nonverbalen Kommunikationskanäle nach Richmond & McCroskey bedienen. 3.1.4. Textchats Eine Stufe weiter gehen die Textchats, die beispielsweise auf IRC (Internet Relay Chat) aufbauen können. Auch hier schreiben die Teilnehmer einer Diskussionsrunde oder eines Gesprächs ihre Beiträge in ein Fenster, wo sie dann für alle Teilnehmenden ersichtlich sind. Anders als bei einem Diskussionsforum bleiben aber die Beiträge meist nicht unbegrenzt erhalten und Kommunikation erfolgt zeitabhängig. Auf eine Frage kann unmittelbar eine Antwort folgen, man braucht nicht erst zu warten, bis der andere die neusten Beiträge abgerufen hat. Kommunikation erfolgt so schnell, wie die Verbindung und das Lese- bzw. Schreibtempo der beiden (oder mehrerer) Interaktionspartner zulässt. Textchats lassen sowohl One-to-One, als auch One-toMany und Many-to-Many Kommunikation zu. Ohne Kompensationsmittel lässt sich im Textchat lediglich der zeitliche Kommunikationskanal der nonverbalen Kommunikation bedingt bedienen. Durch den während einem Gespräch entstehenden Textfluss, lässt sich mittels Beschleunigung oder Verlangsamung des Schreibens mitunter eine Stimmung nonverbal übertragen. Allerdings können auch externe Einflüsse, wie technische Störungen oder Verhinderungen solche temporalen Veränderungen verursachen, wodurch es zu Missverständnissen kommen könnte, wenn zu stark auf den zeitlichen Kanal geachtet wird. 10 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Tabelle 1: Beispiel eines IRC chats 3.1.5. Instant Messaging Letztlich eine Weiterentwicklung des Textchats, bieten die verschiedenen Instant Messaging Services wie MSN, ICQ und AIM zwar keine grundlegend neuen Funktionen gegenüber dem Textchat. Allerdings stellen sie ein anderes Umfeld dar als letztere. Muss man einen Textchat meist extra aufsuchen, zum Beispiel um einen Freund da anzutreffen, fällt dies mit Instant Messaging leichter, weil der Freund automatisch in einer Liste aufgeführt wird, wenn er online ist. So kann man etwas unkomplizierter ein Gespräch beginnen. Früher waren viele IM Dienste auf One-toOne Kommunikation begrenzt (man kann aber mehrere solche Gespräche nebeneinander führen), heute lassen sie in vielen Fällen auch Konferenzschaltungen zu, also auch One-to-Many und Many-to-Many. Zwar bedienen von sich aus auch die IM Dienste höchstens den zeitlichen Kanal ohne Kompensationsversuche, anders als viele Textchats, bieten IM Dienste aber meistens bereits eingebaute Funktionen, um Emoticons zu verschicken. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass Emoticons lediglich Kompensationen nonverbaler Kommunikation sind, es erleichtert aber deren Einsatz, weil nur noch ein Knopf gedrückt werden muss. Auch die Übermittlung von Dateien ist möglich, z.B. um ein Foto zu verschicken. 11 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Tabelle 2: Beispiel eines Instant Messengers 3.1.6. Voice Chats Mit der Verbreiterung der Bandbreiten für Internetanschlüsse und der zunehmenden Rechenleistung der eingesetzten Computersysteme wurde auch die Sprachübertragung möglich. Dienste wie TeamSpeak, Ventrilo, iChat, Skype etc. lassen heute ohne grossen Aufwand zu, sowohl per Text als auch per Sprache miteinander zu kommunizieren. Das Prinzip ist dabei gleich wie bei einem Textchat oder Instant Messaging Dienst, mit dem Zusatz, dass neben Text auch Sprache übermittelt werden kann, natürlich nur sofern beide Teilnehmer über Lautsprecher und ein Mikrofon verfügen. Die Entwicklung dieser Software führte schliesslich auch zu der sogenannten Voice-over-IP16 Technologie, die heute für Schlagzeilen sorgt. Dabei geht es letztlich nur darum, dass digitalisierte Sprachdaten nicht mehr über ein eigenes Netz übertragen werden müssen, wie beim Telefonnetz, sondern dass sie durch das Internet geführt werden können. Das hat für den Nutzer vor allem massive Preisvorteile zu Folge. Dienste wie Skype oder Ja-Jah nutzen diese Technologie bereits. Telekomunternehmen weltweit sehen in VoIP die Zukunft der Telefonie. Mit Voicechat lässt sich nebst verbaler Sprache auch parasprachliche Signalgebung übertragen. Vocalics wie Tonfall, Sprechtempo etc. gehen also nicht mehr verloren. Damit haben die Voice Chats gegenüber den rein visuellen Medien den Vorteil, dass sie statt höchstens einem , bereits zwei Kanäle nonverbaler Kommunikation bedienen können: chronemics und vocalics. 16 Voice-over-IP, kurz VoIP: Sprache über das Internet Protokoll. 12 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 3.1.7. Video Chats Mit der Erfindung der digitalen Videokamera ebnete sich auch der Weg, Bilddaten über grosse Strecken digital zu übertragen. Mittels einer Webcam ist es heute problemlos möglich, fast unmittelbares Bildmaterial aus aller Welt auf den heimischen Bildschirm zu holen. Videokonferenzen sind längst keine Zukunftsmusik mehr. Durch die Übertragung von bewegten Bildern lassen sich so nun endlich auch visuelle Kanäle übertragen, die den Textchats und Voicechats verwehrt waren. So ermöglichen Video Chats nun auch die Übertragung von Mimik, Gestik, Augenbewegungen etc. Allerdings ist die Verbreitung von Videochats noch relativ gering. Zwar ist sie technisch keine grosse Herausforderung mehr. Es mag aber sein, dass viele Leute, die im Internet kommunizieren, gar kein Interesse haben, so viel von sich selber preiszugeben. Gegenüber den Voice Chats, bieten die Video Chats bereits bis zu fünf bedienbare nonverbale Kommunikationskanäle (physical appearance, gesture and movement, mimics & oculesics, vocalics, chronemics). 3.1.8. Computergames, Virtueller Raum Durch die rasante Entwicklung des Internet und der Computerwelt eröffnen sich nebst neuen Übertragungsformen auch neue Umgebungen, in denen Kommunikation im Internet stattfinden kann. Viele Computerspiele die heute auf dem Markt sind, bieten online einen Multiplayer Spielmodus an, in dem man sich mit anderen Spielern auf der ganzen Welt treffen und messen kann. Natürlich ist dabei die Kommunikation ebenfalls von grossem Stellenwert. MMORPGs17 wie beispielsweise das sehr erfolgreiche World of Warcraft, aber auch schon die wesentlich älteren MUDs18, stellen neue Kommunikationsumgebungen dar. Besonders interessant sind natürlich diejenigen, die, anders als ein MUD, nicht nur auf Text basieren, sondern, wie eben beispielsweise World of Warcraft oder Second Life, auch eine graphische Umgebung umfassen. Die Spieler treten in diesen virtuellen Welten mit Hilfe eines sogenannten Avatars auf und kommunizieren mit anderen Avataren. Die Verständigung kann dazu sowohl per einfachem Textchat vollzogen werden, als auch per Voicechat und, anders 17 Massively Multiplayer Online Role Playing Game, sprich ein Rollenspiel an dem sehr viele Spieler gleichzeitig teilnehmen können. 18 Multi User Dungeon, ein textbasiertes Rollenspielprinzip, aufbauend auf den klassischen Rollenspielen. Vgl. dazu z.B.: SCHÖNHAGEN, Philomen: Soziale Kommunikation im Internet. Zur Theorie und Systematik computervermittelter Kommunikation vor dem Hintergrund der Kommunikationsgeschichte. Bern, 2004, S. 288. 13 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 als Text- oder Voicechat alleine, bieten die Avatare auch noch eine rudimentäre Möglichkeit, auch Körpersprache anzuwenden. So kann man sich beispielsweise verbeugen, lachen, tanzen, weinen, die Hand aufstrecken, nicken, kopfschütteln und so weiter. Diese sogenannten Emotes stellen, von einer nonverbalen Sichtweise her argumentierend, eine der am weitesten fortgeschrittenen Kommunikationsformen im Internet dar. Zwar sind es nach wie vor lediglich Kompensationen, allerdings schon deutlich weniger abstrakte, als beispielsweise das blosse Beschreiben einer Handlung, wie z.B. *nicken*. Die Kompensation bleibt auf der visuellen Ebene und braucht nicht zusätzlich den Mediensprung auf die verbale Ebene zu machen. Trotzdem kommt es natürlich auch in solchen Umgebungen zu Missverständnissen. Gegenüber den Videochats erweitert der virtuelle Raum die Kanalvielfalt um den Kanal Raum (proxemics), da es Avataren möglich ist, sich einander anzunähern bzw. sich fernzuhalten. Allerdings ist natürlich ein Avatar auch nur ein Ersatz für die eigentliche Körperlichkeit eines Users, insofern muss diese Aussage mit Vorsicht genossen werden. 3.2. Kompensationen für nonverbale Kommunikation in der CMC19 3.2.1. Smilies und Emoticons Zu den ersten in Webkreisen anerkannten Methoden, nonverbale Kommunikation in der computervermittelten Kommunikation zu ermöglichen gehören die Ur-Smilies von Scott E. Fahlmann20, einem Professor für Computerwissenschaften an der Carnegie Mellon University in den USA. Recherchen im Jahr 2002 sicherten den Beweis, dass Fahlmann tatsächlich am 19. September 1982 in einem Messageboard vorgeschlagen hatte, nicht ernstgemeinte Aussagen bzw. Witze mit einem :-) zu versehen, während Ernstgemeintes, Wut oder Missfallen mit einem :-( zu versehen sei. Bis heute, mehr als 25 Jahre nach dessen Erfindung, haben diese Zeichen ihre Aussage mehr oder weniger beibehalten. Daraus heraus haben sich später viele Variationen entwickelt. Aus den recht rudimentären ASCII Gesichtern wurden mit der Ankunft von Diskussionsforen und Instant Messaging schnell auch kleine Bilder, bzw. sogar animierte Bilder, die die Interpretation zumindest für Computerneulinge 19 CMC = computer mediated communication, computervermittelte Kommunikation Die genaue Entstehungsgeschichte auf: FAHLMANN, Scott E.: Smilie Lore :-), http://www.cs.cmu.edu/~sef/sefSmiley.htm 20 14 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 vereinfachen sollten. Die Zahl der möglichen Emoticons, sowohl in Bild als auch in ASCII Ausführung ist immens. Diese Arbeit verzichtet daher darauf, einen umfassenden Überblick bieten zu wollen. Einige der wichtigsten und bekanntesten Zeichen sind: :) oder :-), für Freude, Lächeln, Ironie, Sympathie, Witz und dergleichen :( oder :-(, für Trauer, Enttäuschung, Beleidigung, Mitgefühl etc. ;) oder ;-), für ein Augenzwinkern als Zeichen für Schalk, Ironie, Sarkasmus, Zweideutigkeit etc :p, :-p oder :-P, für Zunge herausstrecken, frech sein :-|, für zusammengekniffenen Mund, als Zeichen von Gleichgültigkeit, Langeweile, Sättigung :-* für einen Kuss :-o oder :-0 für offenen Mund als Zeichen von Erstaunen, Erschrecken, Sprachlosigkeit >:-( oder >:-O als Zeichen für Stirnrunzeln, Zorn, Wut, Aufschrei, Missfallen };-) für teuflische Gedanken :D oder :-D für Lachen, grosse Freude, Begeisterung X-( für Hand vor den Kopf schlagen, Dummheit, Unglauben :-X für Schweigen, versiegelte Lippen O:-) für Unschuld, Engel, Heiligenschein 15 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Wie hier zu erkennen ist, bedienen Smilies vor allem die visuellen Kanäle der mimics und der oculesics, also der Bewegungen von Augen- und Mundpartie des Gesichts. Gestik ist weit schwerer zu übertragen, da die üblichen Zeichensysteme scheinbar nicht geeignet sind, ganze Körper darzustellen. Es gibt ein paar Ausnahmen, deren Aussagekraft und Variabilität ist aber sehr gering. ( :)-[:=^==| )21 Allerdings sind wir grade im Interpretieren von Gesichtsausdrücken sehr geübt. Insofern bedienen die Smilies zwar nur einen einzigen von Richmond & McCroskeys Kanälen, dessen Informationsgehalt ist aber vergleichsweise hoch. Graphische Emoticons unterscheiden sich von den ASCII basierten vor allem dadurch, dass sie nicht mehr auf der Seite liegen. Beispiele hierfür sind: Tabelle 3: Drei Beispiele für grafische Emoticons Eine dritte Gruppe von Emoticons bilden die Emoticons der asiatischen Stilrichtung. Anders als die westliche Richtung, die von links nach rechts geschrieben wird und infolgedessen auf der Seite liegend interpretiert werden muss, stehen die asiatischen Emoticons, wie die graphischen, bereits richtig im Text. Ein paar populäre Beispiele sind: (^_^) als Standardsmilie, amüsiert sein (0_0) für Schock, Erstaunen, aufgerissene Augen (-.-) etwas doof finden (-_-) Langeweile, genervt sein Oft werden die Zeichen auch ohne Klammern geschrieben, etwa so ^_^ oder vermehrt auch nur noch ^^. 3.2.2. Inflektive, Handlungsanweisungen, Onomatopoíesis, Erikative Die Gruppe der beschreibenden Wörter kann, entsprechend den Kanälen, die sie zu ersetzen versuchen, in zwei Gruppen geteilt werden. s 16 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Onomatopoíesis oder auch Onomatopoesie sind Worte, die Geräusche oder Laute beschreiben oder nachahmen sollen. Dazu gehören beispielsweise Worte wie quak, räusper, schnurr etc. Onomatopoíesis bedient daher den auditiven Übertragungskanal und kann bei der Adaptation der vocalics und auch des environment helfen. Zusätzlich bedient er auch noch parasprachliche Lautäusserungen, die Richmond&McCroskey nicht konkret einordnen lassen. Sogenannte Inflektive22 oder in manchen Kreisen auch Erikative23 genannt, sind Verbstämme, die eine Handlung beschreiben. Sie bieten die Möglichkeit, Gestik, Körperhaltung, Erscheinungsbild, Umwelt etc näher zu beschreiben. Beispielsweise hüpf, trötzel, tob usw. Anders als die Smilies und Emoticons können Inflektive, sowie auch Onomatopoíesis aber niemals universell sein. Sie sind immer an eine bestimmte Sprache oder Sprachgruppe gebunden, ausserhalb der sie mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht verstanden werden. So ist es zwar wahrscheinlich, dass ein onomatopoietischer Ausdruck auf Deutsch von deutschsprachigen Rezipienten sehr gut verstanden wird, ein Englisch oder Französisch sprechender Rezipient könnte aber möglicherweise bereits nichts mehr damit anfangen. In der CMC werden Inflektive und Onomatopoíesis oft in Asteriske (*) gebunden, um sie vom restlichen, verbalen, Kontext abzuheben. Das sieht dann beispielsweise so aus: *knuddel*, *lach*, *heul*. Kalinowski24 nennt diese Wortart Wurzelwörter. Aschwanden25 spricht auch von Handlungsanweisungen. Sie ordnet dieser Gruppe der Kompensationsformen drei primäre Funktionen zu. Diese sind26: 1. Kompensation der physischen Präsenz, Schaffung fiktiver Szenarien. 2. Identitätsstiftung, Kennzeichnung der Sprache als „Insidersprache“ 3. Sprachspiel: Wegen ihrer auffälligen Form mit den Verbstämmen und den 22 Vgl. TEUBER, Oliver: fasel beschreib erwähn - Der Inflektiv als Wortform des Deutschen" In: Germanistische Linguistik, Nr. 141-142. S. 7-26. 1998, erwähnt in SIEVER, Torsten: Der Ursprung von Inflektiven (sic), http://www.mediensprache.net/de/websprache/chat/inflektive/ursprung.asp , 2002 23 Angeblich nach der Übersetzerin der Donald Duck Comics im deutschen Ehapa Verlag, Erika Fuchs, benannt. 24 KALINOWSKI, U.: Emotionstransport in textuellen Chats. Braunschweig, 1999, http://www.mediensprache.net/networx/networx-12/emotionstransfer.html 25 Vgl. ASCHWANDEN, Brigitte. In: „Wär wott chätä?“ Zum Sprachverhalten deutschschweizer Chatter. Networx Nr. 24, Zürich, 2001. http://www.mediensprache.net/de/networx/docs/networx24.asp 26 Vgl. ASCHWANDEN, B., S. 47-48 17 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 infiniten Verb-Letzt-Konstruktionen sind die Handlungsbeschreibungen höchst autoreferenziell. 