Allergische Augenerkrankungen und Trockenes Auge Manfred Zierhut Neben den Autoimmunerkrankungen und den Abstoßungsreaktionen nach Transplantation stellen allergische Erkrankungen des Auges die dritte wesentlich über immunologische Mechanismen mediierte Gruppe von Erkrankungen dar. Eine Allergie läßt sich als Reaktion auf ein Allergen, die zu Jucken, Hyperämie und Ödem führt, klinisch definieren. Epidemiologisch ist auffallend, daß die allergischen Erkrankungen im Laufe der letzten Jahre zugenommen haben. Eine allergische Rhinokonjunktivitis, die häufigste okuläre allergische Erkrankung, läßt sich bei bis zu 18 % der Bevölkerung nachweisen [9], die atopische Konjunktivitis bei 25 % bis 40 % aller Patienten mit atopischer Dermatitis [6], und 4,4 % haben ein Asthma bronchiale [9]. Zu den allergischen Erkrankungen zählen die allergische Rhinokonjunktivitis, die atopische Keratokonjunktivitis, die Keratoconjunctivitis vernalis, die gigantopapilläre Konjunktivitis, selten die insektenstichinduzierte allergische Reaktion und die Blepharokonjunktivitis bei Kontaktallergie. Insbesondere im chronischen Stadium kann sich das nahezu immer vorhandene Trockene Auge als gefährlich herausstellen, da es Infektionen der kompromittierten okulären Schleimhaut begünstigen kann. Pathogenese der allergischen Augenerkrankungen alle allergischen Ophthalmopathien zeigen eine Sofort- und eine Spätphase. Die wichtigsten immunkompetenten Zellen bei allergischen Augenerkrankungen stellen die Mastzellen dar, die überwiegend am Lid und in der Bindehaut lokalisiert sind. Daher finden sich nach allergischen Reaktionen insbesondere in diesen Bereichen pathologische Veränderungen. Im weiteren Verlauf gesellen sich basophile und eosinophile Zellen hinzu, aber auch Makrophagen und Langerhanszellen als antigen-präsentierende Zellen spielen eine Rolle, um danach T-Zellen zu aktivieren.Während die Mastzellen die typischen Vertreter der Sofortreaktion darstellen, wird die Spätreaktion von T-Zellen unterhalten. Nahezu In der Sofortreaktion kommt es durch ein Überangebot an IgE-Molekülen, die auf eigenen Rezeptoren auf Mastzellen sitzen, zu einer Bindung von einem Antigen an zwei variable Anteile der IgEAntigenrezeptoren (Abbildung 1). Dieses führt zu einer Destabilisierung der Mastzellmembran und zur Freisetzung zahlreicher Mediatorstoffe (z.B. Histamin, Proteasen, Eosinophile-aktivierender Faktor, Prostaglandine, Leukotriene und zahlreiche andere Zytokine), die für die bekannten klinischen Symptome der Typ 1-Reaktion verantwortlich sind (Ödembildung, Rötung und Juckreiz). Ursächlich jedoch für die vermehrte IgE-Bildung ist eine Aktivierung von T-Helfer 2Zellen. Sie führen zu einer bevorzugten 105 M. Zierhut Ausreifung von IgE-produzierenden B-Zellen unter Suppression derjenigen Plasmazellen, die andere Immunglobuline bilden (Abbildung 2). Eine wichtige Mediatorzelle bei dieser Reaktion stellt die eosinophile Zelle dar, die über den eosinophilen chemotaktischen Faktor von der Mastzelle aktiviert wird, ihrerseits aber Faktoren wie das major basic protein (MBP) bildet, die auf Mastzellen wirken. Von T-Zellen freigesetzte Antigen IgE IgE Rezeptor Faktoren wirken zusätzlich auf die eosinophilen Zellen, so daß dadurch der Teufelskreis zwischen T-Zelle und Mastzelle weiter unterhalten wird. Allergische Augenerkrankungen gehen nahezu immer mit einem Trockenen Auge einher. Während durch den extremen Reiz im akuten Stadium durch maximale Tränenfilmproduktion dies weniger auffallend ist, finden sich im chronischen Stadium typischerweise eine reduzierte Tränenfilmproduktion und wohl auch daraus resultierende Defekte in der Immunabwehr, die zu gehäuften Infektionen (z.B. Hornhautulzera) führen. Diese Mechanismen, die zum Trockenen Auge führen, und die gestörten Faktoren im Tränenfilm sind bisher erst unzureichend untersucht. Somit gehören zur Therapie der allergischen Erkrankung auch Tränenersatzmittel [13]. Allergische Rhinokonjunktivitis: Häufig, aber harmlos Mastzelle destabilisierte Membran Granulat Abbildung 1: Mechanismus der Mastzelldegranulation. Antigenpräsentierende Zelle Antigen MHC-Klasse IIAntigen AntigenPeptid T-Zell Rezeptor Die allergische Rhinokonjunktivitis ist die häufigste allergische Augenerkrankung, und weit mehr als 50 % aller allergischen Konjunktivitiden entfallen auf diese Gruppe. Allergene stellen verschiedenartigste Pollen dar. Die Erkrankung kann Mastzelle eosinophiler chemotaktischer Faktor IgE Eosinophile Zelle BE TH2 IL-4 IL-4, IL-5, IL-6 Major-BasicProtein eosinophiler Stimulations-Promoter Abbildung 2: Wechselwirkung zwischen T-Zellen, Mastzellen und Eosinophilen. 