Doppelspaltexperiment

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Das Doppelspalt-Experiment
Einleitung
„Quantenmechanik“ ist die Beschreibung des Verhaltens von Materie und Licht in allen Einzelheiten,
insbesondere der Vorgänge in atomaren Dimensionen. In sehr kleinen Dimensionen verhalten sich die
Dinge überhaupt nicht so wie etwas, von dem wir direkte Erfahrung haben. Sie verhalten sich nicht wie
Wellen, nicht wie Teilchen, nicht wie Wolken oder Billardkugeln, Gewichte an Federn oder irgend etwas,
was wir je gesehen haben.
Newton dachte, das Licht bestehe aus Teilchen, doch dann entdeckte man, dass es sich wie eine Welle
verhält. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand man heraus, dass Licht tatsächlich manchmal auch Teilcheneigenschaften hat. Ursprünglich glaubte man, das Elektron z. B. verhielte sich wie ein Teilchen,
dann aber fand man, dass es sich in vieler Hinsicht wie eine Welle verhält. In Wirklichkeit verhält es sich
also weder wie das eine noch das andere. Geben wir es also auf – es ist keins von beiden.
Wir haben jedoch Glück, denn die Elektronen verhalten sich genauso wie das Licht. Das Quantenverhalten von atomaren Objekten (Elektronen, Protonen, Neutronen, Photonen, usw.) ist für alle das gleiche, sie sind alle „Teilchenwellen“ oder wie immer man sie auch nennen möchte.
Jede menschliche Erfahrung und Intuition bezieht sich auf große Objekte. Wir wissen, wie sich große
Objekte verhalten werden, aber die kleinen Dinge verhalten sich nicht so. Darum müssen wir unsere
Erfahrungen durch eine Art von Abstraktion und Imagination sammeln und nicht durch Anschluss an
unsere direkten Erfahrungen.
Der Doppelspalt-Versuch ist ein Experiment, das auf klassische Art nicht zu erklären ist und das in sich
den Kern der Quantenmechanik birgt. Richard Feynman schreibt im dritten Band seiner „Vorlesungen
über Physik“ zu diesem Thema: „In Wirklichkeit enthält [das Doppelspaltphänomen] das einzige Geheimnis. Wir können das Geheimnis nicht aufdecken, indem wir erklären, wie es funktioniert. Wir können nur berichten, wie es funktioniert, und indem wir dies tun, erörtern wir die grundlegenden Eigentümlichkeiten der ganzen Quantenmechanik.“
Beginnen wir nun also damit, das Geheimnis zu lüften!
Beschreibung des Versuchsaufbaus
Es gibt viele trickreiche Varianten dieses Experiments, aber die Grundstruktur ist folgende: Teilchen
oder Wellen werden von einer Quelle ausgesandt und treffen nach einiger Entfernung auf einen oder
mehrere Spalte (bzw. auf ein Gitter). Der Einfachheit halber beschränken wir uns im weiteren Verlauf
auf einen Doppelspalt, bei dem es jedoch möglich sein soll, wahlweise einen der beiden Spalte abzudecken. Hinter dem Doppelspalt befindet sich eine Auffangwand, die die eintreffenden Teilchen oder Wellen registriert, zum Beispiel durch einen beweglichen Detektor. Auf folgender Skizze wird dieses Prinzip
durch eine Elektronenkanone dargestellt.
Klassische Erwartungen und die Wirklichkeit
Beginnen wir mit dem Ergebnis, das uns die klassische Physik liefern würde. In obiger Graphik ist die
Wahrscheinlichkeit, die Teilchen bei je einem geöffneten Spalt an der Auffangwand anzutreffen mit p1
und p2 gekennzeichnet (b). Sind beide Spalte geöffnet, erhält man die Wahrscheinlichkeit p12 als Überlagerung der beiden Einzelergebnisse (c).