3.2.3. Abkürzungen, Akronyme Aus wissenschaftlicher Sicht eine oftmals missverstandene Kategorie nonverbaler Zeichengebung in der CMC bilden die Abkürzungen. Alexandra Schepelmann27 ordnet sie den Emoticons zu. Diese Einordnung ist aber fragwürdig, wenn man die Zeichen nach den Kanälen, die sie bedienen, einordnen will. Wie im Abschnitt 3.2.1. gezeigt wurde, bedienen Emoticons in allererster Linie die visuellen Kanäle der Gesichtsausdrücke. Abkürzungen hingegen beschreiben mehrheitlich Veränderungen in der Umgebung (environment), der Gestik oder Körpersprache oder des Parasprachlichen. Viele der bekanntesten Abkürzungen stammen aus dem Englischen. Ihre Universalität ist daher auch anzuzweifeln. Bekannte Beispiele sind: LOL Laughing Out Loud, laut herauslachen ROFL Rolling On the Floor Laughing, am Boden liegen vor Lachen, auch rotfl AFK Away from Keyboard, weg von der Tastatur BRB Be Right Back, bin gleich zurück Nebst diesen Abkürzungen, deren Ziel es ist, dem Gegenüber Informationen zukommen zu lassen, die im Face-to-Face Gespräch auf nonverbaler Ebene ganz selbstverständlich übertragen würden, gibt es in der CMC auch noch eine ganze Reihe anderer Abkürzungen, die fälschlicherweise auch für nonverbale Kommunikation gehalten oder nach den Auffassungen gewisser Autoren auch als Emoticons interpretiert werden könnten. Solche Abkürzungen sind Beispielsweise AFAIK, RTFM, IIRC (as far as I know, read the fucking manual, if I remember correctly). Da es sich hier um verbale Kommunikation, lediglich in abgekürzter Form handelt, sind diese Abkürzungen keine Emoticons und sollten daher nicht verwechselt werden. 27 SCHEPELMANN, Alexandra: Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat, Diplomarbeit, Wien, 2004, Abschnitt 3.2.2.6: Emoticons. http://www.univie.ac.at/linguistics/publikationen/diplomarbeit/schepelmann/Daten/index.htm 18 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 3.2.4. Interpunktionszeichen Ein weiteres wichtiges Element nonverbaler Kompensationsformen im Internet ist die Gruppe der Interpunktionszeichen. In textueller CMC werden bekannte Interpunktionszeichen oftmals anders verwendet, als die Grammatik dies vorsieht.28 Nebst der Tatsache, dass die Kommaregeln oft nicht beachtet werden, was auch schon mal zu Missverständnissen führen kann, sind es vor allem Fragezeichen, Ausrufezeichen und Punkte, die sehr oft eingesetzt werden, um nonverbale Signale zu senden. !!! kann beispielsweise als Verstärker auftreten, ! am Satzende kann Freude, Entsetzen oder Bestätigung bedeuten. In gewissen Szenen29 kann „!“ sogar als alleinstehende Aussage gelten, die etwa einem „Ja“ oder auch einem „Nein“ gleichkommen kann. Die jeweilige Bedeutung ist aus dem Kontext herauszulesen, was natürlich die Reliabilität von ! als Zeichen sehr gering hält. Jeder interpretiert das Zeichen ein bisschen anders. Im alltäglichen Gebrauch in der CMC kann aber davon ausgegangen werden, dass das Ausrufezeichen einen wichtigen Platz in der Kompensation von nonverbaler Kommunikation innehat.30 Ähnlich wichtig dürfte das Fragezeichen, oder ??? sein. Es drückt vor allem Unsicherheit aus und vermag so etwa einen verwirrten oder fragenden Gesichtsausdruck zu ersetzen. Anders als das Ausrufezeichen, tritt es ausserhalb von normalen Fragesätzen aber selten alleine auf. Die kompensatorische Funktion entsteht erst durch ein auffälliges Wiederholen des Zeichens vor oder nach einer Aussage. Ebenfalls wiederholt tritt der Punkt in der CMC auf. „...“ kann Langeweile, Frustration, Fortsetzung, Gedankenpause bzw. Sprechpause, Ironie und je nach Kontext noch eine ganze Reihe anderer Dinge bedeuten. Auch hier kommt die nonverbale Aussagekraft erst durch den Kontext und die Wiederholung des Punkts zu Stande. Klar wird das mit folgendem Beispiel: 28 Grammatik ist natürlich immer auch an eine Sprache gebunden und als solches von Sprache zu Sprache unterschiedlich. 29 So gesehen im Online Spiel „World of Warcraft“ im Jahr 2006. 30 Vgl. GAJADHAR & GREEN 2003, SCHEPELMANN 2004 19 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 „Ja, klar.“ vs. „Ja, klar...“ Die Bedeutung des zweiten Satzes ist selbst ohne gegebenen Kontext vermutlich eine andere, als die des ersten. Aschwanden erwähnt die Auslassungszeichen (...) in ihrer Arbeit mit folgendem Verdikt: „Es scheint sich im Fall der Auslassungspunkte tatsächlich um eine Imitation der sprechsprachlichen Phänomene zu handeln - also um die Imitation von Sprechpausen und von Modulationen der Intonationskurve – [...]“31 Damit wird auch deutlich, dass zumindest die Dreifachpunkte offenbar keine alleinstehende Aussage besitzen, wohl aber der Verständigung dienen können, wenn sie zusammen mit ihrem Kontext reflektiert werden und so den Kanal der vocalics mitkompensieren. 3.2.5. Weitere Zeichen Nebst den Emoticons, Akronymen, den Inflektiven bzw. Onomatopoesie und Interpunktionszeichen, spielen auch Elemente wie zeitlicher Abstand zwischen Mitteilungen, Tempo des Schreibens, Tippfehler etc. unter Umständen eine Rolle bei der nonverbalen Kommunikation in der CMC. Grade im synchronen Chat oder Instant Messaging übermitteln diese Zeichen auf dem chronemischen Kanal eine zusätzliche Information über den Schreiber, die der Rezipient interpretieren kann oder nicht richtiger- oder fälschlicherweise. 4. Theorie der nonverbalen Kommunikation in der computervermittelten Kommunikation Wie bereits gezeigt wurde, bildet die Kategorisierung des Kommunikations- bzw. Interaktionsprozesses in verschiedene Kanäle einen zentralen Aspekt dieser Arbeit. Nur so ist es überhaupt möglich, eine klare Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen von Zeichengebung vorzunehmen. Der hochkomplexe Prozess der nonverbalen Kommunikation wird dadurch etwas überschaubarer. Wie ebenfalls bereits erläutert wurde, verfügen andere CMC-Medien über verschiedene Möglichkeiten, oder anders gesagt über verschiedene Bandbreiten an Kanälen, über die kommuniziert werden kann. 31 Vgl. ASCHWANDEN, B., 2001, S. 50 20 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Die Wissenschaft im Bereich der interpersonalen Kommunikation/Interaktion geht im Normalfall gleichsam vom Idealzustand aus. Es ist dies das Face-to-Face Gespräch, in dem sich die Interaktionspartner körperlich relativ nahe sind und somit alle der acht von Richmond und McCroskey definierten Kanäle bedienen können. In der CMC ist dieser Idealzustand nicht mehr erreichbar. Weder kann auf allen nonverbalen Kanälen kommuniziert werden, noch ist es unter Umständen überhaupt möglich nonverbale und verbale Signale gleichzeitig zu übertragen, wie das im F2FGespräch meistens der Fall ist. Giese32 und Gajadhar & Green33 haben in ihren Studien gezeigt, dass das Wegfallen gewisser Kanäle und damit die Verunmöglichung, gewisse Signale zu senden oder zu empfangen, bei den Kommunikanden offenbar als Mangel erkannt wird und Techniken/Methoden gesucht werden, diese Mängel zu kompensieren, indem die Zeichengebung auf einen anderen Kanal übersetzt wird. Auch Uwe Kalinowski hält als These für seine Arbeit „Emotionstransport in textuellen Chats“34 fest: „Emotionstransfer funktioniert als Zeichensystem auf den parasprachlichen Kanälen parallel zu der gesprochenen Sprache. Diesem Zeichensystem kommt neben der Sprache ein eigener kommunikativer Stellenwert zu. Dieses gilt insbesondere im Bereich informeller Kommunikation mit einem Schwerpunkt auf der Gestaltung interpersoneller Beziehungen. Menschen haben in Kommunikationssituation einer synchronen, das Bedürfnis, informellen Emotionen 'sozialisierenden' auszudrücken (auf emotionaler Ebene zu kommunizieren). Dieses Bedürfnis wird in jedem Medium realisiert, in dem eine solche Kommunikationssituation vorliegt. Die zur Verfügung stehenden darstellerischen Möglichkeiten des Mediums werden dabei kreativ und effizient genutzt, um die für diese Kommunikationssituation benötigten emotionalen Signale zu transportieren/kommunizieren. 32 GIESE, M.: 1998 GAJADHAR, J. ; GREEN, J.: 2005 34 KALINOWSKI, U., 1999 33 21 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Wenn die parasprachlichen Kanäle der Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 klassischen Face to Face Kommunikation wegfallen, ist Emotionstransport deshalb trotzdem möglich, sogar unabdingbar nötig für das Funktionieren dieser Kommunikationssituation und wird deshalb mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Mediums realisiert. Es ist meines Erachtens nach davon auszugehen, daß eine Portierung der ‚Emotionszeichen‘ auf den verwendeten Kommunikationskanal stattfindet.“ Dieses Prinzip der Kompensation durch Adaptation ist der zweite theoretische Grundstein dieser vorliegenden Arbeit. Wie effizient diese Kompensation tatsächlich ist, wird sich zeigen. Die Arbeit von Gajadhar & Green liefert ebenfalls empirische Hinweise darüber, welche Zeichen nonverbaler Kommunikation im Internet besonders oft anzutreffen sind. Es sind dies, wenig überraschend, vor allem die einfachsten und „natürlichsten“ Techniken, Nonverbales mittels Textzeichen wiederzugeben. Dazu gehören: - Zweckentfremdete Interpunktionszeichen wie etwa: ... , !!! , ??? - Bildhafte Konstellationen von Zeichen, wie etwa: :-) , :-( - Lautmalerische Ausdrücke wie: uhmmm, ohh, mjam, grmbl, iihh, blubb - Metakommunikative Einschübe, in Abkürzungsform, wie: afk, lol, brb Allerdings ist dies nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was einem im täglichen Umgang im Internet begegnet. Für diese Arbeit wichtig ist, möglichst die vermutlich weitverbreitetsten Kompensationsformen zu wählen, um möglichst viel über die Verständlichkeit dieser Techniken zu erfahren. Diese Arbeit wird sich daher besonders mit den nach Gajadhar & Green und dem Autor meistverwendeten Zeichen beschäftigen. Der Sinn hinter diesem Auswahlprozess ist der, dass nur ein möglichst weitverbreitetes und bekanntes Zeichensystem (bzw. Code) das Potential haben kann, nahezu universell verständlich zu sein. 22 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Anders als nonverbale Kommunikation in einer F2F-Situation, ist die nK in der CMC ein erlerntes Verhalten. Man kann also nicht davon ausgehen, dass jemand, der zuvor noch nie einen Computer benutzt hat, bereits in seinem ersten Satz, den er in einem Chat schreibt, ein Smilie benutzen wird. Das gilt deshalb auch für Codes, die im Internet beispielsweise nur innerhalb einer kleinen Szene spezieller Personen gebräuchlich ist. Beispielsweise wird ein Gamer den Code „gg“ vermutlich richtig als „good game“, bzw. „bg“ als „bad game“ interpretieren können, während ein Chatter, der niemals ein Spiel online gespielt hat, das „gg“ vielleicht eher als breites Grinsen empfinden würde, in Anlehnung an das in Chats relativ gebräuchliche *g*, das für Grinsen steht. „bg“ würde der Chatter möglicherweise sogar als „big grin“ interpretieren und damit den Gamer fundamental falsch verstehen. „:-)“ hingegen müssten, der Hypothese dieser Arbeit zufolge, aber beide in etwa gleich deuten können. Paul Ekman, der sich eingehend mit der Erforschung von Emotionen beschäftigt hat, vertritt den Standpunkt, dass alle Emotionen ursprünglich eine Funktion hatten, die das Überleben vereinfachten. Er verbindet damit gleichsam die Emotionsforschung mit der darwinschen Evolutionstheorie und postuliert damit gleichzeitig, dass gewisse Grundzüge von Emotionen vermutlich sehr tief in uns Menschen, aber auch in anderen Tieren, verwurzelt sind.35 Es wäre vielleicht unvorsichtig, nur von angeborenem Verhalten zu sprechen, zumindest eine sehr starke und sehr früh beginnende Konditionierung ist aber naheliegend. Ein Kleinkind muss das Lächeln nicht erst erlernen, was aber ein Lächeln beim Gegenüber bedeutet, ist zumindest teilweise auch ein Lernprozess. Ein Bekannter - im Gespräch über die Funktion von Mimik - vermutete etwas makabrerweise, dass ein Lächeln durchaus auch als Bedrohung aufgefasst werden könnte, wenn man nur oft genug lächeln würde, bevor man zuschlägt. So handelt es sich also beim nonverbalen Kommunizieren, und dazu gehört auch das „affect display“, und der Interpretation von nonverbalen Signalen um eine Mischung aus angeborenem und sozialisiertem Verhalten. 35 Vgl. EKMAN, Paul: All Emotions Are Basic. In: EKMAN, P.; DAVIDSON R. J. (Hrsg.) The Nature of Emotion, Fundamental Questions. New York, 1994, S. 15-19. 23 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Auf der Suche nach einem möglichst leicht und über eine möglichst breite Bevölkerungsgruppe verständlichen CMC-Zeichensystem, müsste also darauf geachtet werden, die Zeichen möglichst nahe an ihren Entsprechungen in der F2FKommunikation zu halten. Das hiesse Mediensprünge36 möglichst zu vermeiden. Das ist jedoch in der CMC in praktisch allen Fällen unmöglich. Wie bereits in Kapitel drei erläutert wurde, bedienen viele CMC Medien lediglich die visuellen Kanäle. Mit wenigen Ausnahmen ist es im Internet nur möglich auf visuellem oder auditivem Weg Signale zu übertragen. Signalübertragung für Geschmacksinn, Geruch, und weitgehend auch Berührung37 ist ohne Portierung38/Adaptation nicht möglich. Für die von Richmond & McCroskey vorgestellten acht Kanäle nonverbaler Kommunikation zwingt sich folglich in den meisten Fällen ein Mediensprung auf. Dabei wird ein Signal auf einen visuellen Kanal portiert. Das rezipierende Organ ist also in der Mehrzahl der Fälle das Auge. Die Information wird anschliessend im Hirn verarbeitet und bewusst einer Bedeutung zugewiesen. Dieser bewusste Interpretationsprozess ist es, der die Rezeption zusätzlich subjektiviert, weil hier möglicherweise Erlerntes und Konditioniertes hinzukommt, das möglicherweise ohne den Mediensprung nicht von Bedeutung gewesen wäre. Besonders komplex ist die Portierung, wenn dabei auch der Sprung von nonverbalem Signal zu verbalem Signal vollzogen wird. Als Beispiel sei hier eine mögliche Situation in einem online Chat gegeben: Angenommen Teilnehmer A lächelt und möchte das seinem Interaktionspartner B mitteilen. Er hat dazu in einem Chat eine Vielzahl von Möglichkeiten: - Er kann ein Smilie oder Emoticon setzen, beispielsweise :-). Damit vollzieht er die kleinstmögliche Adaptation. Das Auge nimmt das Zeichen visuell wahr und das Hirn ordnet ihm die Bedeutung eines lachenden Gesichts zu. Die Interpretation kann nun zwar immer noch sehr vielseitig ausfallen, irgendetwas mit lächeln oder lachen wird 36 Damit ist hier der Sprung von einem Wahrnehmungssinn auf einen anderen Wahrnehmungssinn gemeint. Also beispielsweise der Sprung von Gehör auf die Augen, nicht etwa von E-Mail auf Chat. 37 Erste Experimente in Singapur zeigen Wege auf, die Berührungen möglicherweise in Zukunft mit technischen Hilfsmitteln übertragen werden können. Vgl. LUO, S.: A hug for a lonely pet across the net. In: The Straits Times, 28.11.2005, S.4., http://www.ntu.edu.sg/corpcomms2/news/ST-28.11.054%20A%20HUG%20FOR%20A%20LONELY%20PET%20ACROSS%20THE%20NET.pdf 38 KALINOWSKI, U., 1999 24 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 es aber vermutlich sein. Aschwanden fasst die Funktion von Emoticons wie folgt zusammen: „[Man kann] also folgern, dass ihnen keine eindeutige Bedeutung zukommt, dass sie aber eine wichtige, modalisierende Funktion erfüllen, die im Faceto-face-Gespräch vom Gesichtsausdruck und bestimmten Gesten, von der Stimmführung, von Lachen, von Interjektionen und auch von Abtönungspartikeln übernommen wird.