105 V. ZUSAMMENFASSUNG Kolorektale Tumoren entstehen durch eine Abfolge von genetischen Veränderungen in Tumorsuppressorgenen und Proto-Onkogenen. Ein sehr frühes Ereignis ist dabei häufig eine Mutation entweder im APC- oder im β-Catenin-Gen, deren Genprodukte an einem Signalweg beteiligt sind, der normalerweise durch Wachstumsfaktoren der Wnt-Familie reguliert wird. Diese Mutationen führen zur Transkriptionsaktivierung von zum Teil noch unbekannten Zielgenen dieses Signalwegs. Aber auch andere genetische Veränderungen bei der Tumorentwicklung führen häufig zu einem veränderten Genexpressionsmuster in den Tumorzellen im Vergleich zu gesunden Zellen. Ziel dieser Arbeit war es zum einen, durch die „Differential Display Reverse Transcription PCR“ (DD-PCR) das Genexpressionsmuster der normalen Kolonzelllinie NCM460 mit dem der beiden Kolon-Adenokarzinomzelllinien SW480 und HCT116 zu vergleichen. Dabei wurden folgende differentiell exprimierten Gene identifiziert: Das Gen für das „Plazenta Protein diff33“, Cholecystokinin (CCK), „Histon macroH2A1.2“, RTP („Reducing Agents and Tunicamycin-responsive Protein“), Reticulocalbin, TRAG3 („Taxol Resistance Associated Gene 3“), Caldesmon sowie ein unbekannter EST. Weiterhin konnten im Rahmen dieser Arbeit auch zwei bisher unbekannte menschliche Gene kloniert werden, nämlich das menschliche Homolog des Gens für den Rab5 GDP/GTP Austauschfaktor vom Rind (Rabex5) sowie ein Gen das aufgrund seines Expressionsmusters den Namen UCC1 („Upregulated in Colon Carcinoma“) erhalten hat. Das hieraus abgeleitete Protein zeigt Ähnlichkeit zu Ependyminen von verschiedenen Fischarten, einem in der Hirnmatrix vorkommenden Glykoprotein. Für eine ähnliche Funktion von UCC1 spricht auch die erhöhte Expression des Gens in allen Bereichen des menschlichen Gehirns. Die differentielle Expression von UCC1 und TRAG3 konnte auch in primären menschlichen Darmtumorproben nachgewiesen werden. Im zweiten Teil der Arbeit sollten Gene identifiziert werden, deren Expression in der MausBrustdrüsenepithelzelllinie C57MG durch Wnt-1-Überexpression induziert wird. Mittels einer Subtraktiven Hybridisierung wurden drei Gene gefunden, die in Wnt-1-transformierten Zellen stärker exprimiert wurden als in den entsprechenden Kontrollzellen. Dies waren eine nur in der Maus bekannte repetitive Sequenz, ein bei der Maus bisher unbekanntes Gen, dessen menschliches Homolog „KIAA0025“ noch nicht näher charakterisiert wurde, und das Gen für den Zellkernrezeptor nur/77. Expressionstests der letzteren beiden Gene in Wnt-1transformierten PC12 Zellen zeigten für das KIAA0025-Homolog keine Unterschiede. NGFI-B, das vermutliche nur/77-Homolog der Ratte, wies dagegen in PC12-Wnt-1 eine geringere Expression als in den Wildtypzellen auf. Somit scheint Wnt-1 in den PC12 Zellen ein Gegenspieler von NGF zu sein, welches die NGFI-B Expression induziert. In menschlichen 293-Zellen konnte weder für KIAA0025 noch für das menschliche Homolog V. ZUSAMMENFASSUNG 106 von nur/77 eine Transkriptionsaktivierung durch β-Catenin-Transfektion festgestellt werden. In den zuvor untersuchten menschlichen Kolon-Tumorzelllinien zeigte KIAA0025 eine geringere Expression als in der normalen Zelllinie. Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Wnt-1 die Expression der identifizierten Gene entweder indirekt beeinflusst oder dass sie nicht über den bekannten β-Catenin/TCF-vermittelten Wnt-Signalweg reguliert werden. Die nur/77-Überexpression in C57MG-Wnt-1 könnte eine wichtige Rolle bei der durch das „Mouse mammary tumor virus“- (MMTV) induzierten Tumorentstehung haben, da ein Promoterbereich dieses Virus, das „MMTV-Long Terminal Repeat“, ein potentielles Response Element des Zellkernrezeptors nur/77 enthält. Um Anhaltspunkte für die Funktion des KIAA0025-Proteins zu erhalten, wurden immuncytochemische Analysen zur Lokalisierung dieses Proteins in der Zelle durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass das Protein eventuell mit den zu den Intermediären Filamenten zählenden Cytokeratinfilamenten kolokalisiert. Außerdem wurde bei einem Expressionstest in verschiedenen menschlichen Geweben eine ubiquitäre Expression des Gens festgestellt. Dies deutet darauf hin, dass das Protein eine essentielle Funktion für die Zelle hat.