Kindernetzwerk e.V. für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit chronischen Krankheiten und Behinderungen Krankheitsübersicht Hyperthyreose KINDERNETZWERK AN ALLE BEZIEHER UND NUTZER DIESER KRANKHEITSÜBERSICHT Mit den in dieser Krankheitsübersicht enthaltenen Informationen bietet das Kindernetzwerk e.V. lediglich einen ersten Überblick über die Erkrankung, die Behinderung oder das entsprechende Schlagwort. Alle Informationen werden nach bestem Wissen – mit tatkräftiger Unterstützung unseres pädiatrischen Beraterkreises und wissenschaftlichen Fachbeirats – aus diversen Quellen ( Fachbücher, Fachartikel, Kindernetzwerk-Archiv sowie aus dem Internet ) zusammengestellt. Bei der Krankheitsübersicht wird darauf geachtet, dass die Informationen verständlich und gut leserlich geschrieben sind. Wir möchten Eltern, Betroffenen und Nichtmedizinern dadurch ermöglichen, insbesondere auch seltene Erkrankungen besser zu verstehen. Wir streben einen möglichst hohen Grad an Aktualität an, können aber wegen des rapiden medizinischen Fortschrittes nicht in jedem Fall garantieren, stets den allerneusten Stand des Wissens komplett abzubilden. Gerade deshalb empfehlen wir, sich immer an einer der zuständigen Selbsthilfegruppen zu wenden (siehe beiligende Adressen) um dort weiteres aktuelles Material anzufordern und individuelle Beratung einzuholen! Die Krankheitsübersicht ist nur für Ihren persönlichen Gebrauch bestimmt. Eine Weitergabe an Dritte ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. Die Unterlagen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Inhalte der beigefügten Materialien stellen keine Bewertung von Seiten des Kindernetzwerks dar, sondern dienen der übersichtlichen Zusammenfassung vorhandener Informationsmaterialien in kompakter Form. Bei einem Teil der Krankheitsbildern liegen beim Kindernetzwerk noch umfassendere Informationen (Infopakete) vor. Näheres erfahren sie über die Geschäftsstelle. Aufgrund der Seltenheit vieler Erkrankungen ist es nicht möglich, bei allen Krankheitsübersichten ein Fallbeispiel darzustellen. Falls Sie uns dabei unterstützen möchten, nehmen sie bitte Kontakt mit dem Kindernetzwerk e.V. auf. Servicetelefon: Telefonzeiten : Internet : 0 60 21/1 20 30 oder 01 80/5 21 37 39 Mo 9-14.00 Uhr Di/Do 9-13.00 Uhr Mi 9-16.00 Uhr www.kindernetzwerk.de Kindernetzwerk e.V. – Hanauer Straße 8 – 63739 Aschaffenburg – http://www.kindernetzwerk.de Telefon 0 60 21 / 1 20 30;01 80 / 5 21 37 39 - eMail: [email protected] Spendenkonto-Nr. 924 290 - Sparkasse Aschaffenburg - BLZ 795 500 00 1 Hyperthyreose Schilddrüsenüberfunktion Morbus Basedow Zusammengestellt für das Kindernetzwerk von: Prof. Dr. med. Ulrich Wemmer, Darmstadt 03/2006 Kurzbeschreibung Die Schilddrüsenüberfunktion ist definiert durch eine autonome, unkontrollierte gesteigerte Sekretion von Schilddrüsen-Hormon. Sie kann schon intrauterin beginnen und bei Neugeborenen zur Tachykardie und Übererregbarkeit führen. Bei Kindern und Jugendlichen sind drei Symptome hinweisend, das ist • erstens eine diffuse Vergrößerung der Schilddrüse (Struma), • zweitens die Beschleunigung der Herzaktion (Tachykardie) und • drittens das Hervortreten der Augen (Exophthalmus). Die Patienten magern ab trotz gesteigertem Appetit, Längenwachstum und Reifung des Skeletts sind gesteigert, es werden dünne Stühle entleert. