Übersicht Vorlesung Quantenmechanik T2p WS 2010/11 Inhaltsverzeichnis 1 Wellenmechanik 1.1 Welle-Teilchen Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Wellengleichung für Materie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Schrödinger Gleichung 2.1 Allgemeine Form der Schrödinger Gleichung 2.2 Normierung und Kontinuitätsgleichung . . . 2.3 Erwartungswerte . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Hermitesche Operatoren . . . . . . . . . . . 2.5 Der Messprozess . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 14 17 20 22 3 Ein-Dimensionale Anwendungen 3.1 Eigenwert-Probleme hermitescher Operatoren 3.2 Stetigkeits- und Randbedingungen . . . . . . . 3.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Unendlicher Potentialtopf . . . . . . . . 3.3.2 Endlicher Potentialtopf . . . . . . . . . 3.3.3 Delta-Potential . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . 3.4 Harmonischer Oszillator: algebraische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 24 28 29 29 32 35 36 38 4 Abstrakte Formulierung der Quantenmechanik 4.1 Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Operatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Spektren und Konstruktion vollständiger Basissysteme 4.4 Postulate der Q.M. und Messung von Observablen . . 4.5 Unitäre Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Zeitentwicklung und Symmetrien . . . . . . . . . . . . 4.7 Dichteoperator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 42 45 48 52 58 59 61 5 Drehimpuls und Rotationen im R3 5.1 Drehimpulsalgebra . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Bahndrehimpuls und Kugelflächenfunktionen 5.3 Matrixdarstellungen, Spin, Addition . . . . . 5.4 Rotationen im R3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 64 66 69 72 6 Drei-dimensionales Zentralpotential 6.1 Radial-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Harmonischer Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 73 75 80 7 Störungstheorie 7.1 Nichtentarteter Eigenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Entarteter Eigenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Anwendungen zum Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 83 85 87 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Anhang A.1 Kugelfächenfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 91 91 1 Wellenmechanik 1.1 Welle-Teilchen Dualismus Eine physikalische Theorie beschreibt beobachtbare Phänomene auf der Basis eines Modells für die grundlegenden Objekte und ’Bewegungsgleichungen’ für diese Objekte. Beispiele aus der klassischen Physik: Mechanik: Die grundlegenden Objekte der Mechanik sind Punktteilchen der Masse m. Der physikalische Zustand ist festgelegt durch Angabe des Ortes des Teilchens ~x(t) und des Impulses p~(t) zur Zeit t. Die zukünftige Entwicklung der Größen ~x(t) und p~(t), d.h. die Bewegung des Teilchens, ist eindeutig festgelegt durch die Newton’sche Bewegungsgleichung d~ p = F~ . dt Elektrodynamik: ~ x, t), B(~ ~ x, t). Die zukünfDie Objekte der ED sind die elektromagnetischen Felder E(~ ~ x, t) und B(~ ~ x, t) ist festgelegt durch die Maxwelltige Entwicklung der Größen E(~ Gleichungen. Im Vakuum (keine Ladungen/Ströme als Quellen) reduziert sich die MW Gleichung für die Komponenten der EM Felder zur1 Wellengleichung: ~ = 0, E = 1 2 ∂ − ∆. c2 t (1) Eine einfache Lösung2 ist die Ebene Welle: ~ φ = φ0 (~k) ei(k·~x±ωt) , (2) wobei ~k den Wellenvektor und ω die Frequenz der Welle angeben. Aus (1) folgt die Dispersionsrelation: ω = |~k|c . (3) (nur) für Lösungen der Wellengleichung der ED im Vakuum. Die ebene Welle (2) breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und beschreibt je nach Frequenz Lichtwellen, 1 2 ~ i = ∂/∂xi , ∆ = ∇ ~ ·∇ ~ = P3 ∂ 2 /∂x2i in kart. Koord.. Mit (∇) i=1 Eine andere ist die weiter unten betrachtete Kugelwelle. 2 Röntgenwellen u.s.w. Aufgrund des Superpositionsprinzips (s.u.) ist eine allgemeine Linearkombination ebener Wellen mit verschiedenen ~k ebenfalls eine Lösung der Wellengleichung. Die Unterscheidung in Punktteilchen und Wellen eignet sich nicht für sehr kleine Systeme. Man kann typischerweise beobachten, daß die klassische Beschreibung eines Systems zusammenbricht, wenn das Produkt aus zwei charakteristischen Größen (wie Position x und Impuls p) des Systems x·p.~ erfüllt. Dies entspricht der Heisenbergschen Unschärferelation. Hier haben wir eine neue Naturkonstante eingeführt, das Plancksche Wirkungsquantum: ~= h kg m2 = 1, 054571596(82) · 10−34 . 2π s (4) Für quantenmechanische System sind die klassischen Modelle der ME und der ED nicht mehr anwendbar. Experimente die eine Teilcheneigenschaft des Lichts aufzeigen sind u.a. der photoelektrische Effekt und der Compton Effekt (→ Übung). Ein Experiment das die Welleneigenschaft der Materieteilchen zeigt ist die Interferenz von Elektronenstrahlen. Wir betrachten zunächst die Beugung von Lichtwellen am Doppelspalt: Auf einem Bildschirm führt dies zu einem Interferenzmuster der Form I x 3 Die Intensitätsverteilung folgt aus der Überlagerung von zwei Kugelwellen, die von den beiden Öffnungen ausgehen: A0 exp(i(kr1 − ωt)), r1 A0 A2 = exp(i(kr2 − ωt)), r2 A = A1 + A2 , A1 = wobei ra , a = 1, 2 den jeweiligen Abstand vom i-ten Loch angeben. Die Intensität der überlagerten Welle A ist dann I ∼ |A|2 = A20 1 2 1 + + cos(k(r − r )) . 1 2 r12 r22 r1 r2 Der letzte Term in diesem Ausdruck führt zu der auf dem Schirm beobachteten Interferenz, d.h. der Abwechslung von lokalen Maxima und Minima der Intensitätsverteilung. Die Beobachtung der Streuung von Elektronenstrahlen am Doppelspalt führt nun überraschender Weise zu einem ähnlichen Ergebnis. Betrachtet man genügend hohe Teilchenzahlen (hohe Intensität des Strahls / Mittelung über einen längeren Zeitraum) beobachtet man folgende Verteilungen: 1. Wenn nur Loch Nummer eins offen hat die Intensitätsverteilung folgende Form: I x 2. Wenn nur Loch Nummer zwei offen hat die Intensitätsverteilung folgende Form: I x 3. Wenn beide Löcher nacheinander gleich lang offen sind hat die Intensitätsverteilung folgende Form: I x 4 4. Wenn beide Löcher gleichzeitig offen sind hat die Intensitätsverteilung folgende Form: I x 5. Wenn beide Löcher gleichzeitig offen sind, aber extra Detektoren an den Löchern installiert sind um den Pfad des Teilchens festzustellen, hat die Intensitätsverteilung folgende Form: I x Die Beobachtungen 1.-3. sind im Einklang mit den Teilcheneigenschaften des Elektrons, Beobachtung 4. nicht. Beobachtung 5. gibt die verblüffende Folgerung, dass das Ergebnis davon abhängt, ob der Weg des Teilchens beobachtet wird, d.h. dass Messungen das Interferenzmuster stören. Die Teilcheneigenschaften des Lichts und umgekehrt die Interferenz von Elektonenstrahlen verlangen es, Objekte zu betrachten die sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften haben. Im Teilchenbild werden dem Objekt eine Energie E und ein Impuls p~ zugeordnet, im Wellenbild die Frequenz ν = ω/2π und der Wellenvektor ~k. Die beiden Bilder werden verknüpft durch die Beziehungen: de Broglie: E = ~ω = hν, p~ = ~~k . (5) Diese Beziehung erklärt den Compton-Effekt für Lichtteilchen. Für langsame, nicht-relativistische Elektronen mit einer Energie ∼ 1eV ergibt sich eine Wellenlänge λ von λ := 1.2 2π~ ' 1.23 · 10−7 cm . p Wellengleichung für Materie Wir betrachten noch einmal die Dispersionsrelation (3). Angewandt auf die ebene Welle ~ A = A0 ei(k~x−ωt) erhalten wir mit (5): i~ ∂ A = ~ω · A = E · A, ∂t ~ = ~~k · A = p~ · A, −i~∇A d.h. die für die Diffentialoperatoren, angewandt auf die ebene Welle, gelten die 5 Ersetzungsregeln: i~ ∂ ↔ E, ∂t ~ ↔ p~ . −i~∇ (6) Wir wenden nun dieselben Ersetzungsregeln an, um eine Differentialgleichung für die postulierten Materiewellen zu erhalten. Für nichtrelativistische Teilchen gilt statt (3), oder mit (5): E = pc, die Energie-Impuls Relation: E= p~2 m~v 2 = 2m 2 ↔ ~ω = ~2~k 2 . 2m (7) Mit dem Ansatz einer ebenene Welle (5) ~ ψ(~x, t) = ψ0 ei(k~x−ωt) = ψ0 ei(~p~x−Et)/~ , für die Wellenfunktion erhalten wir die nicht-relativistische Schrödingergleichung für ein freies Teilchen: Freies, n.r. Teilchen: i~ −~2 ∂ ψ(~x, t) = ∆ψ(~x, t) ∂t 2m (8) Diese Gleichung ist linear in ψ und erfüllt daher ebenfalls das Superpositionsprinzip: Wenn ψ1 und ψ2 Lösungen der Wellengleichung sind, ist auch ψ1 + ψ2 Lösung der Wellengleichung. Eine beliebige Linearkombination von Lösungen der Gleichung ist also ebenfalls eine Lösung der Gleichung. Eine allgemeine Lösung der Gleichung (8) kann daher als Überlagerung ebener Wellen mit verschiedenen Wellenvektoren geschrieben werden: Z Z 3 i(~k~ x−ωt) ~ ψ(~x, t) = d k ψ0 (k)e = d3 p f (~ p)ei(~p~x−Et)/~ , (9) wobei die Summen über Wellenvektoren durch Integrale ersetzt wurden und im zweiten Ausdruck wieder die Beziehung (5) benutzt ist. Die ‘Koeffizienten’ ψ0 (~k) geben den Anteil der ebenen Welle mit festem ~k an der Wellenfunktion an. Bisher haben wir lediglich dem Teilchenbild des Objekts ein Wellenbild zugeordnet, ohne eine Interpretation für die Wellenfunktion ψ zu geben, die mit dem Teilchenbild verträglich ist. Bereits die Annahme des Wellenbildes führt aber zu weitreichenden Folgerungen über die qualitativen Eigenschaften einer solchen Theorie: 6 Energiequantelung: Die Parameter ~k und ω der Welle sind zuächst freie, reelle Größen, wie in der ED. Die Zuordnung der Welle zu einem Teilchen führt aber schnell zu Bedingungen an diese Parameter, die eine Diskretisierung der Wellenvektoren ~k und der Frequenzen ω – und daher der Energien und Impulse des Teilchens – impliziert. Ein wichtige Illustration liefert das Bohr’sche Atommodell. Nimmt man an, dass die Elektronen auf einer Kreisbahn um den Atomkern kreisen, wie die Planeten um die Sonne, erhalt man aus dem Gleichgewicht zwischen Zentrifugalkraft und Coulombkraft die Bedingung: me v 2 ! e2 = . r 4π0 r2 Klassisch sind alle Radien/Energien erlaubt. Im Wellenbild sind dagegen nur solche Bahnen erlaubt, deren Umfang 2πr ein Vielfaches der Wellenlänge des Teilchens ist: ! 2πr = N · λ = N · 2π~ , me v N ∈ Z. Die Kombination der Gleichungen ergibt, dass nur diskrete Werte des Radius und der Energie erlaubt sind rN = N 2 · ~ , αme c EN = − 1 me α2 c2 · , N2 2 wobei α = e2 /(4π0 ~c) ≈ 1/137 die Sommerfeld’sche Feinstrukturkonstante bezeichnet und N > 0 eine ganze Zahl ist. Der kleinstmögliche Radius für N = 1 ist der Bohr’sche Radius rB = ~/(me αc) ' 0, 5 · 10−10 m. Eine wichtige Konsequenz der Diskretisierung ist, dass die Elektronbahn niedrigster Energie absolut stabil sein muss, im Einklang mit der Beobachtung und im Widerspruch zur klassischen Elektrodynamik, in der das Elektron ständig Energie abstrahlen und in den Kern stürzen müsste. Unschärferelation: Eine einzelne ebene Welle breitet sich im gesamten Raum aus und ist offensichtlich ungeeignet zur Beschreibung eines auf einen bestimmten Raumbereich lokalisierten Teilchens. Die Wellenfunktion für ein räumlich begrenztes Objekt kann durch Superposition von ebenen Wellen verschiedener Frequenzen wie folgt konstruiert werden. Zur Vereinfachung werden wir oft den ein-dimensionalen Fall betrachten, d.h. eine Wellenfunktion, die nur von einer Koordinate x abhängt. Da ein Teilchen auch einen ’festen’ Impuls haben soll, betrachten wir den Ansatz Z k0 +∆k ψ(x, t) = dkf (k)ei(kx−ωt) , k0 −∆k 7 wobei p0 = ~k0 der mittlere Impuls des Teilchens, ∆k eine ’möglichst kleine’ Variation und f (k) eine langsam variierende Funktion von k sein sollen. Für kleine ∆k kann die Frequenz ω näherungsweise durch die ersten beiden Terme einer Taylor-Reihe angenähert werden dω |k=k0 · (k − k0 ) , dk und f (k) durch f (k0 ) ersetzt werden. Man erhält dann näherungsweise das ω(k) ' ω(k0 ) + Wellenpaket: ψ(x, t) ' 2f (k0 ) sin(∆k(x − vg t)) i(k0 x−ω(k0 )t) ·e , x − vg t (10) Hier ist vg die sogenannte Gruppengeschwindigkeit: vg = dω . dk (11) Die Amplitude der Welle für t = 0 ist proportional zu sin(∆kx)/x und hat schematisch die Form x Das Wellenpaket beschreibt eine ’lokalisierte’ Funktion mit folgenden Eigenschaften: ? Das Maximum der Amplitude liegt bei x = vg t. min ? Für t = 0 liegt das erste Minimum im Abstand ∆x = |xmax − x1.min | = ~ c∆k vom Maximum, wobei cmin eine positive reelle Konstante. Mit der Energie-Impuls Relation (7) des klassischen Teilchens erhält man aus (11): vg = ~k p = = vklassisch , m m d.h. das Maximum der Wellenfunktion breitet sich mit der Geschwindigkeit des klassischen Teilchens aus (!). 8 Es liegt nahe zu versuchen, ein klassisches Teilchen durch ein möglichst stark lokalisiertes Wellenpaket darzustellen und das Teilchen selbst als lokalisiertes Wellenpaket aufzufassen. Dies scheitert u.a. an zwei Eigenschaften des Wellenpakets: ? Nimmt man den Abstand des ersten Minimums vom Maximum als Maß für die Lokalisierung des Wellenpakets, erhält man ∆x · ∆p = cmin ~ . Eine stärkere Lokalisierung, ∆x → 0 erfordert also immer größere Impulsunschärfe ∆k ∼ ~cmin /∆x, sodass der Impuls des lokalisierten Teilchens nicht mehr wohldefiniert sein kann. Im Wellenbild kann ein Teilchen, anders als in der klassischen Mechanik, also nicht gleichzeitig einen wohldefinierten Ort und Impuls haben. Die dimensionsbehaftete Konstante ~ auf der rechten Seite ist aber eine sehr kleine Größe. Man erhält die Bestimmtheit des Ortes und Impulses im klassischen Fall zurück im formalen limes ~ → 0. ? Das zweite Problem, das Maximum der lokalisierte Wellenfunktion direkt mit einem klassischen Teilchen zu identifizieren, ist das Auseinanderfließen des Wellenpaketes (→ Übung). Das Wellenpaket ist also nicht stationär! Wahrscheinlichkeitsinterpretation: Aus den oben genannten Gründen kann die Wellenfunktion ψ nicht einfach einem Teilchen zugeordnet werden. Würde man z.B. ψ(x, t) (oder eine Funktion von ψ(x, t)) als die ’Dichtefunktion’ des Teilchens interpretieren, so würde das Teilchen nach anfänglicher Lokalisierung zerfließen, im Widerspruch zur Stabilität der realen Teilchen. Eine Standardinterpretation der Wellenfunktion ist die folgende Wahrscheinlichkeitsinterpretation: ? In der Q.M. wird ein physikalischer Zustand vollständig durch eine komplexe Wellenfunktion ψ(~x, t) beschrieben (vgl. (8)). ? Die Wellenfunktion ψ(~x, t) hat selbst keine direkte physikalische Bedeutung. ? Die Dichtefunktion ρ(~x, t) = |ψ(~x, t)|2 der Wellenfunktion ist die Wahrscheinlichkeitsdichte für den Nachweis eines Teilchens am Ort ~x zur Zeit t. Die Wahrscheinlichkeit P das Teilchen zur Zeit t im Volumenelement δV am Ort x zu finden ist dann P = |ψ(~x, t)|2 δV. 9 (12) ? Die Zeitentwicklung der Wellenfunktion ψ(~x, t) wird durch die Schrödingergleichung beschrieben, die wir in der speziellen Form (8) bereits kennengelernt haben. Anmerkungen: - Die obige Interpretation erklärt das für viele (!) Teilchen auftretende Interferenzmuster bei der Streuung von Teilchenstrahlen; - Das Zerfliessen des Wellenpaketes hat nun eine anschauliche Interpretation als das Auseinanderlaufen der Teilchen mit verschiedenen Geschwindigkeiten (Wellenvektoren im Bereich [k0 − ∆k, k0 + ∆k]). 