106 Allergische Augenerkrankungen und Trockenes Auge saisonal oder, insbesondere bei Atopikern, auch nicht-saisonal verlaufen. Die Klinik ist durch diskrete papilläre Reaktionen und fehlende Hornhautbeteiligung bei meist massivem Juckreiz geprägt. Die Laborbefunde sind bei sämtlichen allergischen Augenerkrankungen ähnlich verändert. Insbesondere IgE, gelegentlich Histamin sowie andere Parameter der Typ 1-Reaktion sind nachweisbar. Histologisch finden sich bei der allergischen Rhinokonjunktivitis überwiegend eosinophile Zellen. Differentialdiagnostisch ist vor allem die Kontaktallergie zu beachten, die ebenfalls ohne Hornhautbeteiligung einhergeht. Therapeutisch ist es wichtig, nach Allergenidentifizierung eine Prävention oder Allergenkarenz, falls möglich, durchzuführen. Im weiteren können Antihistaminika, Mastzellenstabilisatoren, Lodoxamid [12], für kurze Zeit eventuell auch lokal Steroide gegeben werden. Atopische Keratokonjunktivitis: Gefährlichste okuläre allergische Erkrankung Die atopische Keratokonjunktivitis stellt eine allergische Erkrankung dar, bei der die typische okuläre Symptomatik mit einer Atopie vergesellschaftet ist. Diese äußert sich meist als atopische Dermatitis oder Neurodermatitis, gelegentlich auch als Asthma bronchiale. Meist läßt sich die atopische Keratokonjunktivitis ganzjährig nachweisen. Das klinische Bild imponiert mit Papillenschwellungen am Tarsus (Abbildung 3), Trantas dots, Trockenem Auge, eventuell aber auch kornealer Neovaskularisation und Ulkusbildung (Abbildung 4). Auffallend sind häufig schwere Lidveränderungen mit Verkrustungen und der Bildung einer zusätzlichen Falte. Nicht selten läßt sich aber auch eine Symblepharonausbildung (Abbildung 5) nachweisen. Eine Superinfektion kann schließlich bis zur Perforation der Hornhaut führen. Typische Komplikationen stellen eine Kanthusdestruktion, eine Cataracta complicata in 10 % bis 25 % der Fälle [5] (nicht zuletzt auch wegen langdauernder Kortikosteroidtherapie beim Asthma bronchiale) sowie ein Keratokonus in bis zu 16 % der Fälle dar [11]. Pathophysiologisch scheinen, insbesondere für die korneale Symptomatik, eosinophile Zellen mit ihren kationischen Proteinen (z.B. MBP) verantwortlich zu sein, die die Aktivierung von T-Zellen und Mastzellen unterhalten [7]. Differentialdiagnostisch muß die Keratoconjunctivitis vernalis abgegrenzt werden, die saisonbedingt ist, keine Symblephara aufweist, bei geringerer Ausbildung der Keratitis aber meist eine stärkere papilläre Reaktion zeigt. Auch die Rosacea und das okuläre Pemphigoid sollten ausgeschlossen werden. Der therapeutische Ansatz ist sehr komplex. Neben einer topischen Therapie (Antihistaminika, eventuell Mastzellstabilisatoren) sind Allergenelimination und Milieusanierung sehr wichtig. Insbesondere sollte antiallergische Bettwäsche benutzt werden und die Wohnung soweit es geht antigenfrei sein (kein Teppichboden, kein Haustier). Ein wesentlicher Aspekt stellt die psychologische Hilfe bei den schweren Verlaufsformen der atopischen Keratokonjunktivitis dar. In den letzten Jahren hat sich auch die systemische, aber wohl auch lokale Gabe (zur Publikation eingereichte eigene Ergebnisse) [8] von Cyclosporin A, eventuell in Kombination mit weiteren Medikamenten, als hilfreich sowohl bei dermatologischer als auch okulärer Symptomatik erwiesen. Keratoconjunctivitis vernalis: Ein Krankheitsbild, an dem Kinder verzweifeln können Epidemiologisch erkranken an diesem Krankheitsbild überwiegend Jungen (Verhältnis Jungen 107 M. Zierhut Abbildung 3: Atopische Keratokonjunktivitis: Es zeigt sich eine deutliche papilläre Reaktion der Conjunctiva tarsi. Abbildung 4: Atopische Keratokonjunktivitis: Parazentral gelegene Ulzeration der Hornhaut. Abbildung 5: Atopische Keratokonjunktivitis: Symblepharon des Unterlides. 108 Allergische Augenerkrankungen und Trockenes Auge Abbildung 6: Keratoconjunctivitis vernalis: Typische massive papilläre Hyperplasie der Conjunctiva tarsi. Abbildung 7: Keratokonjunktivitis vernalis: Limbale Form mit glasigen Infiltraten. Abbildung 8: Gigantopapilläre Konjunktivitis: Mäßig ausgeprägte papilläre Hyperplasie an der Conjunctiva tarsi. 