Bakterielle Kommunikation Ilkay Sakalli Betreuerin: Susanne Krug Pathophysiologie II Sommersemester 2007 Inhalt i. ii. iii. iv. v. vi. vii. viii. Einleitung Quorum Sensing – Was ist das? Vorstellung einiger Signalmoleküle 2-component-Regulationssysteme und Verhaltensmuster Quorum Quenching Austausch zwischen Prokaryonten und Eukaryonten Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis Bakterielle Kommunikation i. Einleitung Schon vor fast 300 Jahren beschrieb Anton von Leeuwenhoek, ein geschickter Mikroskopbauer aus Großbritannien, unglaubliche kleine Tierchen im menschlichen Zahn, die nicht dicker als ein menschliches Haar waren und in der Mundflora in solcher Vielzahl auftraten, als es überhaupt Männer im damaligen United Kingdom gab. Erst seit 1965 und 1970 wissen wir aus bahnbrechenden Entdeckungen von Alexander Tomasz und Kenneth H. Nealson, dass diese Tierchen, die Bakterien, meist in Populationen aus mehreren Millionen Individuen bestehen und unterschiedliche Kommunikationsformen untereinander betreiben. Beide Forscher formulierten zum ersten Mal unabhängig voneinander die Form des Quorum Sensing und wie Bakterien mithilfe eines Austausches ihre Regulationsmechanismen untereinander steuern und durch Signalmoleküle ihre Genexpression beeinflussen. In dieser kurzen Abhandlung geht es um verschiedene Formen der Kommunikation von Bakterien untereinander – und nach außen hin. Dieses noch relativ neue wissenschaftliche Gebiet, zu dem es erst seit ungefähr 5 Jahren vermehrt Publikationen gibt, gilt es weiter zu erforschen und eine neue Sprache, „Bacterial Esperanto“, zu erlernen, sodass wir uns, kennen wir erst einmal die verschiedensten Kommunikationswege der Bakterien, neue und vielleicht bahnbrechende Anwendungen erschließen werden. ii. Quorum Sensing – Was ist das? Als Quorum Sensing wird die Fähigkeit von Bakterien bezeichnet, untereinander durch Signalmoleküle zu kommunizieren. Es erlaubt Bakterien-Populationen die Populationsdichte zu messen und entsprechend zu reagieren. Ist die Anzahl der Bakterien gering, so wird die Dichte zunehmen, ist sie zu hoch, so wird das Wachstum an Geschwindigkeit abnehmen, da Bakterien, die in der Populationsschicht unterhalb liegen, von der Masse erdrückt und durch die Lyse der Zellwand zerplatzen. Diese Art der Kommunikation geschieht mit Hilfe von Autoinducern, die die Bakterien exprimieren. Ist die Zelldichte hoch, so werden ab einer gewissen Konzentration mehr Autoinducer synthetisiert, aus der Zelle geschleust und von anderen Bakterien importiert. Ist die Dichte gering, so werden demensprechend weniger Autoinducer exprimiert (Abb. 1). Abb. 1: Quorum-Sensing und die Ausschüttung von Autoinducern. Dargestellt sind zwei Bakterien und ihr Austausch. Pathophysiologie – SS07 2 Bakterielle Kommunikation 1970 beschrieb Kenneth H. Nealson, Terry Platt und J. Woodling Hastings diesen Mechanismus anhand des bioluminiszierenden Bakteriums Vibrio Fischeri. Ist die Zelldichte gering (Abb. 3), so wird das Gen für LuxR transkribiert und translatiert, sodass eine geringe Menge an LuxR-Proteinen vorliegt. In dieser Phase lagert sich die Polymerase an die lux-Box weniger häufig an, sodass nur wenig LuxI und weitere Gene exprimiert und letztendlich der Autoinducer 3-oxo-C6-HSL in einer geringen Konzentration vorliegt. Abb. 2: Bioluminiszierendes V. Fischeri Abb. 3: Bei geringer Zelldichte ist die Konzentration des Autoinducers 3-oxo-C6-HSL gering. Anders sieht es aus, wenn die Dichte der Zellpopulation hoch ist (Abb. 4). In diesem Fall bindet sich der Autoinducer an das LuxR Protein, sodass eine Anlagerung am LuxR die Wahrscheinlichkeit der Polymerase erhöht, an der lux-Box anzudocken und die Transkriptionsmaschinerie zu beginnen. Hierdurch wird mehr LuxI, welches zum Autoinducer umgewandelt wird, exprimiert und exportiert. Auch