2 Schrödinger Gleichung 2.1 Allgemeine Form der Schrödinger Gleichung Für das freie Teilchen haben wir aus der Energie-Impulsrelation die Differentialgleichung (8) erhalten. Wir suchen nun allgemeiner eine Bewegungsgleichung, die die Zeitentwicklung der Wellenfunktion ψ bestimmt und folgende Eigenschaften aufweist: 1. Die Gleichung enthält nur die erste Zeitableitung von ψ (→ Vollständigkeit der Beschreibung) 2. Die Gleichung ist linear in ψ (→ Superpositionsprinzip) Wir betrachten einen Ansatz der allgemeinen Form Schroedinger-Gleichung: i~ ∂ ψ = Ĥ ψ , ∂t (13) wobei Ĥ den noch zu bestimmenden Hamilton-Operator bezeichnet. Für das freie Teilchen hatten wir aus (5) folgenden Ausdruck erhalten: Ĥ = −~2 ∆ 2m ⇒ Ĥψ = E · ψ , d.h. der Hamilton-Operator angewendet auf die Wellenfunktion ψ ergibt die Energie des Teilchens. Die Verallgemeinerung ergibt sich aus dem Hamilton-Formalismus der klassischen Mechanik, den wir kurz wiederholen. 10 Wiederholung der klassischen Hamiltonschen Mechanik Ein klassisches mechanisches System ist durch die Lagrangefunktion L(qi , q̇i ) gegeben, die von N verallgemeinerten Koordinaten qi , i = 1, ..., N und den Geschwindigkeiten q̇i abhängt (Bsp: ein Punktteilchen im R3 → N =3, qi = (~x)i ). Die Bewegungsgleichungen sind die Euler-Lagrange-Gleichungen Euler-Lagrange: ∂L d ∂L − = 0. (14) dt ∂ q̇i ∂qi Der Zusammenhang zur Hamiltonschen Beschreibung ergibt sich aus einer Legendre– Transformation. Man definiert die zu den qi kanonisch konjugierten Impulse als3 pi (q, q̇) = ∂L , ∂ q̇i (15) Wir fassen nun die Geschwindigkeiten q̇i als Funktionen q̇i (q, p) auf, die diese Gleichungen lösen und definieren die Hamiltonfunktion als H(q, p) = X pi q̇i (p, q) − L(q, q̇(p, q)) . (16) i Durch die Legendre-Transformation werden die Geschwindigkeiten q̇i eliminiert und durch die konjugierten Impulse pi ersetzt, d.h. H(q, p) hängt nicht mehr von den Geschwindigkeiten ab (!). Die 2N Variablen (qi , pi ) sind Koordinaten auf dem 2N -dimensionalen Phasenraum des Systems.4 Jeder Punkt im Phasenraum entspricht einem physikalischen Zustand. Die Hamiltonschen Bewegungsgleichungen ergeben sich dann aus (14) zu X ∂ q̇j ∂L X ∂L ∂ q̇j ∂L ∂H = pj − − =− = −ṗi , ∂qi ∂qi ∂qi ∂ q̇j ∂qi ∂qi j ∂H = q̇i + ∂pi j X j ∂ q̇j X ∂L ∂ q̇j pj − = q̇i . ∂pi ∂ q̇j ∂pi j Die Bewegungsgleichungen im Hamilton-Formalismus lauten also: Hamilton Gleichungen: ṗi = − ∂H , ∂qi q̇i = ∂H . ∂pi (17) 3 Im Folgenden lassen wir zur Vereinfachung der Notation oft den Index i weg und schreiben einfach q für alle Koordinaten qi und ähnlich für die Geschwindigkeiten und Impulse. 4 Mathematisch sind (qi , pi ) Koordinaten auf dem Kotangentialbündel des Ortsraums. 11 Die Hamiltonfunktion ist die Funktion auf dem Phasenraum, die nach (17) die Zeitentwicklung des klassischen Systems bestimmt. Hängt die Hamiltonfunktion H eines Systems nicht explizit von der Zeit ab, so ist H eine Erhaltungsgröße.5 Unter weiteren Bedingungen6 fällt H mit der Energie des Systems zusammen, d.h. der Erhaltungssatz ist die Energieerhaltung. Beispiel: Die Lagrangefunktion L(~x, ~x˙ ) = m ˙2 ~x − V (~x) , 2 für die Bewegung eines Teilchens im Potential V (~x) führt nach Legendretransformation zur Hamiltonfunktion H= p~ 2 + V (~x) = Ekin + Epot = const. , 2m mit p~ = m~x˙ . Der Wert der Hamiltonfunktion ist konstant auf den Lösungen der Bewegungsgleichung und gleich der Gesamtenergie des Teilchens. Allgemeine Ersetzungsregeln Aus den oben genannten Überlegungen stellen wir nun folgende Erfahrungsregel für die Herleitung des Hamilton-Operators Ĥ für die Schrödinger-Gleichung (13) auf. Sei H(q, p) die Hamilton-Funktion des klassischen Systems. Die allgemeine Schrödinger Gleichung im Ortsraum erhält man, in dem man die Variablen (qi , pi ) des klassischen Systems durch auf die Wellenfunktion wirkende Operatoren (q̂i , p̂i ) ersetzt, qi → q̂i , pi → p̂i . Für eine ortsabhängige Wellenfunktion ψ(qi , t) lauten die einzusetzenden Operatoren: Ers.Regeln im Ortsraum: qi → qi · , pi → −i~ ∂ , ∂qi (18) wie wir in einem Spezialfall bereits in (6) aus dem Wellenbild ’hergeleitet’ hatten. Explizit wirken die Operatoren also: q̂i ψ(qi , t) = qi ψ(qi , t) , p̂i ψ(qi , t) = −i~ ∂ψ(qi , t) . ∂qi Für eine ortsabhängige Wellenfunktion ist der Ortsoperator also einfach Multiplikation mit qi , während der Impulsoperator als Ableitung wirkt. 5 6 Diese folgt aus dem Noether Theorem, angewandt auf Zeitranslationsinvarianz. U.a. Zeitunabhängigkeit der Zwangsbedingungen. 12 Eine naive Vorschrift zum Erhalten des Hamilton-Operators der Q.M. ergibt sich nun durch Anwendung der Ersetzungsregel auf den Hamilton-Operator des klassischen Systems: H(qi , pi ) “→“ Ĥ(q̂i , p̂i ) . Zu beachten ist, dass H(qi , pi ) eine Funktion auf dem Phasenraum ist, während Ĥ ein Operator ist, der auf die Wellenfunktion ψ wirkt. Beispiel: Für das vorangegangene Beispiel erhält man aus H = operator ~2 ∆ + V (~x) Ĥ = − 2m p ~2 2m + V (~x) den Hamilton- für ein Teilchen im Potential V (~x). Vertauschungsrelationen Bei mehrfacher Anwendung der Operatoren q̂i und p̂i auf die Wellenfunktion kommte es auf die Reihenfolge an, z.B.: 0 6= (q̂i p̂i − p̂i q̂i ) ψ(q, t) = qi (−i~ ∂ψ(q, t) ∂ ) − (−i~ (qi ψ(q, t))) = i~ · ψ(q, t) . ∂qi ∂qi Man sagt q̂i und p̂i vertauschen nicht oder kommutieren nicht. Für die Differenz (ÂB̂ − B̂ Â) ψ von zwei Operatoren  und B̂, angewendet auf ψ, führt man das allgemeine Symbol des Kommutators ein: Kommutator: [Â, B̂] ψ :=  (B̂ ψ) − B̂ ( ψ). (19) Die Nicht-Vertauschbarkeit der Operatoren q̂i und p̂i lässt sich dann zusammenfassen durch die Vertauschungsrelationen: [qi , pj ] = i~δij , [qi , qj ] = 0 = [pi , pj ] . (20) Diese Beziehungen gelten für jede Wellenfunktion ψ! Daher lässt man oft die Wellenfunktion ψ weg, auf die die Operatoren wirken sollen, und betrachtet die Algebra der Operatoren für sich. Die Nicht-Vertauschbarkeit der Ortsoperatoren q̂i und der Impulsoperatoren p̂i führt zu einem radikalen Unterschied zur Beschreibung in der klassischen Mechanik. In der 13 klassischen Mechanik sind qi , pi reelle Zahlen (Koordinaten auf dem Phasenraum) die ’angewandt’, d.h. multipliziert, auf jede Funktion f (q, p) vertauschen: qpf (q, p) = pqf (q, p). Da (gewöhnliche) Koordinaten immer vertauschen müssen folgt aus (20), dass die Wellenfunktion der Q.M. keine Funktion auf dem Phasenraum sein kann, ψ 6= ψ(q, p)! Aus (20) folgt aber, dass die Ortsoperatoren noch untereinander vertauschen. Man kann daher die Ortsoperatoren auf dem Ortsraum immer noch als einfache Multiplikation mit kommutierenden Koordinaten qi darstellen und die Wellenfunktion als eine Funktion auf dem Ortsraum definieren, ψ = ψ(q, t). Alternativ kann man wegen [pi , pj ] = 0 auch eine Wellenfunktion ψ̃ = ψ̃(p, t) auf dem Impulsraum definieren, siehe weiter unten. Für ein gegebenes System enthalten die Wellenfunktionen ψ(q, t) und ψ̃(p, t) die gleiche Information und sind durch eine Fourier-Transformation miteinander verknüpft. Die Nicht-Vertauschbarkeit der Operatoren führt sofort zu folgendem Problem bei der Anwendung der Ersetzungsregeln: Ein Term p2 q 2 in der Hamiltonfunktion kann als 2 2 −~ q ∂ ∂q 2 , oder als ∂ ∂ ! −~ q q 6 −~2 q 2 = ∂q ∂q 2 ∂ ∂q 2 , übersetzt werden. Die Ersetzungsregeln führen daher nicht zu einem eindeutigen Ergebnis für Ĥ. Die Wahl der verallgemeinerten Koordinaten ist für ein gegebenes System ebenfalls nicht eindeutig und dies führt aus dem gleichen Grund zu unterschiedlichen HamiltonOperatoren. Ein Beispiel: Beispiel: 2d freies Teilchen Kart. Koord. L = 21 (ẋ2 + ẏ 2 ) px = ẋ, py = ẏ → H = 21 (p2x + p2y ) Ĥ = 2 − ~2 ∆ Polarkoord. L = 21 (ṙ2 + r2 ϕ̇2 ) pr = ṙ, pϕ = r2 ϕ̇ H= 1 2 Ĥ = 2 − ~2 p2r + p2ϕ r2 ∂ 2 ∂r + 1 r2 ∂ ∂ϕ 2 Es gilt jedoch ∆= ∂ ∂r 2 + 2 ∂ 1 + r ∂r r2 ∂ ∂ϕ 2 ! 6= ∂ ∂r 2 + 1 r2 ∂ ∂ϕ 2 . Wie kann man diese Unbestimmtheit auflösen? Versuchen so weit wie möglich mit den Ersetzungsregeln in kart. Koordinaten zu kommen. Dies ist in vielen Beispielen eindeutig. 14 Der Hamiltonoperator muß bestimmte Bedingungen erfüllen (z.B. muß die Gesamtwahrscheinlichkeit erhalten bleiben, s.u.), die die Unbestimmtheit zum Teil auflösen. Letztendlich legt der Hamiltonoperator Ĥ und nicht die klassische Hamiltonfunktion H die q.m. Dynamik des Systems fest – der Unterschied ist nur in den Quanteneffekten erkennbar. Der Operator Ĥ ist ggf. durch Vergleich mit dem Experiment so zu wählen, dass er die q.m. Effekte richtig beschreibt. 2.2 Normierung und Kontinuitätsgleichung Ist ψ eine Lösung der Schrödingergleichung, dann ist auch cψ eine Lösung, mit c ∈ C. Unter Multiplikation mit c ändert sich die Dichtefunktion ρ = |ψ|2 wie ρ → |c|2 ρ. Die Freiheit, ψ mit einer Konstante c zu multiplizieren, kann man benutzen um folgende Normierungsbedingung zu verlangen: Normierungsbedingung: Z ! dV |ψ|2 = 1 , P (Vges ) = (21) Vges Hier ist Vges das gesamte zur Verfügung stehende Volumen des Ortsraums. Zu beachten ist, dass die Wellenfunktion auf der rechten Seite von der Zeit t abhängt und die Bedingung durch Multiplikation von ψ mit einer Konstanten c zunächst nur zu einer festen Zeit t = t0 erreicht werden kann. Mit der Normierung (21) ist ρ die Dichte für die absolute Wahrscheinlichkeit, das (oder R die) Teilchen in einem Volumenelement dV zu finden, d.h. P (V ) = V dV ρ.7 Physikalisch besagt die Normierungsbedingung, dass die Wahrscheinlichkeit, das System zur Zeit t in irgendeinem Zustand zu finden, 1 sein muss. 7 AuchR ohne Normierung kann man aus ρ relative Wahrscheinlichkeiten berechnen. So ist das Verhältnis P (V1 ) P (V2 ) = RV1 V2 dV ρ dV ρ der Wahrscheinlichkeiten, das Teilchen im Volumen V1 oder V2 zu finden unabhängig von der Normierung der Wellenfunktion. 15 Beispiel: Für ein 1-dimensionales Teilchen im R1 ist dV = dx und die Normierungsbedingung lautet Z ∞ dx |ψ(x, t)|2 = 1 . −∞ Das Teilchen muss ’irgendwo’ sein. In bestimmten Fällen ist die Wellenfunktion ψ identisch null ausserhalb eines endlichen Volumens, sodass sich das Integral nur über einen endlichen Bereich erstreckt (siehe unendliches Kastenpotential). Q3,N Für N Teilchen im R3 ist das Volumenelement dV = i,k=1 dxk,i , mit ~xk dem Ortsvektor des k-ten Teilchens mit Komponenten xk,i , i = 1, 2, 3, und die Normierungsbedingung lautet R entsprechend R3N dV |ψ(~x1 , ..., ~xN , t)|2 = 1. Allgemeiner schreiben wir dV = df q für das f -dimensionale Volumenelement eines Systems mit f verallg. Koordinaten qi , i = 1, ..., f und fordern Z df q|ψ(q, t)|2 = 1. Vges Aus der Wahrscheinlichkeitsinterpretation folgt weiter, dass die zur Zeit t = t0 geforderte Normierungsbedingung für alle Zeiten t erfüllt sein muss (das Teilchen muss auch zu einem späteren Zeitpunkt ’irgendwo’ sein). Hierzu zeigen wir, dass die Zeitableitung des Integrals der Dichtefunktion verschwindet: Z d ! dV |ψ|2 = 0 . dt Vges (∗) Aus der Schroedingergleichung folgt ∗ ∂ρ ∂(ψ ∗ ψ) ∂ψ (13) ∗ ∂ψ i~ = i~ = i~ ψ+ψ = −(Ĥψ)∗ ψ + ψ ∗ (Ĥψ) . ∂t ∂t ∂t ∂t (∗∗) Wir betrachten zunächst den allgemeinen Fall. Integriert man die letzte Gleichung über das gesamte Volumen, erhält man Z Z Z d 2 ∗ i~ dV |ψ| = dV ψ (Ĥψ) − dV (Ĥψ)∗ ψ . dt Vges Vges Vges Die Zeitableitung des Normierungsintegrals verschwindet also, wenn der Hamilton-Operator folgende wichtige Bedingung erfüllt: Hermitizität des Hamilton-Operators: Z ∗ ! Z dV ψ (Ĥψ) = Vges dV (Ĥψ)∗ ψ . (22) Vges Ein Operator der diese Eigenschaft erfüllt heißt selbst-adjungiert oder hermitesch; wir werden diese Eigenschaft unten genauer studieren. 16 Statt über das gesamte Volumen zu integrieren, kann man die Gleichung (**) auch lokal auswerten. Als konkretes Beispiel betrachten wir hierzu den Fall N unterscheidbarer Teilchen der Masse m im R3 mit Potential V (~x). Der Hamiltonoperator ist Ĥ = − 3N X ~2 ∆i + V (xi ) , 2m (23) i=1 wobei xi die 3 · N Koordinaten der N Teilchen bezeichnen und ∆i den Laplace-Operator in xi . Dann ist ∂ρ i~ ∂t 3N X ~2 = (∆i ψ ∗ ψ − ψ ∗ ∆i ψ) + V (xi )(−ψ ∗ ψ + ψ ∗ ψ) 2m = i=1 3N X i=1 ~2 ~ · ~j . ∂x (∂x ψ ∗ ψ − ψ ∗ ∂xi ψ) := −i~∇ 2m i i Im letzten Schritt haben wir den Vektor der Stromdichte: jk = ~ (ψ ∗ ∂xk ψ − ∂xk ψ ∗ ψ) , 2im k = 1, ..., 3N , (24) ~ k = ∂/∂xk , k = 1, ..., 3N definiert und den Nabla-Operator in R3N mit Komponenten (∇) benutzt. Zusammenfassend erhalten wir also die Kontinuitaetsgleichung: ∂ρ ~ ~ + ∇ · j = 0, ∂t (25) Gleichung (25) kann über ein beliebiges (z.B. kleines) 3N dimensionales Volumen V integriert werden und man erhält: Z Z d d ~ · ~j P (V ) = dV ρ = − dV ∇ dt dt V V Satz von Gauss = Z − ~ · ~j . df ∂V ~ das vektorielle, nach außen gerichtete Hier ist ∂V ist die Oberfläche dieses Volumens und df Flächenelement auf dieser Oberfläche. Das rechte Integral gibt den Fluss der Wahrscheinlichkeitsdichte aus dem Volumen V an, der zur Änderung der Wahrscheinlichkeit P (V ) führt. Für geeignetes Verhalten der Wellenfunktion in der Nähe des Randes des Gesamtvolumens Vges verschwindet ~j = 0 an der Oberfläche ∂Vges . Dann verschwindet das Integral auf der rechten Seite der obigen Gleichung und wir erhalten Gleichung (*) zurück. Der hier verwendete spezielle Hamiltonoperator Ĥ ist also offenbar hermitesch. 