109 M. Zierhut zu Mädchen wie 2–3 zu 1), wobei wiederum 60 % zwischen 11 und 20 Jahren alt sind [3]. Die Inzidenz beträgt 0,1 bis 0,5 %, 2/3 der Fälle werden im Zeitraum von April bis August aktiv. Klinisch lassen sich zwei Formen unterscheiden: Einerseits die palpebrale Form, bei der eine papilläre Hyperplasie der Conjunctiva tarsi (Abbildung 6) gelegentlich mit fibrinöser Pseudomembranbildung auftritt, andererseits die limbale Form (Abbildung 7), die sich durch Trantas dots (bestehend aus Eosinophilen und Zelldetritus), möglicherweise mit folgender Ulkusbildung, auszeichnet. Histologisch findet sich eine pseudoglanduläre Hyperplasie mit Becherzellvermehrung. Differentialdiagnostisch ist vor allem die atopische Keratokonjunktivitis auszuschließen, bei der eine Atopie nachweisbar ist. Es sei darauf hingewiesen, daß diese Einteilung (vernalis als nicht atopie-assoziiert) noch nicht allgemein akzeptiert wird. Zahlreiche andere Konjunktivitiden können wie eine atypische Keratoconjunctivitis vernalis imponieren. Therapeutisch sollten oberflächenwirksame Steroide nur für kurze Zeit genommen werden, Mastzellstabilisatoren und Lodoxamid sind wirksam, scheinen jedoch nicht auf die Keratopathie zu wirken. Auch orale Antihistaminika scheinen nicht dauerhaft hilfreich zu sein. Gute Berichte liegen über die Gabe von topischem Cyclosporin A vor [10] sowie eigene Erfahrungen. In schweren Fällen kann die operative Entfernung der Papillen notwendig werden. Es finden sich Papillen, meist größer als 1 mm Durchmesser, an der tarsalen Konjunktiva (Abbildung 8), jedoch kann es auch zu einer oberen Limbusinfiltration in Form von Trantas dots kommen. Histologisch finden sich alle Zeichen der Typ 1- und Typ 4-Reaktion (Mastzellen, Eosinophile, Lymphozyten usw.). Pathophysiologisch scheinen die Ablagerungen auf der Kontaktlinse (Proteine, Lipide), die sich innerhalb von wenigen Stunden bilden können, zu Traumatisierungen zu führen (siehe Kapitel Kontaktlinsen). Dies hat die Freisetzung von chemotaktischen Faktoren mit Entzündungsreaktion und Ausbildung einer gigantopapillären Konjunktivitis zur Folge [5]. Therapeutisch ist der Wechsel auf einen anderen Kontaktlinsentyp (z.B. nach weichen Kontaktlinsen Übergang zu harten) nach Beherrschung der Entzündung meist möglich, und Chromoglycinsäure bzw. Lodoxamid kann den Heilerfolg deutlich beschleunigen. Kontaktallergie: Lästig, aber harmlos, wenn das auslösende Allergen bekannt ist Eine Kontaktallergie wird durch Tropfen, Salben, Verband oder Kosmetika ausgelöst und führt dann Gigantopapilläre Konjunktivitis: An das Krankheitsbild zu denken, führt leicht zur Heilung Eine gigantopapilläre Konjunktivitis entwickelt sich typischerweise 3 bis 12 Monate nach Beginn des Tragens einer Kontaktlinse. Sie läßt sich bei 1 % bis 5 % aller weichen [1] und bei zirka 1 % aller harten Kontaktlinsenträger [4] nachweisen. 110 Abbildung 9: Kontaktallergie: Lidödem bei bestehender Pflasterallergie. Allergische Augenerkrankungen und Trockenes Auge zu einem Lidödem (Abbildung 9) mit Induration, Ödem und Vesikelbildung an der Bindehaut, zu Chemosis und leichter Papillenschwellung, aber nur selten zur Keratopathie. Differentialdiagnostisch ist vor allen Dingen die atopische Keratokonjunktivitis im leichten Stadium und die allergische Rhinokonjunktivitis auszuschließen. Pathophysiologisch überwinden niedermolekulare Haptene die epitheliale Schranke und bilden danach einen Hapten-Carrier-Komplex, der von Langerhanszellen erkannt wird. Diese aktivieren daraufhin T-Lymphozyten. Diagnostisch ist vor allen Dingen die Hauttestung hilfreich. Therapeutisch reicht meist die Erkennung und Vermeidung des Antigens, eventuell die Gabe von topischen Steroiden für kurze Zeit aus. Allergische Reaktion nach Insektenstich: Bei Atopikern allergisch, sonst eher toxisch mit potentiell letalem Ausgang Bei dem Insektenstich handelt es sich meistens um eine toxische Reaktion. Durch erhöhte IgEFreisetzung kann es jedoch bei Atopikern auch zu einer allergischen Reaktion kommen. Das Leitsymptom stellt der Schmerz dar. Klinisch imponiert neben einer Schwellung des Lides eine Chemosis, was aber überschattet sein kann durch eine Schocksymptomatik. Therapeutisch sind meist lokale Steroide und eine Vasokonstriktion ausreichend, auf Dauer sollte jedoch bei schweren Krankheitsbildern eine Desensibilisierung durchgeführt werden. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß allergische Augenerkrankungen häufig sind. Die Klinik ist geprägt vom juckenden, tränenden Auge. Diagnostisch lassen sich die Krankheitsbilder meist leicht einordnen. Die Therapie ist insbesondere bei den schweren Formen der atopischen Keratokonjunktivitis sehr komplex und sollte in Kooperation mit dem Allergologen, Pulmologen, Dermatologen und Psychologen durchgeführt werden. Die Kontrolle der Antigenbelastung spielt hierbei eine wesentliche Rolle. Bei der Keratoconjunctivitis vernalis hat sich in den letzten Jahren die topische Gabe von Cyclosporin A bewährt. Differentialdiagnostisch können zahlreiche Erkrankungen einer allergischen Ophthalmopathie ähnlich sehen [13]. Die zukünftigen therapeutischen Entwicklungen zielen auf eine Blockierung der Eosinophilen und der B-T-Zell- Literatur 1. Allansmith, M. R., Korb, D. R., Greiner, J. V. et al.: Giant papillary conjunctivitis in contact lens wearers. Am. J. Ophthalmol. 83: 697–708 (1977) 2. Beetham, W. P.: Atopic cataracts. Arch. Ophthalmol. 24: 21–37 (1940) 3. Brody, J. M., Foster, S.: Vernal conjunctivitis. In: Ocular Infection and Immunity. (Hrsg.: Pepose, J. S., Holland, G. N., Wilhelmus, K. R.) S. 367–375. Mosby, St. Louis 1996 * Umfangreiche Darstellung über Klinik, Pathologie und Therapie der Konjunktivitis vernalis 4. Buckley, R. J.: Pathology and treatment of giant papillary conjunctivitis. II. The British perspective. Clin. Ther. 9: 451–457 (1987) 5. Buckley, R. 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Wesentliche Aspekte seiner Funktion, seiner Struktur und seines Aufbaues, die bei Störungen zu dem klinischen Krankheitsbild des Trockenen Auges führen, werden in diesem Beitrag angesprochen. Die Bezeichnung Trockenes Auge ist ein historischer Begriff, der sich für einen sehr komplexen Krankheitsprozeß der Augenoberfläche eingebürgert hat. Der instabile Tränenfilm ist lediglich das Symptom, die Ursachen dafür sind vielfältig. Da die Augenoberfläche und der präokulare Tränenfilm eine funktionelle Einheit sind, gehen Erkrankungen der Augenoberfläche mit Tränenfilmveränderungen einher oder umgekehrt. Die Epithel- zellen spielen eine bedeutende Rolle bei der Benetzung der Augenoberfläche. Stammzellen am Limbus steuern lebenslang die Differenzierung der Epithelzellen, die nicht keratinisieren, an der Muzinexpression beteiligt sind und gleichzeitig einem programmierten Zelltod (Apoptose) unterliegen. Der protektive Effekt des Tränenfilms für die Augenoberfläche wird durch neuronale Mechanismen gesteuert. Die Augenoberfläche mit ihrem Tränenfilm ist als funktionelle Einheit aufzufassen. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, daß nicht nur das Trockene Auge im Rahmen des Sjögren-Syndroms, sondern auch das postinflammatorische oder sogar das altersbedingte Trockene Auge auf entzündliche Veränderungen zurückzuführen sind. Funktionen des Tränenfilms: Optische Grenzschicht, biologisches Bindeglied zwischen Luft und wäßrigem Medium die vordere brechende Oberfläche des Auges [1, 3, 5, 21, 22, 28, 30, 31]. Darüber hinaus spielt der Tränenfilm eine Rolle bei der Hydratation der Hornhaut, die zur Erhaltung der Transparenz erforderlich ist. Quer durch die Hornhaut besteht ein osmotisches Gefälle, weil durch Verdunstung des Tränenfilms Flüssigkeit aus dem Kammerwasser durch die Hornhaut in den Tränenfilm „gezogen“ wird. Hypertonische Lösungen, auf die Augenoberfläche aufgebracht, verstärken diesen Fluß durch die Hornhaut und über die Bindehaut erheblich [1, 13, 19, 23, 32]. Tränen sind weiter- Der Tränenfilm hat zahlreiche Funktionen (Tabelle 1). Die Tränen erhalten die normale Struktur und Funktion der Oberfläche von Hornhaut und Bindehaut. Sie bedecken die Augenoberfläche als transparenter Film. Der Tränenfilm gleicht Unregelmäßigkeiten des Hornhaut- und Bindehautepithels aus und bildet als Grenzfläche 33 H. Brewitt, M. Zierhut hin für das Hornhautepithel die hauptsächliche Sauerstoffquelle aus der Luft, wobei der Sauerstoff in der Tränenflüssigkeit gelöst ist. Die Hornhaut selbst enthält keine