Premiere: Sibylle Berg - „Es sagt mir nichts, das

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Premiere: Sibylle Berg - „Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen“
28.11.13 12:35
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25.11.2013 13:32 Uhr
Premiere am Maxim Gorki Theater
Lifestyle-Sarkasmus à la Sibylle Berg
von Christine Wahl
Neues von Lifestyle-Sarkastikerin Sibylle Berg ist nun am Gorki Theater in
Berlin zu sehen: In ihrem Theaterstück „Es sagt mir nichts, das sogenannte
Draußen“ zelebriert sie den geistigen Komplett-Amok.
Am laufenden Band hat der LifestyleStreber schwierige Entscheidungen zu
treffen: „Wie werde ich überflüssige Pfunde
am schnellsten los? Einfach durch Kotzen
oder mit Hormonpillen?“ Oder: „Welches
Beauty-Produkt würde ich mit auf eine
einsame Insel nehmen?“
Viererkette. Mit Sibylle Bergs Stück gibt Sebastian Nübling,
der dritte Regie-Neuling am Gorki, seinen famosen Einstand.
Von links: Rahel Jankowski, Suna Gürler, Nora AbdelMaksoud... - FOTO: THOMAS AURIN
Kaum zu überhören, dass das lustige
Trend-Bashing aus der Feder von Sibylle
Berg stammt. Mit ähnlichem
Unterhaltungswert zieht die LifestyleSarkastikerin die gesammelten Zeitgeist-
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Maksoud... - FOTO: THOMAS AURIN
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Zumutungen in ihrer wöchentlichen
„Spiegel-Online“-Kolumne durch den
Kakao.
In ihrem neuen Theaterstück „Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen“ wird nun der
geistige Komplett-Amok zelebriert. Es geht, unter anderem, gegen alte Männer („Sie
tragen Chucks und denken, das lenke von ihren Gesichtern ab“) sowie gegen junge
Männer: „Schräger Pony, verdeckt beginnende Geheimratsecken, enge Hose, korrekter
BMI, Nerd-Brille ... und tschüss!“ Außerdem am Pranger: der Fitnesstrend Zumba
(„unbeholfene, aber intensiv ausgeführte Bewegungen, die mich an Prominente erinnern,
die in Afrika mit Kindern tanzen“). Schlimmer ist nur noch das Gebot der Political
Correctness: „Welche Randgruppe, zum Beispiel Frauen, könnte sich durch welchen
heteronormativen Sprachgebrauch missachtet sehen?“, ruft Bergs Stückheldin
angemessen bösartig ins Parkett – und schiebt in formvollendeter Aggressivität nach:
„Heteronormativ ist das Wort der Saison. Letztes Jahr war es authentisch und im Jahr
zuvor nachhaltig.“
Geschrieben ist die Trendhass-Suada als Monolog einer geschätzten Anfangzwanzigerin,
deren Biografie an spätkapitalistischer Patchwork-Hipness nichts zu wünschen übrig lässt:
Gemeinsam mit ihrer Halbschwester – einer Marketing-Studentin – und ein paar
Altersgenossinnen, die in eher brotloseren akademischen Disziplinen reüssieren, hat sie
ein Start-up gegründet: Die Mädels betreiben einen florierenden Handel mit PotenzmittelPlacebos und schlagen in ihrer Freizeit – Hauptsache, es ruiniert die Fingernägel nicht zu
sehr – gern kleinere Jungs zusammen. Einen Adressaten hat die Erzählerin auch für ihre
Aggro-Ergüsse: Im Keller hockt, gefesselt und geknebelt, ein gewisser Paul, dessen
Identität erst am Schluss enthüllt wird. Aber, dies sei hier schon mal verraten: Verdient
hat es Paul allemal, sich das alles anhören zu müssen!
Mit der Uraufführung des Berg-Textes gibt nun auch der dritte neue Hausregisseur des
Maxim Gorki Theaters – Sebastian Nübling – seinen Einstand nach dem
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Intendanzwechsel. Es hätte besser nicht laufen können. Nübling hat die Textfläche, die
beim Lesen – aller Scharfzüngigkeit und Pointensicherheit zum Trotz – manche
Redundanz aufweist, klug auf 75 Minuten gestrafft und konsequent auf vier junge
Schauspielerinnen verteilt. Denn beim Lesen deutet einiges darauf hin, dass aus der
Anfangszwanzigerin durchaus eine Autorin mit der doppelten Lebenserfahrung und der
potenzierten Trend- und Lifestyle-Idiosynkrasie spricht. Nübling steuert hier traumsicher
dagegen.
Geboten wird: hochenergetisches Hüpfen, Hinfallen und WeltekelHerausschreien.
Wenn das mit Hornbrillen, sackartigen Sweatshirts und garantiert über jeden SexynessVerdacht erhabenen Blümchenröcken ausgestattete Schauspielerinnen-Quartett
(Kostüme: Ursula Leuenberger) auf die Bühne marschiert, erinnert das zunächst an das
legendäre „Mariedl“ aus Werner Schwabs „Präsidentinnen“. Das griff ja als Putze vom
Dienst nicht nur beherzt in jedes Klo, sondern war ebenfalls mit buchstäblicher
Sprachgewalt gesegnet.
Je länger sich die Hochleistungs-Akteurinnen in hochenergetischem Hüpfen, Hinfallen
und Weltekel-Herausschreien auf leerer Bühne üben, desto vielschichtiger werden – bei
angemessen aggressivem Grundton – die Assoziationen: Mal versprühen Nora AbdelMaksoud, Suna Gürler, Rahel Jankowski und Cynthia Micas den Charme altkluger
Klassenbester, die ihr optisches Unglück exzessiv in geistigem Ehrgeiz kanalisieren. Dann
wieder sammeln sie mit ihrer von Nübling genial inszenierten Hyperenergie – einer Art
innerem Druck, der sich prinzipiell ständig und unbedingt unkontrolliert entladen kann –
als zappelige ADHS-Patientinnen gewaltige Sympathiepunkte bei kollegialen LifestyleHassern im Parkett. Und Tabea Martin hat den vier Akteurinnen dazu perfekte
Bewegungen auf den Leib choreografiert.
Gekonnt switchen sie zwischen Chor- und Solopassagen, rennen gegen Wände, intonieren
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a capella stimmungsunterstützende Trend-Songs. Und unterstreichen dabei
nachdrücklich, was sich schon in Yael Ronens Inszenierung „Der Russe ist einer, der
Birken liebt“ und in Hakan Savas Micans Studio-Eröffnung „Schwimmen lernen“
abzeichnete: Auf die neuen Gorki-Schauspieler/innen darf man sich sehr freuen!
Im Übrigen findet das Hochdruck-Quartett einen vergleichsweise versöhnlichen Ausweg
aus der gesammelten Lifestyle-Misere: „Ich kann es manchmal nicht erwarten, älter zu
werden“, tönt es sehnsüchtig von der Bühne. „Nicht mehr zu all diesen Scheißpartys gehen
zu müssen, zu Gallery-Openings, den Gegenfestivals“ und, auch dieses, zu den
„Tanztheater-Off-Produktionen“! Hier schien ein besonders starker LeidensIdentifikationsnerv getroffen: Es prasselte Szenenapplaus.
Wieder am 29. 11. sowie 6. und 7. 12., 19.30 Uhr, und 8.12., 21 Uhr
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