die Expression des 3-oxoC6-HSL benachbarter Bakterien wird ab einer bestimmten Konzentration hochreguliert. Durch das Ablesen der weiteren Gene (C bis G) stehen nun beim V. Fischeri Proteine zur Verfügung, die die Biolumineszenz des Bakteriums fördern und dadurch das Bakterium heller aufleuchten lassen. Abb. 4: Erhöht sich die Zelldichte, so wird LuxR aktiviert. Dies führt indirekt zur starken Zunahmen von 3-oxo-C6-HSL Pathophysiologie – SS07 3 4 Bakterielle Kommunikation iii. Vorstellung einiger Signalmoleküle So wie es viele verschiedene Bakterienarten gibt, so gibt es auch verschiedene Signalmoleküle neben den bereits Beschriebenen. Acyl-homoserin Lactonase (AHL) Interessant ist es aber, wie später noch erklärt wird, dass einige dieser Signalmoleküle auch von anderen O O H Bakterienarten transferiert werden und zu einer N Coremolekül O R Antwort führen. Bei gram-negativen Bakterien sind die Autoinducer meist Acyl-Homoserin-Lactone und werden durch LuxI (siehe obiges Beispiel) Restgruppen O mit einigen synthetisiert. LuxI (V. fischeri) Beispielen: Im Gegensatz hierzu finden sich bei gram-positiven Bakterien meist kurze Peptide, die leichten chemischen Modifikationen unterliegen. Dies ist am Beispiel des kurzen Peptids AIP beschrieben (Punkt iv). Das AIP (Autoinducer Peptide) besitzt Oligopeptid Autoinducer Ser Phe Ser Cys Tyr Thr S Ile Met C Ser Asn Cys Gly Val Ala S C RHII (P. aeruginosa) O Lasl (P. aeruginosa) unterschiedliche Modifikationen und bindet daher unterschiedlich oft an Rezeptorbindungsstellen, die wiederum eine intrazelluläre Kaskade als Antwort hervorrufen. O O AIP-I (S. aureus) Leu Phe LuxM (V. harveyi) AIP-II (S. aureus) AI-2 dagegen (Autoinducer-2), das ein Derivat des Phe 4,5-Dihydroxy-2,3-Pentanedion (DPD) ist, scheint Phe Asp Leu Ile Tyr ein Signal zu sein, dass bei unterschiedlichen Leu Ile Cys Met Ser Cys Asn S C Tyr Thr S C Bakterien eine Antwort auslöst und universeller O O Natur („Bacterial Esperanto“) ist. Darüber hinaus gibt es noch Signale wie das AIP-IV (S. aureus) AIP-III (S. aureus) 2-Heptyl-3-hydroxy-4-quinolone (PQS). Dieses Molekül kommt beim Bakterium Pseudomonas aeruginosa vor. Da dies ein eher hydrophobes Molekül und in der wässrigen Lösung nur schwer zu transportieren ist, wird es von Vesikeln mittels Exocytose aufgenommen und zu anderen Bakterien transportiert (Abb. 5). Dort verschmilzt das Vesikel mit der Zellmembran und schüttet das PQS intrazellulär aus. Bei gleichartigen P. aeruginosa erfüllt das Signal Regulationsmechanismen bei der Genexpression, doch auf andere Bakterienarten hat es meist eine antibiotische Wirkung und zerstört diese Bakterien. Neben weiteren Signalmolekülen wie dem SapB bei Streptomyces coelicolor, das für Abb. 5: Gemischte Nachrichten mit PQ-Signal Pathophysiologie – SS07 Asp OH Bakterielle Kommunikation die morphologische Differentiation und für die Metabolitproduktion zuständig ist, gibt es auch Signalmoleküle wie den Nod-Factor beim Rhizibium meliloti. Dieser Faktor begünstigt die Knöllchenbildung des Bakteriums und verändert dadurch sein Verhalten. iv. 2-component-Regulationssysteme und Verhaltensmuster Es gibt weitere Systeme, die ein wenig komplizierter aufgebaut sind und eine Differenzierung von unterschiedlichen Verhaltensweisen oder Genexpressionsprofilen hervorrufen. Eines dieser Systeme bildet das 2-component-Regulationssystem. Hierbei können Autoinducer gleichzeitig zwei verschiedene Reaktionswege in Gang setzen. Als Beispiel sei dies am Regulationssystem des Staphylococcus aureus erklärt. Wie in Punkt iii beschrieben, wirkt hier das kurzkettige Peptid, AIP, als Autoinducer und aktiviert einen AgrC-Rezeptor, der das Protein AgrA phosphoryliert und dadurch aktiviert. Hierdurch wird die Anlagerung der Polymerasen an die Promotorstellen P2 und P3 begünstigt, sodass