Gefäße und verfügt auch über keine andere Sauerstoffquelle. Die Tränen stellen tatsächlich die Hauptsauerstoffquelle dar und sind wichtig für alle aeroben Stoffwechselvorgänge im Hornhautepithel. Der Tränenfilm spielt eine Rolle beim Verheilen von Hornhautwunden, u.a. indem er Zellen aus der Bindehaut und dem Hornhautrand zu weiter zentral liegenden Hornhautwunden leitet [1, 12, 25, 31]. Tränen enthalten darüber hinaus Substanzen mit antibakteriellen Eigenschaften, spülen die Augenoberfläche, indem sie abgeschilferte Zellen, Zelltrümmer oder Fremdkörper eliminieren. Durch den Kontakt mit der Bindehautoberfläche hat der Tränenfilm wesentliche Bedeutung bei der Entwicklung und Entstehung immunologischer Erkrankungserscheinungen wie Sensibilisierung und Allergisierung [1, 20, 31, 37]. Störungen qualitativer oder quantitativer Natur im präokularen Film beeinflussen somit die physikalische, physiologische und mechanische Funktion und haben unmittelbaren Einfluß auf den Gesundheitszustand der äußeren Augenoberfläche. Aufgrund der engen Beziehung zwischen Oberflächenepithelien und präokularem Tränenfilm kommt es bei trockenen Augen, vor allem bei wäßrigem Tränendefizit, zu Epithelstörungen, die als squamöse Metaplasie charakterisiert sind, eine hautähnliche pathologische Umwandlung eines nichtkeratinisierten Epithels in ein keratinisiertes Epithel [33]. Es wird vermutet, daß die squamöse Metaplasie bei Trockenem Auge infolge Tabelle 1: Funktionen des Tränenfilms – Optische Oberfläche des Auges – Ausgleich von Unregelmäßigkeiten an Horn- und Bindehaut – Epithelregenerierende Wirkung – Epithelschützende Wirkung – Reinigung der Hornhaut – Antibakterielle Wirkung – Immunologische Wirkung – Hydratation der Hornhaut – Sauerstoffversorgung der Hornhaut 34 Dysfunktion der Tränendrüse eintritt. Bekannt ist, daß die Tränenflüssigkeit viele epithelmodulierende Stoffe enthält, u.a. Vitamin A [44], epitheliale Wachstumsfaktoren [35, 39] und Transforming growth factor beta-1 und beta-2 [17]. Dreischichten-Struktur: Didaktisch nützlich, aber vereinfacht Der präokulare Tränenfilm ist als eine extrazelluläre Matrix zu werten, die eine aktive und recht komplizierte Rolle bei der Aufrechterhaltung von Epithelfunktionen von Bindehaut und Hornhaut spielt. Der gesamte Tränenfilm ist etwa 7–10µm dick. Wolff [46] hat als erster die dreischichtige Struktur der Tränen beschrieben. Eine dünne (0,02–0,05µ) innere Muzinschicht überzieht die Epitheloberfläche, es folgen eine mittlere, viel dickere (7µ ) wäßrige und eine dünne (0,1µ) äußere Lipidschicht, die gut von der wäßrigen Schicht abgegrenzt ist [31]. Der präokulare Film mit den umgebenden Geweben sollte heute als funktionelle Einheit gesehen werden. Die Unterscheidung von drei Schichten des Tränenfilms war und ist bis heute didaktisch, diagnostisch und therapeutisch nützlich, obwohl die Grenze zwischen der wäßrigen Schicht und der Muzinschicht nicht sehr scharf ist. Die traditionelle Vorstellung, daß Muzin und die anderen beiden Hauptkomponenten des Tränenfilms als separate Schicht vorliegen, ist heute nicht mehr haltbar. Muzine sind wie ein Gradient auch in der wäßrigen Schicht verteilt [36]. Die oberflächliche Lipidschicht besteht hauptsächlich aus Wachs- und Cholesterinestern und einigen polaren Lipiden. Die wäßrige Schicht enthält in gelöster Form anorganische Salze, Glukose, Harnstoff und oberflächenaktive Biopolymere, Proteine und Glykoproteine. Mikrovilli (Mikrozotten) und Mikroplicae (Mikrofalten) von Hornhaut- und Bindehautepithel mit ihrer glykokalyxähnlichen, feinfilamentösen Oberflächenstruktur adsorbieren Muzin aus Becherzellen Physiologie des Tränenfilms (Abbildung 1), eine hydratisierte Schicht von Mukoproteinen, hauptsächlich Sialomuzinen [7, 12, 19, 22, 23, 26]. Lidschlägen. Auch bei Gesunden entwickeln sich Trockenstellen, wenn die Lidschläge nicht im normalen Rhythmus erfolgen. Tränenfilmaufbau: Wechselt kontinuierlich Wäßriger Anteil des Tränenfilms: Stoffwechseltransportmedium Mit jedem Lidschlag wird der Tränenfilm neu aufgebaut. Die Lipidschicht geht flexibel mit: Sie wird beim Schließen des Lides zusammengedrückt und beim Öffnen wieder gleichmäßig über die Augenoberfläche verteilt: sie spreitet [7, 8, 23]. Die muköse Schicht bleibt indessen auf dem Epithel mehr oder weniger haften. Zwischen