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt über Hormon- Analysen im Blut. Die Therapie besteht aus einer medikamentösen Unterdrückung der Hormonbildung mit Thyreostatika. Reicht diese Behandlung nicht aus, muss in seltenen Fällen eine fast vollständige operative Entfernung der Schilddrüse (Strumektomie) erfolgen. Symptome/Formen/Krankheitsverlauf Physiologie der Schilddrüsenfunktion Die Produktion der beiden Schilddrüsenhormone Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) aus der Aminosäure Thyrosin geschieht in den Follikeln des Organs durch Anlagerung elementaren Jods. T3 und T4 werden in der Schilddrüse im Thyreoglobulin gespeichert und von dort an das Blut abgegeben. Im Blut werden Trijodthyronin und Thyroxin an thyroxinbindendes Globulin (TBG) sowie an Albumin und Präalbumin gebunden. Wirksam ist der nicht gebundene Anteil, das sind die freien Schilddrüsenhormone FT3 und FT4. Die Aufnahme von Jodid erfolgt mithilfe des Natrium-Jodid-Symporters, dann wird es zu elementarem Jod oxidiert (Jodination) und in das Thyrosin eingebaut (Jodisation). Das aus dem Hypophysenvorderlappen abgegebene thyroid stimulating hormone (TSH) regelt die Synthese der beiden Hormone und ihre Abgabe an Thyreoglobulin. Die TSHProduktion wiederum unterliegt der Sekretion von thyrotropin releasing hormone (TRH) aus dem Hypothalamus. 2 • Symptome der Hyperthyreose Neugeborene Bei Neugeborenen von Müttern mit einer Immun-Hyperthyreose kann durch plazentagängige Immunglobuline eine Überproduktion von Schilddrüsen-Hormon ausgelöst werden. Bereits intrauterin kann eine Tachykardie bestehen, häufig kommt es zur vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft (Frühgeburt). Nach der Geburt treten Durchfälle, Übererregbarkeit, Schreckhaftigkeit mit geringem Schlafbedürfnis, Tachypnoe, Tachykardie und vermehrtes Schwitzen auf, die Kinder gedeihen schlecht und nehmen nicht an Gewicht zu. Die Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) lässt sich nicht immer palpieren und wird meist übersehen. Unbehandelt droht eine mentale Retardierung und vorzeitiger Verschluss der Schädelnähte. • Kinder und Jugendliche Kinder mit einer manifesten Hyperthyreose weisen meist die Zeichen einer Hyperaktivität auf mit Nervosität, Unruhe und Stimmungs- Labilität. Erste Symptome sind oft Verhaltensstörungen und Leistungsabfall, Schlafstörungen, Müdigkeit und Verschlechterung des Schriftbildes durch Zittern der Hände (Tremor). Gewichtsabnahme trotz großen Appetits, beschleunigtes Längenwachstum, Wärmeintoleranz, warme, feuchte Hände. Muskelschwäche, Haarausfall Merseburger Trias: Vergrößerung der Schilddrüse, Tachykardie, Exophthalmus Konvergenzschwäche, Lidretraktion: Oberlid folgt nicht dem Bulbus beim Blick nach unten • Ältere Patienten haben organsspezifische Symptome wie Tachykardie, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Schlaflosigkeit, Verwirrtheit, organisches Psychosyndrom. Diagnostik Vergrößerung der Schilddrüse (Struma) Die Vergrößerung der Schilddrüse kann diffus sein und das ganze Organ betreffen. • Ein solitärer Knoten in der Schilddrüse bei sonst normalem Gewebe entspricht einer Struma Stadium Ia. • Die leichte Vergrößerung des Organs (nur bei zurückgelegtem Hals sichtbar) wird als Struma Stadium Ib bezeichnet. • Wird die Struma sichtbar und tastbar, spricht man vom Stadium II. • Vom Stadium III bei einer erheblichen Struma mit Lokalsymptomen (Stridor, Schluckbeschwerden, Dyspnoe). Sonographie der Schilddrüse, ein Schilddrüsen- Szintigramm ist nur bei größeren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sinnvoll. Damit gelingt der Nachweis autonomer Bezirke. Labor Durch das Neugeborenen-Screening Hyperthyreose möglich. (TRH) ist die Diagnose einer angeborenen Latente Hyperthyreose: TSH vermindert, T3 und T4 im Normbereich, keine Symptome Manifeste Hyperthyreose: T3 und T4 sind erhöht, Symptome vorhanden Thyreotoxische Krise: Lebensbedrohliche Zunahme der Symptome Schilddrüsenantikörper: Beim Morbus Basedow sind Autoantikörper gegen mikrosomale Schilddrüsenantigene (in 80%) und gegen Thyreoglobulin (in 25%) nachweisbar. Bei der konnatalen Hyperthyreose sind transplazentar übertragene Antikörper der Mutter im Serum des Kindes nachweisbar. 