“39 - Oder er kann eine Inflektivwendung40 oder eine abgekürzte Inflektivwendung oder ein Akronym wählen. Nehmen wir als Beispiel *g*. Wieder wird das Zeichen visuell wahrgenommen, muss aber nun erst noch weiterverarbeitet werden, damit erkannt werden kann, dass es sich dabei vermutlich um die Abkürzung für *grinsen* handelt. Der Sprachcode grinsen muss nun einer Bedeutung zugeordnet werden, bis schliesslich klar ist, dass A vermutlich grinst. Nebst Mediensprung, erfordert diese Signalgebung also auch noch erlernte Kenntnisse im Bereich der Sprache und der Konventionen im Internet. Im Fall von Abkürzungen, z.B. aus dem Englischen, sind sogar noch Fremdsprachenkenntnisse erforderlich. -Zuletzt kann A auch versuchen, eine Lautgebung zu adaptieren, etwa mit „hehe“, um damit anzudeuten, dass er lächelt. Auch hier findet ein Mediensprung statt, ein paraverbales, auditives Signal wird verbalisiert und visualisiert und muss folglich vom Rezipienten B auch wieder entsprechend entschlüsselt werden. Einmal als Lachen erkannt, ist die Interpretation dann aber einfach. Diese Ausführungen lassen im Hinblick auf die Hypothese vermuten, dass diejenigen Kompensationen nonverbaler Kommunikation am leichtesten verständlich sind, die möglichst wenig Aufwand bei der Rezeption erfordern, bzw. die bei der Interpretation möglichst wenig Spielraum offen lassen. 4.1. Kommunikative Kompetenz als Erfolgsfaktor Ein nicht zu vernachlässigender Kompensationsformen nonverbaler Faktor bei Kommunikation der ist Behandlung die von allgemeine 39 Vgl. ASCHWANDEN, Brigitte. 2001, S. 44 25 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 kommunikative Kompetenz. Darunter ist sowohl die Fähigkeit zu verstehen, sich verbal verständigen zu können, als auch eine gewisse Erfahrung im Management von heiklen Kommunikationssituationen. Da aber im Face-to-Face Gespräch immer verbale und nonverbale Kommunikation vermischt auftreten, spielt auch die nonverbale Kommunikationskompetenz eine Rolle. So erleichtert nonverbale Kommunikation die Interaktion mit Mitmenschen erheblich und muss daher beim Bestimmen einer kommunikativen Kompetenz mit einbezogen werden. Cohen41 spricht in dieser Hinsicht von „priming the pump“ und geht davon aus, dass nonverbale Signale oft vor den verbalen Äusserungen kommen, diese also gewissermassen einleiten. Das evolutionsgeschichtlich vermutlich ältere System der nonverbalen Kommunikation dürfte also das verbale Kommunizieren eher erleichtern als umgekehrt. Nun handelt es sich aber bei nonverbaler Kommunikation in der CMC nicht um ein angeborenes Verhalten sondern um ein erlerntes. Daher spielt bei der kommunikativen Kompetenz in der CMC vor allem auch das Vorwissen und die Erfahrung eine Rolle. Je öfter eine Person mit Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation in Berührung gekommen ist, desto höher ist vermutlich seine kommunikative Kompetenz im Rahmen der CMC. Insofern ist vorerst nicht klar, ob eine Korrelation zwischen nonverbaler und verbaler kommunikativer Kompetenz in der CMC besteht. Dies gilt es zu klären. 4.2. Forschungsstand Im Bereich der nonverbalen Kommunikation gibt es eine schier unüberschaubare Menge von Literatur aus verschiedenen Fachrichtungen, insbesondere der Psychologie, der Kommunikationswissenschaften, der Linguistik und der Pädagogik. Wie bereits eingangs erwähnt, beschäftigt sich aber die bestehende Theorie mehrheitlich mit der nK in Face-to-Face Situationen. Die Übertragung in den Bereich der computervermittelten Kommunikation ist noch sehr lückenhaft und es gibt nur wenig Literatur, die sich eingehend mit dem Thema beschäftigt. Ein paar Ausnahmen seien hier nun kurz vorgestellt:42 41 Vgl. COHEN, A.A., 1977. Eine gute Anlaufstelle für aktuelle Literatur rund um das Thema Sprache in modernen elektronischen Medien bietet die Website mediensprache.net, siehe http://www.mediensprache.net/de/websprache/chat/research/index.asp 42 26 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 - Joan Gajadhar und John Green untersuchten im Jahr 2003 das Chatverhalten von Studenten in Neuseeland. In ihrer Arbeit „The Importance of Nonverbal Elements in Online Chat43“ untersuchten sie vor allem Elemente sozialer Kommunikation in den Chattransskripten eines Studentenchats, der als Instrument für eine Art Lerngruppe eingerichtet worden war. Dabei stellten sie fest, dass sich auch unter den, wie sie sagen, chatunerfahrenen Teilnehmern, schnell ein Codesystem herauskristallisiert habe, dass von allen mehr oder weniger verstanden worden sei. Als Grund dafür steht wohl die Tatsache, dass die Studenten vornehmlich bestehende Zeichen aus der Schriftsprache in anderer Weise verwendeten, der „Lernaufwand“ sich mit dem neuen Codesystem anzufreunden also vermutlich gering war. Die beiden stellen indes fest, dass es durchaus möglich ist, ein wenig von der expressiven Vielfalt der nonverbalen Kommunikation auch in digitale Medien zu übersetzen. -Uwe Kalinowski schreibt 1999 eine linguistische Arbeit mit dem Titel „ Emotionstransport in textuellen Chats“44 und geht darin, im deutschsprachigen Raum vermutlich erstmals, auf das Problem der nonverbalen Zeichengebung in rein verbalen Medien ein. Er unterteilt die Zeichengebung in drei Kategorien: Instrumentelle motorische Reaktionen, expressive motorische Reaktionen, expressive sprachliche Reaktionen. Seine Begründung dafür ist, dass die Unterteilung in Kategorien wie Mimik, Gestik, Blickverhalten, Körperhaltung und –orientierung, Berührung und Umgang mit Raum und Zeit Kategorien aus der Face-to-Face Theorie seien und daher für CMC Medien nicht geeignet seien.45 Stattdessen zieht er die erwähnte Kategorisierung von Battacchi et al.46 vor. Er kommt in seiner Arbeit zum Schluss, dass nonverbale Kommunikation auch in der CMC vorhanden ist und ausgelebt wird, insbesondere dann, wenn es sich um informelle Kommunikation mit sozialisierenden Absichten handelt. 43 Vgl. GAJADHAR & GREEN, 2003 Vgl. KALINOWSKI, U., 1999 45 Vgl. KALINOWSKI, U., 1999, S. 7 46 BATTACCHI, M. W.; SUSLOW, T.; RENNA, M.: Emotion und Sprache. Zur Definition der Emotion und ihren Beziehungen zu kognitiven Prozessen, dem Gedächtnis und der Sprache. 2. Auflage. Frankfurt a.M., 1997. 44 27 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 -Brigitte Aschwanden untersucht 2001 ihn ihrer Arbeit „„Wär wott chätä?“ Zum Sprachverhalten deutschschweizer Chatter.“47 die Natur der Chatsprache unter Deutschschweizern. Nebst interessanten, aber für dieser Arbeit weniger relevanten linguistischen Erkenntnissen kommt sie zum Schluss dass „In keiner anderen mündlichen, dialogischen Gesprächsform der Körper in dieser absoluten Weise abwesend sei. Dies habe zur Entwicklung von chat-spezifischen Zeichen und Ausdrucksformen geführt, die die fehlende physische Präsenz nicht nur kompensieren, sondern als Anlass zum Spiel mit der Sprache und mit den Kommunikationssituationen nähmen.“48 Damit legt sie einen Grundstein für die hier vorliegende Arbeit, die eben diese Kompensationsformen untersuchen will. - Martin Städeli schliesslich stellt in seinem Aufsatz mit dem Titel „Freispruch auf Bewährung, der Fall der Emoticons„49 fest, dass die Eindeutigkeit von Emoticons eindeutig nicht gegeben sein könne. Ein simples :-) könne soziale Funktion, Emotionsausdruck, Kommentierung und Ausdruck parasprachlichen Lachens sein. Und als ob das nicht schon genug sei, könnten sich diese Funktionen auch noch überlagern. Was Städeli damit aber auch festhält ist, dass Emoticons offensichtlich eine Funktion haben. Zwar anscheinend keine eindeutige, sondern sehr stark vom Kontext abhängige, aber doch Funktionen, die beim Gegenüber etwas auslösen. Sei das nun die Gewissheit, dass es sich um einen Witz handelt, oder auch nur schon das Andeuten von Wohlwollen. Damit sei ein kleiner, exemplarischer Einblick in bestehende Literatur gegeben, die mit dem Thema dieser Arbeit zusammenhängt. 47 ASCHWANDEN, Brigitte. 2001. Vgl. ASCHWANDEN, B., 2001, S. 76 49 STÄDELI, Martin: Freispruch auf Bewährung, der Fall der Emoticons. In: „Unmitte(i)lbarkeit. Gestaltung und Lesbarkeit von Emotionen“, Schriften zur Symbolforschung, Band 15. Paul Michel (Hrsg.), Zürich, 2005. 48 28 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 4.3. Hypothesen Im Zuge der Lektüre des vorgestellten theoretischen Hintergrunds sowie einer kleinen Vorstudie, die bereits vorgenommen wurde50, ergeben sich einige Fragen, die zu beantworten interessant sein könnten. - I. Gibt es einen geschlechterspezifischen Unterschied beim Codieren und Decodieren der nonverbalen Signale auch in der Internetkommunikation?51 Annahme: Ja. - II. Welche Signale lassen sich generell reliabler codieren und decodieren, welche Signale sind kaum codierbar? Annahme: Kompensationen von mimics & oculesics gut, Rest schlecht. - III. Welche Art Kanäle nonverbaler Zeichengebung lassen sich am besten, welche am schlechtesten kompensieren? Annahme: Visuelle besser, alle anderen sehr viel schlechter.52 - IV. Gibt es Unterschiede bei der Internetkommunikation zwischen verschiedenen Kulturen?53 Annahme: Ja, dürfte aber durch den kulturell begrenzten Rahmen der Studie nicht gross ins Gewicht fallen. - V. Welche Kompensationsformen werden am einheitlichsten interpretiert/am besten verstanden? Annahme: Je näher an der schriftlichen Sprache, desto besser.54 - VI. Haben Personen mit guten verbalen Sprachskills einen Vorteil beim Codieren und Decodieren von nonverbalen Kompensationsformen in der CMC? Annahme : Ja. 50 Arbeit für das Seminar Abschlussarbeiten bei Prof. J. Trebbe., „Kompensation nonverbaler Kanäle in der computervermittelten Kommunikation“. 31.8.2005 51 Vgl. BURGOON, Judee K., 1994, S. 244. 52 Möglicherweise begründbar durch die Dominanz der visuellen Wahrnehmung in westlichen Kulturen, vgl. BURGOON, Judee K., 1994, S. 242. 53 Vgl. BURGOON, Judee K., 1994, S. 245. 54 In Anlehnung an die Arbeit von Gajadhar & Green, die zum Schluss kommt, dass die meistgenutzten Zeichensysteme diejenigen sind, die der geschriebenen Sprache am ehesten entsprechen. 29 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 5. Methode Um die Probanden zur ihrem Verhalten und ihren Kenntnissen bezüglich nonverbaler Kommunikation in der CMC zu befragen, wurde ein Fragebogen55 mit insgesamt 42 Fragen erstellt, die teilweise noch in Unterfragen unterteilt sind. Der Fragebogen besteht aus einer Mischung aus multiple-choice- and Bewertungsskalen-items. Die Fragen beziehen sich einerseits auf soziodemographische Daten wie Alter, Ausbildung, Geschlecht, Nationalität und Muttersprache andererseits aber auch auf die verbale und nonverbale Kompetenz des jeweiligen Probanden und die Gewohnheiten im Umgang mit nonverbaler Kommunikation und den Kompensationsformen derselben. Aus den gewonnenen Daten der Fragen zur verbalen und nonverbalen Kompetenz der Probanden wird ein Score erstellt, der als Richtwert für die kommunikative Kompetenz eines Probanden steht. Anhand dieses Scores, lassen sich dann mögliche Zusammenhänge zu anderen Antworten aufdecken. Die Auswertung erfolgt in zwei Abschnitten. Sie erfolgt primär statistisch-empirisch. Ein deskriptiver Teil legt dar, wieviele Antworten jede Antwortmöglichkeit erhalten hat und wie die Stichprobe demographisch zusammengesetzt ist. Da die Stichprobe mehrheitlich aus jungen Schweizern und Schweizerinnen besteht, kann natürlich keine allgemeingültige Aussage gemacht werden. Trends und Tendenzen für eine junge Schweizer Population können aber aufgezeigt werden. Ein interpretativer Teil schliesslich soll klären, ob es einen Zusammenhang zwischen verschiedenen Antworten und Antwortmustern gibt. Dies erfolgt in den meisten Fällen über Kreuztabellen, anhand derer erste Zusammenhänge ersichtlich werden, die dann unter Umständen genauer untersucht werden können. Beispielsweise gilt es zu klären, ob ein hohe kommunikative Kompetenz auch eine hohe nonverbale Kompetenz anzeigt, oder ob dies nicht so ist. Ein möglicher Aussagewunsch könnte lauten „Emoticons können zur besseren Verständigung in textuellen Chats massgebend beitragen.“ Oder aber „Es gibt in textuellen Chats keine zuverlässigen Mittel, die zeitliche Ebene der nonverbalen Kommunikation zu regulieren.“ 55 Siehe Anhang 30 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Vermutlich wird die Auswertung der Fragebögen eine ganze Reihe solcher Schlussfolgerungen zulassen. 5.1. Erstellung eines Scores für kommunikative Kompetenz. Um Rückschlüsse über die Kompetenz beim Codieren und Decodieren von nonverbalen Signalen im Internet machen zu können, ist es nach der Ansicht des Autors hilfreich, herauszufinden, ob Personen, die auch in der verbalen Kommunikation höhere „Skills“ aufweisen, sich womöglich leichter tun bei der Interpretation und Translation von nonverbalen Kommunikationsmerkmalen in digitale Medien. Zu diesem Zweck wird ein Score erstellt, der basierend auf den Antworten im Fragebogen eine Punktzahl errechnet. Ideale Antworten geben 2 Punkte, weniger geeignete noch 1 Punkt und unpassende Antworten keinen Punkt. Die relevanten Fragen sind die Fragen 5-11 und die Frage 32 im Fragebogen. Diese insgesamt 9 Teilfragen ergeben einen maximalen Score von 18 und einen minimalen Score von 0. Personen mit einem Score von 10 oder mehr, würden dann als kommunikativ überdurchschnittlich kompetent angesehen. Die Fragen lauten: 5.1.1. „Wie gut lassen sich Ihrer Meinung nach Emotionen und Gefühlszustände im Internet* vermitteln?“ (1 = sehr schlecht, 6 = sehr gut). Teilfrage 1: Unter Freunden, Teilfrage 2: unter Fremden. Unter Freunden geben die Ratings 6 und 5 jeweils zwei Punkte, ein Rating von 4 ergibt noch ein Punkt, was darunter liegt, gibt keinen Punkt mehr. Unter Fremden geben Antworten 6 und 5 jeweils zwei Punkte, ein Rating von 4 und 3 jeweils noch ein Punkt. Dies mit der Begründung, dass bessere Kenntniss des Gesprächspartners zweifellos die Kommunikation vereinfacht. Deshalb ist die Bewertung unter Freunden ein bisschen strenger. 5.1.2. „Wie oft kommt es Ihrer Ansicht nach bei schriftlichen Dialogen im Internet* zu Missverständnissen? (1= sehr oft, 6= sehr selten) Ratings von 6-5 geben zwei Punkte, 4-3 jeweils einen Punkt. Die Begründung hier 31 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 liegt darin, dass angenommen wird, dass Personen mit hohen verbalen Skills sich klar genug verständigen können, um Missverständnisse zu verhindern, ohne unbedingt auf Elemente der nonverbalen Kommunikation zurückgreifen zu müssen. 5.1.3. „Wie oft sind Sie beim kommunizieren im Internet* der Ansicht, es fehle Ihnen an Mitteln, sich dem Gesprächspartner verständlich machen zu können? (1= sehr oft, 6= sehr selten) Scores von 6-5 geben zwei Punkte, 4-3 einen Punkt. Auch hier gilt wieder die Begründung, dass hohe verbale, bzw. schriftliche Skills möglicherweise die Wichtigkeit der nonverbalen Kommunikation etwas mindert. 