17 Beispiel: Für 1 Teilchen im R1 ist das Integral Z Z ∞ ∂ 2im ∂ψ ∂ψ ∗ ∂ψ ∂ψ ∗ ~ · ~j = dV ∇ dx · (ψ ∗ − ψ) = (ψ ∗ − ψ)|∞ −∞ = 0 . ~ ∂x ∂x ∂x ∂x ∂x −∞ Der rechte Ausdruck verschwindet, wenn die Wellenfunktion ψ(x, t) im Unendlichen schnell genug verschwindet. Im zweiten Schritt haben wir benutzt, dass der Integrand die Ableitung der Stromdichte ist. Der (aus der ED bekannte) Satz von Gauss verallgemeinert diesen Schritt für den höherdimensionalen Fall. 2.3 Erwartungswerte In der klassischen Mechanik ist ein Zustand eindeutig durch den Punkt mit Koordinaten (p, q) im Phasenraum festgelegt. (Reelle) Funktionen f (q, p) stellen physikalische Observable dar. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation der Q.M. ordnet diesen Funktionen Erwartungswerte von Operatoren zu. Erwartungswerte von Ortsoperatoren Wenn ρ(~x, t) = |ψ(~x, t)|2 die Wahrscheinlichkeitsdichte ist, ein Teilchens im R3 an einem bestimmten Ort zu finden, dann ist der Erwartungswert für den Ort definiert als ˆi = h~x Z d3 x ~x |ψ(~x, t)|2 . Die Definition des Erwartungswertes ist hier wie in der Stochastik: Führt man viele Messungen an identisch präparierten Systemen, sogenannten Ensembles, durch, dann ist hxi der Mittelwert der Ergebnisse für die Ortsmessung.8 Da keine Verwechslungsgefahr besteht, lassen wir zur Vereinfachung der Notation den Hut auf den Operatoren in der Klammer h...i für den Erwartungswert oft weg. Allgemeiner seien q wieder verallgemeinerte Koordinaten für ein System und f (q) eine reell-analytische Funktion der Koordinaten, die eine physikalische Observable darstellt. Dann definiert die Taylor-Entwicklung von f (q) einen Operator fˆ = f (q̂). Der Erwar8 hxi ist nicht der Mittelwert wiederholter Messungen an einem einzelnen Teilchen: für unmittelbar aufeinanderfolgende Messungen an einem einzelnen Teilchen erhält man natürlich immer fast den Wert der ersten Messung für x; siehe die Anmerkungen zum Meßprozess weiter unten. 18 tungswert von fˆ ist definiert als (∧) Z hf i= df q f (q) |ψ(q, t)|2 . Erwartungswerte von Impulsobservablen Der Erwartungswert der Ortsobservablen ist offensichtlich noch eine Funktion der Zeit. Verlangt man heuristisch, dass die klassische Beziehung p~ = m~x˙ in der Q.M. noch für die Erwartungswerte gilt d h~xi , dt erhält man nach Anwendung der Schrödinger-Gleichung und partieller Integration die h~ pi = m Gleichung Z h~ pi = ~ . d3 x ψ ∗ (−i~∇ψ) Der Erwartungswert des Impulses folgt durch Anwendung des bereits in Gl. (6) aus dem Ansatz einer ebenen Welle erhaltenen Impulsoperators auf ψ. Zu beachten ist, dass der Operator nur auf die Wellenfunktion ψ wirkt, nicht gleichzeitig auch auf ψ ∗ . Allgemeiner sei f (p) eine reell-analytische Funktion der Impulse und fˆ der durch die Taylor-Entwicklung von f (p) definierte Operator. Dann ist der zugehörige Erwartungswert definiert als (∧) Z hf i= df q ψ ∗ (q, t) (fˆψ(q, t)) . Erwartungswerte allgemeiner Operatoren Sei f (q, p) nun eine reelle Funktion der Orte und Impulse. Wegen der Nicht-Vertauschbarkeit der Operatoren q̂, p̂ führen die Ersetzungsregeln angewendet auf die Taylor-Reihe von f (q, p) nicht zu einem eindeutigen Operator “fˆ = f (q̂, p̂)”. Legt man die Reihenfolge der Operatoren q̂, p̂ in diesem Ausdruck aber ein für allemal fest, erhält man einen eindeutigen Operator Ô. Der diesem Operator zugeordnete Erwartungswert ist definiert als Erwartungswert: Z hOi = df q ψ ∗ (q, t) (Ôψ(q, t)) . (26) Später werden wir auch Erwartungswerte von Operatoren betrachten, die nicht durch Komposition von q̂ und p̂ entstehen. 19 Orts- und Impulsdarstellung Wir geben nun ein anderes Argument für die Definition des Erwartungswerts der Impulsobservablen. Wir nehmen hier und im Folgenden an, dass die Wellenfunktion normierbar ist, d.h. die Bedingung der Quadrat-Integrabilität erfüllt: Z +∞ ψ(x, t) ∈ L2 (R) : dx|ψ(x, t)|2 < ∞ . (27) −∞ Zur Vereinfachung betrachten wir hier wieder den 1-dim. Fall. Die Funktion ψ(x, t) und ihre Fouriertransformierte φ(p, t) sind miteinander verbunden durch die Integrale Z +∞ 1 dp φ(p, t) eixp/~ , ψ(x, t) = √ 2π~ −∞ Z +∞ 1 φ(p, t) = √ dx ψ(x, t) e−ixp/~ . 2π~ −∞ (28) Man kann also ψ(x, t) aus der Kenntnis der Funktion φ(p, t) rekonstruieren und umgekehrt, wie man mithilfe der Integraldarstellung der delta Funktion Z +∞ Z +∞ 1 1 0 0 i(x−x0 )p/~ 0 δ(x − x ) = dp e , δ(p − p ) = dx ei(p−p )x/~ , 2π~ −∞ 2π~ −∞ (29) überprüfen kann. Die beiden Funktionen ψ(x, t) und φ(p, t) enthalten in diesem Sinn die gleiche Information. Das Plancherel Theorem besagt ferner, dass gilt: Z +∞ Z +∞ dx |ψ(x, t)|2 = dp |φ(p, t)|2 . −∞ (30) −∞ D.h. wenn ψ(x, t) im Ortsraum normiert ist, dann ist auch φ(p, t) im Impulsraum normiert. Wir interpretieren nun φ(p, t) als Wellenfunktion auf dem Impulsraum und ρ = |φ(p, t)|2 dp als Wahrscheinlichkeit, das Teilchen mit Impuls im Intervall [p, p + dp] zu finden. Mithilfe der Fourier-Integrale zeigt man leicht, dass gilt: Z +∞ Z ∗ hxi = dx ψ (x, t)xψ(x, t) = +∞ ∂ )φ(p, t) , ∂p −∞ −∞ Z +∞ Z +∞ ∂ ∗ hpi = dp φ (p, t)pφ(p, t) = dx ψ ∗ (x, t) (−i~ )ψ(x, t) . ∂x −∞ −∞ dp φ∗ (p, t) (i~ Die Interpretation von |φ(p, t)|2 als Wahrscheinlichkeitsdichte im Impulsraum führt also wieder auf die Identifizierung p̂ = −i~∂/∂x und die vorher beschriebene Definition des Erwartungswertes für Impulsobservable im Ortsraum. Wir werden später sehen, dass die Wellenfunktionen im Ortsraum und im Impulsraum lediglich verschiedene Darstellungen für die Elemente des q.m. Zustandsraums sind. Die 20 Wahl der Darstellung entspricht, grob gesprochen, der Wahl eines ’Koordinatensystems’. Die gleichwertigen Darstellungen des q.m. Systems in der Orts- und Impulsdarstellung sind in Tabelle 1 zusammengefasst: Ortsraum Impulsraum dV dx dp Wellenfunkt. Ψ ψ(x, t) φ(p, t) Wahrsch. |ψ(x, t)|2 dx |φ(p, t)|2 dp Ortsop. x̂ x d i~ dp Impulsop. p̂ d −i~ dx p Tabelle 1: Vergleich der Orts- und Impulsdarstellung Der Erwartungswert ist dann unabhängig von der Darstellung allgemeiner definiert als Erwartungswert allg.: Z hOi = dV Ψ∗ (ÔΨ) . (31) Die Operatoralgebra hängt ebenfalls nicht von der Darstellung ab, z.B. gilt offenbar [x̂, p̂] = i~ in jeder der beiden Darstellungen. 2.4 Hermitesche Operatoren In Gleichung (22) hatten wir bereits eine spezielle Eigenschaft des Hamiltonoperators festgestellt, die allgemeiner von großer Wichtigkeit für die Theorie der Observablen der Q.M. ist. Sei Ô ein Operator. Wir definieren den zu Ô adjungierten Operator Ô† durch die Gleichung Adjungierter Operator: Z † ∗ ! Z dV (Ô ψ) ψ = dV ψ ∗ (Ôψ) ∀ψ . (32) In (22) hatten wir gesehen, dass der Hamilton-Operator selbst-adjungiert sein muss, d.h. Ĥ † = Ĥ. Statt selbst-adjungiert sagt man auch hermitesch. Allgemeiner definieren wir also die Bedingung: Hermitescher Operator: Ô† = Ô . (33) Eine wichtige allgemeine Eigenschaft jedes hermiteschen Operators ist, dass sein Erwartungswert reell ist: Ô† = Ô hOi = hOi∗ . ⇒ 21 (34) Da physikalische Observable reell sein müssen, können nur Erwartungswerte hermitescher Operatoren direkt zu Messgrößen korrespondieren(!). Die hermiteschen Operatoren sind also ausgezeichnet. Beispiel: Der Ortsoperator x̂, der Impulsoperator p̂ und der Hamiltonoperator Ĥ für ein Teilchen im Potential sind hermitesch, unabhängig von der Darstellung. Stellt man die Bedingung der Selbstadjungiertheit an einen physikalischen Operator, so kann man einige der Unbestimmtheiten in der Ordnung der Operatoren beim Übergang von der klassischen Mechanik fixieren. So sollten die reellen Funktionen f (p, q) auf dem Phasenraum zu hermiteschen Operatoren (mit reellen Erwartungswerten) in der Q.M. korrespondieren. Beispiel: Sei f (q, p) eine reelle Funktion der klassischen Orte und Impulse, z.B. f (q, p) = p · q = αpq + (1 − α)qp ∀ α ∈ R. Der durch die Ersetzungsregeln zugeordnete Operator fˆα = αp̂q̂ + (1 − α)q̂ p̂ ist hermitesch (⇒ hf i ∈ R!) nur für α = 12 . Seien fˆ und ĝ zwei hermitesche Operatoren. Dann gelten für die Komposition dieser Operatoren folgende, einfach herzuleitende Regeln (→ Übung) Falls α, β ∈ R ist auch αfˆ + βĝ selbstadjungiert. Der Kommutator i[fˆ, ĝ] ist selbstadjungiert. Das Produkt fˆĝ ist selbstadjungiert, wenn der Kommutator verschwindet, [fˆ, ĝ] = 0. Unschärferelation Seien fˆ und ĝ zwei hermitesche Operatoren. Wir definieren die ebenfalls hermiteschen Operatoren fˆ0 = fˆ − hf i und ĝ0 = ĝ − hgi und betrachten die Wellenfunktion ψ̃ := R (fˆ0 + iγĝ0 )ψ, mit γ ∈ R. Für jede Wellenfunktion gilt dx|ψ̃|2 ≥ 0 und daher Z dx (fˆ0 + iγĝ0 )ψ ∗ (fˆ0 + iγĝ0 )ψ = Z dx ψ ∗ (fˆ0 − iγĝ0 )(fˆ0 + iγĝ0 )ψ = (∆f )2 + γ 2 (∆g)2 + γhi[fˆ, ĝ]i ≥ 0 . Hier haben wir verwendet, dass iĝ0 ein anti-hermitescher Operator ist, d.h. (iĝ0 )† = −iĝ0 , und dass gilt i[fˆ0 , ĝ0 ] = i[fˆ, ĝ], da die Erwartungswerte hf i und hgi Zahlen sind und 22 vertauschen. Die Gleichung gilt für jede Zahl γ, insbesondere auch am Extremum bzgl. der Variation von λ: ∂ (∆f )2 + γ 2 (∆g)2 + γhi[fˆ, ĝ]i = 0 ∂γ ⇒ γ=− hi[fˆ, ĝ]i . 2(∆g)2 Eingesetzt in die erste Gleichung erhalten wir die allgemeine Unschärferelation Unschaerferelation: ∆f · ∆g ≥ |hi[fˆ, ĝ]i| . 2 (35) Für fˆ = q̂j , ĝ = p̂j folgt aus [q̂j , p̂j ] = i~ die Heisenbergsche Unschärferelation ∆xj · ∆pj ≥ ~ 2 (36) für die Unbestimmtheit der konjugierten Orts- und Impulskoordinaten. 2.5 Der Messprozess Wenn ein System durch die Wellenfunktion ψA beschrieben wird, dann ergibt |ψA (x, t)|2 die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Ortsraum. Stellt man bei einer Messung das Teilchen im Bereich I = [x0 − δx, x0 + δx] fest, wobei δx die Messungenauigkeit berücksichtigt, so befindet sich das Teilchen auch unmittelbar danach an diesem Ort. Die Wellenfunktion ändert sich also durch die Messung des Orts zum Zeitpunkt t = t0 : Zeit t ≤ t0 t = t0 + Wahrscheinlichkeitsdichte ρ = |ψA (x, t)|2 ρ = |ψB (x, t)|2 Wellenfunktion ψA ( √ 1/ 2δx x ∈ I ψB = 0 sonst Bemerkungen: Die Messung ergibt immer einen festen Wert x0 im erlaubten Wertebereich, bis auf die Messungenauigkeit ∼ δx. Der Messprozess ’zerstört’ die ursprüngliche Wellenfunktion, man spricht auch vom Kollaps der Wellenfunktion. Eine möglichst exakte Ortsmessung führt wegen der Unschärferelation zu einer hohen Impulsunschärfe ∆p ≥ ~/δx. Ort und Impuls können gleichzeitig nie genauer als durch die Unschärferelation begrenzt gemessen werden. 23 Gleiches gilt nach (35) allgemeiner für Paare von Observablen die zu nicht-kommutierenden Operatoren gehören. Dagegen können Observable, deren zugehörige Operatoren kommutieren (z.B. xi und pj für i 6= j), nach wie vor gleichzeitig beliebig genau gemessen werden(!). Deutung Das Ergebnis der Ortsmessung und der Kollaps der Wellenfunktion führt auf die naheliegende Frage: wo war das Teilchen unmittelbar vor der Messung? Plausible Antworten sind: Realistische Interpretation: Das Teilchen war bei x = x0 . Es folgt dass die q.m. Beschreibung durch die Wellenfunktion ψA unvollständig wäre und eine vollständige Beschreibung das Ergebnis vorhersagen könnte. Kopenhagener Interpretation: Das Teilchen war nirgends. Erst durch die Messung ändert sich die Wellenfunktion des Zustandes und das Teilchen lokalisiert im Intervall I. Die Messung ’erzeugt’ also das Messergebnis und den Zustand; anders als in der klassischen Mechanik kann der Messprozess nicht unabhängig vom beobachteten System behandelt werden. Die beiden Vorschläge können experimentiell mithilfe der Bell’schen Ungleichung unterschieden werden, die wir später noch diskutieren werden. Ergebnis: das Experiment ist im Einklang mit der Kopenhagener Interpretation! Störung durch den Messprozess Als Beispiel für die Veränderung des Systems durch den Messprozess skizzieren wir kurz die Ortsmessung eines Elektrons e durch Streuung eines Photons γ. Die Messgenauigkeit für den Ort des Elektrons ist beschränkt durch die Wellenlänge λ des Photons, ∆xe ≥ λ. Der Impuls des Photons, pγ = 2π~/λ wächst mit höherer Genauigkeit der Ortsmessung. Durch den Impulsübertrag bei der Streuung (→ Compton-Effekt) ändert sich der Impuls des Elektrons ∆pe ∼ pγ . Dies ergibt die Abschätzung ∆xe · ∆pe ∼ 2π~, im Einklang mit der Unschärferelation. Nach einer präzisen Messung des Ortes ist der Impuls des Elektrons in dieser Größenordnung unbestimmt. 24 3 Ein-Dimensionale Anwendungen Zur Veranschaulichung der vorhergehenden Konzepte lösen wir nun zunächst die Gleichungen der Q.M. für einige einfache, 1-dimensionale Probleme mit zeitunabhängigem Hamiltonoperator. Die dabei beobachteten Strukturen werden wir im nächsten Kapitel verallgemeinern und formalisieren. 3.1 Eigenwert-Probleme hermitescher Operatoren Eine wichtige Methode zur Lösung der S.G. mit zeitunabhängigem Hamilton-Operator ist die Bestimmung der sogenannten Eigenfunktionen von Ĥ. Dieser Zugang ist später auch allgemeiner für höher-dimensionale Probleme und für andere hermitesche Operatoren Ô wichtig. Wir stellen daher zunächst einige allgemeine Eigenschaften zusammen, die wir in den Anwendungen wiederholt beobachten werden. Wir nehmen an, dass ∂ Ĥ/∂t = 0, und lösen die Schrödingergleichung durch Separation in den Variablen q und t. Mit dem Ansatz ψE (q, t) = ϕE (q)e− iEt ~ , (37) erhält man aus (13) für die Funktion ϕE (q)die Zeitunabhängige Schroedinger-Gleichung ĤϕE (q) = EϕE (q) . (38) Der Operator angewendet auf die Funktion ϕE (oder auch ψE ) ergibt also einfach die gleiche Funktion mal einer Konstanten E. Die möglichen Werte für E hängen von der genauen Form von Ĥ ab und bilden das Spektrum des hermiteschen Operators Ĥ. E heisst Eigenwert (EW) von Ĥ, ϕE (oder ψE ) heisst die dazugehörige Eigenfunktion (EF) und der zugehörige q.m. Zustand Eigenzustand (EZ). Die Gleichung (38) nennt man auch Eigenwertgleichung von Ĥ.9 Wir diskutieren zwei wichtige Eigenschaften dieser Lösungen: 1. Eigenzustand: Der durch die Eigenfunktionen beschriebene q.m. Zustand hat eine 9 Vgl. die Definition des Eigenwerts λ und des Eigenvektors ~v einer Matrix M̂ in der linearen Algebra, ! M̂~v = λ~v ; wir werden später in der Tat eine Vektordarstellung für die q.m. Zustände und Matrixdarstellungen für die in der Q.M. auftretenden Operatoren erhalten. Die Ähnlichkeit geht auf die Linearität der S.G. in der WF (→ Superpositionsprinzip) zurück. 