3 Ursachen Primäre Hyperthyreose - Mütterlicher Morbus Basedow führt zur Hyperthyreose des Feten und Neugeborenen. - Morbus Basedow: Auto-Immunerkrankung mit genetischer Determinierung und Antikörpern gegen TSH- Rezeptoren. Virale Infekte gelten als Auslöser. - Autonome Adenome(einzelne Areale der Schilddrüse reagieren nicht mehr auf TSH und bilden vermehrt Schilddrüsen- Hormon) - Entzündungen der Schilddrüse (Thyreoiditis) - Die subakute Thyreoiditis de Quervain führt durch Gewebezerfall zur passageren, nicht therapiebedürftigen Hyperthyreose. Leitsymptom ist die stark druckschmerzhafte Schilddrüse, in der Sonographie ist die Struktur echoarm, fleckig, im SchilddrüsenSzintigramm fehlender erhöhter Uptake. Eine thyreostatische Therapie darf nicht erfolgen, symptomatische Schmerztherapie mit nicht steroidalen Antiphlogistika, ggf. mit Kortikosteroiden. - Jodinduzierte Hyperthyreose - Malignom der Schilddrüse Bei Kindern selten, mehr Mädchen als Jungen betroffen. In Familien mit medullärem Schilddrüsen- Karzinom (C- Zellen- Karzinom) sollte eine Diagnostik bereits im ersten Lebensjahr erfolgen. Bei dieser Erkrankung liegt eine Mutation im RET- Proonkogen vor. Wenn sich die Mutation bestätigt, kann eine Thyreodektomie das Auftreten eines Karzinoms verhindern. Sekundäre Hyperthyreose Tritt auf bei einer hypophysären Steigerung der TSH- Produktion. Häufigkeiten Angeborene Hyperthyreosen treten bei Mädchen häufiger auf als bei Jungen. Für den Morbus Basedow gilt eine Prävalenz von über 1: 1.000. Frauen sind 6mal häufiger betroffen als Männer, der Altersgipfel liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Differenzial-Diagnose/Begleitfehlbildungen • Differenzialdiagnostisch abgegrenzt werden. müssen vegetative Angstsyndrome bei älteren Menschen • Begleitfehlbildungen sind Lageanomalien der Schilddrüse (Zungengrund, retrosternal usw.). Standardtherapie Neonatale Hyperthyreose Bei mütterlichem Morbus Basedow mit Nachweis von Schilddrüsen- Antikörpern muss das Neugeborene über Monate thyreostatisch mit Thiamazol oder Propyluracil behandelt werden. 4 Morbus Basedow In leichteren Fällen genügen ein Beta- Rezeptoren- Blocker und u. U. leichte Sedativa bei Angst- und Unruhezuständen. Bei manifester Hyperthyreose mit ausgeprägter Symptomatik müssen Thyreostatika verabreicht werden. Die Thionamidgruppe (Thiamazol(Favistan), Carbimazol, Propylthiourazil) hemmt den Umbau von Jodid in Jod, dadurch ist die Produktion von Schilddrüsenhormon verringert. Perchlorat (Irenat) blockiert den Jodeinbau in Tyrosin. Nebenwirkungen sind Exantheme, Übelkeit, Durchfälle, Verstärkung des Exophthalmus Selten kann eine allergische Agranulozytose eintreten, auch ein Anstieg der Leber- Enzyme ist möglich und eine Cholestase (Kein Abfluss der Galle). Weitere Therapien: Subtotale Thyreoidektomie bzw. Strumektomie: Operative Entfernung der Schilddrüse bis auf einen kleinen Rest bei jungen Patienten mit großen Strumen oder Knotenstrumen. Wenn zu wenig Schilddrüsengewebe zurückbleibt, entsteht eine Unterfunktion. Eine Radiojodtherapie sollte erst ab dem 20.Lebensjahr in Erwägung gezogen werden, wenn alle anderen Maßnahmen keinen Erfolg haben. Prognose Bei Morbus Basedow tritt in 40% tritt eine dauerhafte Remission nach 12monatiger Therapie ein, aber es kann auch zu phasenhaften Rezidiven kommen. In einem Drittel der Fälle kommt es trotz mehrjähriger Behandlung zum Rückfall, der erneut medikamentös behandelt werden muss. Nach erreichen einer euthyreoten Stoffwechsellage bessert sich auch der Exophthalmus. Beratung der Familien • Die Patienten und die Familie müssen wissen, dass er keine jodhaltigen Substanzen zu sich nehmen darf, auch kein jodiertes Speisesalz. • Koffeinhaltige