Deckt man also einen der beiden Spalte ab und schießt die Teilchen auf die Wand, registriert man z. B.
hinter Spalt 1 das Auftreffen der Elektronen mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung p1. Das Maximum der
Kurve ist bei dem x-Wert, der in gerader Linie hinter dem Spalt liegt. Umgekehrt liefert das Abdecken
des ersten Spalts die Wahrscheinlichkeitsverteilung p2, deren Maximum wiederum auf gleicher Höhe mit
dem Spalt 2 liegt. Hier ist noch nichts aufregendes passiert, interessant wird es jedoch, wenn beide
Spalte geöffnet sind. Sieht man die sich nun ergebende Kurve (c) (oberer Teil der Abbildung) für p12 am
Detektor an, würden wir klassisch als Ergebnis eine einzige Kurve mit einem Maximum bei x = 0 erwarten. Das heißt, die Wahrscheinlichkeiten addieren sich einfach:
p12 = p1 + p 2
Der Effekt bei zwei geöffneten Löchern, ist klassisch also die Summe der Effekte bei je einem geöffneten Loch.
Führt man den Versuch nun tatsächlich durch, erhält man jedoch ein anderes Ergebnis, wie es im zweiten Teil der obigen Skizze gezeigt wird. Die resultierende Kurve sieht aus wie eine Überlagerung (Interferenz) mehrerer Wellen!
Führt man diesen Versuch nicht mit Teilchen, sondern zum Beispiel mit Wasserwellen durch, würde
man auch genau diese Überlagerung erwarten, wie in der nächsten Graphik dargestellt wird:
Eine Wasserwelle trifft auf unsere Wand mit den zwei Öffnungen. Entsprechend dem Huygen’schen
Prinzip ist nun jeder Punkt der Ausgangspunkt einer Kugelwelle und die verschiedenen Wellen interferieren miteinander und erzeugen am Schirm ein charakteristisches Muster. In unserer Abbildung wird
die konstruktive Interferenz am Schirm gelb und destruktive Interferenz schwarz dargestellt. Wellenberge sind rot und Wellentäler grün eingezeichnet.
Teilchen wie etwa Gewehrkugeln oder Elektronen lassen sich durch ihren „Einschlag“ auf unserer Auffangwand registrieren und bei Wellen kann man die Intensitäten messen. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass es sich bei der Auffangwand bei Wellen um einen „Absorber“ handelt, damit die Wellen nicht reflektiert werden.
Das Ergebnis für Wellen ist uns klar, doch warum erhalten wir auch eine Überlagerung wenn wir das
Experiment mit Elektronen durchführen?
Die Tatsache, dass Materie je nach den Versuchsbedingungen als Welle (Feld) oder Teilchen (Korpuskel) in Erscheinung tritt, ist als Welle-Teilchen-Dualismus bekannt. Streng genommen ist in der Quantenmechanik ein Teilchen aber nicht gleich der Materiewelle! Im Gegensatz zu einer Wasserwelle trifft
auf dem Detektor (z. B. einer Photoplatte) jedes Teilchen immer nur an einer einzigen Stelle auf. Nur
die Wellenfunktion (Schrödinger Gleichung), welche die Bewegung und Aufenthaltswahrscheinlichkeiten
der Teilchen festlegt, verursacht das Verhalten, das man am besten mit Wellen beschreiben kann!
Der Dualismus des Lichtes wurde 1905 von Albert Einstein mit seiner Erklärung des Photoeffekts durch
korpuskulare Materie konstatiert, nachdem über hundert Jahre die Welleninterpretation des Lichtes
dominierte. Sie schien insbesondere seit dem Existenznachweis der elektromagnetischen Wellen von
H. Hertz unantastbar. Weitere Beweise für den Welle-Teilchen-Dualismus lieferten der Compton-Effekt
(1925) und die punktförmige Schwärzung einer Photoplatte durch Lichtblitze geringster Intensität.