25 feste Energie: Aus Z Z hHi = df q ψE (q)∗ ĤψE (q) = df q ϕE (q)∗ EϕE (q) = E , Z Z Z hH 2 i = df q ψE (q)∗ Ĥ 2 ψE (q) = df q ϕE (q)∗ ĤEϕE (q) = df q ϕE (q)∗ E 2 ϕE (q) = E 2 , folgt, dass die Streuung der Messwerte um den Mittelwert Null ist: ∆H 2 = hH 2 i − hHi2 = E 2 − E 2 = 0 . Allgemeiner sieht man dass hH n i = E n für alle n > 0. Es folgt, dass jede Messung der Energie im Eigenzustand genau den Wert E ergibt. 2. Stationäre Lösung: Die Wellenfunktion ψE ist zwar zeitabhängig, die Wahrscheinlichkeitsverteilung |ψE (q, t)|2 = |ϕE (q)e− iEt ~ |2 = |ϕE (q)|2 , ist aber zeitunabhängig, ebenso die Erwartungswerte aller zeitunabhängigen, hermiteschen Operatoren fˆ: Z Z f ∗ iEt − iEt ˆ ~ ~ hf i = d q ϕE (q) e f ϕE (q)e = df q ϕE (q)∗ fˆϕE (q) . Die Eigenzustände des zeit-unabhängigen Hamiltonoperators sind also stationär. Allgemeine Lösung der zeitabhängigen S.G. Die durch Separationsansatz erhaltenen Wellenfunktionen ψE sind offensichtlich sehr spezielle Lösungen der Schrödingergleichung. Wegen des Superpositionsprinzips kann man aber, ähnlich wie bei der Überlagerung ebener Wellen, eine allgemeine Lösung der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung aus der Überlagerung der Eigenfunktionen konstruieren. Wir nehmen an, dass die Energie E nur diskrete Eigenwerte Ei annimmt, und nummerieren die verschiedenen Energien und Eigenfunktionen mit einem Index i. Die allgemeine LineariEi t P kombination ψ(q, t) = i ci ϕi (q)e− ~ , ci ∈ C, ist dann ebenfalls Lösung der Schrödingergleichung. Obwohl die Wellenfunktion ψ(q, t) eine Linearkombination stationärer Wellenfunktionen ist, ist sie selbst nicht stationär, da sich die unterschiedlichen Phasenfaktoren in |ψ(q, t)|2 nicht mehr wegkürzen. In speziellen Fällen kann man beweisen, dass sich jede Lösung der Schrödingergleichung durch eine Linearkombination der Energie-Eigenfunktionen ausdrücken lässt.10 Wir formulieren diese Behauptung als Axiom: 10 Diese Eigenschaft verallgemeinert die Fourierentwicklung. 26 Vollständigkeit: Jede normierbare Wellenfunktion ψ(q, t) kann als Linearkombination ψ(q, t) = X ci ϕi (q)e− iEi t ~ , ci ∈ C , (39) i dargestellt werden, mit den Energie-Eigenfunktionen Ĥϕi = Ei ϕi . Andere Eigenwertprobleme Die Idee, eine allgemeine Wellenfunktion als Linearkombination von Eigenfunktionen eines hermiteschen Operators zu konstruieren, wird allgemeiner von zentraler Bedeutung sein. Weitere relevante Beispiele für Eigenfunktionen hermitescher Operatoren sind: EF des 1-dim. Impulsoperators im Ortsraum R für das freie Teilchen sind die ebenen Wellen ψp = eipx/~ mit EW p ∈ R. Sie sind aber nicht normierbar. Die EF des 1-dim. Ortsoperators für das gleiche Sytem sind die Delta Distributionen ψx0 = δ(x − x0 ) mit EW x0 ∈ R. Sei P̂ der Paritätsoperator: P̂ ψ(x) = ψ(−x) . (40) Die Eigenfunktionen von P̂ sind die geraden Funktionen ψ(−x) = ψ(x) mit EW 1 und die ungeraden Funktionen ψ(−x) = −ψ(x) mit EW -1. Wichtige Eigenschaften der EF Wir stellen noch wichtige allgemeine Eigenschaften der EF eines hermiteschen Operators Ô zusammen, die wir in den folgenden Anwendungen für Ô = Ĥ laufend beobachten und benützen werden. Seien ψn normierte EF mit EW λn , d.h. Z Ôψn = λn ψn , df q|ψn |2 = 1 . (41) Dann gilt: Die EW sind reell: λ∗n = λn . Beweis: λn = λn R df q ψn∗ ψn = R df q ψn∗ Ôψn = 27 R df q (Oψn )∗ ψn = λ∗n . (42) Orthonormalitaetsrelation: Z (43) R R R ∗ ∗ ∗ df q ψm ψn = df q ψm Ôψn = df q (Oψm )∗ ψn = λm df q ψm ψn R f ∗ = λn oder d q ψm ψn = 0. Beweis: λn ⇒ λm ∗ df q ψm ψn = δmn . R Unter der Annahme der Vollständigkeit der EF kann die allgemeine Wellenfunktion ψ wieder als Linearkombination der EF geschrieben werden: ψ= X cn ψn , cn ∈ C , (44) n vgl. (39) für Ô = Ĥ. Die Entwicklungskoeffizienten cn sind wegen (43) gegeben durch die Integrale Z cn = df q ψn∗ ψ . (45) Genauer gilt dies unter der Annahme dass alle EW unterschiedlich sind, das heisst nicht entartet sind: Entartung Gibt es zum gleichen EW mehrere EF spricht man von der Entartung des EW. Z.B. sind die EW des Paritätsoperators i.a. stark entartet, da es für ein gegebenes System unendlich viele gerade und ungerade Lösungen geben kann (→ unendl. Potentialtopf). Seien ψn,α eine Basis der EF zum EW λn die durch einen extra Index α unterschieden werden, Ôψn,α = λn ψn,α ∀a . Die Orthonormalitätsrelation (43) sagt in diesem Fall nichts über die Integrale R ∗ ψ df ψn,α n,α0 für α 6= α0 aus. Durch Bildung geeigneter Linearkombinationen der ψn,α kann man aber immer eine neue Basis von EF ψ̃n,α zum EW λn definieren (Schmidtsches Orthogonalisierungsverfahren), für die die erweiterte Orthonormalitätsbedingung gilt Z ∗ df q ψ̃m,α ψ̃n,α0 = δmn δαα0 . Die Beschreibung der allgemeinen Lösung (44) und die Berechnung der Entwicklungskoeffizienten (45) ist dann genauso wie im nicht entarteten Fall, abgesehen von der durch den extra Index α erweiterten Indexmenge. 28 3.2 Stetigkeits- und Randbedingungen Im Folgenden lösen wir einige 1-dimensionale Probleme mit einem zeitunabhängigen Hamiltonoperator der Form ~2 d2 + V (x) , 2m dx2 die sich in den Ansätzen für das Potential V (x) unterscheiden. Die allgemeine Strategie ist, Ĥ = − die Schrödinger-Gleichung zunächst in bestimmten Bereichen zu lösen und die Lösungen anschliessend an den Rändern der Bereiche zu verknüpfen. Dazu fassen wir zunächst einige Stetigkeits- und Randbedingungen für die Eigenfunktionen ϕ(x) von Ĥ zusammen:11 1. Es gilt: limx→±∞ ϕ(x) = 0 für normierbare EF. 2. Ist V (x) endlich in einer Umgebung von x = x0 , dann sind ϕ und die erste Ableitung ϕ0 (x) = dϕ(x)/dx stetig: Endliches Potential V (x0 ) < ∞ ⇒ ϕ(x), ϕ0 (x) stetig bei x = x0 . (46) Beweis: Wir integrieren die zeitunabhängige Schrödingergleichung von x0 − bis x0 + : Z x0 + Z x0 + Z x0 + ~2 d2 ϕ(x) − dx + dx V (x)ϕ(x) = E dx ϕ(x) . 2m x0 − dx2 x0 − x0 − Im limes → 0 gilt dann: lim →0 dϕ dϕ 2m |x0 + − |x0 − = 2 lim dx dx ~ →0 Z x0 + dx (V (x) − E) ϕ(x) = 0 . x0 − D.h. ϕ0 ist stetig, ϕ ist stetig und dies gilt wegen (44) dann auch für ϕ(x), ϕ0 (x). 3. Ist das Potential an einer Stelle x = x0 unendlich, kann die Ableitung ϕ0 unstetig sein. Wir unterscheiden zwei oft auftretende Fälle: (a) Delta-Funktions Potential V = V0 δ(x − x0 ) ⇒ ϕ(x) stetig bei x0 , ϕ0 |x0 + − ϕ0 |x0 − = 2m V0 ϕ(x0 ) . ~2 (47) Beweis: Folgt aus der vorhergehenden Betrachtung mit lim→0 R x0 + x0 − dx V (x) ϕ(x) = V0 ϕ(x0 ) . 11 Wegen (39) übertragen sich die Bedingungen an die Eigenfunktion ϕ(x) entsprechend auch auf die Wellenfunktion ψ(x, t). Die hier für den ein-dimensionalen Fall diskutierten Bedingungen gelten in einem allgemeineren Kontext. 29 (b) Ist das Potential unendlich in einem Bereich I = [x1 , x2 ], dann gilt Unendliches Potential V (x) = ∞ , x ∈ I, ⇒ ϕ(x) = 0 , x ∈ I . (48) Wir wenden diese Überlegungen nun auf einige Beispiele an: 3.3 3.3.1 Beispiele Unendlicher Potentialtopf Wir betrachten zuerst ein Potential der Form ( 0 falls 0 < x < L V (x) = ∞ ansonsten. (49) Dies entspricht einem freien Teilchen in einem eindimensionalen Kasten mit harten reflektierenden Wänden. Dieses Beispiel ist idealisiert, illustriert aber einige der obengenannten Eigenschaften der Eigenfunktionen und andere wichtige Zusammenhänge. Im Intervall ]0, L[ ist V (x) = 0 und das Teilchen ist frei. Die zeitunabhängige Schrödingergleichung in diesem Bereich ist EϕE (x) = − ~2 00 ϕ (x) 2m E oder ϕ00E (x) + k 2 ϕE (x) = 0 , k2 = 2mE . ~2 (50) Die allgemeine Lösung dieser Gleichung ist ϕE (x) = Aeikx + Be−ikx , wobei A, B ∈ C beliebige Konstanten sind. Bisher ist E (oder k) eine beliebige (komplexe) Zahl; für 0 < E ∈ R sind die Lösungen die bekannten ebenen Wellen. Für ein endliches Intervall ]0, L[ werden die erlaubten Werte von E aber durch die Randbedingungen am Rand des Intervalls eingeschränkt. Ausserhalb des Intervalls ]0, L[ muss die Wellenfunktion verschwinden, da sich ein Teilchen mit endlicher Energie nicht im Bereich V (x) = ∞ aufhalten kann. Für die Stetigkeit der WF am Rand des Intervalls muss also gelten: ϕE (0) = ϕE (L) = 0. 30 Die Ableitung der WF ist wegen der Unendlichkeit des Potentials nicht stetig bei x = 0, L. Wir werden die Randbedingungen später auch noch als Grenzfall des endlichen Potentialtopfs erhalten. Die Randbedingung bei x = 0 ist erfüllt für A = −B. Die Wellenfunktion hat dann die Form ϕE (x) = C sin (k x) mit C 6= 0. Die Randbedingung bei x = L impliziert ⇒ sin (kL) = 0 , k= πn , n ∈ Z. L Die (Energie-)Eigenfunktionen und zugehörigen (Energie-)Eigenwerte sind also ϕn (x) = C sin πnx L En = n2 · , π 2 ~2 , 2mL2 n ∈ N. (51) Wir beschränken uns hier auf n = 1, 2, 3, · · · , weil sich die Lösungen für n < 0 nur durch ein Vorzeichen (d.h. eine irrelevante Phase der WF) unterscheiden. Die Normierungsbedingung ergibt r 2 , L für alle n. Im folgenden Bild sind die Eigenfunktionen für kleine n = 1, ..., 4 skizziert: C= E 8 6 4 2 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 x Die wichtigsten Eigenschaften dieser Eigenfunktionen sind wie folgt: 1. Die erlaubten Energieeigenwerte En sind reell, positiv und diskret. Es gibt eine minimale Energie E1 des sogenannten Grundzustandes mit WF ϕ1 .12 12 Die Diskretheit der Energielevel und die minimale Energie sind in deutlichem Unterschied zur klassischen Beschreibung! 31 2. Die Eigenfunktionen sind alternierend punkt- oder axialsymmetrisch zur Mitte des Topfes, d.h. Eigenfunktionen des modifizierten Paritätsoperators:13 P̂ ϕn (x) := ϕn (L − x) = (−1)n−1 ϕn (x) . 3. Die Zahl n − 1 ist die Zahl der Nulldurchgänge oder Knoten von ϕn im Intervall ]0, L[. 4. Die Grundzustandsenergie ist invers proportional zu L2 , in Übereinstimmung mit der Heisenbergschen Unschärferelation: Die Position des Teilchens ist mit der Unschärfe ∆x ≈ L 2 bestimmt und der Impuls mit ∆p ≈ daher ungefähr p ≈ ~ L ~ 2∆x ≈ ~ L um p0 = 0. Der Impuls ist und die kinetische Energie ~2 p2 ≈ . 2m 2mL2 E= Dies ist von der selben Größenordnung wie das exakte Resultat. 5. Die Eigenfunktionen bilden ein orthonormales System, in Übereinstimmung mit der allgemeinen Gleichung (43): Z 2 dx ϕm (x)∗ ϕn (x) = L ZL dx sin πmx L sin πnx L = δmn . 0 6. Das orthonormale System von Eigenfunktionen ist vollständig, d.h. jede normierbare Funktion f (x) im Intervall [0, L] mit Nullstellen am Rand kann mit Hilfe einer Fourierentwicklung als Linearkombination dieser Eigenfunktionen dargestellt werden: r ∞ ∞ πnx X 2X f (x) = cn ϕn (x) = cn sin , L L n=1 n=1 mit den Koeffizienten (vgl. (45)) Z cn = L dx ϕn (x)∗ f (x) . 0 Die allgemeine Lösung der zeitabhängigen Schrödingergleichung ist dann nach Gl.(44) 13 Vgl. (40); die hier zusätzlich auftretende Verschiebung um L in der Ortskoordinate verschwindet in der Koordinate x̃ = x + L/2, die in der Mitte des Kastens zentriert ist. 32 ψ(x, t) = ∞ X r cn n=1 πnx 2 in2 π 2 ~t . sin exp − L L 2mL2 (52) ! Ein durch ψ(x, t = 0) = ϕ0 (x) definiertes Anfangswertproblem wird dann gelöst durch RL (52) mit den Koeffizienten cn = 0 dx ϕn (x)∗ ϕ0 (x). 3.3.2 Endlicher Potentialtopf Als nächstes Beispiel betrachten wir den endlichen Potentialtopf ( −V0 < 0 falls 0 < x < L V (x) = 0 sonst Aus der zeitunabhängigen Schrödingergleichung erhalten wir für ein stückweise konstantes Potential allgemein: ϕ00E (x) + k 2 ϕE (x) = 0 , k2 = 2m(E − V ) . ~2 (53) Je nachdem ob die freie kinetische Energie E 0 := E − V größer oder kleiner Null ist, ergeben sich reelle oder komplexe Lösungen für k. Entsprechend gibt es zwei qualitativ unterschiedliche Lösungen: E < 0 : Bindungszustände mit diskretem Spektrum. E > 0 : Streuzustände mit kontinuierlichem Spektrum. Im ersten Fall ist k nur innerhalb des Kastens reell. Gebundene Zustände (−V0 ≤ E < 0) Im Bereich ausserhalb des Topfs ist V = 0 und die Wellenzahl rein imaginär. Mit den reellen Parametern √ χ= p −2mE , ~ k= 2m(E + V0 ) , ~ lautet die allgemeine Lösung A1 e−χx + B1 eχx falls x < 0, A2 eikx + B2 e−ikx falls 0 < x < L . ϕ(x) = A3 e−χx + B3 eχx falls x > L 33 Aus der Normierbarkeit der Wellenfunktion folgt A1 = B3 = 0. Die Stetigkeit der Wellenfunktion und ihrer Ableitungen bei x = 0 und x = L impliziert: B1 = A2 + B2 , χB1 = ik(A2 − B2 ), A3 e−χL = A2 eikL + B2 e−ikL , −χA3 e−χL = ik A2 eikL − B2 e−ikL . Das Gleichungssystem hat nur Lösungen für bestimmte Werte von E, die durch die Lösungen der beiden folgenden Gleichungen gegeben sind (→ Übung): χ = tan z k (⇒ ϕ gerade) , χ = − cot z k (⇒ ϕ ungerade) . (54) Die Lösungen der ersten Gleichung führen zu geraden EF ϕ(L − x) = ϕ(x), die der zweiten zu geraden EF ϕ(L − x) = −ϕ(x) (vgl. Bem. 2. beim unendl. Potentialtopf). Die transzendenten Gleichungen bestimmen die erlaubten Werte von z bzw. k, und damit das Spektrum der möglichen Energiewerte E in Abhängigkeit von den Parametern V0 , m, L. Die Gleichungen können numerisch oder graphisch gelöst werden; das folgende Bild zeigt die Lösungen als Schnittpunkte der Graphen für z0 = 3.1π (blauer Graph: Tangens-Funktion; obere schwarze Linie: 4 gerade Lösungen, untere schwarze Linie: 3 ungerade Lösungen). 6 4 2 2 4 6 -2 -4 -6 34 8 10 12 Bemerkungen: 1. Das Energiespektrum ist wieder diskret. Es gibt nur endlich viele, genauer N = 2z0 + 1 gebundene Zustände mit Energien π π 2 (n)2 ~2 π 2 (n − 1)2 ~2 < En + V0 < , 1≤n≤N 2 2mL 2mL2 die abwechselnd geraden und ungeraden Wellenfunktionen entsprechen. 