VON FEINDEN UMGEBEN Nach der Eroberung Konstantinopels boten ausgerechnet jene Provinzen Zuflucht, die vorher nach Unabhängigkeit gestrebt hatten. Herrscher im Exil Von THERESA BREUER und orientierten sich sowohl kulturell als auch in ihren Verwaltungsstrukturen an Konstantinopel. An der Schwarzmeer-Küste gründeten David und Alexios Komnenos, zwei Brüder einer mächtigen byzantinischen Familie, das Kaiserreich Trapezunt (heute das türkische Trabzon). Politisch spielte es nur eine Randrolle, aber wirtschaftlich wurde der Staat als Drehscheibe des Handels am Schwarzen Meer bedeutend. Hier begann eine der wichtigsten Handelsrouten in den Nahen Osten; das brachte einträgliche Zölle. Die Herrscher von Trapezunt hielten ihr kulturelles Erbe hoch, gaben Kunstwerke in Auftrag und bauten neue Klöster und Kirchen. 2000 Kilometer weiter westlich etablierte sich 1205 auf dem Balkan ein Konkurrenzreich: das Despotat Epirus. Unter dem Herrscher Michael Komnenos Dukas erklärte sich Epirus zum wahren Erben von Byzanz. Seine kriegerischen Führer dehnten ihre Herrschaft sogar aus, auf Kosten der in Konstantinopel herrschenden Kreuzritter. So entwickelte sich der Staat mit seinen Städten Arta und Thessaloniki zu einem byzantinischen Machtzentrum. Der ehemaligen Hauptstadt am nächsten lag ein drittes Nachfolgereich, das nach seiner Hauptstadt Nicäa benannt wurde. Diese Region in Nordwesten Kleinasiens wurde zum Exilstaat vieler Byzantiner. Während die Lateiner Konstantinopel besetzt hielten, schufen die Kaiser in Nicäa eiExilreiche der Byzantiner nen funktionierenden Staat, der dank seiner landwirtschaftlichen Erträge unabhängig überBYZANTINISCHES Schwarzes Meer leben konnte. Durch kluge politische Bündnisse REICH vor 1204 und neue Handelsverträge mit Genua und VeKonstannedig gewann das Restreich Stabilität und politinopel TRAPEZUNT tische Statur. 1261 erfuhr der Marinekommandeur von NiNicäa cäa, dass die gesamte Flotte der Lateiner im Thessaloniki NICÄA Schwarzen Meer im Einsatz war und Konstanti250 km nopel ohne Verteidigung zurückgelassen hatte – eine einmalige Chance. Er nutzte sie. EPIRUS So gelang es den Byzantinern, ihr Kaiserreich in der angestammten, allerdings schwer verMittelmeer wüsteten Metropole neu zu errichten. n rei Kreuzzüge lang hatten die Byzantiner zu Recht argwöhnisch auf die Kreuzfahrer geblickt. Als die christlichen Krieger in ihrem fehlgeleiteten Kreuzzug 1204 Konstantinopel stürmten, plünderten sie Paläste und Klöster, setzten Bibliotheken in Brand und zerstörten unschätzbare Kunstwerke. Das Ende des Bosporusstaates schien besiegelt. Über die Jahrhunderte hatte die Regel gegolten: Wenn Konstantinopel fällt, fällt das gesamte Reich. Doch Byzanz war schon vor dem Vierten Kreuzzug im Begriff gewesen auseinanderzubrechen. Ausgerechnet diese fortschreitende Zersplitterung sollte das Imperium schließlich retten. Nach dem Tode Kaiser Manuels I. im Jahr 1180 hatten einzelne Provinzen begonnen, sich vom Großreich zu emanzipieren. Schwache Regenten und Handelsrivalitäten hatten herbe wirtschaftliche Verluste zur Folge. Immer wieder kam es zu Aufständen in der Bevölkerung. Mit dem Fall der Zentralregierung 1204 entstand in der Region plötzlich ein Machtvakuum, das verschiedene Staatsgebilde, die aus Resten des Imperiums hervorgegangen waren, für sich nutzten. Dabei versuchten sie, das alte Ostrom zu repräsentieren D GETTY IMAGES Imperium auf dem Rückzug 120 SPIEGEL GESCHICHTE 1 | 2014 Kloster Sumela bei Trabzon Älteste erhaltene Gebäude aus der Komnenenzeit