Somit war also bereits 1920 die Teilchennatur des Lichts gut bekannt. Louis de Broglie spekulierte 1923
nun mit dem Umkehrschluss, dass einem Materieteilchen in einem strikten Bild des Dualismus von Teilchen und Welle auch Wellencharakter anhaften sollte. Einem Teilchen mit dem mechanischen Impuls p
entspricht eine Materiewelle mit Wellenlänge
λ Materie =
h
h
=
p mv
„de Broglie Beziehung“
Man kann einem Teilchen somit eine „Materiewelle“ bestehend aus Betrag und Phase zuordnen (wie
gesagt, ist das Teilchen aber nicht gleich der Materiewelle)! Für eine ebene, in x-Richtung fortschreitende Welle, lässt sich dann folgende Gleichung anschreiben (siehe auch Vorlesung zur Elektrodynamik):
ψ = A ⋅ e i ( kx −ωt )
„Materiewelle“
Die Interferenzfähigkeit ist ein schlagender Nachweis für den Wellencharakter. Es erhebt sich nunmehr
die Frage, ob Interferenzen von Materiewellen nachgewiesen werden können. Teilcheninterferenzen
treten nun in dem eben hier beschriebenen Doppelspaltexperiment auf.
Um es noch einmal konkret zu wiederholen: Treffen Teilchen auf einen Doppelschlitz, so wird die Streuung an den Schlitzkanten dazu führen, dass man für jeweils nur einen offenen Spalt (Abbildung a und b)
die folgende Intensitätsverteilungen I1 und I2 beobachtet:
I 1 = A1
2
,
I 2 = A2
2
(ein Spalt geschlossen)
Bei gleichzeitigem Öffnen beider Spalte ist dann das erwartete klassische Verhalten, das man bei den
Teilchen beobachten sollte, die reine Addition der Intensitäten I1,2 = I1 + I2 (dargestellt durch die blaue
Linie in c). Stattdessen tritt, wenn beide Spalte geöffnet werden, eine Interferenzfigur (Abbildung c,
schwarze Linie) ähnlich wie bei Beugung von Licht am Doppelspalt auf:
(beide Spalte offen)
I 1, 2 = A1 exp(iφ1 ) + A2 exp(iφ 2 )
2
I 1, 2 = I 1 + I 2 + 2 I 1 I 2 cos(φ 2 − φ1 )
Beim Öffnen des zweiten Spaltes verringert sich also die Intensität an manchen Punkten des Schirms!
Man könnte zunächst glauben, dass jeweils zwei Elektronen, die durch je einen der Spalte hindurchgehen, irgendwie interferieren. Das Experiment zeigt aber, dass die Interferenzfigur in ihrer Struktur unverändert bleibt, wieweit man auch die Intensität des Elektronenstrahls herabsetzt. Das heißt, die Interferenzfigur bleibt auch dann noch bestehen, wenn die Elektronen einzeln am Spaltpaar ankommen. Es
muss also offensichtlich ein Elektron durch beide Spalte gleichzeitig hindurchgehen, um Interferenz zu
erzeugen. Obwohl durch kein Experiment die Teilbarkeit eines Elektrons nachgewiesen wurde, „spürt“
ein einzelnes Elektron gleichzeitig zwei räumlich getrennte Spalte! Dies ist das Paradoxon des WelleTeilchen Dualismus: Das Elektron ist als Korpuskel unteilbar und dennoch kann ein einzelnes Elektron
als Welle interferieren. Versucht man nun zu entscheiden, durch welchen Spalt das Elektron hindurchgeht, indem man zum Beispiel Licht an den Elektronen streuen lässt und dadurch gewissermaßen das
Elektron abbildet (lokalisiert), so wird die Interferenzfigur zerstört und es entsteht die Summe der Ein-
zelspaltverteilungen (Abbildung d), d.h. die Intensitäten addieren sich wie bei klassischen Korpuskeln
(I1,2 = I1 + I2).
Ein solches Verhalten beobachtet man immer dann, wenn man Vorkehrungen trifft, die es gestatten zu
unterscheiden, über welchen Weg ein Prozess verläuft. Im Beispiel der Abbildung d hat offensichtlich
der Impulsübertrag durch das Photon das Ergebnis geändert. Versucht man die Photonenenergie herabzusetzen, um die Störung durch das Photon sukzessive zu reduzieren, um die Interferenz wieder
herzustellen, so muss die Wellenlänge des Lichts entsprechend vergrößert werden! Man stellt dann in
der Tat fest, dass in dem Augenblick, in dem die Wellenlänge des Lichts größer als der Abstand der
Spalte wird, nicht mehr entschieden werden kann, durch welchen Spalt das Elektron gelaufen ist (Auflösungsgrenze). Die Folge ist das Auftreten von Interferenz!