2. Die WF verschwindet nicht ausserhalb des Potentialtopfs, z.B. ϕ(x < 0) 6= 0, d.h. im Gegensatz zum klassischen Fall gibt es eine nichtverschwindende Wahrscheinlichkeit, das Teilchen ausserhalb des Topfs zu finden. Die Amplitude der WF und die Wahrscheinlichkeitsdichte fallen aber exponentiell mit dem Abstand vom klassisch erlaubten Bericht 0 ≤ x ≤ L ab. 3. Im limes V0 → ∞ ⇒ z0 → ∞ erhält man den unendlichen Potentialtopf zurück: Die Lösungen der Eigenwertbedingungen werden zu: zn = (n + 1)π 2 ⇒ En + V0 = π 2 (n + 1)2 ~2 , 2mL2 in Übereinstimmung mit (51). Ausserdem verschwindet die Wellenfunktion im Ausp senbereich, da χ = 2m(V0 − E 0 )/~ → ∞ für endliche freie Energie E 0 = E + V0 , in Übereinstimmung mit (48). 4. Im limes z0 → 0 erhält man die Lösungen des → Delta-Funktions Potential. Streuzustände Für E > 0 sind die Wellenzahlen überall reell und die Lösung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung ist A1 eikx + B1 e−ikx falls x < 0, 0 0 ϕ(x) = A eik x + B2 e−ik x falls 0 < x < L, 2 ikx A3 e + B3 e−ikx falls x > L mit: √ p 2m(E + V0 ) 2mE k= und k 0 = . ~ ~ Die Wellenfunktion hat nun in allen Bereichen die Form einer ebenen Welle mit jeweils einem rechts-laufenden (z.B. ∼ eikx für x < 0) und einem links-laufenden (z.B. ∼ e−ikx 35 für x < 0) Anteil. Die sechs Unbekannten Ai , Bi werden durch die 4 Randbedingungen (Stetigkeit von ϕ und ϕ0 bei x = 0, L) auf zwei freie Parameter reduziert. Wir betrachten nun das Problem, dass von links eine Welle mit Amplitude A1 einläuft und am Potential gestreut wird. Die Amplitude der links-laufenden Welle für x > L ist dann null zu setzen, B3 = 0. B1 ist die Amplitude der reflektierten Welle und A3 die Amplitude der durchgehenden Welle. Aus den Randbedingungen folgt: k 2 − k 02 sin(k 0 L) B 1 = A1 · , 2ikk 0 cos(k 0 L) + (k 2 + k 02 ) sin(k 0 L) e−ikL . A3 = A1 · 2 +(k 0 )2 ) sin(k 0 L) cos(k 0 L) − i(k 2kk 0 Seien jE , jR und jT die Stromdichten (24) der einfallenden, reflektierten und durchlaufenden Welle. Man definiert den Reflexionskoeffizienent R und den Transmissionskoeffizienten T zur Beschreibung der Anteile der reflektierten bzw. durchlaufenden Welle: 2 2 A3 B1 jT jR T = | | = , und R = | | = , jE A1 jE A1 (55) Wegen der Erhaltung der Wahrscheinlichkeit (→ Kontinuitätsgleichung (25)) gilt T + R = 1, (56) wie man leicht überprüft, d.h. ein Teilchen muss entweder transmittiert oder reflektiert werden. Falls sin(k 0 L) = 0 (oder k = k 0 ), ist R = 0 und das Teilchen läuft mit 100% Wahrscheinlichkeit durch (B1 = 0, |A3 /A1 | = 1). 3.3.3 Delta-Potential Wir betrachten nun das Potential V (x) = Ṽ0 δ(x) . (57) Für Ṽ0 > 0 ist das Potential repulsiv, für Ṽ0 < 0 attraktiv.14 Man kann sich letzteren Fall als Grenzfall des vorhergehenden Beispiels vorstellen, in dem die räumliche Ausdehnung R L des Potentials klein wird, L → 0, bei festgehaltenem dxV (x). Wir beschränken uns hier auf die Diskussion der Bindungszustände für Ṽ0 < 0 und √ E < 0. Mit der Definition κ = −2mE ~ ϕ(x) = 14 ist der Ansatz für die Wellenfunktion A1 e−κx + B1 eκx falls x < 0, A2 e−κx + B2 eκx falls x > 0. Ṽ0 hat die Einheit Energie · Länge. 36 Die Endlichkeit der WF im Unendlichen impliziert A1 = 0 = B2 und die Stetigkeit bei x = 0 verlangt A2 = B1 . Die Randbedingung (47) gibt: −2κB1 = 2m Ṽ0 B1 ~2 ⇒κ=− mṼ0 . ~2 Es gibt also nur einen einzigen Bindungszustand mit fester Energie E=− mṼ02 . 2~2 Man kann diese Lösung auch aus dem oben beschriebenen Grenzfall des endlichen Potentialtopfs erhalten (→ Übung). 3.3.4 Harmonischer Oszillator Das Potential für den harmonischen Oszillator lautet V (x) = mω 2 2 x . 2 (58) Das Potential V (x) beschreibt näherungsweise ein allgemeines Potential in der Nähe eines Minimums dV /dx|x0 =x0 = 0. Taylorentwicklung um x = x0 liefert V (x) = V (x0 ) + d2 V (x − x0 )2 dV |x=x0 (x − x0 ) + | + ... . x=x 0 dx dx2 2 Der konstante Term kann in eine Verschiebung des Nullpunkts der Energie E absorbiert werden, der 2. Term verschwindet am Minimum. Vernachlässigt man die höheren Terme, die klein sind für kleine Entfernungen x−x0 , erhält man nach einer Koordinatenredefinition 2 1 d V x → x + x0 das Potential (58) mit ω 2 = m 2 |x=x0 . p dx Nach dem Koordinatenwechsel y = mω/~ x wird die zeitunabh. S.G. zu −ϕ00 (y) + (y 2 − k)ϕ(y) = 0, k= 2E , ω~ wobei die Striche nun ableiten nach y bedeuten. Mit dem Ansatz ϕ = e−y 2 /2 H(y) erhält man für die unbekannte Funktion H(y) die Differentialgleichung H 00 (y) − 2yH 0 (y) + (k − 1)H(y) = 0 . Die Lösung dieser Gleichung kann durch Ansatz einer Potenzreihe in y ermittelt werden (→ Übung). Für jede ganze Zahl n = 0, 1, 2, ..., gibt es genau eine Lösung mit k = 2n + 1 und den Funktionen: 37 Hermitesche Polynome: Hn (y) = (−1)n ey 2 dn −y2 e . dy n (59) Die normierten Eigenfunktionen und Eigenwerte sind dann ϕn (x) = cn Hn (y)e−y mit y = x 2 /2 En = (n + 21 ) ~ω, , p mω/~ und den Normierungskonstanten cn = mω π~ n = 0, 1, 2, ... 1 4 (60) √1 . 2n n! Bemerkungen: Es gibt einen Grundzustand mit minimaler Energie E0 = ~ω/2 > 0 und unendlich viele angeregte Zustände mit Energie En − E0 = ~ωn über der Grundzustandsenergie. Die (Herm. Polynome und daher die) Eigenfunktionen sind gerade/ungerade für gerades/ungerades n: ϕn (−x) = (−1)n ϕ(x). Die expliziten Ausdrücke für die ersten Hermiteschen Polynome sind: H0 (y) = 1, H1 (y) = 2y, H2 (y) = 4y 2 − 2 . Die Hermiteschen Polynome erfüllen die Rekursionsrelation Hn+1 (y) = 2yHn (y) − 2nHn−1 (y) . Hieraus findet man z.B. H3 = 8y 3 − 12y usw. Die Orthonormalität (43) der Eigenfunktionen folgt aus der Eigenschaft Z √ 2 dyHn (y)Hm (y)e−y = 2n n! πδmn . Die Eigenfunktionen ϕn bilden ein vollständiges Funktionensystem, d.h. eine allgemeine Lösung kann als komplexe Linearkombination der Eigenfunktionen geschrieben werden, vgl.(44). 38 3.4 Harmonischer Oszillator: algebraische Methode Wir haben bereits festgestellt, dass ein q.m. Zustand und die ihm zugeordneten Erwartungswerte gleichwertig in der Impuls- und Ortsdarstellung der WF beschrieben werden können. Im folgenden Kapitel werden wir den q.m. Zustandsraum abstrakt formulieren und die konkrete Darstellung durch Wellenfunktionen wird zunehmend in den Hintergrund treten. Als Beispiel für die Wichtigkeit und Effizienz der darstellungsunabhängigen Methoden lösen wir den harmonischen Oszillator noch einmal allein durch Betrachtung der Operatoralgebra. Als Ausgangspunkt betrachten den Hamiltonoperator Ĥ = p̂2 m + ω 2 x̂2 , 2m 2 und die abstrakte Operatorgleichung [x̂, p̂] = i~. Wir definieren die neuen Operatoren Leiteroperatoren: 1 1 (mωx̂ − ip̂), â− = (â+ )† = √ (mωx̂ + ip̂) . (61) 2mω~ 2mω~ Aus der Hermitizität von x̂ und p̂ folgt sofort, dass â− der zu â+ adjungierte Operator ist, â+ = √ und umgekehrt (vgl. (32)). Der Hamiltonoperator kann nun geschrieben werden als: Harmonischer Oszillator: 1 Ĥ = ~ω â+ â− + . 2 (62) Aus dem Kommutator von p̂ und x̂ folgen die wichtigen Relationen [â+ , â− ] = −1 , [Ĥ, â+ ] = ~ωâ+ , [Ĥ, â− ] = −~ωâ− . (63) Dies erklärt die Bezeichnung Leiteroperator: Wir nehmen an, dass ϕE eine normierte Eigenfunktion mit Energie E ist und die Funktion ϕ± E := â± ϕE ebenfalls normierbar. Dann ist wegen (63) ϕ± E eine stationäre Wellenfunktion mit Energie E ± ~ω: ± Ĥ ϕ± E = Ĥâ± ϕE = â± (Ĥ ± ~ω) ϕE = (E ± ~ω) ϕE . Der Aufsteige-Operator â+ (Absteige-Operator â− ) erhöht (erniedrigt) die Energie eines gegebenen Zustands also um ein Energiequant ∆E = ~ω. 39 Wir haben angenommen, dass die Zustände ϕ± E als normierbare Zustände existieren. Damit das Energiespektrum nach unten beschränkt ist, muß es aber eine Grundzustandswellenfunktion ϕ0 geben, dessen Energie nicht erniedrigt werden kann: â− ϕ0 = 0 . Für solch einen Grundzustand gilt: Z Z Z Z 1 ~ω 2 ∗ ∗ ∗ 0 = dx |â− ϕ0 | = dx (â− ϕ0 ) â− ϕ0 = dx ϕ0 â+ â− ϕ0 = ϕ0 dx ϕ0 Ĥ − ~ω 2 E0 1 = − , ~ω 2 d.h. die Grundzustandsenergie ist ~ω . 2 E0 = Die Wellenfunktionen aller anderen stationären Zustände können dann durch Anwendung des Aufsteige-Operators â+ vom Grundzustand aus erreicht werden: 1 ϕn = √ (â+ )n ϕ0 n! (64) Man überprüft leicht die Orthonormalität der so definierten EF; die richtige Normierung für höhere n folgt aus der des Grundzustandes: Z Z Z 1 2 ∗ n n dx |ϕn | = dx ϕ0 â− â+ ϕ0 = ... = dx |ϕ0 |2 = 1. n! Aus der Operatoralgebra folgt weiter â− ϕn = √ n ϕn−1 , â+ ϕn = √ n + 1 ϕn+1 , ⇒ â+ â− ϕn = n ϕn . Der (Besetzungszahl-)Operator n̂ := â+ â− zählt also die Anzahl der Energiequanten über dem Grundzustand, oder die Anzahl der Aufsteige-Operatoren in (64). Zusammenfassend sind das Energiespektrum des harmonischen Oszillators und dessen Eigenfunktionen gegeben durch 1 ϕn = √ (â+ )n ϕ0 , n! 1 En = (n + )~ω , 2 n = 0, 1, 2, ... (65) Dieses Ergebnis stimmt natürlich mit (60) überein. Hier haben wir das Ergebnis mit rein algebraischen Methoden hergeleitet und von der Wellenfunktion kaum Gebrauch gemacht 40 – wir haben nur deren Existenz angenommen!15 Erwartungswerte Aus der Operatoralgebra können wir auch die Erwartungswerte berechnen. Die zu (61) inversen Relationen lauten: r ~ ~mω (â+ + â− ) , p̂ = i (â+ − â− ) . x̂ = 2mω 2 Damit berechnet sich z.B. der Erwartungswert des Ortsoperators zu: r r Z Z √ √ ~ ~ ∗ dxϕn (â+ + â− )ϕn = dxϕ∗n ( n + 1ϕn+1 + nϕn−1 ) = 0 , hx̂i = 2mω 2mω r wobei wir im letzten Schritt die Orthonormalität der EF mit verschiedenem n verwendet haben. Genauso kann man beliebige Erwartungswerte von (geordneten) Operatoren der Form “fˆ = f (x̂, p̂)” berechnen (ohne Kenntnis der expliziten Form der WF). Wellenfunktion Der Vollständigkeit halber berechnen wir nun auch die explizite Form der Wellenfunktion aus den Leiteroperatoren in der Ortsdarstellung: 1 ∂ â± = √ mωx ∓ ~ . ∂x 2~mω Die Grundzustandswellenfunktion erfüllt die Bedingung â− ϕ0 = 0 oder ∂ mωx + ~ ϕ0 (x) = 0 . ∂x Dies ist, anders als die zeitunabhängige Schrödingergleichung, eine Differentialgleichung erster Ordnung. Diese Differentialgleichung kann nach einer Umstellung leicht gelöst werden mω ∂ mω log ϕ0 = − x ⇒ ϕ0 = C exp − x2 , ∂x ~ 2~ wobei C eine Integrationskonstante ist, die durch die Normierungsbedingung fixiert wird. Die EF für höhere n ergeben sich diesmal einfach aus den Ableitungen von ϕ0 : mω 1 C ∂ n mωx − ~ exp − x2 . ϕn = √ ân+ ϕ0 = √ ∂x 2~ n! n! 15 Die Leistungsfähigkeit der algebraische Methode wird bei der Betrachtung der Spin Spinoperators noch deutlicher werden. 41 1 2 Lösungen des Explizite Rechnung ergibt r ϕn (x) = cn Hn mω mω x exp − x2 , ~ 2~ wobei Hn Polynome n-ter Ordnung sind, die Hermite Polynome, in Übereinstimmung mit der vorhergehenden (komplizierteren) Berechnung. Das qualitative Verhalten der ersten vier EF n = 0, 1, 2, 3 ist in der linken Abbildung skizziert, daneben die Wahrscheinlichkeitsdichte. -4 1.5 1.5 1.0 1.0 0.5 0.5 -2 2 Für n = 50: 4 -4 -2 2 -0.5 -0.5 -1.0 -1.0 -1.5 -1.5 4 1.4 ´ 10-50 1.2 ´ 10-50 1. ´ 10-25 1. ´ 10-50 5. ´ 10-26 8. ´ 10-51 6. ´ 10-51 -10 -5 5 10 4. ´ 10-51 -26 2. ´ 10-51 -5. ´ 10 -10 -5 5 10 Wir fassen die wichtigsten Eigenschaften noch einmal kurz zusammen (vgl. mit dem unendlichen Potentialtopf) 1. Die Energieeigenwerte sind reell, positiv und diskret. Randbedingung ist hier die Normierbarkeit der Wellenfunktion im Unendlichen. 2. Die Eigenfunktionen sind alternierend punkt- oder axialsymmetrisch zum Minimum des Potentials. 3. Mit steigender Energie haben die Eigenfunktionen successiv mehr Nulldurchgänge. ϕ0 hat keinen, ϕ1 hat einen und ϕn hat n. 4. Die Eigenfunktionen bilden ein orthonormales System, vgl.(43) Z Z 1 ∗ n dx ϕm (x) ϕn (x) = dx ϕ∗0 âm − â+ ϕ0 = δmn . n! 5. Das orthonormale System von Eigenfunktionen ist vollständig, vgl. (44). 42 4 Abstrakte Formulierung der Quantenmechanik Die Wellenfunktion ψ liefert eine vollständige Beschreibung des q.m. Zustands. Die Ortsund Impulsdarstellung liefern zwei unterschiedliche Beschriebungen des gleichen Zustands. In Ziff. 3.1 hatten wir sogar postuliert, dass das System von EF ’jedes’ hermiteschen Operators vollständig ist und zu einer bestimmten Darstellung der Wellenfunktion des Zustandes der Form (44) führt. Wir entwickeln nun eine darstellungsunabhängige Beschreibung des q.m. Zustandsraums und dessen Dynamik und Observablen. Die Wellenfunktion tritt als Teil der Darstellung der Zustände in den Hintergrund (ähnlich wie Koordinaten Teil der ’willkürlichen’ Koordinatendarstellung eines z.B. mechanischen Systems sind). Das allesentscheidende Merkmal ist die Linearität der Schrödingergleichung (→ Superpositionsprinzip Ziff. 1.2), die dem Zustandsraum die Struktur eines (komplexen, möglicherweise unendlichdimensionalen) Vektorraums gibt. Ein kurzer Überblick über die im Folgenden im Detail diskutierten Konzepte ist: 1. Die q.m. Zustände entsprechen normierbaren (Zustands-)Vektoren |ψi in einem komplexen Vektorraum mit innerem Produkt, dem Hilbertraum H. 2. Physikalische Observable O entsprechen linearen, hermiteschen Operatoren Ô, die auf H wirken. 3. Die möglichen Messwerte von O sind die Eigenwerte {λn } des Operators Ô. Eine Messung führt zur orthogonalen Projektion |ψi 7→ P̂λ |ψi ∈ Hλ auf den durch den Messwert λ bestimmten Unterraum Hλ ⊂ H. Die Wahrscheinlichkeit für den Messwert λ ist das Quadrat der Norm des projezierten Vektors. 4. Die zeitliche Entwicklung des Zustands wird bestimmt durch die Schrödingergleichung. Symmetrien des Systems entsprechen unitären Operatoren. 