RNAIII sowie weitere Gene exprimiert werden können. In diesem Fall reguliert die RNAIII Faktoren der Sekretion positiv und hemmt die Aktivität von Adhäsionsproteinen. Die Expression von verschiedenen Genen, wie z.B. agrD begünstigt die Translation von AgrD, welches wiederum aus der Zelle exportiert, modifiziert und als AIP weiterhin als Autoinducer fungieren kann. (Abb. 6) Abb. 6: Das 2-component-Regulationssystem Noch komplexer wird die Regulation wenn mehrere Autoinducer zusammen wechselwirken. Es sei z.B. das Verhalten „Sporulation“ und „Kompetenz“ am Beispiel des Bacillus subtillus gezeigt (Abb. 7). Hier wirken zwei Petide, ComX (AS-Sequenz: ADPITRQWGD) und CSF (AS-Sequenz: ERGMT), als Autoinducer. ComX wird durch den Kanal ComQ exportiert. Dabei entsteht direkt der Autoinducer ComX, welcher wiederum am Transmembranrezeptor ComP bindet. Dieser phosphoryliert das intrazellulär vorhandene ComA. Bei hoher Konzentration des ComA führt dies zum Kompetenzverhalten des Bakteriums. Auch eine Vorstufe des CSF, PhrC, wird aus der Zelle exportiert, sodass der Autoinducer CSF entsteht. Dieses Molekül wird durch den Peptidtransporter Opp importiert Pathophysiologie – SS07 5 Bakterielle Kommunikation und hat eine hohe inhibierende Wirkung auf die Phosphorylierung des ComA sowie eine geringe inhibierende Wirkung auf RapC, welches in hoher Konzentration das Kompetenzverhalten mindert. Auch wirkt CSF inhibierend auf RapB, sodass RapB nicht mehr Spo0F durch Dephosphorylierung inaktivieren kann. Dessen aktivierte Form führt zum Verhalten der Sporulation des Bakteriums. Ist demnach viel CSF vorhanden, so wird ComA nicht mehr aktiviert, RapB inhibiert, sodass Spo0F aktiviert bleibt und RapC in geringem Maße hemmt, sodass die Kompetenzaktivität nur leicht gemindert wird. Ist wiederum viel ComX vorhanden, so wird das Bakterium häufiger freie DNA aus der Umgebung aufnehmen. Abb. 7: Wirkung von verschiedenen Autoinducern bei der Kontrolle der Verhaltensmuster „Kompetenz“ (Fähigkeit eines Bakteriums frei vorhandene DNA aufzunehmen) und „Sporulation“ (Sporenbildung bei z.B. Nahrungsmangel) Kommunikation kann somit unterschiedliche Einflüsse auf Regulationssysteme von Bakterien haben, wobei diese Systeme von Signalen abhängen, welche diese und bakterielle Verhaltensweisen unterschiedlich komplex regulieren. Zudem gibt es auch weitere Systeme, die unterschiedliche Prioritäten haben. Es bestehen übergeordnete Systeme, welche erst bei Aktivierung untergeordnete Systeme aktivieren. Ein Beispiel hierfür bildet das hierarchisch angeordnete Las-/Ras-System. Las und Rhl regulieren die Produktion verschiedener Virulenzfaktoren über die Signalmoleküle 3-oxoC12-HSL bzw. C4-HSL. Bei hohen Zelldichten erhöht sich die Anzahl der von LasI bzw. RhlI synthetisierten Autoinducer, die bei Erreichen einer Schwellenwertkonzentration an die Transkriptionsregulatoren LasR bzw. RhlR binden. Die aktivierten Komplexe LasR/3-oxoC12-HSL bzw. RhlR/C4-HSL induzieren sowohl die Synthese der Signalmoleküle (Autoinduktion) als auch die Expression verschiedener Virulenzfaktoren. Pathophysiologie – SS07 6 Bakterielle Kommunikation v. Quorum Quenching Beim Quorum Quenching wirken die Autoinducer inaktivierend. Sie lagern sich als Antagonisten kompetetiv an Rezeptorbindestellen an, sodass andere Moleküle Rezeptoren nicht mehr aktivieren bzw. ihre eigene Aktivität erniedrigt wird. Die Autoinducer können aber auch die Wahrscheinlichkeit der Bindung an Promotorstellen erniedrigen oder an Enzyme/Proteine binden und dadurch diese inaktivieren (Abb. 8). Abb. 8: Allgemeines Prinzip des Quorum Quenching Das Quorum Quenching von Bakterien findet in der Industrie nützliche Anwendung. Als Beispiel sei der Chinakohl (Brassica rapa ssp. pekinensis) genannt (Abb. 9). Der Kohl wird vom Bakterium Erwinia carotovora schon nach