zwei Lidschlägen geht ein Teil der Tränenflüßigkeit durch Verdunstung oder Abfluß über die ableitenden Tränenwege verloren. Erfolgt in diesem Moment kein erneuter Lidschlag, so wird der Tränenfilm so dünn, daß sich Lipid- und Muzinschicht berühren. Damit bricht das physikalische stabile System „Tränenfilm“ zusammen, der Tränenfilm „reißt auf“, und auf der Augenoberfläche wird in der Regel eine Trockenstelle sichtbar [18, 22, 23, 28, 29, 31, 43]. Bei Patienten mit trockenen Augen erscheinen solche Trockenstellen bereits zwischen zwei normalen Der wäßrige Bestandteil der Tränen macht über 90% der Dicke des Tränenfilmes aus und wird von den Haupttränendrüsen und akzessorischen Tränendrüsen produziert. Die wäßrigen Tränen gelangen über Ausführungskanälchen der Hauptund der akzessorischen Tränendrüsen in die obere Umschlagfalte der Bindehaut und von dort in die Übergangsfalten, den Tränensee und über die der Außenwelt zugewandten Teile von Hornhaut- und Bindehautoberfläche. Die wäßrige Flüssigkeit wird vom Musculus orbicularis oculi (sog. Tränenpumpe durch den Augenschließmuskel) von temporal nach medial bewegt und in der Entspannungsphase nach einem Lidschlag sofort von den Tränenpünktchen aufgesogen. Ein Teil der wäßrigen Tränenflüssigkeit geht durch Verdunstung und Wiederaufnahme durch die Bindehautoberfläche verloren. Der Großteil fließt jedoch über die Tränenpünktchen, die Tränen- Abbildung 1: Dysfunktion von Meibomschen Drüsen (Pfeil). 35 H. Brewitt, M. Zierhut kanälchen in den Tränensack und von dort in den Tränennasengang in die Nasenhöhle [34, 38]. Der Tränenfluß beträgt ungefähr 1,2 µl/min (Streubreite 0,5–2,2 µl/min). Die sog. Basissekretion läuft im Auge ohne jegliche Stimulation ab [1, 12, 24, 27, 31]. Wird der Tränenfluß z.B. durch äußeren Reiz stimuliert, so kann er sich 100fach erhöhen. Andererseits kann es aber bei Patienten mit der klassischen Keratoconjunctivitis sicca zu einer beträchtlichen Verringerung des Tränenvolumens kommen. Lipidanteil des Tränenfilms: Duplexfilm aus verschiedenen Lipiden Die Lipide des Tränenfilms werden überwiegend von den Meibomschen Drüsen abgesondert. Möglicherweise stammen einige Lipide des Tränenfilms auch aus den Zeiss- und Mollschen Drüsen [1, 22, 31, 37, 42]. Über Faktoren, die die Absonderung der Meibomschen Drüsen steuern, wird derzeit intensiv diskutiert. Hormonelle Veränderungen (Androgenreduzierung) beeinflussen die Sekretion [9, 41] unter anderem, Infektion der Meibomschen Drüsen oder Dysfunktionen verändern in jedem Falle die Qualität des Lipidfilms. Das Lipidgemisch, welches die äußere Schicht des präokularen Tränenfilms bildet, baut den Lipidfilm vermutlich so auf, daß die polaren Lipide sich mit ihren geladenen Gruppen auf der wäßrigen Phase schnell ausbreiten, während sich die langsamer verteilenden, nicht polaren Lipide die von den polaren gebildete Schicht überziehen und so einen Duplexfilm aufbauen. Während des Lidschlages unterliegt die Lipidschicht starker Kompression und Dekompression. Die Lipidschicht des Tränenfilms erfüllt mindestens drei wichtige Funktionen zur Erhöhung der Stabilität des Tränenfilms: • Sie verzögert die Verdunstung auf dem Tränenfilm (zirka 5–20fache Verringerung der Verdunstung). 36 • Das Sekret der Meibomschen Drüsen verhindert eine stärkere Durchsetzung des Tränenfilms mit Lipiden von Talgdrüsen der Augenlider. Ein Pfropfen dieses Talgs zieht ein sofortiges Aufreißen des Tränenfilms und die Bildung trockener Stellen nach sich. • Bei Lidöffnung senken die sich ausbreitenden Lipide die Oberflächenspannung der Tränen, wodurch Tränen in den Tränenfilm gesogen und die wäßrige Phase verdickt wird. Dieser Effekt scheint für die Aufrechterhaltung der Dicke des Tränenfilms eine bedeutende Rolle zu spielen [1, 13, 22, 23, 31]. Muzinanteil des Tränenfilms: Besser der Augenoberfläche zurechnen Die Oberfläche des Hornhaut- und Bindehautepithels wird von einer komplexen Muzinschicht überzogen, die überwiegend aus wasserhaltigen Glykoproteinen besteht, die aber auch Verbindung zu den Proteinen oberflächlicher Epithelzellen besitzt. Aus diesem Grunde wird diese Schicht wohl besser der Augenoberfläche zugerechnet. Muzin wird in den Becherzellen der Bindehaut, aber auch in Epithelien von Hornhaut und Bindehaut selbst gebildet [2, 4, 10, 11, 14, 15, 16, 