4.1 Hilbertraum Ein Hilbertraum H ist ein vollständiger, separabler Vektorraum über den komplexen Zahlen mit innerem Produkt. Wir stellen zunächst einige Begriffe und Eigenschaften zusammen: 43 F Zustandsvektor (’Ket’): |ψi bezeichnet ein Element von H, genannt Zustands-Vektor (oder Ket-Vektor). Die Überlagerung zweier Zustände |ψ1 i, |ψ2 i ist der Vektor |ψ3 i = α|ψ1 i + β|ψ2 i ∈ H mit α, β ∈ C. F Inneres Produkt (’Bracket’): hψ1 |ψ2 i ∈ C mit |ψ1 i, |ψ2 i ∈ H bezeichnet das innere Produkt mit den Eigenschaften Linearität: hψ3 |αψ1 + βψ2 i = αhψ3 |ψ1 i + βhψ3 |ψ2 i, α, β ∈ C, |ψi i ∈ H , Hermitizität: hψ2 |ψ1 i = hψ1 |ψ2 i∗ , p Positivität der Norm: ||ψ|| = hψ|ψi ≥ 0 , (66) Schwarzsche Ungl: |hψ1 , ψ2 i| ≤ ||ψ1 || ||ψ2 || . Es gilt 0 ≤ ||ψ|| < ∞ mit ||ψ|| = 0 ⇒ |ψi = 0. Zwei Vektoren |ψ1 i, |ψ2 i sind orthogonal wenn gilt hψ1 |ψ2 i = 0. F Dualer Zustandsvektor (’Bra’): Sei H∗ der zu H duale Vektorraum, d.h. Elemente hψ1 | ∈ H∗ definieren eine lineare Abbildung H 7→ C. Das innere Product hψ1 |ψ2 i identifiziert H∗ mit H durch die Abbildung |ψ1 i 7→ hψ1 | : H 7→ C , ψ2 7→ hψ1 |ψ2 i ∈ C ∀ |ψ2 i ∈ H . (67) Der Ausdruck auf der rechten Seite ordnet also einem Zustandsvektor |ψ1 i die Abbildung ψ2 7→ hψ1 |ψ2 i für alle |ψ2 i ∈ H zu, und damit ein Element hψ1 | ∈ H∗ des dualen Vektorraums. hψ1 | heisst der zu |ψ1 i duale Vektor oder kurz Bra-Vektor (Bra- und Ket Vektor sind die ’Hälften’ der Bracket). Basisvektoren und Matrixdarstellung Eine Menge {|ϕi i} von Vektoren in H heisst orthonormiert wenn gilt hϕi |ϕj i = δij . (68) Eine Menge {|ϕi i} heisst orthonormierte, vollständige Basis wenn sie (68) erfüllt und jeder Vektor |ψi ∈ H als komplexe Linearkombination der Basisvektoren |ϕi i ge44 schrieben werden kann: |ψi = X ai |ϕi i, ai ∈ C . (69) i Die Komponenten ai des Ket-Vektors |ψi in der Basis {|ϕi i} sind ai = hϕi |ψi . (70) Wie aus der linearen Algebra gewohnt, lassen sich die Zustandsvektoren also als Linearkombination der Basisvektoren |ϕi i ausdrücken, allerdings kann hier die Anzahl der notwendigen |ϕi i, die Dimension von H, unendlich sein. Die Wahl der Basisvektoren ist a priori beliebig; für ein gegebenes System gibt es aber i.d.R. eine bevorzugte Basis, in der die Beschreibung des Problems besonders einfach wird (z.B. in Systemen mit Symmetrien, vgl. wieder mit der Wahl der Ortskoordinaten in der Mechanik). In der gewählten, orthonormierten Basis {|ϕi i} können der Ket(-Vektor) und der Bra(Vektor) durch die Vektoren der Komponenten dargestellt werden a1 hϕ1 |ψi P |ψi = i ai |ϕi i → a = a2 = hϕ2 |ψi , .. .. . . P ∗ † ∗ ∗ hψ| = i ai hϕi | → a = a1 , a2 , . . . = hψ|ϕ1 i, hψ|ϕ2 i, . . . . (71) Unterstrichene Größen kennzeichnen im Folgenden Vektoren/Matrizen in Komponentenschreibweise. T bezeichnet das Transponierte einer Matrix, z.B. lässt sich der Ket auch schreiben als |ψi = (a1 , ..., an )T . Das Symbol † bezeichnet dann allgemeiner die komplex konjugierte und transponierte der Matrix M : M † = (M ∗ )T . In der Matrixdarstellung wird die Bracket zum ’gewöhnlichen’ Skalarprodukt der VekP P toren der Komponenten; mit |ψ1 i = i ai |ϕi i, |ψ2 i = i bi |ϕi i: hψ1 |ψ2 i = X hψ1 |ϕi ihϕi |ϕj ihϕj |ψ2 i = i,j X i,j 45 a∗i δij bj = X i a∗i bi = a† · b . (72) Beispiel: Ein später wichtiges Beispiel für einen endlich-dimensionalen Hilbertraum ist C2 . Dieser Raum beschreibt die beiden möglichen Spin-EZ eines Spin 12 Teilchens (z.B. dem Elektron). In der Darstellung mit Basisvektoren 1 0 |ϕ1 i = , |ϕ2 i = , 0 1 lassen sich zwei beliebige Zustandsvektoren in der Form |ψ1 i = (a1 , a2 )T und |ψ2 i = (b1 , b2 )T , mit ai , bi ∈ C, schreiben. Das innerem Produkt ist dann hψ1 |ψ2 i = a∗1 b1 + a∗1 b2 . P2 Aus der Endlichkeit der Norm folgt i=1 |ai |2 < ∞. Eine offensichtliche Verallgemeinerung ergibt höher-dimensionalen Fälle H ' Cn für n > 2, die z.B. bei Zustandsräumen von Teilchen mit höherem Spin eine Rolle spielen. Beispiel: Ein Beispiel für einen unendlich-dimensionalen Hilbertraum ist der Zustandsraum des 1-dim. harmonischen Oszillators. Die Zustände |ii, i = 0, 1, ... mit Energie Ei , Gleichung (60), bilden eine unendliche, abzählbare, orthonormierbare Basis von H. Eine wichtige Frage ist die Bedeutung der zuvor betrachteten Orts-Wellenfunktionen ϕi (x). Sie sind die inneren Produkte ϕi (x) = hx|ii , wobei |xi einen Eigenzustand des Ortsoperators bezeichnet. Ein genaueres Verständnis dieser Beziehung erfordert eine nähere Diskussion des unendlich-dim. Falls, insbesondere der Gl.(68), die wir weiter unten entwickeln. Konkret werden wir Systeme von Basisvektoren für H aus Eigenzuständen hermitescher Operatoren konstruieren. Dazu müssen wir zuerst die Operatoren selbst beschreiben und verstehen: 4.2 Operatoren Wir stellen zunächst einige Definitionen und Begriffe zu linearen Operatoren zusammen. Sei {|ϕi i} wieder ein vollständiges System von orthonormierten Basisvektoren für H. F C−lineare Operatoren wirken auf H wie M̂ : H 7→ H, M̂ |ψi = |M̂ ψi ∈ H, M̂ (α|ψ1 i + β|ψ2 i) = α M̂ |ψ1 i + β M̂ |ψ2 i , α, β ∈ C . F Einheitsoperator: Ein einfaches, für Rechnungen wichtiges, Beispiel ist der Einheitsoperator 1̂ = X |ϕi ihϕi | , 1̂|ψi = |ψi (73) i Beweis: Geg. sei |ψi = P i ai |ϕi i. Dann ist 1̂|ψi = 46 P i |ϕi ihϕi |ψi = P i ai |ϕi i = |ψi. F Matrixelemente Sei |ψi = P i=1 ai |ϕi i mit Matrixdarstellung a. Dann ist X X X X aj |ϕi ihϕi |M̂ ϕj i M̂ |ψi = M̂ ( aj |ϕj i) = aj M̂ |ϕj i = aj 1̂ M̂ |ϕj i = j = X j j i,j a0i |ϕi i = |M̂ ψi , i mit a0i = P j mij aj . Hier bezeichnen mij die Matrixelemente: mij = hϕi |M̂ |ϕj i (74) des Operators M̂ in der gegebenen Basis {|ϕi i}. In der Matrixdarstellung beschreibt man den linearen Operator M̂ : H 7→ H also als Matrix m11 m12 · · · M = m21 m22 . .. .. . . Er wirkt auf den Komponentenvektor a des Kets durch Matrizenmultiplikation |ψi ' 7→ M ·a = a0 a ' |M̂ ψi , 0 a1 m11 a1 + m12 a2 + · · · a1 a2 m21 a1 + m22 a2 + · · · a0 7 → = 2 . .. .. .. . . . (75) F Adjungierter Operator: Wir definieren den adjungierten Operator durch ! hM̂ † ψ1 |ψ2 i = hψ1 |M̂ ψ2 i für alle |ψ1 i, |ψ2 i ∈ H . (76) Es folgt, dass hψ1 |M̂ |ψ2 i∗ = hψ2 |M̂ † |ψ1 i. Die Matrixelemente des adjungierten Operators sind die Einträge der Matrix (M ∗ )T = M † . F Hermitescher Operator: Ein selbst-adjungierter oder hermitescher Operator erfüllt M̂ † = M̂ ⇔ M † = (M ∗ )T . (77) Die Einträge der Matrixdarstellung eines hermiteschen Operators erfüllen daher mij = m∗ji , insbesondere sind die Diagonaleinträge reell. Eine Matrix M mit diesen Eigenschaften heisst ebenfalls hermitesch. 47 F Unitärer Operator: Ein unitärer Operator erfüllt Û † = Û −1 ⇔ U † = (U )−1 . (78) Es gilt: 1. Die unitäre Transformation Û : H 7→ H, |ψi 7→ |Û ψi ∀ |ψi ∈ H erhält das innere Produkt, hÛ ψ1 |Û ψ2 i = hψ1 |ψ2 i. 2. Ist {|ψi i} eine orthonormierte Basis, so auch {|Û ϕi i}. Die unitären Transformationen generieren also einen Basiswechsel zwischen orthonormierten Systemen, ähnlich wie die orthogonalen (winkelerhaltenden) Transformationen im Rn . F Projektionsoperator: Ähnlich wie im Reellen definiert man einen Untervektorraum H0 ⊂ H der Dimension d0 ≤ dim(H) . Jeder Vektor in H kann eindeutig zerlegt werden als |ψk i ∈ H0 , |ψ⊥ i ∈ (H0 )⊥ , |ψi = |ψk i + |ψ⊥ i, wobei (H0 )⊥ der zu H0 orthogonale Raum bzgl. des inneren Produkts h.|.i ist. Es existiert eine Wahl der Basis {|ϕi i} für H, so dass der Unterraum H0 durch die Teilmenge der d0 Basisvektoren {|ϕi i, 1 ≤ i ≤ d0 } aufgespannt wird. Der Projektionsoperator P̂ 16 projeziert auf den Unterraum H0 : P̂ : H 7→ H0 , |ψi 7→ |ψk i. Man zeigt leicht: 1. In der oben beschriebenen Basis hat der Projektionsoperator die Form P̂ = P 0 1≤i≤d0 |ϕi ihϕi | (für H = H erhält man den Einheitsoperator zurück). 2. P̂ ist hermitesch. 3. P̂ 2 = P̂ . Projektionsoperatoren spielen insbesondere beim Messprozess eine Rolle. 16 Nicht zu verwechseln mit dem Paritätsoperator, der oft mit dem gleichen Buchstaben bezeichnet wird. 48 Beispiel: 1-dim. Harmonischer Oszillator: Seien|ϕi i, i = 0, 1, 2, ... die Eigenzustände von H mit EW Ei = ~ω(n + 21 ). Die Komponentendarstellung für |ϕi i ist ein Vektor (0, ...0, 1, 0, ...) mit einer 1 an der (i + 1)-ten Stelle und Nullen sonst. Die Matrixdarstellung für den Hamilton-Operator hat die Form einer unendlich dimensionalen, diagonalen Matrix ~ω 0 0 ··· 2 0 3~ω 0 2 5~ω (79) H= 0 . 0 2 .. .. . . Die Matrixdarstellungen der Leiteroperatoren haben die Form 0 0 0 ··· √0 1 0 0 0 √ 0 2 √0 0 a+ = a− = a†+ . , 0 0 3 0 .. .. . . (80) Der Projektionsoperator P̂i = |ϕi ihϕi | projeziert auf den Unterraum, der durch den Zustand mit Energie Ei aufgespannt wird. Die Matrixdarstellung von P̂i hat eine 1 im i + 1-ten Eintrag auf der Diagonalen, und sonst nur Nullen. 4.3 Spektren und Konstruktion vollständiger Basissysteme Zur Vorbereitung der Berechnung von Observablen beschreiben wir nun das Spektrum der Eigenwerte hermitescher Operatoren und konstruieren geeignete Basissysteme von Eigenvektoren, die eine eindeutige Beschreibung der Zustände durch die Angabe von Eigenwerten erlauben. Endlich-dimensionaler Hilbertraum Sei H ein endlich-dimensionaler Hilbert-Raum und Ô ein linearer Operator. Ein Eigenvektor oder Eigenzustand |λi ∈ H von Ô mit Eigenwert λ erfüllt die Gleichung. Eigenvektor: Ô|λi = λ|λi ∈ H . (81) Für einen hermiteschen Operator M̂ † = M̂ zeigt man, ähnlich wie in der Darstellung durch Wellenfunktionen, M̂ hermitesch ⇒ λ ∈ R, 49 λ 6= λ0 ⇒ hλ|λ0 i = 0 . Sei ferner M eine Matrixdarstellung von M̂ . Für das Spektrum der EW und die Wirkung des hermitschen Operators M̂ , bzw. alternativ M , gilt der Spektralsatz: 1. Es existiert eine unitäre Matrix U (bzw. unitäre Transformation Û ) die M (bzw. die Wirkung von M̂ ) diagonalisiert: M = U† · D · U, (D)ij = λi δij , d.h. D ist die diagonale Matrix mit den reellen EW λi von M auf der Diagonalen und sonst Nullen. 2. Das Spektrum der Eigenwerte λn ist reell und diskret. 3. Seien P̂n die Projektoren auf den Eigenraum En ⊂ H mit Eigenwert λn ; d.h. M̂ |ψi = λn |ψi ∀ |ψi ∈ En . Dann gilt die Spektralzerlegung: M̂ = X λn P̂n . (82) n 4. Ist dn := dim(En ) > 1, spricht man wieder von der Entartung des n-ten Eigenwerts. Es existiert eine orthonormierte Basis {|λn , αi} von En mit M̂ |λn , αi = λn |λn , αi sodass P̂n = dn X |λn , αihλn , α| . (83) α=1 Bemerkungen: Der Operator M̂ ist damit eindeutig bestimmt durch seine Eigenvektoren und Eigenwerte. Die Entartung bestimmter Eigenwerte kann durch Betrachtung mehrere Operatoren aufgehoben werden, s.u. In der oben beschriebenen Situation bilden die Eigenvektoren von M̂ eine vollständige, orthonormierbare Basis, d.h. jeder Vektor |ψi kann geschrieben werden als komplexe Linearkombination der Eigenvektoren X |ψi = cn |λn i , cn ∈ C . n 50 Unendlich-dimensionaler Hilbertraum Der Fall dim(H) = ∞ führt in der allgemeinen Form zu einer Reihe von mathematischen Komplikationen. Im Folgenden stellen wir die unter bestimmten (in der Physik oft gegebenen) Bedingungen geltenden Verallgemeinerungen zusammen, ohne auf die gähnenden Abgründe neben den angegebenen Formeln hinzuweisen. Zunächst kann das Spektrum eines hermiteschen Operators nun kontinuierlich sein, λ ∈ [a, b] ∈ R für ein gegebenes Intervall. Im allgemeinen gibt es sowohl einen diskreten und einen kontinuierlichen Teil des Spektrums. Beispiel: Rein kontinuierliches Spektrum: freies Teilchen im R3 ; die EW ~x (~ p = ~~k) des Ortsoperators (Impulsoperators) sind bestimmt durch den Ortsvektor ~x ∈ R3 (Wellenvektor ~k ∈ R3 ). Rein diskretes Spektrum: die Energie-EW der (Bindungs-)Zustände im unendlichen Potentialtopf und beim harmonischen Oszillator. Gemischtes Spektrum: Bindungszustände mit diskreten Energie-EW und Streuzustände mit kontinuierlichen EW beim endlichen Potentialtopf. Auch für Zustände im kontinuierlichen Teil gilt die Orthogonalität von Zuständen zu verschiedenen EW, die Normierungsbedingung für die Zustände im kontinuierlichen Teil muss aber modifiziert werden: hλn |λm i = δmn , hλn |λi = 0 , hλ|λ0 i = δ(λ − λ0 ) , (84) wobei λn und λ einen Wert im diskreten und kontinuierlichen Teil des Spektrums bezeichnen (vgl. (29)). Unter bestimmten Vorraussetzungen an M̂ verallgemeinern die zuvor beschriebenen Konzepte: Die Spektralzerlegung verallgemeinert zu Z X M̂ = λn P̂n + dλ λ |λihλ| , (85) n wobei die Summe über den diskreten und das Integral über den kontinuierlichen Teil des Spektrums läuft. Der Einheitsoperator verallgemeinert entsprechend zu: Z X 1̂ = |λn ihλn | + dλ |λihλ| , (86) n wobei wir hier zur Vereinfachung nicht-entartete EW angenommen haben. Wir diskutieren nun, wie man die Entartung der EW durch gleichzeitige Betrachtung mehrerer Operatoren aufheben kann. 51 Vollständige Sätze von Operatoren Gegeben seien zwei (hermitesche) Operatoren  und B̂ mit [Â, B̂] = 0. Sei |ai ein EV von  zum EW a. Dann ist auch |a0 i := B̂|ai ein EV zum EW a. Beweis: Â|a0 i = ÂB̂|ai = B̂ Â|ai = aB̂|ai = a|a0 i. Ist a ein nicht-entarteter EW, so folgt bereits |ai0 = b|ai mit b ∈ C. Dann ist |ai gleichzeitig auch EW von B̂ mit EW b. Ist a ein entarteter EW, so folgt lediglich, dass B̂ den Eigenraum Ea : {|ψi, Â|ψi = a|ψi} auf sich selbst abbildet, B̂ : Ea → Ea . Die Matrixelemente von B̂ beschränkt auf Ea sind die Einträge einer hermitische Matrix, die durch eine unitäre Transformation diagonalisiert werden kann. D.h. für eine geeignete Basis {|a, αi} für Ea gilt dann: B̂|a, αi = b(a, α)|a, αi . Im Idealfall sind alle b(a, α) verschieden und die Entartung ist aufgehoben. Dann kann jeder Zustand eindeutig durch Angabe der Eigenwerte von  und B̂ in einer gemeinsamen Eigenbasis {|a, bi} angegeben werden: |a, bi : Â|a, bi = a|a, bi, B̂|a, bi = b|a, bi . Falls die Eigenwerte immer noch entartet sind, können wir einen weiteren Operator Ĉ mit [Â, Ĉ] = 0 = [B̂, Ĉ] betrachten und das Argument wiederholen. Wir erhalten so einen vollständigen Satz Operatoren, deren Eigenwerte jeden Zustand eindeutig festlegen: Vollständiger Satz: Eine Menge {Â1 , ..., Ân } von vertauschbaren Operatoren, [Âi , Âj ] = 0 ∀i, j, wird als vollständiger Satz bezeichnet, wenn die Eigenwerte {ai } dieser Operatoren einen (normierten) Eigenzustand aller Operatoren eindeutig bestimmen. Wir bezeichnen den gemeinsamen EZ dann durch Angabe aller Eigenwerte als |a1 , ..., an i. Für ein diskretes Spektrum gilt dann: Âi |a1 , ..., an i = ai |a1 , ..., an i , ha1 , ..., an |a01 , ..., a0n i = δa1 ,a01 ...δan ,a0n , X 1̂ = |a1 , ..., an iha1 , ..., an | , a1 ,...,an |ψi = X ca1 ,...,an |a1 , ..., an i mit ca1 ,...,an = ha1 , ..., an |ψi . a1 ,...,an 52 (87) Die Basis {|a1 , ..., an i} wird gemeinsame Eigenbasis der Operatoren Âi genannt. Für einen EW a mit kontinuierlichem Spektrum müssen das Delta-Symbol δa,a0 durch eine R P δ-Funktion δ(a − a0 ) und die Summe da ersetzt werden, vgl. a durch das Integral (84),(86). 