5.1.4. „Wie beurteilen Sie folgenden Satz? „Ich will Dir ja keine Vorschriften machen, aber solltest Du das nicht noch einmal überdenken?“ Antwort 1: Der Schreiber gibt einen neutralen Gedankenanstoss: 1 Punkt. Antwort 2: Der Schreiber versucht etwas vorzuschreiben: 2 Punkte. Antwort 3: Der Schreiber will unbedingt nichts vorschreiben: 0 Punkte. Die Frage zielt darauf ab, die Befragten zwischen den Zeilen lesen zu lassen. Der Auftakt „Ich will Dir ja nichts vorschreiben“ ist dabei vielsagend, dass eben gerade dies nicht der Fall ist. 5.1.5. „Wie beurteilen Sie den folgenden Dialog? A: Hallo wie geht’s. B: Es geht, danke. B fühlt sich: Antwort 1: grossartig: 0 Punkte. Antwort 2: eher gut: 1 Punkt. Antwort 3: eher schlecht: 2 Punkte. Antwort 4: sehr schlecht: 0 Punkte. Wem es grossartig geht, der würde das in einer Antwort auch deutlich machen. „Es geht“ hat meistens einen leicht negativen Unterton, daher wird angenommen, Antwort 3 sei das naheliegendste. 5.1.6. Beurteilen Sie folgende Situation: A: Stimmt etwas nicht? B: antwortet nicht A: Hallo? B: antwortet immer noch nicht Wenn Sie in der Situation von A wären, was würden Sie annehmen, angenommen Sie hätten vorher eine ganze Weile mit B 32 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 geschrieben (z.B. in einem Chat) und dabei heikle Themen aufs Tapet gebracht. Antwort 1: B ist verärgert oder traurig und will nicht weiterreden: 2 Punkte. Antwort 2: B ist grade verhindert und kann nicht schreiben (z.B. Telefon o.ä.): 1 Punkt. Antwort 3: Mit B ist alles OK, kleinere Pausen im Schreibfluss sind völlig normal: 0 Punkte. Antwort 4: Vermutlich besteht ein technisches Problem: 0 Punkte. Die etwas pessimistische Antwort 1 lässt zumindest auf eine rücksichtsvolle Person schliessen, die auch auf temporale Kommunikationsstörungen nicht gleichgültig reagiert. Antwort 2 zeugt von einem gewissen Mass an Erfahrung mit schriftlichen Dialogen in der CMC (Unmöglichkeit der optischen Kontrolle, was der Kommunikationspartner gerade tut). 5.1.7. „Jaja“ verbinden sie in erster Linie mit: Antwort 1: klare Zustimmung: 0 Punkte Antwort 2: Zustimmung ohne Begeisterung: 1 Punkt Antwort 3: Resignation, Einlenken: 2 Punkte Antwort 4: Ablehnung Auch dies wieder ein Beispiel, das sich sehr oft auch in Alltagsgesprächen wiederfindet. Dabei bedeutet „Jaja“ selten klare Zustimmung, aber sicher auch keine reine Ablehnung. 5.1.8. „Sind Sie der Ansicht, es gäbe einen Unterschied, zwischen der Kommunikation von Männern und Frauen im Internet*?“ Antwort 1: Ja: 2 Punkte. Antwort 2: Nein: 0 Punkte. Sensibilität für allfällige Unterschiede in den Kommunikationsgewohnheiten der beiden Geschlechter wird hier als positives Skill honoriert. 5.2. Auswahl der Stichprobe Der Fragebogen wurde, mit der Aufforderung weitere Personen darauf hinzuweisen, auf dem Schweizer Portal www.gamersnet.ch verlinkt. Das Portal richtet sich vor allem an junge Menschen zwischen 14-30 Jahren. Ein grosser Teil der Leserschaft 33 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 spielt regelmässig Spiele online. Man kann davon ausgehen, dass die Leser eine gewisse Übung im Umgang mit digitalen Medien haben. Durch die Möglichkeit, andere auf den Fragebogen aufmerksam zu machen, konnte das Feld zusätzlich auch noch nach den naheliegenden Nachbarländern Deutschland und Österreich erweitert werden. Vom ursprünglichen Plan, auch noch die Studentenschaft der Uni Fribourg zu befragen, kam der Autor wieder ab. Erstens hätte dies die Stichprobe zusätzlich verzerrt, durch das hohe Bildungsniveau und das relativ begrenzte Altersspektrum, zweitens zeigte sich die Informatikabteilung der Universität hinsichtlich der gewählten Umfragesoftware alles andere als kooperationsfreudig. In der Ansicht, lieber weniger, dafür qualitativ und technisch einwandfrei auswertbare Daten zu haben, blieben nach dem Ausscheiden des untauglichen Rücklaufs 128 verwertbare Fragebogen. 5.3. Informationstechnische Hilfsmittel Der Fragebogen wurde mit der Softwarelösung von www.onlineumfragen.com erstellt und erhoben. Die Software bietet unter anderem eine Möglichkeit, die Resultate direkt nach Excel oder SPSS zu exportieren. Dadurch fällt langwieriges Codieren der ausgefüllten Fragebogen weg und es kann nach Beendigung der Umfrage sofort mit der Auswertung begonnen werden. Die rein digitale Verarbeitung der Daten verhindert auch Codierfehler oder sonstige menschliche Fehler, die beim Erheben von Fragebogendaten ab Blatt auftreten könnten. Die Auswertung erfolgte dann in Microsoft Excel 2004 für Mac und SPSS 16.0 für Mac. Zum Zeitpunkt des Schreibens sind keine Fehler dieser Programme bekannt, die möglicherweise zu falschen Resultaten führen könnten. 6. Auswertung Die Auswertung des Rücklaufs ergab insgesamt 128 vollständig ausgefüllte und verwertbare Fragebogen. Die Auswertung der über 42 Fragen pro Fragebogen soll nun hier in zwei Teilen stattfinden. Der erste Teil soll primär deskriptiv darstellen, wie die Antworten und soziodemographischen Daten der Teilnehmer ausgefallen sind, bzw. wie sie verteilt sind. Der zweite Teil soll dann durch die Kombination von 34 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 verschiedenen Items Rückschlüsse über die verschiedenen zu untersuchenden Sachverhalte liefern. 6.1. Deskriptive Statistik 6.1.1. Die erste Frage des Fragebogens befragte die Probanden zu ihrer Mediennutzung. Wie erwartet, gaben 128 von 128 an, regelmässig das Web (WWW, Internet) zu nutzen. Erstaunlicherweise konnte kein anderes Medium 100% erreichen. Die folgende Tabelle illustriert die Verteilung auf einen Blick. Tabelle 4: Nutzung verschiedener computergestützter Medien Spitzenreiter nach dem World Wide Web sind, wenig erstaunlich E-Mail und SMS. Eher überraschend schnitten die Instant Messenger mit fast 73% als Viertbeliebtestes digitales Medium ab. Immerhin noch fast 48% gaben an, regelmässig digitale Sprachkommunikation zu nutzen, was auch damit zusammenhängen könnte, dass der Anteil der Gamer mit 71% vermutlich überdurchschnittlich hoch liegt.56 56 Wobei dieser Umstand aufgrund des stetig wachsenden online game Marktes möglicherweise eher zukunftsweisend ist. 35 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Ebenfalls wenig erstaunlich Schnitt die Videokonferenz bzw. der Videochat mit grade einmal 10% am schlechtesten ab. Die Vermutung hier liegt nahe, dass die Technik hier in vielen Haushalten noch zu wenig weit entwickelt ist, um eine breite Nutzung wahrscheinlich zu machen. Die Web oder IRC Chats erreichten noch 37.5% Verbreitung. Vermutlich haben insbesondere die Instant Messengers in den letzten Jahren den herkömmlichen Chats viele Nutzer abgezogen. Ein Nutzer gab zudem an, regelmässig das digitale TV Angebot von Zattoo57 zu nutzen. Da es sich hierbei aber wie auch beim herkömmlichen Fernsehen um ein unidirektionales Medium handelt, ist es für diese Arbeit nicht von Interesse. 6.1.2. Auf die Frage, wo sie die oben genannten Medien hauptsächlich einsetzten, antworteten 97.7% mit „privat“ und 52.3% mit „beruflich“. Eine Mehrfachantwort war möglich. 6.1.3. Smilies, Emoticons und andere Ausdrucksarten nonverbaler Kommunikation gaben 2.3% an nie einzusetzen. 6.3% antworteten „selten“, 14.1% „manchmal“, 53.9% „oft“ und 23.4% gar „sehr oft“. Insgesamt dürfte man eine gewisse mediale und kommunikative Kompetenz der Stichprobe annehmen können. Die Auswertung des Scores für kommunikative Kompetenz wird darauf weiter eingehen. 6.1.4. Smilies, Emoticons und sonstige Ausdrucksarten von nK setzen 62.5% privat mit allen Gesprächspartnern ein. 25% tun dies nur mit engeren Freunden. 2.3% sogar nur mit dem Partner oder der Partnerin. Lediglich 3.1% setzen sie nur beruflich ein, während 13.3% sowohl beruflich als auch privat davon Gebrauch machen. Mehrfachnennungen waren möglich. 6.1.5. Auf einer Skala von 1-6 für „sehr schlecht“ bis „sehr gut“, mussten die Befragten beurteilen, wie gut sich Emotionen und Gefühlszustände im Internet vermitteln liessen. Dabei wurde unterschieden zwischen der Kommunikation unter Freunden und der Kommunikation mit Fremden. Das Diagramm zeigt, dass allgemein 57 Vgl. www.zattoo.ch 36 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 die Kommunikation mit Freunden/Bekannten den Probanden leichter zu fallen scheint. Tabelle 5: Verständlichkeit von nonverbalen Kompensationsformen 6.1.6. Auf die Frage, wie oft es im Internet zu Missverständnissen komme, antworteten die Probanden sehr gemischt. 7.8% waren der Ansicht, es komme sehr oft zu Missverständnissen, 25.8% oft, 22.7% eher oft, 21.9% eher selten, 21.1% selten und eine Person (0.8%) sehr selten. 6.1.7. Allerdings war das Resultat der Frage, wie oft sie der Meinung seien, es fehle Ihnen an Mitteln, sich verständlich machen zu können etwas weniger homogen. Erklären könnte man das unter Umständen damit, dass ein Missverständnis mitunter erst dann als solches erkannt wird, wenn es aufgedeckt wurde. Insofern können Missverständnisse entstehen, ohne dass die Gesprächspartner es überhaupt merken. Wenn man aber selber nicht recht weiss, wie man einen komplizierten Sachverhalt richtig kommunizieren soll, dann merkt man das sofort. Entsprechend antworteten auf Frage 7 4.7% mit „sehr oft“, 14.1% mit „oft“, 20.3% „eher oft“, 17.2% „eher selten“, 32.8% „selten“ und 10.9% „sehr selten“. Eine vorsichtige Folgerung aus den Fragen 6 und 7 könnte also lauten, dass es möglicherweise zu mehr Missverständnissen kommt, als sich die Leute bewusst sind. 37 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 6.1.8. Auf die Frage, wie sie den Satz "Ich will Dir ja keine Vorschriften machen, aber solltest Du das nicht noch einmal überdenken?" beurteilen würden, antworteten 55.5% damit, der Satz sei ein neutraler Gedankenanstoss. 41.4% empfanden die Aussage als Versuch, Vorschriften zu machen (bzw. dies anzukündigen) und 3.1% sahen darin die wörtliche Absicht, unbedingt keine Vorschriften machen zu wollen. Diese Frage hat deskriptiv keinen grossen Mehrwert, dient jedoch zusammen mit anderen Fragen später der Erstellung eines Scores zur verbalen Kompetenz. 6.1.9. Die Konversation „A: Hallo, wie geht's? B: Es geht, danke.“ Interpretierten 85.9% dahingehend, dass es B eher schlecht gehe. 9.4% waren der Meinung, es gehe B eher gut. Bei 4.7% ging es B sehr schlecht und niemand war der Ansicht, B gehe es grossartig. 6.1.10. Die Frage 10 lautete wörtlich: „Beurteilen Sie folgende Situation: A: Stimmt etwas nicht? B: antwortet nicht A: Hallo? B: antwortet immer noch nicht. Wenn Sie in der Situation von A wären, was würden Sie annehmen, angenommen Sie hätten vorher eine ganze Weile mit B geschrieben (z.B. in einem Chat) und dabei heikle Themen aufs Tapet gebracht.“ Diese klassische Situation für online chats, die zweifellos täglich hunderttausende Male für Missverständnisse sorgt, interpretierten 38.3% als Verärgerung von B (Weigerung zu Kommunizieren), 49.2% sahen darin eine Verhinderung von B (beispielsweise dass das Telefon läutet), 8.6% sahen Unterbrüche im Kommunikationsfluss in Chats als normal an und 3.9% vermuteten ein technisches Problem als Ursache für das plötzliche Schweigen. 6.1.11. „Jaja“ interpretierten nur 2.3% als klare Zustimmung. 60.9% sahen Zustimmung ohne Begeisterung, 22.7% sahen Resignation oder Einlenken und 14.1% sahen Ablehnung.58 6.1.12. Den Satz „Dann ist er über seine Schnürsenkel gestolpert und hat sich die Knie aufgeschlagen :-)“, inbesondere das :-) am Ende des Satzes, interpretierten die 58 Im Schweizer Volksmund hört man hie und da den Spruch „Jaja heisst leck mich am Arsch!“, Frage 11 scheint das mehr oder weniger zu bestätigen. 38 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Befragten ebenfalls unterschiedlich. Die naheliegendste Interpretation wäre, dass der Schreiber den beschriebenen Unfall lustig findet, aber nicht lacht. Diese Antwort gaben jedoch nur 32.8%. 30.5% waren der Meinung, dass der Schreiber darüber hinaus auch lacht. 27.3% waren gar der Ansicht, dass der Beschriebene, also derjenige, der gestolpert war, den Unfall lustig fand. 1.6% sahen darin sogar das Lachen des Verunfallten. 3.1% waren der Meinung der Satz sei nicht ernst gemeint und weitere 3.1% waren der Ansicht, der Unfall habe sich gar nicht ereignet. Dies zeigt bereits im Vorfeld der eigentlichen Untersuchung der Zusammenhänge, dass das einfache Smilie nicht eindeutig ist. 6.1.13. Auf die Frage, mit welchem Zeichen sie versuchen würden, etwas als nicht ernst gemeint zu markieren, antworteten 88.3% der Befragten mit dem Zeichen ;-). 5.5% wählten 8-), 2.3% :-0, jeweils 1.6% :-) und };-) und eine Person (0.8%) fand :-( sei angebracht. Damit erreichte das klassische Smilie ;-) einen sehr hohen Erkennungsgrad und scheint recht homogen interpretiert zu werden. 6.1.14. Mit dem Satz „Und ich sage Dir, ich werde dort NICHT MEHR HINGEHEN.“ Konfrontiert, gaben 79.7% an, es handle sich um eine Form des Nachdrucks. 18% interpretierten Zorn, 1.6% vermuteten ein Kind hinter dem Schreiber und eine Person (0.8%) vermutete das unabsichtliche Drücken der CapsLock Taste sei die Ursache für die Grossschreibung. 6.1.15. Ein Augenzwinkern würden 93.8% mit dem Emoticon ;-) signalisieren, demselben, das für nicht ernst gemeinte Aussagen von der Mehrheit gewählt worden ist. Diese Kontrollfrage scheint die Signifikanz des ;-) Smilies zu bestätigen. Niemand würde mit :-) zwinkern. Eine Person (0.8%) würde dies mit |-) versuchen, eine mit >), zwei (1.6%) mit B-) und 3.1% mit *-). 6.1.16. Lautes Lachen signalisieren 46.9% mit der aus dem Englischen stammenden Abkürzung LOL (laughing out loud), dies obwohl die überwiegende Mehrheit der Befragten Deutscher Muttersprache ist. 28.9% zogen „Hahaha!“ vor und 20.3% wählten den eher graphischen Weg mit :-D. Nur 3.1% nutzten den Inflektiv *lautlach* und eine Person (0.8%) begnügte sich mit einem schlichten :-). Niemand 39 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 tappte in die Falle des „meh“, das im Englischen Sprachraum des Internets üblicherweise eher für ein lautmalerisches Schulterzucken verwendet wird. 6.1.17. Die recht umfangreiche Frage 17, befragte die Testpersonen zur Aussagekraft der Zeichen/Emoticons in der untenstehenden Tabelle. Die Befragten mussten die Zeichen auf einer Skala von 1-6 einordnen, wobei 1 für keine und 6 für sehr viel Aussagekraft stand. Insgesamt wurden die meisten Zeichen in etwa gleich beurteilt. Lediglich das asiatische ^_^ wurde als weniger aussagekräftig empfunden, vermutlich, weil es unter den Befragten weniger bekannt ist. Interessant auch der Unterschied zwischen dem :-) und dem nasenlosen :), das doch weniger aussagestark empfunden wird. 1 Aussagekraft keine wenig eher wenig eher viel viel sehr viel 2 3 4 :-) :) 1.6 6.3 16.4 30.5 28.9 16.4 3.9 6.3 21.1 27.3 29.7 11.7 3.9 7.8 22.7 28.1 25.8 11.7 5 6 ^_^ 1.6 8.6 14.8 31.3 28.9 14.8 3.1 9.4 15.6 31.3 26.6 14.1 9.4 21.9 18.8 25.8 14.8 9.4 Tabelle 6: Aussagekraft sechs verschiedener Smilies 40 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 6.1.18. Bei Frage 18 sollten die Befragten sechs verschiedene Emoticons ihrer passendsten Gefühlslage zugeordnet werden. Sehr deutlich waren die Antworten bei :-), das von 91.4% als fröhlich identifiziert wurde. Noch deutlicher war mit 99.2% das traurige :-(. Auch das wütende >:-0 wurde noch zu 87.5% richtig erkannt. :-| erkannten 77.3% als gelangweilt, jedoch auch 16.4% als traurig. Undeutlicher war die Interpretation des Zeichens :-p. 60.9% erkannten das freche Zunge herausstrecken, 32% fanden es signalisiere „witzig“. Am undeutlichsten Schnitt hier das vorher so eindeutige ;-) Fahlman Ursmilie ab, das nur von 60.9% als witzig identifiziert wurde, von 25% als frech und von 13.3% als fröhlich. 