Um zwei wichtige Punkte jetzt nochmals hervor zu heben:
1. Ein Interferenzmuster tritt auch dann auf, wenn sichergestellt ist, dass sich nur ein Teilchen in
der Apparatur befindet. Die Interferenz wird somit also nicht durch Wechselwirkung mit anderen
streuenden Teilchen hervorgerufen!
2. Jeder Versuch, zu bestimmen, durch welchen der beiden Spalte (1 oder 2) das Teilchen hindurch getreten ist, zerstört das Interferenzmuster. Man sagt die Wellenfunktion | ψ > kollabiert.
Die Verteilung entspricht dann somit der klassischen Erwartung, also der Abbildung d.
Conclusio
Das Doppelspaltexperiment ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Quantenmechanik.
Heutzutage dient die Neutronenbeugung als ein nicht mehr wegzudenkendes Werkzeug zur Untersuchung der Struktur von Festkörpern, Flüssigkeiten und (biologischen) Makromolekülen. Die schwersten
Teilchen für die Welleneigenschaften in einem Experiment nachgewiesen werden konnte, sind die „fußballartigen“ C60 – und C70 – Moleküle (Fullerene).
Um Interferenzexperimente mit immer schwereren Teilchen durchführen zu können, gilt es einige experimentelle Probleme zu überwinden. Für immer kleinere Wellenlängen rücken die Minima des Interferenzbildes immer näher zusammen, um eines dieser Probleme zu nennen. Da die de Broglie Beziehung
für die Wellenlänge einer Materiewelle gilt, nimmt die Wellenlänge proportional zur Masse der Teilchen
ab. Für die C60 – Moleküle bedeutet das eine Wellenlänge von 5 ⋅ 10 −12 m. Um die Minima für solch
schwere Teilchen auflösen zu können, benötigt man daher Detektoren mit einer extrem hohen Auflösung. Aber zumindest theoretisch könnte man, wie wir in der Vorlesung erwähnten, auch Menschen
interferieren lassen! Dummerweise müsste dazu der Detektor-Schirm bis an die Grenzen des Universums entfernt sein...
Um nun schlussendlich zu resümieren: Photonen, Elektronen, usw. sind weder klassische Teilchen
noch klassische Wellen, da ihre Bewegung und ihre Wechselwirkung mit Detektoren mit beiden Bildern
unvereinbar sind. Trotz allem lässt sich aus dem Doppelspaltexperiment eine zentrale Eigenschaft der
Bewegung von Mikroobjekten erkennen. Obwohl Anfangsbedingungen und Versuchsanordnung für alle
Elektronen bzw. Photonen gleich sind, beobachtet man mal hier das Auftreffen eines Elektrons und mal
dort. Wir können also eine Wahrscheinlichkeit dafür angeben, dass dieser oder jener Detektor bei der
Wiederholung des Versuchs unter gleichen Bedingung ein Teilchen anzeigen wird. Man kann aber nicht
vorhersagen, welcher Detektor es im nächsten Augenblick tatsächlich sein wird.
Damit sind wir nun am Ende des Überblicks über dieses revolutionäre Experiment angelangt. Es ist
einer der berühmtesten Versuche der Physik und wurde von einer Physik-Jury sogar zum schönsten
Experiment aller Zeiten gewählt!
Abschließend möchten wir noch ein Zitat von Richard Feynman aus seinem Buch „Vorlesungen über
Physik – Band 3“ erwähnen:
„... So müssen wir uns gegenwärtig damit begnügen, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen. Wir sagen
„gegenwärtig“, aber wir haben den starken Verdacht, dass dies etwas ist, von dem wir nicht loskommen
– dass es unmöglich ist, das Rätsel zu überwinden – , dass so die Natur wirklich ist.“
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