4.4 Postulate der Q.M. und Messung von Observablen Wir kommen nun zum wichtigsten Punkt für die Definition der Q.M. als physikalische Theorie, nämlich die Messung physikalischer Größen und deren zeitliche Entwicklung. Wir stellen dazu zunächst die grundlegenden Postulate der Theorie zusammen: 1. Postulat: Zu einem festem Zeitpunkt t ist der q.m. Zustand eindeutig definiert durch einen nomierten Ket-Vektor |ψi ∈ H. 2. Postulat: Jede physikalisch messbare Größe (Observable) A wird durch einen hermiteschen Operator  beschrieben. 3. Postulat: Eine Messung von A liefert immer einen der Eigenwerte λ von Â. 4. Postulat: Die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung den Eigenwert λ zu finden ist p(λ) = hψ|P̂λ |ψi , (88) wobei P̂λ der Projektor auf den Eigenraum Eλ : {|ψi, Â|ψi = λ|ψi} ist. 5. Postulat: Wird der Eigenwert λ gemessen, dann befindet sich das System unmittelbar nach der Messung im Zustand |λi = P̂λ |ψi . ||Pλ |ψi|| (89) 6. Postulat: Die Zeitentwicklung eines Zustandes |ψi wird durch die Schrödingergleichung festgelegt: i~ d |ψ(t)i = Ĥ(t)|ψ(t)i . dt 53 (90) Bemerkungen: 1. Zu Ziff 2./3. Eine physikalische Messung misst also den EW eines hermiteschen Operators. Jedem hermiteschen Operator  ordnen wir so eine physikalische Observable A zu und umgekehrt. 2. Zu Ziff 4. (a) Mit (83) kann man auch schreiben: p(λ) = dλ X |hλ, α|ψi|2 , (91) α=1 wobei |λ, αi die orthonormierte Basis des Eigenraums Eλ der Dimension dλ bezeichnet. P P (b) Es gilt i p(λi ) = hψ| i P̂λi |ψi = hψ|1̂|ψi = 1, wie es sich für eine gute Wahrscheinlichkeit auch gehört. (c) Der Erwartungswert von A ist dann wegen Gl.(82) hψ|Â|ψi = X p(λi )λi . (92) i 3. Zu Ziff 5. Die Messung führt zu einem Kollaps zum Eigenzustand mit dem gemessenen EW λ. Welcher EW gemessen wird – und damit der Zustand des Systems nach der Messung (!) – ist nicht vorhersagbar; bekannt ist lediglich die Wahrscheinlichkeit p(λ). Dies ist die grundsätzliche Undeterminiertheit der Q.M. die zu vielen physikalischen und philosophischen Diskussionen über die Theorie und zy(a)nischen Gedankenexperimenten zur Lebenserwartung von Katzen geführt hat. 4. Zu Ziff 6. Zwischen den Messungen entwickelt sich der Zustand dagegen in einer eindeutig vorhersagbaren Weise. Die Postulate geben also zwei unterschiedliche Regeln für die zeitliche Entwicklung des Zustands – bei der Messung und im Zeitraum zwischen Messungen.17 Wir diskutieren zunächst zwei bei der Messung auftretenden, qualitativ unterschiedliche, Fälle genauer: 17 Vgl. mit der Mechanik, bei der eine ideale Messung ohne Störung des Zustands durchgeführt wird. 54 Messprozess Seien A, B zwei verschiedene Observable. Vom klassischen Standpunkt erwartet man, dass eine Messung beider Observablen am gleichen System mehr Information liefert, als eine einzelne Messung. In der Q.M. hängt die Antwort entscheidend von der Operatoralgebra der Operatoren  und B̂ ab. Der Einfachheit halber nehmen wir ein diskretes, nicht entartetes Spektrum an. Fall 1: [Â, B̂] = 0 (Kompatible Observable) Wenn  und B̂ kommutieren, können wir eine gemeinsame Eigenbasis wählen (vgl.(87)): {|i, ji}, Â|i, ji = ai |i, ji, B̂|i, ji = bj |i, ji . Das System befinde sich am Anfang im Zustand |ψi = P i,j ci,j |i, ji. Für eine Messung des EW ai von A gilt:18 p(ai ) = X P j ci,j |i, ji . |ψA i = qP 2 |c | i,j j 2 |ci,j | , j |ψA i bezeichnet hier den normierten Zustand nach der Messung von A. Für eine anschliessende Messung von B gilt:19 |ci,j |2 pai (bj ) = P , 2 j |ci,j | |ψA,B i = |i, ji , wobei pai (bj ) die bedingte Wahrscheinlichkeit einer Messung bj nach vorhergehender Messung von ai bezeichnet. Dreht man die Reihenfolge der beiden Messungen um erhält man: |ci,j |2 pbj (ai ) = P , 2 i |ci,j | |ψB,A i = |i, ji . Der Endzustand ist also gleich, |ψA,B i = |ψB,A i, ebenso dessen Wahrscheinlichkeit: p(ai , bj ) = p(ai ) · pai (bj ) = |ci,j |2 = p(bj ) · pbj (ai ) = p(bj , ai ) . Hier bezeichnet p(ai , bj ) die Wahrscheinlichkeit dass erst ai und dann bj gemessen wird und entsprechend p(bj , ai ) die Messung mit A und B vertauscht. Eine kurz nacheinander ausgeführte, ’gleichzeitige’ Messung der Observablen A und B liefert insofern mehr P P P 18 0 0 0 0 Mit Gl.(88): P̂ai = ⇒ P̂ai |ψi = = j |i, jihi, j| j |i, jihi, j|( i0 ,j 0 ci ,j |i , j i) P P P P ∗ 0 0 0 0 c 0 0 |i, jiδi,i0 δj,j 0 = j cij |i, ji . Dann ist p(ai ) = hψ|P̂ai |ψi = ( i0 j 0 ci0 j 0 hi , j |)( j cij |i, ji) = Pj,i ,j i∗ j P 2 0 δjj 0 = c c δ |c | . 0 0 ij ij 0 0 ii i j j,i ,j j P 19 Genau wie oben, diesmal mit P̂bj = i |i, jihi, j|. 55 Information als die Einzelmessung, insbesondere ist der Endzustand eindeutig im gemeinsamen EZ |i, ji präpariert (eine Information, die z.B. für nachfolgende Messungen verwendet werden kann). Die zu kommutierende Operatoren gehörenden, gleichzeitig messbaren, Observablen werden als kompatibel bezeichnet. Fall 2: [Â, B̂] 6= 0 (Inkompatible Observable) In diesem Fall existiert keine gemeinsame Eigenbasis. Wir bezeichnen die EZ von  (B̂) mit |ai i (|bi i) und den Anfangszustand mit |ψi. Für eine Messung des EW ai von A gilt: p(ai ) = |hai |ψi|2 , |ψA i = |ai i . Für eine anschliessende Messung von B gilt: pai (bj ) = |hbj |ai i|2 , |ψA,B i = |bj i . Vertauscht man wieder die Reihenfolge der beiden Messungen, erhält man: pbj (ai ) = |hai |bj i|2 = pai (bj ) , |ψB,A i = |ai i . Die beiden Endzustände sind also unterschiedlich, |ψA,B i = 6 |ψB,A i, ebenso deren Wahrscheinlichkeit: p(ai , bj ) = |hai |ψi|2 |hbj |ai i|2 6= p(bj , ai ) = |hbj |ψi|2 |hai |bj i|2 . In diesem Fall macht es wegen der Nichtvertauschbarkeit keinen Sinn, von einer ’gleichzeitigen’ Messung zu sprechen. Die zweite Messung zerstört die Information, die die erste Messung geliefert hat. So ist das System nach einer ersten Messung von A eindeutig im Zustand |ai i präpariert, nach der (zweiten) Messung von B aber in einem Zustand |bj i, bei dem der Ausgang einer (dritten) Messung von A wieder unbestimmt ist. Die zu nichtkommutierenden Operatoren gehörenden Observablen nennt man inkompatibel. 56 Beispiel: Idealisierte Stern-Gerlach Anordnung Zur Veranschaulichung und als Vorbereitung auf die spätere Untersuchung der Drehimpulsobservablen betrachten wir ein idealisiertes20 Stern-Gerlach Experiment, bei dem der halbzahlige Spin eines Elektrons beobachtet werden soll. Man kann sich den Spin grob als intrinsischen Drehimpuls des Elektrons vorstellen, der klassisch durch einen Vektor ~s = sx~ex + sy ~ey + sz ~ez mit Betrag |~s| = ~2 dargestellt werden kann. In einem äußeren Magnetfeld B̂ sind der spin-abhängige Anteil des Potentials und der Kraft gegeben durch: ~ ~ s · B) ~ , V = −γ(~s · B), F~ = γ ∇(~ (93) mit einer Konstante γ (das sogenannte gyromagnetische Moment des Elektrons). Wir betrachten zunächst eine Versuchsanordnung, in der ein in x-Richtung laufender Elektronstrahl durch ein inhomogenes Magnetfeld Bz in z-Richtung abgelenkt wird durch die Kraft Fz = αsz , mit einer Konstanten α. Aus |~s| = ~/2 folgt klassisch sz ∈ [−~/2, ~/2]. Für einen Elektronenstrahl mit zufällig orientiertem Spinvektor ~s erwartet man also klassisch ein kontinuierliches Spektrum der z-Komponente des Spins, und damit eine kontinuierliche Auffächerung des Orts der Teilchens auf dem Detektor, zwischen den beiden Extremwerten sz = −~/2 und sz = +~/2. 1 2 Einfallender Strahl Bz sz ℏ 0 z − 1 2 x Detektor QM: Hilbertraum und Observable: Quantenmechanisch wird das System durch einen 2-dim. Hilbertraum beschrieben; eine vollständige Erklärung hierfür können wir erst nach dem Verständnis der Drehimpulsalgebra geben, aber die Idee wird gleich deutlich werden. Zu den drei klassischen Komponenten des Spinvektors assoziieren wir drei q.m. Operatoren ŝi , die in der Matrixdarstellung gegeben sind durch si = ~2 σi mit den Pauli-Matrizen: σ1 = σx = 0 1 1 0 , σ2 = σy = Die Pauli Matrizen erfüllen die Algebra: X [σi , σj ] = 2i ijk σk , 0 i −i 0 , σ3 = σz = σi σj = δij 1 + i k X ijk σk , 0 −1 . (94) (95) k mit i, j, k ∈ {1, 2, 3} und dem -Symbol ijk = Gerade Permutation von 123 1 ijk = −1 ijk = ungerade Permutation von 123 . 0 sonst 20 1 0 Tatsächlich wird der Spin eines Valenzelektrons eines Silberatoms gemessen. 57 (96) Sie erfüllen weiter die Vollständigkeitsrelation X (σi )ab (σi )cd = 2δad δbc − δab δcd , (97) i wobei (σi )ab die Komponenten der Matrix σi mit a, b ∈ {1, 2} bezeichnen. QM: Spektrum und Wahrscheinlichkeit: Die möglichen Messwerte von ŝz ergeben sich aus den Eigenwerten der Eigenzustände, in Matrixdarstellung: ~ 1 0 ŝz |sz = ±i = ± |sz = ±i , |sz = +i = , |sz = −i = . 0 1 2 In der q.m. können also nur die beiden Extremwerte sz = ± ~2 (abgekürzt:sz = ±) auftreten, im Unterschied zum klassischen Fall. D.h. die Messgrößen sind quantisiert und der Strahl wird in zwei scharfe Einzelstrahlen aufgespalten. Dieses von der klassischen Mechanik abweichende Resultat wird im Experiment auch beobachtet. Wegen der Vollständigkeit der EZ von ŝz kann der Anfangszustand durch die Wellenfunktion p |ψi = c+ |sz = +i + c− |sz = −i , ||ψ|| = |c+ |2 + |c− |2 = 1 , dargestellt werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Teilchen im Zustand |sz = ±i beobachtet wird ist dann nach Gl.(88),(91) p(sz = ±) = |hsz = ±|ψi|2 = |c± |2 . QM: Weitere Messung kompatibler Observablen: Wir nehmen an, das die ersten Messung sz = + ergeben hat, d.h. das System ist nach der ersten Messung im Zustand |sz = +i. Da der Kommutator von σz mit σx und σy ungleich Null ist, gibt es keine weiteren einfachen kompatiblen Observablen, ausser sz selbst. Wegen des Kollaps der Wellenfunktion gilt psz =+ (sz = +) = |hsz = +|sz = +i|2 = 1, psz =+ (sz = −) = |hsz = +|sz = −i|2 = 0 , (∗) wobei psz =+ (sz = ±) wieder die bedingte Wahrscheinlichkeit für die zweite Messung unter der Annahme von sz = + bei der ersten Messung bezeichnet. Eine weitere Messung von sz gibt keine neue Information und verändert auch nicht mehr den Zustand (!). QM: Weitere Messungen inkompatibler Observablen: Wir nehmen nun an, dass bei der zweiten Messung die y Komponente des Spins gemessen werden soll, durch Anlegung eines inhomogenen Magnetfeldes By in y-Richtung. Die möglichen Messwerte von ŝy ergeben sich aus den EW der EZ: ~ 1 1 1 1 √ √ ŝy |sy = ±i = ± |sy = ±i , |sy = +i = , |sy = −i = . i −i 2 2 2 Der Erwartungswert ist hsy i = 0 und damit die beiden Wahrscheinlichkeiten psz =+ (sy = −) = |hsz = +|sy = −i|2 = psz =+ (sy = +) = |hsz = +|sy = +i|2 = 12 , 1 2 . Nach der Messung ist das Elektron in einem der EZ |sy = ±i. Wird nun bei einer dritten Messung noch einmal die z-Komponente des Spins gemessen, sind die relativen Wahrscheinlichekeiten: psz =+,sy =+ (sz = +) = |hsy = +|sz = +i|2 = 21 , psz =+,sy =− (sz = +) = |hsy = −|sz = +i|2 = 1 2 D.h. die beiden EZ |sz = ±i treten nach der zwischenzeitlichen y-Messung wieder mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf; die y Messung hat die Präparation der ersten Messung (siehe Gl. (∗) oben) perfekt ausgelöscht. 58 . 1 2 1 2 Bz 0 Einfallender Strahl By 1 2 − 1 2 1 2 0 Bz Bz 0 0 − 1 2 Detektor − sy ℏ 1 2 Detektor − 1 2 Detektor sz ℏ sz ℏ Skizze: Bei der ersten Messung von sz wird das System im EZ |sz = +i präpariert. Nach einer Messung von sy treten beide EW sz = ± wieder mit gleicher Wahrscheinlichkeit auf. 4.5 Unitäre Transformationen Die physikalisch messbaren Größen eines Systems sind das Eigenwertspektrum von Observablen und die auftretenden Wahrscheinlichkeiten (und damit der Erwartungswert). Der Hilbertraum, die Zustände oder Operatoren sind selbst nicht direkt messbar. Wir hatten bereits gesehen, dass das innere Produkt invariant unter unitären Transformationen ist. Man kann leicht sehen, dass allgemeiner die physikalischen Observablen invariant unter der folgenden Transformation sind: |ψi 7→ |ψ 0 i := Û |ψi ,  7→ Â0 := Û ÂÛ † , Û Û † = 1̂ . (98) Für die physikalischen Größen gilt dann: hA0 i = hψ 0 |Â0 ψ 0 i = hψ|Âψi = hAi , Â|ai = a|ai ⇒ Â0 |a0 i = a|a0 i , (99) |ha0 |ψ 0 i|2 = |ha|ψi|2 . Die unitäre Transformation generiert den Wechsel zwischen zwei orthonormierten Basissystemen (vgl. die Diskussion unter Gl.(78)). Umgekehrt gilt: Seien {|ai i} und {|bj i} zwei orthonormierte Basen (z.B. aus den EZ zweier inkompatibler Operatoren  und B̂ konstruierte). Es gilt dann |bj i = 1̂|bj i = X i 59 hai |bj i|ai i . Die Größen uij = hai |bj i sind die Komponenten einer unitären Matrix: X X uij u∗kj = hai |bj ihbj |ak i = δik , j j d.h. jeder Wechsel zwischen orthon. Basen wird durch die unitäre Transformation mit Matrixdarstellung (U )ij = uij = hai |bj i generiert. Die Matrixelemente/-darstellung des Operators  in den beiden Basen transformieren wie: (Aa )ij = hai |Â|aj i = X hai |bm ihbm |Â|bn ihbn |aj i m,n X = (U )im (Ab )mn (U † )nj , mn oder kurz Basiswechsel/unitäre TF: Aa = U · Ab · U † , (100) wobei Aa und Ab die Matrixdarstellung von  in der jeweiligen Basis bezeichnen. Beispiel: Der 1-dim. Translationsoperator T̂ (a) := exp(iap̂/~) , (101) ist von der Form exp(iM̂ ) mit M̂ hermitesch und daher unitär. Er generiert eine Verschiebung des Ursprungs der Orts-EW, x̂|x0 i = x0 |x0 i ⇒ x̂ (T̂ (a)|x0 i) = (x0 − a)|x0 i (→ Übung). Wir betrachten noch eine einfache Größe, die invariant unter unitären Transformationen ist. Die Spur eines Operators  verallgemeinert die gewöhnliche Spur einer Matrix. Sie ist in einer beliebigen Basis {|aii } definiert als: Spur: Sp = X hai |Â|ai i = Sp(Aa ) . (102) ai Obwohl der Ausdruck in einer bestimmten Basis geschrieben ist, ist er in Wirklichkeit unabhängig von der Basis, d.h. die Spur ist invariant unter einem Basiswechsel der Form (100). Beweis: Sp(Aa ) = P i hai |Â|ai i = P ijk hai |bj ihbj |Â|b0k ihb0k |ai i = Sp(U Ab U † ) = Sp(U † U Ab ) = Sp(Ab ) , wobei wir benutzt haben, dass die Matrizen in einer Spur zyklisch vertauscht werden können. 