6.1.19. Als nächstes, galt es Abkürzungen ihren Bedeutungen zuzuordnen. Anders als das aus der Mimik abgeleitete Emoticon System, handelt es sich hier um ein rein logisches, erlerntes System von Sprachabkürzungen, die darüberhinaus auch noch von den Sprachkenntnissen des Probanden abhängig sind. „lol“ erkannten 95.3% als lautes herauslachen, trotz der Englischen Wurzeln dieser Abkürzung. 4.7% erkannten keine Bedeutung. „afk“, aus dem Englischen für „away from keyboard“ erkannten 86.7% der Probanden. Knapp 11% erkannten es nicht. Zwei Personen verwechselten es mit „soweit ich weiss“ (as far as I know, afaik) und eine Person (0.8%) vermutete den Kraftausdruck „Ah, fuck!“ dahinter. „brb“ für „be right back“, erkannten noch 83.6% richtig. 13.3% erkannten es nicht und jeweils zwei Personen (1.6%) tippten auf „rülpsen“ oder „Widerwillen zeigen“. „kek“, eine Spezialform von „lol“, die nur in dem Online-Spiel „World of Warcraft“59 verwendet wird, sich aber von da zu einem gewissen Mass im Internet verbreitet hat, erkannten nur 15.6% der Probanden. 73.4% erkannten es nicht und gaben dies auch zu. 5.5% dachten es steht für „bin kurz weg“, 3.9% für „lächeln“ und zwei Personen (1.6%) für „etwas kaputt machen“. Die Tendenz, unbekannten Zeichenfolgen eine Bedeutung zuordnen zu wollen, die plausibel sein könnte, wird sich noch deutlicher abzeichnen. Interessant an dieser Frage ist vor allem, dass von 20 Personen, die die Antwort wusste, nur 16 angaben, regelmässig Online Spiele zu spielen. Davon 59 Ein enorm populäres Online Rollenspiel seit 2005. 41 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 ausgehend, dass nicht geraten wurde, würde das bedeuten, dass der Insiderausdruck „kek“ sich bereits ausserhalb seines Entstehungsortes verbreiten konnte. „rofl“, für „rolling on the floor laughing“ erkannten 86.7% richtig, 2.3% kannten wohl den Ursprung der Abkürzung nicht genau, stimmten aber für lautes Lachen. Eine Person (0.8%) erkannte einen falsch geschriebenen Namen Rolf und zwei Personen (1.6%) dachten an Mitgefühl zeigen. 8.6% wussten es nicht. „jghz“, vom Autor als Kontrollfrage frei erfunden und ohne Bedeutung gaben 85.2% zu, nicht zu erkennen. 7% sahen darin ein Signal für Abscheu, 3.1% „einfach gut finden“, 1.6% „freundlich sein“, 2.3% „auf später vertrösten“ und eine Person (0.8%) sah darin den Wunsch, joggen gehen zu wollen. 6.1.20. „Jaja, klar...“ interpretierten 46.9% der Befragten als ironische Antwort und Zeichen für keine Zustimmung. 36.7% sahen darin Zustimmung mit Vorbehalt und 6.3% uneingeschränkte Zustimmung. Zwei Personen (1.6%) waren jeweils der Ansicht, der Schreiber überlege sich etwas oder verstehe etwas nicht. 7% gaben etwas anderes an, was in den meisten Fällen auf das bereits erwähnte „Leck mich am Arsch“ hinauslief. 6.1.21. In Frage 21 galt es, aus 6 Sätzen, die alle mit „Du bist die Beste“ anfingen, aber unterschiedliche Endungszeichen hatten, denjenigen mit der meisten Zuneigung auszuwählen. 48.4% wählten das Herz „<3“, 35.2% das Ausrufezeichen ! und 11.7% das Smilie :). 5.5% entschieden sich für das reguläre Punkt. Niemand wählte :( oder ... . 6.1.22. Den grosszügigen Gebrauch von Ausrufezeichen in dem Satz „Gut, dann treffen wir uns um 3 Uhr am Bahnhof! Bis gleich!“ verstanden 45.3% als Zeichen von Vorfreude, bzw. positive Verstärkung, 35.9% dachten, der Schreiber wolle seinen Worten Nachdruck verleihen. 4.7% hielten es für eine Befehlsform und gleichviele für ein Zeichen von Unsicherheit. Eine Person (0.8%) sah darin negative Verstärkung/Empörung. 8.6% rechneten den Ausrufezeichen keine Bedeutung zu, vermutlich weil dieses Zeichen im Internet tatsächlich sehr oft verwendet wird und seine hervorhebende Funktion in manchen Kreisen bereits verloren hat. 42 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 6.1.23. Die Dreifachfragezeichen am Ende des Satzes „Ich drücke also den „OK“ Knopf, schliesse das Programm und dann geht’s ???“ verstanden 78.1% der Probanden als Verlangen nach Bestätigung. 13.3% sahen Bedarf für weitere Erklärungen und 6.3% sahen darin eine ganz normale Frage. 2.3% griffen zeitlich bereits voraus und vermuteten, es gehe auch nach dem Befolgen der Anweisungen noch nicht. Niemand sah darin keine Bedeutung oder die Vergewisserung, dass der Gesprächspartner noch da ist. 6.1.24. Dreifache Ausrufezeichen (!!!) am Ende eines Satzes werden ziemlich unterschiedlich aufgefasst. 7% halten es für einen Befehl, 36.7% für positive Verstärkung einer Aussage, 10.9% für negative Verstärkung, 28.1% für Zorn, 4.7% für Ausdruck der Freude und 12.5% für eine schlechte Angewohnheit vieler Internetianer. 6.1.25. Dreifache Fragezeichen allgemein werden zu gleichen Teilen (29.7%) als Zeichen für Überforderung oder Klärungsbedarf verstanden. 10.2% sehen darin eine weitere schlechte Angewohnheit. Knapp 14.8% halten es für eine starke Frage und 15.6% halten es für Unsicherheit. Niemand war der Ansicht, es könne sich um einen Irrtum handeln. 6.1.26. Dreifache Punkte am Ende eines Satzes (...) wurden wie folgt interpretiert: „Fortsetzung folgt“ 18%, „usw.“ 32.8%, „ich nerve mich“ 18%, Zeichen der Unsicherheit 8.6%, „ich bin fertig, fahre du fort“ 10.1%, „ich überlege grade“ 11.7%. Vermutlich hängt dieses Interpunktionszeichen stark vom Kontext ab, weshalb hier ohne Kontext die Interpretation so weit gestreut ist. 6.1.27. Erikative, bzw. Inflektive, die oft in Asterisken eingefasst werden, scheinen insgesamt eher die Ausnahme zu sein. 13.3% der Befragten gaben an, diese oft zu benutzen, 18% nur manchmal. Die überwiegende Mehrheit gab entweder an diese selten zu benützen (32.8%) oder nie (35.9%). 6.1.28. Von den Personen, die Angaben, mindestens selten Inflektive/Erikative verwendet zu haben, taten 91 dies in Deutsch, 7 in Französisch, 50 in Englisch, eine 43 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 in Italienisch 2 in Spanisch und 2 in anderen Sprachen. Mehrfachnennungen waren möglich. 6.1.29. Das *duck* am Ende des Dialogs A: „Mein Computer spinnt, ich weiss nicht, was ich noch probieren soll, es geht einfach nicht.“ B: „Versuchs doch mal mit zum Fenster rausschmeissen“ *duck*“ verstanden 76.6% richtig als das in Deckung gehen vor der Reaktion von A. 18% verstanden es aber so, dass B vor dem bereits fliegenden Computer von A in Deckung gehe. 3.1% wussten es nicht und 1.6% hielten es für einen Fachausdruck aus der Computerwelt. Jemand (0.8%) war gar der Ansicht, damit sei eine Andeutung aus einem Disney Comic gemeint. Niemand hielt *duck* für das Nachahmen einer Ente (engl.: Duck). 6.1.30. Das Abkürzen von Inflektiven, das aus der persönlichen Erfahrung des Autors relativ oft anzutreffen ist, wurde auch weitgehend richtig gedeutet. Das *g* in „Du siehst heute wieder bezaubernd aus, mein Schatz*g*“ verstanden 55.5% als ironisches Grinsen und 40.% als freudiges Grinsen. 2.3% wussten es nicht und 1.6% vermuteten hinter dem *g* einen Ausdruck für „gut finden“. 6.1.31. Hochinteressant waren die Antworten auf die Frage nach der Aussagekraft der fünf verschiedenen, aber funktionell mehr oder weniger einheitlichen Emoticons :-) , :) , =) , ^_^ und (-:. Die Interpretation erfolgte, wider erwarten, sehr unterschiedlich, insbesondere zwischen den identischen, aber richtungsverkehrten Smilies :-) und (-:. Auf einer Skala von 1-6 von „wenig fröhlich“ bis „sehr fröhlich“ stuften die Befragten die aufgeführten Emoticons ein. Die Unterschiede sind teilweise gering, teilweise deutlich. 44 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Tabelle 7: Unterschiede in der Interpretation identischer, aber richtungsverkehrter Smilies Bemerkenswert ist insbesondere die Zunahme der Werte 1-3 für das (-: Smilie. Die Vermutung liegt nahe, dass dies damit zu tun hat, dass die Probanden alle aus linksnach-rechts orientierten Sprachkulturen stammen und es daher leichter fällt, das linksnach-rechts ausgerichtete Smilie zu interpretieren. Tabelle 8: Verteilung der Fröhlichkeitsstufen auf fünf Emoticons Interessant ist auch, dass das =) Smilie mit Abstand am meisten als sehr fröhlich 45 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 interpretiert wurde. Davon ausgehend, dass das Gleichzeichen als hochgezogene, oder weit geöffnete Augen interpretiert wird, würde diese Feststellung die Hypothese stützen, dass Kompensationen von oculesics und mimics verständlicher sind, als Kompensationen aus anderen Kanälen nonverbaler Kommunikation. 6.1.32. Mit 84.4% war die Mehrheit der Probanden der Meinung, es gebe einen Unterschied zwischen der Kommunikation von Männern und Frauen auch in der Kommunikation über digitale Medien. 15.6% waren der Ansicht, es gebe keinen Unterschied. Interessant dürfte hier die Frage sein, ob ein Zusammenhang zwischen Antwort und Geschlecht besteht, das z.B. die Frauen der Ansicht sind, es gäbe keinen Unterschied, oder umgekehrt. 6.1.33. Auf die Frage, wo die Verwendung von Smilies, Emoticons etc. ihrer Meinung nach angebracht sei (im Endeffekt also, wo es angebracht sei, zu versuchen nonverbale Kommunikation zu kompensieren), antworteten 14.8%, es sei immer angebracht. 50% der Befragten fanden es nur in privaten Interaktionen angebracht, 13.3% fanden es auch beruflich unter Kollegen ok. 18.8% fanden es nur unter Freunden angebracht. 2.3% fanden es immer unangebracht. Jemand (0.8%) wollte nur in einer intimen Beziehung davon Gebrauch machen. 6.1.34. Auf einer Skala von 1-6 (unverständlich bis sehr leicht verständlich) sollten die Befragten die allgemeine Verständlichkeit von Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation (KnK) einordnen. 46 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Tabelle 9: Verständlichkeit von KnK auf einer Skala von 1-6 Die Mehrheit beurteilte die die Verständlichkeit eher mit gut bis sehr gut. Zusammen nur 16% der Befragten bewerteten die KnK mit Rängen in der unteren Hälfte der Skala. 6.1.35. „Wie würden sie am ehesten versuchen, ein Lächeln zu vermitteln?“ lautete die Frage 35. Zur Auswahl standen die KnKs :-), hehe, *lächel*, *g*, lol und :). Am meisten wurde :) als Vertreter der okulesischen/mimetischen Kompensationen gewählt (42.2%), danach das auditive „hehe“ (29.7%), gefolgt von :-) (14.1%). Erst dann folgte das aus der Schriftsprache tradierte, deskriptive *g* (grinsen) mit 10.2% und der Inflektiv *lächel* mit 3.1%. Lol wurde nur von einer Person (0.8%) genannt, was nicht erstaunen sollte, zumal lol nicht für ein Lächeln steht, sondern für lautstarkes Lachen. 6.1.36. In der letzten Zuordnungsfrage mussten die lautmalerischen Ausdrücke „grmbl“, „blubb“, „wow“ und „eek/ikk“ ihrer Bedeutung zugeordnet werden. „grmbl“ identifizierten 79.7% richtig als Grummeln. 8.6% lagen mit Knurren noch nahe. Jemand (0.8%) hielt es für blödeln. 10.9% wussten nichts damit anzufangen. „blubb“ verstanden 47.7% als Blubbern was sicher nicht falsch ist, aber auch nicht immer richtig. Je nach Kontext kann „blubb“ nämlich auch für „etwas doof finden“ (28.1%) oder „Unterlippe hängen lassen“ (7.8%) stehen. 16.4% konnten „blubb“ nicht 47 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 zuordnen. „Wow“, das auch aus der herkömmlichen Schrift- und Sprechsprache einigermassen bekannt sein dürfte, wurde erwartungsgemäss auch von 97.7% als Ausdruck des Staunens verstanden. 2.3% erkannten den Ausdruck nicht. „Eek“, bzw. die deutschere Form „ikk“ erkannten 47.7% als Ausdruck des Ekels, 17.2% als Erschrecken, ca. 35% der Befragten erkannten entweder nichts (32%), oder deuteten den Ausdruck falsch. 6.1.37. Von den Befragten waren 85% männlichen und 15% weiblichen Geschlechts. Das scheint auf den ersten Blick eine sehr verzerrte Stichprobe zu sein, ist aber wahrscheinlich in vielen Bereichen des Internets, gerade in Online Spielen, gar nicht so weit von der Realität entfernt. Anders sähe es vermutlich in einer Stichprobe aus einem der populären Webchats aus. Hier ist der weibliche Anteil der Nutzer deutlich höher, bzw. ausgeglichener, das Durchschnittsalter aber auch deutlich tiefer. 6.1.38. Die Altersverteilung der Stichprobe sieht wie folgt aus: Tabelle 10: Altersverteilung innerhalb der Stichprobe Das Durschnittsalter liegt bei 22.7 Jahren. 6.1.39. Die Stichprobe bestand zum grössten Teil aus Schweizern, nämlich 106. 18 Personen stammten aus Deutschland, zwei aus Österreich, eine aus Italien und eine 48 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 aus Norwegen. 6.1.40. Die Verteilung der Muttersprachen sah dementsprechend ähnlich aus. 123 waren Deutscher Muttersprache, 2 Italienischer, 1 Portugiesischer, 1 Germanischer und 1 Slavischer. Bei sämtlichen Interpretationen kann man wohl also mit recht davon ausgehen, dass mit einem deutschsprachigen Hintergrund gerechnet werden muss. 6.1.41. Die Verteilung des höchsten erreichten Bildungsabschlusses der Befragten sah grafisch folgendermassen aus: Tabelle 11: Höchste abgeschlossene Ausbildung in % Damit liegt sie in etwa im Rahmen der für die Schweiz üblichen Verhältnisse60. Zu Bedenken ist, dass die jüngsten Teilnehmer der Studie erst 16 und die ältesten erst 41 Jahre alt waren, wodurch die Verteilung als noch nicht abgeschlossener Prozess betrachtet werden muss. 60 Als Beispiel: Die Werte sind in etwa vergleichbar mit den Werten der Wohnbevölkerung der Stadt Bern über 25 Jahren. Vgl. Statistikdienste der Stadt Bern. Eidg. Volkszählung 2000, http://www.bern.ch/leben_in_bern/stadt/statistik/bevoelkerung/vz5140 49 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 6.2. Interpretation der Daten 6.2.1. Scores für kommunikative Kompetenz Die Interpretation des unter Abschnitt 5.1 erläuterten Scores für kommunikative Kompetenz bildet ein erstes Element für die Interpretation der erhobenen Daten. Von 128 Scores, lagen nur 11 in der unteren Hälfte der Skala. Der Durchschnittsscore (Mittelwert) betrug 11.375. Für weitere Untersuchungen kann also nun mit dem korrigierten Wert von 11.375, statt 9 gerechnet werden. Die Verteilung der Scores ingesamt verlief nahezu normalverteilt, und würde die Normalverteilung vermutlich bei höherer Stichprobenzahl weiter annähern. Tabelle 12: Verteilung der Scores im Vergleich zur Normalverteilung 50 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Tabelle 13: Verteilung der Kompetenzscores auf die Teilnehmer 6.2.2. Geschlechtspezifische Unterschiede Eine der Hypothesen dieser Arbeit fragt nach möglichen geschlechtsspezifischen Unterschieden in Gebrauch und Verarbeitung nonverbaler Kommunikationselemente in der CMC. Zwar zeigt sich kein eindeutiges, sich durch alle Fragen hindurch ziehendes Muster, was auch an der geringen Anzahl weiblicher Umfrageteilnehmer liegen mag, einige Antworten weisen aber doch gewisse Auffälligkeiten auf, die möglicherweise auf geschlechtsspezifische Unterschiede zurückzuführen sind. Zwar ist die Frage, inwiefern sich Männer und Frauen in punkto Kommunikation, oder auch nur nonverbaler Kommunikation, unterscheiden nicht endgültig geklärt, es gibt in der Wissenschaft aber Hinweise, dass insbesondere im Bereich der Mimik und des Affekterlebens durchaus Unterschiede bestehen.61 Ein Kreuztabellenvergleich der Fragen 27 und 37 ergibt zwar keinen statistisch haltbaren Zusammenhang, die Verteilung der Antworten ist aber zwischen Männern und Frauen auffällig unterschiedlich. Frage 27 befragte die Probanden danach, wie oft sie in der CMC Gebrauch von Inflektiven, bzw. Erikativen machten. Bereits in der Vorstudie entstand die Vermutung, es könnte hier einen geschlechtsspezifischen Unterschied geben. Frage 37 fragte denn auch nach dem Geschlecht der Probanden. 