Getränke sind verboten. • Röntgen- Untersuchungen mit jodhaltigem Kontrastmittel sind zu unterlassen. • Manche Medikamente enthalten Jod, auch in einigen Desinfektionsmitteln ist Jod enthalten. • Über Nebenwirkungen der thyreostatischen Therapie ist die Familie genau zu informieren (Siehe oben). • Eine Therapie mit Thyreostatika muss mindestens ein Jahr lang durchgeführt werden,der Wirkungseintritt ist verzögert. Probleme mit der Einnahme (Compliance) können durch die Gewichtszunahme entstehen. Insgesamt ist eine ruhige stressfreie Umgebung anzustreben, die Raumtemperatur sollte unter 20° C liegen. 5 Literatur Doeker B, Andler W. Hyperthyreose im Kindes- und Jugendalter. Monatsschrift Kinderheilkd 1998; 146(7): 673-677 Grüters A, Schumm Draeger P M. Diagnostik und Therrapie von Störungen der Schilddrüsenfunktion bei Jugendlichen. Der Kinderarzt 1998; 29: 44- 49 Hofbauer LC, Hörmann R, Heufelder AE. Morbus Basedow. Dt. Ärztebl. 1996; 93(42): C 1900-1906 Kann P, Jocham A, Beyer J. Hypothyreose, Hyperthyreose und Therapie mit Schilddrüsenhormonen: Einflüsse auf das Skelettsystem. Dtsch. Med. Wschr. 1997; 122: 1392-1397 Kiess W, Dötsch J, Kreuder J, Rascher W. Pathogenese und Immundiagnostik der Hyperthyreose. Der Kinderarzt 1995; 26(10): 1271-73 Linke F, Würfel A, Clausner A. Operationsindikation bei Schilddrüsenerkrankungen im Kindesalter. Monatsschrift Kinderheilkd 1997; 145: 928-932 Pistor G, Waag K.L., Hofmann-v. Kap-herr. Chirurgische Strategien bei Schilddrüsenerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Z. Kinderchir. 1990; 45: 342-348 Rabl W. Die neonatale Hyperthyreose. Der Kinderarzt 1995; 26(10): 1264-66 Ranke M B. Hyperthyreose(M. Basedow) bei Kindern und Jugendlichen. Der Kinderarzt 1995; 26: 1279-81 Sitzmann FC. Hyperthyreose. Pädiatrie 1995, 1. Auflage, 244-247 Weber M W, Engelhardt D. Vorgehen bei Morbus Basedow und Co. Der Hausarzt 1999; 12: 33-38 Zabransky S. Hyperthyreose- Ein Überblick. T&E Pädiatrie 1998; 11: 39-40 BUNDESVERBÄNDE Bei folgenden BUNDESWEITEN ANLAUFSTELLEN können Sie Informationsmaterial anfordern. Fragen Sie dort auch nach Ansprechpartnern des jeweiligen Verbandes in der Umgebung Ihres Wohnortes! Falls vorhanden, sind auch Auslandsadressen mit aufgelistet. Bitte haben Sie dafür Verständnis, daß wir in Bereichen, in denen bereits bundesweite Ansprechpartner existieren, primär diesen Initiativen den Versand von Informationsmaterial und die Vermittlung spezieller Hilfen überlassen. Bei zusätzlichen Fragen können Sie sich natürlich jederzeit wieder an das Kindernetzwerk wenden! Die Schmetterlinge e.V. Schilddrüsen-Liga Deutschland e.V. Schilddrüsenbundesverband; Geschäftsstelle Dachverband d. Selbsthilfegruppen f. Schilddrüsenkranke u. Angehörige Waldstr. 73, c/o Ev. Waldkrankenhaus Gemarkenstr. 133 45147 Essen Tel.: 02 01/8 71 84 51 Tel.: 02 01/3 32 82 72 Fax: 02 01/3 32 82 73 e-mail: [email protected]; [email protected] Internet: www.sd-bv.de Ansprechpartner/innen: 1. Vorsitzende: Kirsten Wosniack Bürozeiten: Mo-Fr 14-20 Uhr u. nach vorheriger Vereinbarung MITGLIED IM KINDERNETZWERK Deutsche Selbsthilfegruppe der Jodallergiker, Morbus Basedow- u . Hyperthyreose-Kranken Postfach 29 67 54219 Trier Tel.: 0 47 45/72 79 Tel.: 06 51/4 68 82 95 Fax: 0 12 12/5 51 97 86 13 e-mail: [email protected]; [email protected] Internet: www.jod-kritik.de Ansprechpartner/innen: Frau Dagmar BraunschweigPauli M.A. Bürozeiten: Mo-Fr 9-16 Uhr Weitere Informationen und Artikel über Jodprobleme bei: www.balance-online.de www.tolzin.de www.aegis-schweiz.ch 53177 Bonn Tel.: 02 28/3 86 90 60 e-mail: [email protected] Internet: www.schilddruesenliga.de Bürozeiten: Mo-Do 9-12, 13-17, Fr 9-12 Uhr Weitere Selbsthilfegruppen unter: http://www.schilddruesenliga.de/gruppen.html