22]. Becherzellen sind schleimabsondernde Drüsen, die in der bulbären und palpebralen Bindehaut verteilt sind. Ihre Verteilung ist sehr verschieden. Die Dichte der Becherzellen scheint jedoch bei Gesunden in verschiedenen Altersgruppen nicht erheblich zu differieren, lediglich bei Personen ab dem 70. Lebensjahr ist ein leichter Rückgang zu verzeichnen [30, 31, 37]. Schleimhauterkrankungen beeinträchtigen die Anzahl der Bindehautbecherzellen und führen zu Krankheitsbildern, die mit Schrumpfung der Bindehaut einhergehen (z.B. okuläres Pemphigoid). Physiologie des Tränenfilms Binde- und Hornhautzellen sind Muzinproduzenten Wir wissen heute, daß Epithelzellen selbst an der Muzinbildung beteiligt sind. So finden sich in histologischen Schnitten von Hornhaut und Bindehaut unter der Oberfläche dieser Zellen sekretorische Vesikel (Abbildung 2) mit histochemischer Anfärbbarkeit, was für das Vorhandensein von Sialomuzinen spricht [2, 5, 10, 11, 45]. Es muß davon ausgegangen werden, daß eine innere Komponente, die eng mit der Epithelzelloberfläche verbunden ist, ähnlich einer Glykokalyx, auf der Augenoberfläche besteht und daß diese aus Vesikeln der Hornhaut- und Bindehautepithelzellen ausgeschieden wird (Abbildung 2 a und 2 b). Die Glykoproteine der Glykokalyx stammen also aus den Epithelzellen der Bindehaut und Hornhaut, d.h. Störungen des Tränenfilms bzw. seines Aufbaues und der Haftung stellen Epithelerkrankungen dar [4, 5, 6, 10, 11, 14, 15, 16]. Es kann also Situationen geben, in denen alle Komponenten des Tränenfilms vorhanden sind, aber die Epithelzellen die Glykokalyx nicht produzieren können. Beispiele hierfür sind unter anderem Verletzungen, Operationswunden, Hornhautdystrophien sowie Hornhaut- und Bindehautnarbenbildung. Hornhaut- und Bindehautoberfläche: Nicht hydrophob Holly und Lemp [23] zeigten, daß Mukoglykoproteine im Tränenfilm die Oberflächenspannung der Tränenflüßigkeit senken. Sie nahmen an, daß das Epithel der Hornhautoberfläche wegen des Lipidgehaltes der Zellmembranen hydrophob ist und daß das Muzin eine locker adsorbierte Schicht bildet, die vorübergehend eine neue Oberfläche schafft, die von der darüberliegenden wäßrigen Schicht benetzt werden kann. Die Zellwände der Augenoberfläche bestehen zwar aus Proteinen und Lipiden, wir wissen aber, daß Zellen der Hornhaut- und Bindehautoberfläche ein Glykoprotein ausscheiden, das auf der Hornhautoberfläche eine äußere Glykokalyx bildet. Über die chemische Zusammensetzung der epithelialen Zellwand und der Glykokalyx ist zwar noch wenig bekannt, trotzdem ist die Vorstellung, daß die Hornhaut völlig unbenetzbar sei, heute nicht mehr aktuell. Aufreißen des Tränenfilms: Lipidschicht bleibt bestehen Mit jedem Lidschlag wird ein sehr dünner Tränenfilm aufgebaut. Der Tränenfilm im Lidspaltenbereich (der Umwelt zugewandt) reißt schließlich nach einer bestimmten Zeit auf, wobei trockene Stellen entstehen. Die Zeit zwischen dem letzten vollständigen Lidschlag und dem Auftreten der ersten unregelmäßig verteilten Trockenstellen bezeichnet man als Tränenfilmaufreißzeit. Sie dient zur Messung der Stabilität des Tränenfilms. Für das Aufreißen des Tränenfilms wurden verschiedene Hypothesen aufgestellt. Holly [22] äußerte die Vermutung, daß die Muzinschicht durch Wasserverdunstung mit Lipiden in Kontakt kommt und so überladen wird, daß sie hydrophob wird. Verdunstung, Zelltrümmer im Tränenfilm oder ein Abfall der Oberflächenspannung durch die lokale Flüssigkeitsbewegung tragen zur Verdünnung des Tränenfilmes bei. Andere Autoren vermuten, daß die wäßrige Phase des Tränenfilms dann aufreißt, wenn sie direkt mit dem darunterliegenden hydrophoben Epithel in Berührung kommt [18]. Neuere Untersuchungen zeigen allerdings, daß die Lipidschicht auch auf Trockenstellen erhalten bleibt [43]. Alle Autoren sind sich aber einig, daß eine regelmäßige Erneuerung des Tränenfilms durch erneuten Lidschlag zur Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Befeuchtung der Augenoberfläche notwendig ist. 37 H. Brewitt, M. Zierhut Abbildung 2 a: Sekretorischer Vesikel (Pfeile) mit feinfilamentösem Material (Glykoproteine) wandert an Zelloberfläche (Exozytose) und produziert eine Glykokalyx (Abbildung 2 b.). Abbildung 2 b: Feinfilamentöses Material (Glykokalyx) nun an der Zelloberfläche (hier: Hornhautepithel): Die Voraussetzung für Haftung und Aufbau des Tränenfilms ist gegeben. 