61 Vgl. FRISCH, Ingrid: Eine Frage des Geschlechts? Mimischer Ausdruck und Affekterleben in Gesprächen. St. Ingbert, Röhrig 1997 51 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Kreuztabelle Geschlecht * v27 v27 oft Geschlecht männlich Count Geschlecht weiblich 36 43 109 14.5 19.6 35.8 39.2 109.0 11.0% 16.5% 33.0% 39.4% 100.0% 5 5 6 3 19 2.5 3.4 6.2 6.8 19.0 26.3% 26.3% 31.6% 15.8% 100.0% Expected Count Geschlecht Total nie 18 Count % within selten 12 Expected Count % within manchmal Tabelle 14: Verwendung von Inflektivwendungen bei Männern und Frauen Bei aller Vorsicht, die in Anbetracht der kleinen weiblichen Befragtenzahl einzuhalten ist, weichen die Antworten bei den Frauen doch relativ stark von den Werten der Männer und der Erwartung ab. Wie es scheint, machen die weiblichen Teilnehmer der Studie durchschittlich öfter von Inflektivwendungen gebrauch, als die männlichen Teilnehmer. Inflektivwendungen oder Handlungsbeschreibungen sind gewissermassen die letzte Möglichkeit, nonverbale Signale zu übertragen, indem man sie einfach auf die verbale Eben portiert und so gleichsam metakommunikativ signalisiert, was man im F2F-Gespräch, fühlen, sehen, riechen etc. würde. Gerade nonverbale Kommunikation in den Kanälen Touch, Environment und Space lassen sich durch den Gebrauch von Inflektiven einfacher kompensieren, als Beispielsweise über Smilies oder Emoticons. *knuddel* oder *kuschel* sind vermutlich sehr hoch auf der weiblichen Rangliste der SMS Inhalte.62 Ebenfalls deutliche Unterschiede gab es bei der Frage 35, wo nach einer KnK für ein Lächeln gefragt wurde. Hier antworteten die Frauen über dem Erwartungswert oft mit *lächel* oder *g*, während diese Inflektivwendungen bzw. Inflektivabkürzungen bei den Männern weniger beliebt waren. Die Verteilung der übrigen KnK ist relativ gleichmässig zwischen Männern und Frauen. Zwar sind die Zahlen erneut zu klein um statistisch signifikante Unterschiede belegen zu können, dennoch weisst es möglicherweise auf einen Unterschied hin. 62 Basierend auf eigener Erfahrung. 52 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Kreuztabelle Geschlecht * v35 Geschlecht männlich v35 :-) Count 16 2 18 15.3 2.7 18.0 14.7% 10.5% 14.1% 35 3 38 32.4 5.6 38.0 32.1% 15.8% 29.7% 1 3 4 3.4 .6 4.0 .9% 15.8% 3.1% 10 3 13 11.1 1.9 13.0 9.2% 15.8% 10.2% Count 1 0 1 Expected Count .9 .1 1.0 .9% .0% .8% 46 8 54 46.0 8.0 54.0 42.2% 42.1% 42.2% Expected Count % within Geschlecht hehe Count Expected Count % within Geschlecht *lächel* Count Expected Count % within Geschlecht *g* Count Expected Count % within Geschlecht lol % within Geschlecht :) Total weiblich Count Expected Count % within Geschlecht Tabelle 15: Geschlechterspezifische Unterschiede bei der Kompensation eines Lächelns Auch bei Frage 34, in der nach der Verständlichkeit von KnK gefragt wurde, antworteten die Frauen anders als die Männer. Mehr Frauen waren der Ansicht, KnK seien schwer oder eher schwer verständlich. (31.6% der Frauen, vs. 12.9% der Männer) Während 51.1% der Männer der Ansicht waren, KnK seien leicht oder sehr leicht verständlich, teilten diese Meinung nur 26.4% der Frauen. Aufgrund der kleinen Anzahl (<5) weiblicher Antworten, ist ein Chi-Quadrat Test nicht sinnvoll, der Wert wäre allerdings signifikant (0.072). 53 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Kreuztabelle Geschlecht * v34 Geschlecht männlich v34 unverständlich Count 1 0 1 Expected Count .9 .1 1.0 .9% .0% .8% 5 3 8 6.8 1.2 8.0 4.6% 15.8% 6.2% 9 3 12 10.2 1.8 12.0 8.3% 15.8% 9.4% 32 8 40 34.1 5.9 40.0 29.4% 42.1% 31.2% 44 4 48 40.9 7.1 48.0 40.4% 21.1% 37.5% 18 1 19 16.2 2.8 19.0 16.5% 5.3% 14.8% % within Geschlecht schwer verständlich Count Expected Count % within Geschlecht eher schwer Count Expected Count % within Geschlecht eher leicht Count Expected Count % within Geschlecht leicht Count Expected Count % within Geschlecht sehr leicht Total weiblich Count Expected Count % within Geschlecht Tabelle 16: Verständlichkeit von KnK bei Männern und Frauen Andere Fragen, beispielsweise die Fragen (und Unterfragen) 17, 18, 19 31 und 36 ergaben keine deutlichen Unterschiede in den Antwortmustern zwischen Männern und Frauen. 6.2.3. Sprachliche, kulturelle Unterschiede Die Hypothese, dass es kulturelle Unterschiede geben könnte, muss aufgrund der zu kleinen kulturellen Varietät der Stichprobe ad acta gelegt werden. Muttersprache und Nationalität sind, wie bereits in 6.1.39. und 6.1.40. erläutert wurden, überwiegend aus der DACH Region und deutschsprachig. Lediglich bei der Verwendung von Sprachen, gab es geringfügige Unterschiede. So zeigte sich, dass Probanden, die 54 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 angaben, auch in Englisch zu kommunizieren, die höhere Erkennungsrate bei den englischsprachigen Akronymen hatte. Diese Feststellung ist allerdings nicht nur naheliegend, sondern auch wenig deutlich. Von denen die Angaben, auch in Englisch zu kommunizieren, verstanden alle das Akronym „lol“, von denen die lediglich auf Deutsch kommunizierten, verstanden es vier nicht. Die Bestätigung, dass es tatsächlich kulturelle Unterschiede beim codieren und decodieren von nonverbalen Signalen in der CMC gibt, wird in einer anderen, umfangreicheren Arbeit erbracht werden müssen. Bestehende unterschiedliche Zeichensysteme wie etwa das „westliche“ Smilie :-) gegenüber dem „asiatischen“ Smilie ^_^, deuten zwar auf einen Unterschied hin, wie weit sich dieser aber auf die Wirkung der Zeichen auswirkt, kann hier nicht beantwortet werden. Die Auswertung der Antworten 17U6 und der Frage 1 zeigte allerdings, dass von 12 Personen, die das Emoticon ^_^ als sehr aussagekräftig einstuften, alle 12 auch regelmässig Online Spiele spielten. Von den 19, die das Zeichen noch als deutlich aussagekräftig einstuften (Rating 5), waren immerhin noch 17 Personen Online Gamer. Die Online Gamer machten auch 76.7% der Teilnehmer aus, die in Frage 31U4 das Zeichen (^_^) als sehr fröhlich einstuften. Erklären liesse sich das unter Umständen daran, dass vermehrt Einflüsse aus Asien, wie das Smilie S6 (^_^), über den Spielemarkt in den Westen gelangen. Neuste Nutzerzahlen des Spiels World of Warcraft63, beispielsweise, zeigen, dass von 10 Millionen aktiven Spielern weltweit, 5.5Mio aus Asien stammen. Dass es da zu kulturellen Vermischungen und der Adoption von fremden Zeichensystemen kommt, scheint naheliegend. Es ist also durchaus möglich, dass die Befragten, die Online Spiele spielen, früher mit KnKs aus anderen Kulturkreisen in Berührung kommen, als Beispielsweise Nutzer, die nur das World Wide Web nutzen. 6.2.4. Das Emoticon ;-) Eines der ältesten Smilies , ist gleichzeitig auch eines der interessantesten im Hinblick auf die Auswertung. Offenbar wird es von vielen Menschen relativ einheitlich interpretiert, sowohl beim Codieren, als auch beim Decodieren. Frage 13 suchte nach der häufigsten Methode, eine schriftliche Aussage als nicht ernst gemeint zu kennzeichnen. Wie in Abschnitt 6.1.13. bereits gezeigt wurde, antwortete 63 Quelle: Blizzard Entertainment, Pressebericht vom 22. Januar, Irvine, 2008, http://www.blizzard.com/press/080122.shtml 55 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 die Mehrheit mit dem Smilie ;-). Frage 15 war ähnlich und fragte nach einer Möglichkeit, ein Augenzwinkern zu vermitteln. Auch hier wurde ;-) am meisten genannt. Es stellte sich die Frage, ob die gleichen Personen in beiden Fragen mit ;-) antworteten. Eine einfache Pearsonsche Korrelationsanalyse ergab einen signifikante Korrelation zwischen den Antworten von 13 und 15 von 0.205. Korrelation Fragen 13 * 15 v13 v13 v15 Pearson Correlation 1 .205 Sig. (2-tailed) .020 N v15 * 128 128 * 1 Pearson Correlation .205 Sig. (2-tailed) .020 N 128 128 *. Correlation is significant at the 0.05 level (2tailed). Tabelle 17: Signifikante Korrelation 13*15 Auch der Kreuztabellenvergleich der beiden Antwortmuster ergibt auf den ersten Blick eine klare Übereinstimmung. Kreuztabelle v15 * v13 Count v13 v15 :-0 ;-) };-) :-) 8-) :-( Total |-) 0 0 0 0 0 1 1 ;-) 3 108 2 2 5 0 120 *-) 0 4 0 0 0 0 4 B-) 0 1 0 0 1 0 2 >) 0 0 0 0 1 0 1 3 113 2 2 7 1 128 Total Tabelle 18: Deutliche Übereinstimmung der Antworten 56 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Scherzhaftigkeit scheint also innerhalb der Stichprobe sehr einheitlich durch das Emoticon ;-) ausgedrückt zu werden. Etwas weniger deutlich, aber immer noch bemerkenswert ist die Übereinstimmung der Tabellen Antworten von Frage 13 und 15 mit der Teilfrage 18.3, wo es darum ging, dem Smilie ;-) eine Bedeutung zuzuordnen. Während die Fragen 13 und 15 also jeweils den Befragten in die Rolle des Codierers stellten, muss in Frage 18.3 vielmehr decodiert werden. Der Befragte ist der Rezipient. Kreuztabelle v13 * v18U3 Count ;-) (v18U3) fröhlich v13 witzig gelangweilt Total frech :-0 1 2 0 0 3 ;-) 13 70 0 30 113 };-) 0 1 0 1 2 :-) 0 1 0 1 2 8-) 3 4 0 0 7 :-( 0 0 1 0 1 17 78 1 32 128 Total Tabelle 19: Homogenität bei der Zuordnung von ;-) Kreuztabelle v15 * v18U3 Count ;-) (v18U3) fröhlich v15 Total witzig gelangweilt Total frech |-) 0 0 1 0 1 ;-) 14 75 0 31 120 *-) 1 3 0 0 4 B-) 1 0 0 1 2 >) 1 0 0 0 1 17 78 1 32 128 Tabelle 20: Übereinstimmung auch hier Bedenkt man, dass die Begriffe „witzig“ und „frech“ mitunter sehr nahe beeinander 57 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 liegen, ergibt sich für v13 eine Schnittmenge von 100 und für v15 eine Schnittmenge von 106 mit v18U3. Die Kompensation eines Lächelns (mimics) kombiniert mit einem zugedrückten Auge (oculesics), als allgemeiner Ausdruck von Scherzhaftigkeit wird also innerhalb der Stichprobe dieser Arbeit zu 76-84% richtig verstanden und angewendet. Das ist bereits ein einheitlicheres Resultat, als beispielsweise die Antworten auf die Frage 8 (v8), wo es darum ging, beim Satz „Ich will Dir ja keine Vorschriften machen, aber solltest Du das nicht noch einmal überdenken?“ möglicherweise zwischen den Zeilen zu lesen (ohne dabei eine nonverbale Zusatzinformation oder KnK zu haben). Nun wäre es interessant zu erfahren, ob Probanden mit höherer kommunikativem Kompetenzscore bei den Fragen 13, 15 und 18.3 öfter die richtige Antwort gegeben haben, als solche mit tieferem Score. Die Stichprobe ist für wirklich aussagekräftige Resultate zu klein, die folgende Grafik weisst aber grundsätzlich die gleiche Form auf wie die Verteilung der Scores auf die Stichprobe (Abschnitt 6.2.1.), man kann also annehmen, dass ein tiefer Score allgemein die Probanden nicht daran gehindert hat, das Zeichen ;-) richtig zu interpretieren. Tabelle 21: Richtige Antworten in Relation zum Score der Antwortenden 58 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Damit wird die Hypothese gestärkt, dass Kompensationsformen des Kanals Face and Eye behavior leichter codiert und decodiert werden können, als die KnK anderer Kanäle. Weitere Unterstützung erhält diese Hypothese mit dem Zeichen :-). 6.2.5. Das Emoticon :-) Im Abschnitt 6.1. wurde bereits erwähnt, dass das klassische „lächelnde Gesicht“Smilie offenbar von vielen Leuten und je nach Kontext sehr unterschiedlich interpretiert wird. Die erste Frage, die sich explizit um das Zeichen :-) dreht, ist die Frage 12. Personen, die in Frage 17 Angaben :-) berge viel oder sehr viel Aussagekraft, gaben in Frage 12 keine einheitlichen Antworten, wie die untenstehende Kreuztabelle zeigt. Folgende Beobachtungen können gemacht werden: - Personen, die das Smilie als sehr aussagekräftig einstuften, antworteten etwa zu gleichen Teilen, das Smilie in Frage 12 stehe für „lustig finden“ mit oder ohne Lachen. (blau) - Personen, die dem Smilie nur viel Aussagekraft zuschrieben, antworteten zu etwa gleichen Teilen mit „lustig finden ohne Lachen“ und „der Beschriebene fand es lustig“. Jedoch fanden deutlich weniger, dass es sich um „lustig finden und lachen“ handeln könnte. (rot) Kreuztabelle v12 * 17_S1 17_S1 keine v12 lustig wenig eher wenig eher viel viel sehr viel Total Anzahl ohne Lachen lustig Anzahl mit Lachen 0 2 5 13 15 7 42 0 3 7 14 7 8 39 2 3 7 5 14 4 35 beschrie Anzahl bener lustig Tabelle 22: Zusammenhänge zwischen Aussagekraft und Interpretation Grösser ist die Übereinstimmung beim Vergleich der Antworten von Frage 12 und 59 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Frage 31. In Frage 31 wurde nicht nach der Aussagekraft von :-) gefragt, sondern nach dem Grad der Fröhlichkeit desselben Zeichens. Es wäre anzunehmen, dass Personen, die die Fröhlichkeit sehr hoch einstufen, auch eher dazu neigen, das Zeichen als Lachen zu interpretieren und nicht nur als „lustig finden ohne zu lachen“. Tatsächlich scheint dies der Fall zu sein, wie die nachfolgende Kreuztabelle von Frage 12 und 31 zeigt (rot). Ebenso weisst die Gruppe, die Frage 12 als „lustig finden ohne zu lachen“ interpretierte mehr Personen auf, die das Zeichen :-) in Frage 31 eher wenig, ein bisschen oder ziemlich fröhlich einstuften (Werte von 2-4 auf der Skala von 1-6) (blau). Da niemand „wenig“ (Wert 1) vergab, fällt dieser Punkt weg. Kreuztabelle 12 * 31 :-) eher wenig v12 lustig ohne Anzahl lachen lustig mit Anzahl lachen beschriebe Anzahl ner lustig bisschen ziemlich fröhlich sehr fröhlich Total 1 2 10 22 7 42 2 1 3 22 11 39 0 3 11 13 8 35 Tabelle 23: Zusammenhang zwischen empfundener Fröhlichkeit und Lachen Schliesslich stellt sich die Frage, ob Personen, die in Frage 17 dem :-) viel Aussagekraft zusprachen, in Frage 31 auch der Ansicht waren, das Zeichen sei sehr fröhlich. Eine Kreuztabelle zeigt den Trend auf: Allgemein stimmen die Bewertungen der Fragen 17 und 31 eher überein. Völlige Widersprüche gibt es keine (blau). Gute Übereinstimmungen verlaufen auf einer Diagonale von links oben nach rechts unten (rot). Die Korrelation ist deutlich. Damit ist zumindest eine gewisse Homogenität bei der Interpretation des Zeichens :-) bewiesen. Damit reiht sich :-) neben ;-) in die Reihen der relativ64 gut verständlichen Emoticons ein. 64 Die Relativität der Erkenntnisse muss in Anbetracht der kleinen Stichprobe und der geringen kulturellen Varietät innerhalb der Stichprobe betont werden. 