wenigen Tagen stark befallen (dunkle Färbung des Wildtyps [WT]). Wird jedoch der Chinakohl mit AHL-Lactonase, aiiA, beimpft, so wirkt die Lactonase AHL-degradierend. E. carotovora kann seine Autoinducer nicht mehr in hoher Konzentration herstellen, da diese abgebaut und inaktiviert werden. Es findet ein Quorum Quenching statt, wodurch die Bakterienpopulation nicht stark zunimmt und den Chinakohl kaum befällt. Abb. 9: Chinakohl. Links der Zustand nach 3 und 6 Tagen mit Beimpfung von aiiA. Rechts der Zustand des Wildtyps ohne Beimpfung. Der Wildtyp wird vom Bakterium befallen, der beimpfte Typ bleibt gut erhalten. Pathophysiologie – SS07 7 Bakterielle Kommunikation vi. Austausch zwischen Prokaryonten und Eukaryonten Neben dem Austausch von Bakterien unterschiedlicher Typen untereinander, deren Signale zum Abbau von Zellen anderer Bakterienarten sowie zum Fratrizid führen kann, gibt es auch eine gewisse Kommunikation zwischen Prokaryonten und Eukaryonten. Das gram-positive Bakterium Enterococcus faecalis exprimiert Cytolysine mit jeweils zwei Untereinheiten, die bei Abwesenheit einer Wirtszelle in geringer Konzentration vorhanden sind. Das Protein besteht aus der kleinen Untereinheit, dem CylL S, und der großen Untereinheit CylLL. Ist nun ein Wirt anwesend, so bindet das Cytolysin an die Wirtszelle. Durch eine Konformationsänderung dissoziiert die kleine Untereinheit CylL S ab, gelangt in die Bakterienzelle und löst dort eine erhöhte Expression des gesamten Proteins aus. Ist nun das Cytolysin in hoher Konzentration vorhanden, so bindet es häufiger an die Wirtszelle, sodass es zur Auflösung (Lyse) der äußeren Zellmembran und dadurch zum Zelltod der Wirtszelle führt (Abb. 10). Abb. 10: Darstellung der Lyse der Wirtszelle bei Anlagerung von Cytolysinen an der äußeren Zellmembran, die vom E. faecalis exprimiert werden. vii. Zusammenfassung und Ausblick Es gibt unterschiedliche Formen der Kommunikation gleicher Bakterienarten untereinander, aber auch zwischen verschiedenen Bakterienarten. Das Quorum Sensing zwischen Prokaryonten erfolgt über Signale, den Autoinducern, die in Regulationsmechanismen intrazellulär eingreifen, die Genexpression verändern und dadurch auch verschiedene Verhaltensweisen von Bakterien hervorrufen können. Dadurch können sich diese besser an ihre Umwelt anpassen. Quorum Quenching inhibiert bestimmte Signalwege, welche auch Verwendung in neuen technischen Verfahren der Konservierung finden können. Letztendlich gibt es auch die kürzlich entdeckte Kommunikation von Prokaryonten mit Eukaryonten, wodurch sich beide gegenseitig beeinflussen können. Wenn es in Zukunft gelingt, die unterschiedlichen Kommunikationsformen der Bakterien weiter zu verstehen und allgemeine Prinzipien aufzudecken, liegt es nicht fern, Bakterien umzugestalten und damit neue Nutzungsmöglichkeiten in Forschung und Industrie zu entwickeln. Die Erforschung der bakteriellen Kommunikation hat erst vor zirka 40 Jahren begonnen und lässt auf interessante neue Erkenntnisse in nächster Zeit hoffen. Pathophysiologie – SS07 8 Bakterielle Kommunikation viii. Literaturverzeichnis o Bassler, B. and Losick, R. (2006). Bacterially Speaking, Review. Cell 125, Issue 2, 237247 o Mashburn, L.M., and Whiteley, M. (2005). Membrane vesicles traffic signals and faciliate group activities in a prokaryote. Nature 437, 422-425 o Xavier, K.B., and Bassler, B.L. (2005). Interference with AI-2-mediated bacterial cellcell communication. Nature 437, 750 - 753 o Waters , C.M. and Bassler, B.L. (2005). Quorum sensing: cell-to-cell communication in bacteria. Annu. Rev. Cell Dev. Biol. 21, 319–346. o A. Tomasz (1965). Control of the competent state in Pneumococcus by a hormone-like cell product: an example for a new type of regulatory mechanism in bacteria. Nature 208, 155–159. Pathophysiologie – SS07 9