38 Physiologie des Tränenfilms Tränen sind das Ergebnis der Sekretion diverser Drüsen (Tränendrüse, akzessorische Drüsen, Meibomsche Drüsen) und der Epithelien der Augenoberfläche. Die Gesamtsekretion bildet im Idealfalle eine widerstandsfähige Schicht, die unsere Augenoberfläche vor den Einflüssen der Umwelt schützt. Dieser Sekretionsmechanismus wird vermutlich neuroendokrin reguliert. Die Drüsensysteme, die Augenoberfläche selbst und die sie verbindende Innervation sind klinisch eine funktionelle Einheit, Störungen einer dieser Komponenten führen zu einer veränderten Tränenfilmbildung. Wir wissen, daß Trockene Augen bei einer Vielzahl von Augenerkrankungen vorkommen. Neuere Untersuchungen zeigen, daß nicht nur beim Sjögren-Syndrom und zahlreichen immunologisch mediierten Erkrankungen Entzündungszellen eine wesentliche Rolle bei der Pathogenese des Trockenen Auges zukommen. So stellten Stern und Mitarbeiter [40] die Hypothese auf, daß zahlreiche Komponenten der okulären Oberfläche wie Kornea, Konjunktiva, akzessorische Tränendrüsen und Meibomsche Drüsen, die Tränendrüse sowie die verbindende Innervation als eine funktionelle Einheit wirksam sind (Abbildung 3). Störungen einer dieser Komponenten führen zu einer gestörten Tränenfilmbildung. Diese kann im weiteren zu einer immunologisch vermittelten Entzündung führen mit resultierender neuronaler Dysfunktion und dem klinischen Bild des Trockenen Auges. Abbildung 3: Reduktion der Androgen-Konzentration, ausgelöst durch anti-Androgen-Therapie, höheres Alter, Autoimmunerkrankungen oder reduzierte Androgen-Sensitivität, kann zur verstärkten lokalen Autoimmunität in der Tränendrüse, jedoch auch im Bereich der Bindehaut führen. Dies wird vermittelt u.a. über Faktoren wie das TGF-β (tumor growth factor β). Im nächsten Schritt kommt es zu einer erhöhten Expression von MHC-Klasse II-Antigen (major histocompatibility complex class II), was über eine verstärkte Aktivierung von Antigen-präsentierenden Zellen zu einer verstärkten Bereit- stellung von T-Zellen führt. Diese T-Zellen scheinen mehr oder weniger spezifisch über den sog. „Homing“-Mechanismus wieder zur Tränendrüse und Bindehaut zurückzugelangen, was über zahlreiche verschiedene Zytokine gesteuert wird und im Endeffekt zur Entzündung des äußeren Auges führt. Dies bedingt einerseits eine weitere Reduktion der AndrogenKonzentration, womit sich der Circulus viciosus schließt, andererseits resultiert aus dem vermehrten Angebot an T-Zellen eine Zerstörung der Tränendrüse mit resultierendem trockenen Auge. Tränenproduktion: Neuroendokrin gesteuert 39 H. Brewitt, M. Zierhut Insbesondere eine Reduktion der systemischen Androgenkonzentration, ausgelöst durch Autoimmunerkrankungen, Alter, Androgen-Insensitivität oder Anti-Androgen-Therapie, scheint über eine Reduktion von TGF-ß zur Veränderung lokaler Immunprozesse zu führen. Verbunden mit einer erhöhten MHC-Klasse-II-Expression auf Antigenpräsentierenden Zellen kommt es zu einer verstärkten Antigenpräsentation und zur Aktivierung von T-Zellen. Diese T-Zellen werden zur Tränendrüse und okulären Oberfläche geleitet (Leukozyten-Homing) und bilden dort zahlreiche Zytokine, die zu einer Mitbeteiligung weiterer Strukturen führen und dadurch in einer Verstärkung der Entzündung resultieren. Im Endergebnis führen diese Prozesse zu einer Zerstörung der Tränendrüse, einer Änderung der Zellzusammensetzung und zu einer Epithelzellapoptose. Mittlerweile liegen zahlreiche Befunde vor, die eine Rolle von aktivierten T-Zellen bestätigen. Stimmt die Hypothese der immunologisch vermittelten Zellzerstörung der Tränendrüse, so wären immunsuppressiv wirksame lokal applizierte Medikamente, wie z.B. Ciclosporin A, möglicherweise sogar kausal wirksam. Die Erkenntnisse von Untersuchungen in den kommenden Jahren werden diese Vorstellung bestätigen müssen. 40 Literatur 1. Affra, R. C.: Diseases of the cornea. Mosby, St. Louis 1991 2. Alberts, B., Bray, D., Lewis, J., Raff, M., Roberts, K., Warson, J. D.: Molecular biology of the cell. Garland Publishing, New York 1983 3. Brewitt, H., Honegger, H.: Tränenfilm und Hornhautepithel – Klinische und morphologische Aspekte. Der Augenarzt 12: 210–236 (1978) 4. 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