60 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Kreuztabelle 17_S1 * 31_:-) Anzahl :-) eher wenig S1 bisschen ziemlich fröhlich sehr fröhlich Total keine 0 1 1 0 0 2 wenig 1 2 2 2 1 8 eher wenig 2 3 7 7 2 21 eher viel 1 1 10 22 5 39 viel 0 0 6 23 8 37 sehr viel 0 0 1 7 13 21 4 7 27 61 29 128 Total Tabelle 24: Zusammenhang Fröhlichkeit und Aussagekraft Korrelation 17_S1 * 31 :-) :-) Pearson Correlation S1 1 .516 Sig. (2-tailed) N S1 Pearson Correlation ** .000 128 128 ** 1 .516 Sig. (2-tailed) .000 N 128 128 **. Correlation is significant at the 0.01 level (2tailed). Tabelle 25: Starke Korrelation 17_S1*31 Ein letzter Zusammenhang lässt sich beim Vergleich von Frage 18U5 und Frage 31 erkennen. Personen, die in 18U5 das Smilie :-) richtig als „fröhlich“ erkannt haben, waren in Frage 31 auch mehrheitlich der Ansicht, das Emoticon sei fröhlich oder sehr fröhlich. 61 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Kreuztabelle 18_:-) * 31_:-) Count :-) eher wenig :-) bisschen ziemlich fröhlich Total sehr fröhlich fröhlich 4 7 24 53 29 117 witzig 0 0 3 7 0 10 frech 0 0 0 1 0 1 4 7 27 61 29 128 Total Tabelle 26: Einheitliche Interpretation von :-) Dabei waren die Unterschiede zwischen den Antworten von :-) und :) nicht sehr gross. Die Meinung zu beiden Zeichen war bei den Testpersonen weitgehend die gleiche (rot). Die „Nase“ scheint also keinen erheblichen Unterschied zu machen, was die Interpretation des Emoticons betrifft. 13_:-) * 31_:) Kreuztabelle Anzahl :) wenig :-) Total eher wenig bisschen ziemlich fröhlich sehr fröhlich Total eher wenig 2 1 0 1 0 0 4 bisschen 0 2 3 2 0 0 7 ziemlich 1 1 6 14 5 0 27 fröhlich 0 1 5 15 37 3 61 sehr fröhlich 0 0 0 6 15 8 29 3 5 14 38 57 11 128 Tabelle 27: Geringer Unterschied zwischen :) und :-) Die Korrelation ist entsprechend stark. Es zeichnete sich ebenfalls ab, dass Personen, die den Emoticons :) und :-) hohe Werte an Fröhlichkeit attestierten, eher dazu geneigt waren, damit auch ein Lächeln (Frage 35) auszudrücken. 62 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Korrelation 13_:-) * 31_:) :-) :-) :) Pearson Correlation 1 .645 Sig. (2-tailed) .000 N :) ** Pearson Correlation 128 128 ** 1 .645 Sig. (2-tailed) .000 N 128 128 **. Correlation is significant at the 0.01 level (2tailed). Tabelle 28: Starke Korrelation :-) mit :) Den Unterschied zwischen lächeln und laut lachen machten viele Teilnehmer mit unterschiedlichen KnK deutlich. Leute die für ein Lächeln ein ASCII Smilie verwendeten, benutzten für ein lautes Lachen eher eine Abkürzung oder einen onomatopíetischen Ausdruck. Eine Gegenüberstellung der Fragen 16 und 35 zeigt die Präferenzen auf: Kreuztabelle v16 * v35 Anzahl v35 :-) v16 Total hehe *lächel* *g* lol Total :) :-D 4 7 0 2 0 13 26 *lautlach* 1 1 2 0 0 0 4 :-) 0 0 0 0 0 1 1 LOL 8 17 2 9 1 23 60 Hahaha! 5 13 0 2 0 17 37 18 38 4 13 1 54 128 Tabelle 29: Unterschiede beim Ausdrücken von Lächeln und Lachen Rote Zahlen: 23 Personen wählten für das laute Lachen die Abkürzung lol, für das kleine Lächeln jedoch das Minimalsmilie :). 17 Personen wählten für das Lächeln das Minimalsmilie, für das laute Lachen hingegen das lautmalerische „Hahaha!“. Ebenfalls 17 Personen lachten mit „LOL“ und lächelten mit „hehe“. 63 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Blaue Zahlen: Jeweils 13 Personen nutzten für beide Ausdrucksarten eine KnK aus derselben Kategorie: onomatopíetischer Ausdruck oder graphostylistisches Smilie. Eine Person unterschied sogar anhand der Gross-Kleinschreibung zwischen laut lachen (LOL) und lächeln (lol). Hier ist offenbar nicht mehr die ursprüngliche Aussage der Abkürzung funktionsbestimmend (laughing out loud). Vielmehr scheint der Ausdruck „lol“ schon ein eigenständiges Zeichen zu sein, das mittels Grossschreibung verstärkt oder Kleinschreibung abgeschwächt werden kann. 6.2.6. Kommunikative Kompetenz Der unter 5.1. erläuterte Score für Kommunikative Kompetenz kann nun herangezogen werden, um mögliche Zusammenhänge zwischen der angenommenen kommunikativen Kompetenz eines Probanden und seinen Antworten aufzudecken. Eine erste Kontrolle des Score bietet sich mit Frage 34 an. Darin wurde gefragt, wie leicht verständlich KnK für den Teilnehmer seien. Tatsächlich stellte sich heraus, dass Personen, die einen höheren Score haben, auch öfter der Ansicht waren, KnK seien leicht verständlich. Korrelation Verbale Kompetenz * v34 Verbale Kompetenz Verbale Kompetenz Pearson Correlation v34 1 Sig. (2-tailed) N v34 .213 * .016 128 128 * 1 Pearson Correlation .213 Sig. (2-tailed) .016 N 128 128 *. Correlation is significant at the 0.05 level (2-tailed). Tabelle 30: Korrelation zwischen kommunikativer Kompetenz und empfundener Verständlichkeit Die Korrelation bleibt auch erhalten, wenn die Variable Verbale Kompetenz in eine binäre Variable (score_mod) umgewandelt wird, die misst, ob ein Proband oberhalb oder unterhalb des Mittelwertes (11.38) liegt. 64 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Korrelation score_mod * v34 v34 v34 score_mod Pearson Correlation 1 .180 Sig. (2-tailed) .042 N score_mod * 128 128 * 1 Pearson Correlation .180 Sig. (2-tailed) .042 N 128 128 *. Correlation is significant at the 0.05 level (2-tailed). Tabelle 31: Erhaltene Korrelation mit dichotomem Score Weitere Tests mit dem Score für kommunikative Kompetenz ergaben allerdings keine signifikanten Zusammenhänge mehr. Zwar haben die Frauen einen leicht höheren Score als die Männer, durch die kleine Zahl Frauen lassen sich aber erneut keine zweifelsfreien Aussagen machen. Kreuztabelle score_mod * Geschlecht Anzahl Geschlecht männlich score_mod Total weiblich unter ø 62 9 71 über ø 47 10 57 109 19 128 Total Tabelle 32: Leichte Scorevorteile der Frauen Ein Zusammenhang zwischen Score und der Beantwortung der zeichenspezifischen Fragen konnte nicht bewiesen werden. 6.2.7. Verständlichkeit von Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation Bei der der Auswertung der Fragen, die sich um sprachabgeleitete KnKs drehten, zeigte sich primär, dass die Verständlichkeit dieser Zeichen davon abhängt, wie vertraut eine Person mit den jeweiligen Zeichen ist. Neben dem bereits erwähnten vermuteten Zusammenhang zwischen sprachlichen Kenntnissen und dem Verständnis von Abkürzungen, zeigt eine Kreuztabelle der Fragen 27 und 29 vor allem eines: 65 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Personen die keinen Gebrauch von Inflektivwendungen machen, wissen auch nicht, wie diese interpretiert werden sollen. Frage 27 fragte nach der Frequenz der Verwendung von Inflektiven/Erikativen, Frage 29 suchte nach der richtigen Antwort auf die Frage was *duck* am Ende eines Satzes bedeute. Die naheliegende, aber nicht ganz richtige Antwort, es könnte sich um ein Ducken vor dem fliegenden Computer handeln65, wurde mit Abstand am meisten von Personen genannt, die selten oder nie Inflektivwendungen verwenden (rot). Damit stärkt sich die Vermutung, dass im Umgang mit KnKs, die nicht auf Gesichtssprache basieren, nur Übung die Verständlichkeit erhöhen kann, es sich also um ein erlerntes Verhalten handelt, dessen Codepool zwischen zwei Interaktionspartnern nicht selbstverständlich übereinstimmen muss. Kreuztabelle v27 * v29 Anzahl v29 v27 Total computer- sich fliegender anweisung ducken disney computer weiss nicht Total oft 0 14 0 3 0 17 manchmal 0 20 0 2 1 23 selten 1 31 1 8 1 42 nie 1 33 0 10 2 46 2 98 1 23 4 128 Tabelle 33: Vertrautheit mit Inflektivwendungen als Faktor bei der Interpretation Interessant ist auch der Vergleich der Antworten der Frage 27 und 35. In Frage 35 wurde danach gefragt, wie die Person am ehesten ein Lächeln übermitteln würde. Tatsächlich antworteten Personen, die angaben niemals Inflektive zu verwenden, mehrheitlich mit „hehe“, einem onomatopíetischen Ausdruck, der näher an der nonverbalen Kommunikation im Face-to-Face Gespräch liegt, als die übertragene Form des Inflektivs, der an eine Wortbedeutung gekoppelt ist. Überhaupt scheinen Personen, die keinen oder selten Gebrauch von Inflektiven machen, mehrheitlich KnKs vorzuziehen, die mehr oder weniger direkt einen der fünf Sinne ansprechen, sei 65 Siehe Anhang bzw. Abschnitt 6.1.29. für den genauen Wortlaut der Frage. 66 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 das das Gehör mit „hehe“ oder das Auge mit „:)“ (blau). Kreuztabelle v27 * v35 Anzahl v35 :-) v27 hehe *lächel* *g* lol Total :) oft 3 3 2 2 0 7 17 manchmal 2 6 2 6 0 7 23 selten 7 9 0 4 1 21 42 nie 6 20 0 1 0 19 46 18 38 4 13 1 54 128 Total Tabelle 34: Präferenz von visuellen oder lautmalerischen Kompensationen Diese Hypothese, dass Kompensationen des Kanals Gesichtssprache (face and eye behavior) eher verstanden werden, als die komplexeren Kompensationen anderer Kanäle, wird auch durch die Tatsache gestützt, wie hoch die allgemeine Erkennungsarte gesichtssprachlicher KnK ist. In Frage 18 liegt die durchschnittliche Erkennungsrate aller sechs Teilfragen bei 79.5%. Rechnet man die naheliegenden und zweitmeist genannten Antworten von 18U3 und 18U4 ebenfalls noch ein, liegt die durchschnittliche Erkennungsrate gar bei über 89% für die visuellen Kompensationen des nonverbalen Kommunikationskanals Gesichtssprache. Im Vergleich dazu, liegt die durchschnittliche Erkennungsrate der onomatopíetischen Ausdrücke der Frage 36 bei lediglich 68.2%. Sehr hoch liegt allerdings auch die Erkennungsrate der vier weitverbreitetsten Akronyme lol, afk, brb und rofl in Frage 19. Ihre durchschnittliche Erkennungsrate liegt bei über 88%. Hier kann man davon ausgehen, dass die Tatsache, dass alle Befragten regelmässige Internetnutzer waren, wesentlich dazu beigetragen hat, dass diese vier Begriffe so gut erkannt wurden. Zu bedenken ist aber auch, dass der Insidercode „kek“ lediglich zu 15.6% erkannt wurde und die nicht existierende Abkürzung „jghz“ zu 14.8% falsch erkannt wurde. Ohne Vorwissen sind Emoticons vermutlich einfacher zu verstehen, als Akronyme, zumal sie nicht an eine Sprache gebunden sind. Sind die Akronyme aber erst bekannt, sind sie äusserst zuverlässige Mittel, nonverbale oder metakommunikative 67 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Nachrichten zu übermitteln. 6.2.8. Interpunktionsbasierte Kompensationen nonverbaler Kommunikation Die Kreuztabellen der Fragen 20 * 26, 22 * 24 und 23 * 25 ergaben keine nennenswerten Zusammenhänge. Es scheint, dass die Funktion der „zweckentfremdeten“ Interpunktionszeichen ! bzw. !!!, ??? und ... vor allem vom Kontext bestimmt wird. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Zeichen daher bestenfalls als Ergänzung für einen bereits verständlich geschriebenen Satz, also eine Mitteilung auf verbaler Ebene, dienen kann, in sich selber aber keine Bedeutung hat, die eindeutig zugeordnet werden könnte. So kann ??? in einem Satz als Frageverstärker auftreten, in einem anderen aber als Zeichen von Unklarheit eingesetzt werden. In den drei erwähnten Kreuztabellen ergaben sich keine erkennbaren Muster in den Antworten. Nicht einmal die Punkte „positive Verstärkung“, die in beiden Fragen als Antworten vorgegeben waren, überschnitten sich in den Antworten deutlich. Auch ein Vergleich der Antworten von Frage 20 und der binären Variable „score_mod“, die die Probanden anhand ihres kommunikativen Kompetenzscores in zwei Gruppen teilt, ergab keine erkennbaren Muster. Wäre man auf der Suche nach einem allgemeinverständlichen Code für die Transskription nonverbaler Zeichengebung in die computerbasierten Medien, wären die von der Interpunktion abgeleiteten Zeichen keine Hilfe. Die relative Deutlichkeit, mit der die Zeichen innerhalb der Fragen (im Gegensatz zu frageübergreifend) beantwortet wurden66, lässt aber zumindest darauf schliessen, dass sich mit ihnen ein Kontext verdeutlichen lässt. Sie eignen sich also zumindest zur Regulierung und Unterstützung der Kommunikation. Das grösste Problem dürfte hier das Phänomen der Abstumpfung darstellen. In gewissen Kreisen werden Interpunktionszeichen dermassen inflationär verwendet, dass sie von erfahreneren Usern gar nicht mehr beachtet werden. Damit entfällt dann auch die ohnehin schon kontextabhängige Funktion gänzlich. 66 Siehe Abschnitt 6.1. ff 68 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 7. Erkenntnisse 7.1 Zusammenfassung Die Lizenziatsarbeit mit dem Arbeitstitel „Kompensation nonverbaler Kommunikationskanäle in der computervermittelten Kommunikation“ sollte anhand bestehender Literatur zum Thema nonverbale Kommunikation einen Fragebogen ausarbeiten und anhand der quantitativen Auswertung desselben Rückschlüsse ermöglichen, welche Kompensationsformen, die in der CMC anzutreffen sind, besonders geeignet sind, ihre Rolle zuverlässig zu erfüllen. Dazu wurden eine Reihe von Hypothesen aufgestellt, die – ausgehend vom aktuellen Stand der Forschung – erleichtern sollten, die möglichen Fragestellungen auf ein für eine solche Arbeit geeignetes Mass zu reduzieren. Aufgrund der kleinen Stichprobe und des begrenzten Kreises, in dem die Umfrage durchgeführt wurde, lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Es lassen sich aber Trends aufzeigen und die Deutlichkeit einiger Resultate lässt vermuten, dass ähnliche Ergebnisse auch in einer anderen Stichprobe erzielt werden könnten. Es hat sich ferner gezeigt, dass alle computergstützten Medien irgend eine Form der Kompensation nonverbaler Zeichengebung kennen und dass diese von den Nutzern privat und auch beruflich rege eingesetzt werden. Bei der Interpretation/Rezeption dieser Kompensationsformen spielen eine Reihe von Faktoren mit. Dazu gehören die Vertrautheit mit dem Codesystem, sozialisierte Verhaltensweisen, sprachliche Kenntnisse, persönliche geschlechtsspezifische Präferenzen Merkmale. und vermutlich Nonverbale auch kulturelle Kommunikation in und der computervermittelten Kommunikation ist ein komplexes Gebilde, das trotz der scheinbaren Rudimentarität seiner Codepools und seiner starken Kanalrestriktion eine grosse Vielfalt entwickelt hat, die bei weitem noch nicht vollständig erschlossen wurde. Diese Arbeit hat gezeigt, dass visuelle Kompensationsformen des Kanals Mimik (Emoticons), schriftliche Kompensationsformen des Kanals Vocalics, bzw. Parasprachlichkeit (Onomatopíesis) und bekannte Akronyme aus der Schriftsprache für Metakommunikation innerhalb der Stichprobe eine hohe Erkennungsrate aufwiesen. Damit konnte einmal mehr gezeigt werden, dass nonverbale Kommunikation auch in der computervermittelten Kommunikation nicht nur existiert, 69 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 sondern auch existentiell ist. Die Hypothesen dieser Arbeit werden im Folgenden nocheinmal aufgegriffen und reflektiert. 7.1.1. Die Hypothese „Gibt es einen geschlechterspezifischen Unterschied beim Codieren und Decodieren der nonverbalen Signale auch in der Internetkommunikation?“ konnte zwar nicht zweifellos bestätigt werden, die Resultate der Umfrage deuten aber zumindest darauf hin, dass es gewisse geschlechterspezifische Präferenzen geben könnte, welche KnK angewandt werden. Besonders KnK, die auch die Kompensation in Kanälen ermöglichen, in denen es sonst nicht möglich ist zu kommunizieren (Space, Environment, Touch), scheinen bei den weiblichen Befragten beliebter zu sein, als bei den männlichen Teilnehmern der Studie. Eine grösser angelegte Studie könnte hier vermutlich weitere Erkenntnisse liefern. 7.1.2. Die Hypothese „Welche Signale lassen sich generell reliabler codieren und decodieren, welche Signale sind kaum codierbar?“ lässt sich, nach den Ergebnissen dieser Studie, mit einiger Wahrscheinlichkeit bestätigen. Tatsächlich scheinen KnK aus dem Bereich der Gesichtssprache (insbesondere Mimik), die sich relativ direkt auf ein Medium der CMC übertragen lassen, einfacher codieren und auch decodieren zu lassen, als nonverbale Kommunikation aus anderen Kanälen. Die hohe Erkennungsrate und auch die richtige Anwendung der Emoticons :-) und ;-) zeigt dies deutlich. Nicht aussschliessbar ist im Rahmen dieser Studie allerdings der Einfluss des Bekanntheitsgrades solcher Zeichen/Codes. Dies könnte beispielsweise in einem Laborexperiment mit Personen, die bisher keinen Kontakt mit computergestützten Medien hatten, untersucht werden. Klar ist, dass so gut wie alle KnK ursprünglich als Insidercodes in Umlauf gebracht wurden und von dort aus mit der Zeit ein immer grösseres Publikum ansprachen. Das lässt sich gut am Beispiel von „kek“ in Frage 19U3 zeigen, das fast nur von Personen erkannt wurde, die das Spiel, in dem dieser Begriff geprägt wurde, auch gespielt haben dürften. Das sehr populäre „lol“ aus Frage 19 hingegen ist mittlerweile so verbreitet, dass nicht nur 95% der Befragten das Zeichen richtig erkannten, man hört es mittlerweile sogar umgangssprachlich auf der Strasse. Der Bekanntheitsgrad einer KnK trägt also sicherlich auch zum Erfolg im 70 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Umgang damit bei. Insofern weisen KnK hier eine Ähnlichkeit mit anderen Codesystemen auf, die erst erlernt werden müssen; allen voran Sprachen.67 7.1.3. Die nahe an der vorhergehenden Hypothese liegende Frage danach „welche Kanäle nonverbaler Zeichengebung sich am besten, welche am schlechtesten kompensieren lassen“ liess sich ebenfalls dahingehend bestätigen, dass optische Kanäle einfacher kompensierbar sind, als die Kanäle aller anderen Sinne. Das liegt zweifellos auch daran, dass das Internet als Ausgangspunkt vieler computergestützter Medien ein primär visuelles Instrument ist. Es zeigte sich aber auch, dass die Übertragung von Sprache auf dem Vormarsch ist und möglicherweise ältere Internetmedien wie den Textchat auch in Zukunft weiter verdrängen wird. Am schlechtesten kompensierbar sind nachwievor nonverbale Kanäle, die auf der physischen Präsenz des Kommunikationspartners beruhen. Space, Environment, Touch und Physical appearance lassen sich mehrheitlich nur simulieren oder gar nicht kompensieren. Während Videoübertragung immerhin schon das Vermitteln der körperlichen Erscheinung möglich macht, werden sich die Kanäle Space und Environment vermutlich nie vollständig übertragen lassen. Erste Bemühungen Berührung über Distanz zu ermöglichen sind hingegen schon im Gang.68 7.1.4. „Gibt es Unterschiede bei der Internetkommunikation zwischen verschiedenen Kulturen?“ Diese Frage muss in dieser Arbeit erwartungsgemäss unbeantwortet gelassen werden. Zwar gibt es tatsächlich verschiedene Kompensationssysteme für nonverbale Kommunikation, beispielsweise für Gesichtssprache, die in Asien anders kompensiert wird, als im Westen. Mehr als eine geringfügig schlechtere Bewertung des asiatischen Smilie ^_^ gegenüber den westlichen Varianten, konnte aber in die vorliegenden Arbeit nicht nachgewiesen werden. Es bestehen aber Anzeichen dafür, dass sich auch diese unterschiedlichen Zeichensysteme im Zuge der Globalisierung, die das Internet geradezu verkörpert, bereits vermischen. Eine gezielte Studie mit grösserer kultureller Diversität in der Stichprobe könnte hier vermutlich den Beweis erbringen. 67 Aschwanden ordnet die „Chatsprache“ linguistisch zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit ein. (ASCHWANDEN, B., 2001) 68 Vgl. LUO, 2005. 71 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 7.1.5. Die Frage „Welche Kompensationsformen werden am einheitlichsten interpretiert/am besten verstanden?“ muss relativiert beantwortet werden. Die Ergebnisse der Umfrage zeigten einerseits, dass Inflektivwendungen offenbar gegenüber den Emoticons eher geringere Beliebtheit aufweisen, andererseits sind onomatopíetische Ausdrücke und Abkürzungen sehr beliebt und auch sehr einheitlich erkannt worden. Problematisch sind hingegen die Verwendung von Interpunktionszeichen, die, wie die Ergebnisse zeigen, sehr stark kontextabhängig sind und daher von sich aus keine Bedeutung haben. Das bringt mit sich, dass Interpunktionszeichen zwar scheinbar die Möglichkeit bieten, eine Aussage nonverbal in eine intendierte Richtung zu steuern, ob diese Richtung dann aber auch die gewünschte ist, hängt vor allem auch davon ab, wie die verbale Aussage interpretiert wurde. So dreht sich der Sachverhalt im Kreis und es ist nicht klar, welcher Teil der Gesamtaussage letztlich den grösseren Einfluss auf die richtige Interpretation hat. Was als Erkenntnis dieser Umfrage im Hinblick auf die fünfte Hypothese mitgenommen werden kann, ist dass onomatopíetische Ausdrücke, die sich vor allem als Kompensationen parasprachlicher Phänomene anbieten, beliebt sind und gut decodiert werden können. Sie bieten damit eine Alternative oder Ergänzung für die Emoticons. 7.1.6. Dass „Personen mit guten verbalen Sprachskills einen Vorteil beim Codieren und Decodieren von nonverbalen Kompensationsformen in der CMC haben“, liess sich nicht nachweisen. Personen mit einem hohem Score beantworteten die Fragen nicht richtiger als Personen mit einem tiefen Score. Das mag einerseits an dem erwähnten Einfluss des Bekanntheitsgrads von KnK liegen, könnte aber auch dahingehend interpretiert werden, dass verbale Skills auch bei der kompensierten nonverbalen Kommunikation einen geringen oder keinen Einfluss haben. Auch dies liesse sich vermutlich mittels Laborexperimenten ergründen, die beispielsweise mit sprachlich behinderten Menschen durchgeführt würden. Das verliesse dann allerdings den Rahmen der Kommunikationswissenschaft. 7.2. Ausblick Die vorliegende Arbeit hat vor allem eines gezeigt: Wie viele Facetten die nonverbale Kommunikation auch dann noch hat, wenn sie nicht mehr auf herkömmlichem Weg 72 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 stattfinden kann. Kompensationsformen haben sich entwickelt und entwickeln sich auch immer weiter und immer wieder neu. Der Umgang mit ihnen ist ein Lernprozess und es gibt scheinbar kein universales Mittel, mit dem sich Missverständnisse in der computervermittelten Kommunikation verhindern liessen – genausowenig wie es dies im Face-to-Face Gespräch gibt. Der einfachste Weg, möglichst reibungslos zu kommunizieren, besteht darin seinen Kommunikationspartner möglichst gut einschätzen zu können. Nebst der Beantwortung einiger Fragen, hat diese Arbeit auch neue Fragen aufgeworfen, die in einer weitergehenden Studie möglicherweise beantwortet werden könnten. Hinweise auf geschlechter- und kulturspezifische Unterschiede in der Kompensation nonverbaler Kommunikation sind vorhanden. Es wäre interessant, diesen Hinweisen nachzugehen. Interessant wäre auch, zu ergründen, wie stark die vorgestellten Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation erlernt sind. Man darf auf weitere Untersuchungen in diesem relativ jungen Gebiet der Kommunikationswissenschaft gespannt sein. Eine gewisse Interdisziplinarität mit den Wissenschaftsbereichen Psychologie und Linguistik könnte dabei eine fruchtbare Ergänzung sein. 73 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 8. Glossar Avatar: Eine Platzhalterfigur, die eine reale Person in einer virtuellen Welt vertreten soll. CMC: Computer Mediated Communication, computervermittelte Kommunikation F2F: Face-to-Face, von Angesicht zu Angesicht. HTML: Abkürzung für Hypertext Markup Language. Die ursprüngliche Skriptsprache, auf der das WWW basiert. IM: Instant Messaging oder Instant Messenger. Textbasiertes Chatsystem, das das sofortige übermitteln von Text zulässt. Internet: Die technische Infrastruktur Internet umfasst neben dem WWW auch noch eine Vielfalt anderer Kommunikations und Informationsplattformen. KnK: Kompensationsformen nonverbaler Kommunikation MMORPG: Massively Multiplayer Online Role Playing Game: Rollenspiel in dem Tausende von Nutzern gleichzeitig in einer virtuellen Onlinewelt zusammenspielen können. MUD: Multi User Dungeon. Ein textbasiertes Rollenspiel, das den Prinzipien der herkömmlichen Paper & Pencil Rollenspielen folgt. nK nonverbale Kommunikation P2P: Peer-to-Peer: Kommunikationsform, die von Nutzer zu Nutzer geht, ohne dabei über einen zentralen Server geleitet werden zu müssen. WWW: Abkürzung für World Wide Web. Das auf Websites basierte Informationsnetz des Internets. 74 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 9. Literaturverzeichnis ASCHWANDEN, Brigitte. In: „Wär wott chätä?“ Zum Sprachverhalten deutschschweizer Chatter. Networx Nr. 24, Zürich, 2001. http://www.mediensprache.net/de/networx/docs/networx-24.asp BATTACCHI, M. W.; SUSLOW, T.; RENNA, M.: Emotion und Sprache. Zur Definition der Emotion und ihren Beziehungen zu kognitiven Prozessen, dem Gedächtnis und der Sprache. 2. Auflage. Frankfurt a.M., 1997. BIRDWHISTELL, R.L.: Kinesics and context. Philadelphia, University Press, 1970. BLIZZARD Entertainment, Pressebericht vom 22. Januar, Irvine, 2008, http://www.blizzard.com/press/080122.shtml BURGOON, Judee K.: Nonverbal Signals, in: KNAPP, M. L.; MILLER, G.R. (Hrsg.): Handbook of interpersonal Communication, Thousand Oaks, 1994 COHEN, A.A.: The communicative functions of hand illustrators. Journal of Communication, 27, 1977, S. 54-63. DELHEES, Karl H.: Soziale Kommunikation, Opladen, 1994. DITTMANN, A.T.: Interpersonal messages of emotion. New York, 1972 EKMAN, Paul: All Emotions Are Basic. In: EKMAN, P.; DAVIDSON R. J. (Hrsg.) The Nature of Emotion, Fundamental Questions. New York, 1994 EKMAN, Paul.; FRIESEN, W. V.: The repertoire of nonverbal behavior: categories, origins, usage and coding. Semiotica 1, 1969, S. 49-98. FAHLMANN, Scott E.: Smilie Lore :-), http://www.cs.cmu.edu/~sef/sefSmiley.htm FINNEGAN, Ruth: Communicating – The multiple Modes of human Interconnection, New York, 2002 FRISCH, Ingrid: Eine Frage des Geschlechts? Mimischer Ausdruck und Affekterleben in Gesprächen. St. Ingbert, 1997 GAJADHAR, J. ; GREEN, J.: The Importance of Nonverbal Elements in Online Chat, Wellington: Open polytechnic of New Zealand, 2003 http://www.openpolytechnic.ac.nz/static/pdf/research/res_wp203gajadharj1.pdf GAJADHAR, J. ; GREEN, J.: The Importance of Nonverbal Elements in Online Chat: The use of nonverbal elements in text-based virtual interactions provides participants with some of the richness of real-time, face-to-face interactions. In: EDUCAUSE Quarterly, Vol. 28, Nr. 4, 2005, http://connect.educause.edu/library/abstract/TheImportanceofNonve/39942 75 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 GIESE, M.: Self Without Body: Textual Self-Represenatation in an Electronic Community. In: First Monday, Issue 3, Vol. 4, 1998. http://www.firstmonday.dk/issues/issue3_4/giese/index.html HARGIE, Owen (Ed.): The Handbook of Communication Skills, 3rd edition, Hove, 2006 JACOBS, S.: Language and Interpersonal Communication: In: KNAPP, M. L.; MILLER, G.R. (Hrsg.): Handbook of interpersonal Communication, Thousand Oaks, 1994 KALINOWSKI, Uwe.: Emotionstransport in textuellen Chats. Braunschweig, 1999, http://www.mediensprache.net/networx/networx-12/emotionstransfer.html LUO, Serene.: A hug for a lonely pet across the net. In: The Straits Times, 28.11.2005, S. 4., http://www.ntu.edu.sg/corpcomms2/news/ST-28.11.054%20A%20HUG%20FOR%20A%20LONELY%20PET%20ACROSS%20THE%20NET.pdf METTS, S.; BOWERS, J.W.: Emotion in Interpersonal Communication. In: KNAPP, M. L.; MILLER, G.R. (Hrsg.): Handbook of interpersonal Communication, Thousand Oaks, 1994 RICHMOND, V.P.; McCROSKEY, J.C.: Nonverbal Behavior in Interpersonal Relations, 5th edition, Boston, 2004 RIVA, Giuseppe: Communicating in CMC: Making Order out of Miscommunication. In: Say not to Say: New perspectives on miscommunication. Hrsg. L. Anolli, R. Ciceri und G. Riva. Amsterdam und Burke, 2001 http://www.vepsy.com/communication/book3/3CHAPT_09.PDF SCHEPELMANN, Alexandra: Kontextualisierungskonventionen im Internet Relay Chat, Diplomarbeit, Wien, 2004, http://www.univie.ac.at/linguistics/publikationen/diplomarbeit/schepelmann/Daten/index.htm SCHÖNHAGEN, Philomen: Soziale Kommunikation im Internet. Zur Theorie und Systematik computervermittelter Kommunikation vor dem Hintergrund der Kommunikationsgeschichte. Bern, 2004. SCHOLL, W.; Pelz, J.; Rade,J.: Computervermittelte Kommunikation in der Wissenschaft. Münster, 1996. SCHULZ VON THUN, Friedemann: Miteinander reden 1 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1981. SIEGMAN, A.W.; FELDSTEIN, S. (Hrsg.): Nonverbal behaviour and communication. Hillsdale, 1978. 76 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 STÄDELI, Martin: Freispruch auf Bewährung, der Fall der Emoticons. In: „Unmitte(i)lbarkeit. Gestaltung und Lesbarkeit von Emotionen“, Schriften zur Symbolforschung, Band 15. Paul Michel (Hrsg.), Zürich, 2005. TAKAHIKO MASUDA, MADDUX W.W., MASAKI YUKI: Are the windows to the soul the same in the East and West? Cultural differences in using the eyes and mouth as cues to recognize emotions in Japan and the United States, In: Journal of Experimental Social Psychology, Jg.43, Bd.2, March 2007, S.303-311, http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6WJB-4JT38WP1&_user=10&_coverDate=03%2F31%2F2007&_rdoc=1&_fmt=&_orig=search&_sort=d&vie w=c&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=fdf2602bea942cf42 f24c9e0647165b8 TEUBER, Oliver: fasel beschreib erwähn - Der Inflektiv als Wortform des Deutschen" In: Germanistische Linguistik, Nr. 141-142. S. 7-26. 1998, erwähnt in SIEVER, Torsten: Der Ursprung von Inflektiven (sic), http://www.mediensprache.net/de/websprache/chat/inflektive/ursprung.asp , 2002 WATZLAWICK, Paul; BEAVIN, Janet H.; JACKSON, Don D.: Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 4., unveränderte Aufl. Bern, 1974 [1967] WEINER, M.; DEVOE, S.; RUNBINOW, S.; GELLER, J.: Nonverbal behaviour and nonverbal communication, in Psychological Review 79, 1972, S. 185-214. 77 Institut für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften Lizentiatsarbeit bei Prof. L. Bosshart Universität Fribourg Benjamin Blaser 01-204-692 Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit bestätige ich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen verwendet habe. Passagen, die sich auf verwendete Quellen beziehen, sind als solche gekennzeichnet. Liebefeld, den ........................................................ 2008 ................................................................... Benjamin Blaser 78