60 4.6 Zeitentwicklung und Symmetrien Zeitentwicklung Wir zeigen nun, dass die Zeitentwicklung eines (unbeobachteten) quantenmechanischen Systems ebenfalls durch einen unitären Operator generiert wird. Sei |ψ(t0 )i der Zustand zu einem festen Zeitpunkt t0 . Da die Schrödingergleichung linear ist, kann die Lösung zum Zeitpunkt t in der Form |ψ(t)i = Û (t, t0 )|ψ(t0 )i , (103) geschrieben werden (betrachte die Gleichung in einer Basis), wobei Û (t, t0 ) ein linearer Operator ist, der für alle Lösungen gleich ist. Der Operator Û (t, t0 ) erfüllt ebenfalls die Schrödingergleichung i~ d Û (t, t0 ) = Ĥ(t)Û (t, t0 ). dt (104) Für t = t0 gilt Û (t0 , t0 ) = 1, d.h. Û † (t0 , t0 )Û (t0 , t0 ) = 1̂ und Û (t0 , t0 ) ist trivialerweise unitär. Weiter gilt d i~ (Û † Û ) = i~ dt dÛ † dÛ Û + Û † dt dt ! = −Û † Ĥ Û + Û † Ĥ Û = 0, d.h. Û (t, t0 ) ist ein unitärer Operator für alle Zeiten t. Warnung: Gleichung (103) ist nicht mit einem Basiswechsel zu verwechseln, der zu einer festen Zeit t erfolgt und bei dem die Operatoren gemäß (100) transformiert werden. Während der durch (103) beschriebenen Zeitentwicklung der Zustände transformiert ein zeitunabhängiger Operator  überhaupt nicht. Die Observablen sind daher zeitabhängig, z.B. hAi(t) = hψ(t)|Â|ψ(t)i. Gleichung (104) wird gelöst durch das Integral i Û (t, t0 ) = 1̂ − ~ Z t dt0 Ĥ(t0 )Û (t0 , t0 ) . (105) t0 Für einen zeitunabhängigen Hamilton-Operator ist die Lösung einfach Û (t, t0 ) = e−i(t−t0 )Ĥ/~ . (106) Schreibt man die Gleichung (103) für die EZ eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators Ĥ aus, erhält man eine Gleichung für die EZ, die die gleiche Form hat wie Gleichung (39), dort für die Wellenfunktionen in der Ortsdarstellung. 61 Ehrenfest-Theorem Aus der Schrödingergleichung (90) folgt für den Erwartungswert einer Observablen A das Ehrenfest-Theorem: d i ∂  hAi = − h[Â, Ĥ]i + h i. dt ~ ∂t Beispiel: Für den 1-dim. Hamilton-Operator Ĥ = d hp̂i hxi = , dt m p̂2 2m (107) + V (x̂) folgt aus (107) d dV hpi = −h i. dt dx (108) Diese Gleichungen haben formal die gleiche Struktur wie die klassischen Gleichungen mẋ = p und dp/dt = F = −dV /dx. Symmetrien und Erhaltungsgrößen Eine Symmetrietransformation ist eine Transformation des Systems, die die Dynamik des Systems invariant läßt, d.h. sie bildet normierte Lösungen der S.G. (90) auf normierte Lösungen ab. Wir betrachten nur Transformationen, die durch einen linearen Operator Ŝ erzeugt werden. Aus der Normierungsbedingung folgt, dass Ŝ unitär ist. Sei |ψi eine Lösung der S.G. Dann ist der transformierte Zustand |ψ 0 i := Ŝ|ψi für alle Lösungen |ψi ebenfalls eine Lösung, wenn gilt: i~ ∂ Ŝ + [Ŝ, Ĥ] = 0 . ∂t (109) Wir zeigen nun, dass die zu Ŝ gehörende Observable eine zeitunabhängige Erhaltungsgröße ist, wenn Ŝ zeitunabhängig ist, d.h. Ŝ = eiF̂ , ∂ ∂t Ŝ = 0. Wegen der Unitarität können wir schreiben wobei F̂ ein hermitescher Operator ist. Wegen (109) kommutieren Ŝ und Ĥ, und damit auch F̂ und Ĥ. Sei {F̂ , Â1 , ..., Ân } ein vollständiger Satz zeitunabhängiger Operatoren und {|f, a1 , ..., an i} := {|f, ai i} die zugehörige zeitunabhängige ON Eigenbasis. Sei P |ψi = f,ai cf,ai (t)|f, ai i der Zustand des Systems zur Zeit t. Dann ist Wahrscheinlichkeit P 2 für die Messung des EW f nach (88) zur Zeit t gleich p(f ) = ai |cf,ai (t)| . Aus den Gleichungen von Ŝ folgt aber sofort, dass p(f ) zeitunabhängig ist. Beweis: Wegen [F̂ , Ĥ] = 0 hängt die Energie nur von den ai ab aber nicht von f . Aus der S.G. d folgt dann i~ dt cf,ai (t) = cf,ai (t)E(ai ). Kombiniert mit der komplex konjugierten Gleichung, unter d d Verwendung dass E(ai ) ∈ R, erhält man dt |cf,ai (t)|2 = 0 und damit auch dt p(f ) = 0. Zusammenfassend erhalten wir daher eine 62 Erhaltungsgröße Ŝ = eiF̂ unitär mit ∂ Ŝ = 0 = [Ŝ, Ĥ] ∂t ⇒ Observable F ist Erhaltungsgröße. (110) Wegen der Beziehung hF i = P f f p(f ) ist dann auch der Erwartungswert eine Erhaltungs- größe, im Einklang mit (107). Ebenso sind die Matrixelemente von F̂ zeitunabhängig. 4.7 Dichteoperator Bisher haben wir die Messwahrscheinlichkeiten und die Zeitentwicklung für ein System betrachtet, das anfangs in einem eindeutigen, sog. reinen Zustand |ψi ist. Im realen Experiment ist das System aber oft mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit pa in einem von mehreren möglichen Zuständen |ψa i. Diese Wahrscheinlichkeiten pa haben gar nichts mit den q.m. Wahrscheinlichkeiten bei einer Messung zu tun. Ein solcher statistischer, P gemischter Zustand kann nicht durch eine Linearkombination |ψi = a ca |ψa i dargestellt werden(!). Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung der Observablen Ô den Wert λ zu messen, ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit pa , dass das System im normierten Zustand |ψa i ist, und der q.m. Wahrscheinlichkeit p|ψa i (λ), im reinen Zustand |ψa i den Wert λ zu messen:21 p(λ) = X (88) pa · p|ψa i (λ) = a X pa · hψa |P̂λ |ψa i . (111) a Zur Beschreibung von gemischten Zuständen benötigt man ein neues Konzept, das des Dichteoperators (bzw. der Dichtematrix in einer Matrixdarstellung): Dichteoperator: ρ̂ = X pa |ψa ihψa | . (112) a Dieser Dichteoperator beschreibt ein System in einem gemischten Zustand. Die notwendigen Verallgemeinerungen in den Postulaten sind wie folgt: 1. Postulatv2 : Zu einem festem Zeitpunkt t wird der gemischte Zustand eines q.m. System durch den Dichteoperator ρ̂ beschrieben. 21 Die normierten Zustände |ψa i erfüllen P P ||ψa || = 1. Die statistischen P und q.m. Wahrscheinlichkeiten erfüllen jeweils für sich a pa = 1 und i p|ψa i (λi ) = 1; es folgt dass i p(λi ) = 1, siehe Beweis weiter unten. 63 4. Postulatv2 : Die Wahrscheinlichkeit, bei der Messung den Eigenwert λ zu finden ist p(λ) = Sp(ρ̂P̂λ ) . (113) 5. Postulatv2 : Wird der Eigenwert λ gemessen, dann befindet sich das System unmittelbar nach der Messung im gemischten Zustand ρ̂0 = P̂λ ρ̂P̂λ . Sp(ρ̂Pλ ) (114) 6. Postulatv2 : Die Zeitentwicklung eines gemischten Zustandes ρ̂ wird durch die Schrödingergleichung festgelegt: i~ dρ̂(t) = [Ĥ(t), ρ̂(t)] . dt (115) Bemerkungen: Setzt man die Definition von ρ̂ in Gleichung (113) ein, erhält man das Ergebnis (111) zurück: Beweis: In einer vollst. orthonormierten Eigenbasis {|λi i} von Ô gilt: P P P P P Sp(ρ̂P̂λi ) = k hλk | ( a pa |ψa ihψa |) (|λi ihλi |)|λk i = a pa k hλk |ψa ihψa |λi iδik = a pa p|ψa i (λi ) . Nach der Messung befindet sich das System mit der statistischen Wahrscheinlichkeit pa im Zustand P̂λ |ψa i. Ausdrücken des gemischten Zustands durch einen Dichteoperator und Normierung auf Sp(ρ̂0 ) = 1 (siehe unten) liefert den Ausdruck (114). Aus der Schrödingergleichung folgt: d ρ̂ = i~ i~ dt P a d d pa ( dt |ψa ihψa | + |ψa i dt hψa |) = P a pa (Ĥ|ψa ihψa | − |ψa ihψa |Ĥ) = [Ĥ, ρ̂] . Weitere einfache Eigenschaften des Dichteoperators sind: ρ̂ ist hermitesch und es gilt: Sp(ρ̂) = 1, Sp(ρ̂2 ) ≤ 1 , hψ|ρ̂|ψi ≥ 0 ∀|ψi ∈ Ĥ . (116) Beweis: P P P P P P i) Sp(ρ̂)(= Sp(ρ̂ i P̂λi ) = i p(λi )) = k hλk |( a pa |ψa ihψa |)|λk i = a pa hψa |( k |λk ihλk |)|ψa i = P P a pa hψa |ψa i = a pa = 1 . (66) P P P P P ii) Sp(ρ̂2 ) = k hλk |( a pa |ψa ihψa |)( b pb |ψb ihψb |)|λk i = a,b pa pb |hψa |ψb i|2 ≤ a,b pa pb ||ψa ||· P P P ||ψb || = a,b pa pb = ( a pa )( b pb ) = 1 . P iii) hψ|ρ̂|ψi = a pa |hψ|ψa i|2 ≥ 0 . 64 Für ein System in einem reinen Zustand |ψb i ist pa = 1 für a = b und pa = 0 für a 6= b. Der Dichteoperator ρ̂ = |ψb ihψb | erfüllt dann ρ̂ = ρ̂2 ⇒ Sp(ρ̂2 ) = 1 , für reinen Zustand. (117) Anhand dieses einfachen Kriteriums kann man also feststellen, ob eine gegebene Dichtematrix einen gemischten oder einen reinen Zustand beschreibt. Für den Fall eines reinen Zustands kann sich leicht davon überzeugen, dass die obige Beschreibung dann äquivalent zu der in den ’alten’ Postulaten wird. 5 Drehimpuls und Rotationen im R3 Zur Vorbereitung der Behandlung von 3-dim. Problemen, inbesondere der Herleitung des Spektrums des Wasserstoffatoms, betrachten wir zunächst die wichtigste neue Observable im Vergleich zum 1-dim. Fall, den Drehimpuls. Die klassischen Observablen der Mechanik umfassen im R3 neben dem Impuls-Vektor p~ auch den Drehimpuls-Vektor ~l = ~x × p~. Ersetzen wir die Orts- und Impulskoordinaten durch Operatoren wie bei der Konstruktion des Hamilton-Operators, erhalten wir die hermiteschen Bahn-Drehimpulsoperatoren: ˆli = 3 X ijk x̂j p̂k (118) j,k=1 oder, in Komponenten:22 ˆlx = ŷ p̂z − ẑ p̂y , ˆly = ẑ p̂x − x̂p̂z , ˆlz = x̂p̂y − ŷ p̂x . (119) Die Bezeichnung Bahn-Drehimpuls bezieht sich darauf, dass wir gleich eine weitere Realisierung des Drehimpulses in der Q.M. als intrinsischen Drehimpuls eines Teilchens, dem Spin, beobachten werden. 5.1 Drehimpulsalgebra Aus (118) kann man sofort berechnen, dass die Operatoren ˆli die folgende Kommutatoralgebra erfüllen: Drehimpulsalgebra: [L̂i , L̂j ] = i~ X ijk L̂k . (120) k 22 Für die drei Komponenten eines 3-dim. Vektors in kart. Koordinaten verwenden wir gleichwertig die Indizes (x, y, z) oder (1, 2, 3), z.B. (~ p) = (px , py , pz ) = (p1 , p2 , p3 ). 65 Diese Algebra gilt für die Bahn-Drehimpuls-Operatoren L̂i = ˆli , hat aber auch weitere Darstellungen, wie wir gleich sehen werden. Im Fall des harmonischen Oszillators haben wir das Spektrum des Hamiltonoperators einmal aus der expliziten Darstellung der Zustände als Wellenfunktion im Ortsraum und einmal aus der Betrachtung der Algebra hergeleitet und das gleiche Resultat erhalten. Wir leiten unten das Spektrum der Drehimpulsoperatoren L̂i direkt aus der Algebra (120) her, mit dem Ergebnis, dass es in diesem Fall zusätzliche Lösungen L̂i = ŝi gibt, die nicht der (Orts-)Darstellung der Bahn-Drehimpulsoperatoren ˆli entsprechen können. Die q.m. Observable ’Drehimpuls’ beinhaltet also im Vergleich zur klassischen Theorie eine neue Größe, den Spin. Dieser wird u.a. im Stern-Gerlach Versuch beobachtet (vgl.(120) und (95)). Um das Spektrum zu beschreiben, betrachten wir einen vollständigen Satz von Operatoren (vgl. (87)). Da die L̂i für verschiedene i nicht vertauschen, kann man nur einen Operator, z.B. L̂z verwenden. Als weiteren Operator betrachten wir die skalare Größe 2 L̂ := L̂2x + L̂2y + L̂2z . (121) 2 Wie wir sehen werden, stellen die beiden Operatoren {L̂ , L̂z } einen vollständigen Satz für die normierten EZ |λ, mi der Drehimpulsoperatoren dar, d.h. es gilt 2 [L̂ , L̂z ] = 0 , 2 L̂ |λ, mi = λ |λ, mi , L̂z |λ, mi = ~m |λ, mi (122) mit nicht-entarteten (reellen) EW λ und ~m. Die Normierungsbedingung ist hλ, m|λ0 , m0 i = δλλ0 δm,m0 . Leiteroperatoren Um das Spektrum herzuleiten betrachten wir wieder Leiteroperatoren L̂± = L̂x ± iL̂y . (123) 2 Wegen der Selbstadjungiertheit der L̂i gilt L̂†+ = L̂− . Der Operator L̂ läßt sich dann schreiben als: 2 L̂ = L̂+ L̂− + L̂2z − ~L̂z = L̂− L̂+ + L̂2z + ~L̂z . (124) Aus (120) folgen die Vertauschungsrelationen 2 [L̂ , L̂± ] = 0 , [L̂z , L̂± ] = ±~L̂± , [L̂+ , L̂− ] = 2~L̂z . (125) Daraus folgt, dass (wie beim harmonischen Oszillator) Leiteroperatoren die EZ |λ, mi auf EZ abbilden: 2 L̂ (L̂± |λ, mi) = λ |λ, mi , L̂z (L̂± |λ, mi) = ~(m ± 1) |λ, mi . 66 (126) 2 Die Leiteroperatoren lassen also den EW λ von L̂ unverändert und verändern nur den EW von L̂z um ein Quantum ~. Aus der Algebra folgt weiter: 0 ≤ ~2 m2 ≤ λ , (127) 2 d.h. das Spektrum der EW von L̂z ist durch den EW von L̂ nach oben und unten beschränkt. Daher muss es zwei Zustände geben mit L̂+ |λ, mmax i = 0 , L̂− |λ, mmin i = 0 . Mit (124) findet man 2 L̂ |λ, mmin i = ~2 mmin (mmin − 1) |λ, mmin i , 2 L̂ |λ, mmax i = ~2 mmax (mmax + 1) |λ, mmax i . 2 2 Da der EW von L̂ für beide Zustände gleich ist (wg. [L̂ , L̂± ] = 0), gilt mmin (mmin − 1) = mmax (mmax + 1). Wegen mmax > mmin ist die Lösung dieser Gleichung: 0 ≤ l := mmax = −mmin ⇒ λ = ~2 l(l + 1) , (128) wobei wir den höchsten Wert mmax ≥ 0 von m nun kurz mit l bezeichnen. Da der Zustand mit m = mmax vom Zustand m = mmin durch eine Anwendung des Leiteroperators L̂+ in mmax − mmin = 2l Schritten erreicht werden kann, muss 2l eine ganze (positive) Zahl sein. Zusammengefasst erhalten wir das Spektrum der Drehimpulsalgebra: 2 L̂ |l, mi = ~2 l(l + 1) |l, mi , l = 0, 12 , 1, 32 , 2, ... , L̂z |l, mi = ~m |l, mi , m = −l, −l + 1, ..., l − 1, l . (129) Die Quantenzahlen l und m werden oft Drehimpulsquantenzahl und magnetische Quantenzahl genannt (wegen der Beziehung (93), die die Messung von m erlaubt). Weitere Bemerkungen: Wir werden gleich sehen, dass nur die ganzzahligen EW 0 ≤ l ∈ Z durch einen BahnDrehimpuls realisiert werden können. Die halb-zahligen EW können nur für Teilchen mit halb-zahligem Spin auftreten. 2 Der EW l von L̂ ist 2l + 1-fach entartet. Die Entartung wird durch den EW ~m 2 von L̂z aufgehoben und {L̂ , L̂z } bilden ein vollständiges System (nur) für die EZ der Drehimpulsalgebra. Die Observablen L̂x , L̂y haben wegen (120) in den EZ |λ, mi keinen wohldefinierten Wert und sind nicht gleichzeitig messbar. Für l = 0 gibt es nur einen Zustand m = 0. Für l = 12 ergibt sich ein 2-dim. Hilbertraum mit Zuständen | 21 , ± 12 i, den wir bei der Diskussion des Stern-Gerlach Versuchs verwendet haben. 67 Die Normierungsbedingung der EZ liefert die Beziehungen p L̂+ |l, mi = ~ l(l + 1) − m(m + 1) |l, m + 1i , p L̂− |l, mi = ~ l(l + 1) − m(m − 1) |l, m − 1i . 5.2 (130) Bahndrehimpuls und Kugelflächenfunktionen Wendet man die Ersetzungsregel im Ortsraum, Gl. (18), auf die Operatoren (118) an, erhält man die Differentialoperatoren in kart. Koordinaten: L̂i = ˆli = −i~ X ijk xj j,k ∂ . ∂xk Zur Vereinfachung der Notation – und auf Kosten der Genauigkeit – bezeichnen wir diese Operatoren in diesem Abschnitt mit dem allgemeinen Symbol L̂i der Drehimpulsoperatoren, obwohl es sich hier nur um die ganz spezielle Darstellung L̂i = ˆli dieser Operatoren handelt, die nur den Bahndrehimpuls, aber nicht ein Teilchen mit Spin, beschreibt. Die zu den oben konstruierten EZ gehörigen Eigenfunktionen im Ortsraum nehmen eine einfache Form in 3-dim. Kugelkoordinaten an: x = x1 = r sin θ cos φ , y = x2 = r sin θ sin φ , z = x3 = r cos θ . Umrechnung von kartesischen in Kugelkoordinaten liefert die Operatoren ∂ ∂ L̂x (θ, φ) = i~ sin φ ∂θ + cot θ cos φ ∂φ , ∂ ∂ L̂y (θ, φ) = i~ − cos φ ∂θ + cot θ sin φ ∂φ , L̂z (θ, φ) = und damit (131) (132) ∂ −i~ ∂φ , ∂ ∂ L̂± (θ, φ) = i~e±iφ ∓i ∂θ + cot θ ∂φ , 2 ∂ ∂ L̂ (θ, φ) = −~2 sin1 θ ∂θ sin θ ∂θ + sin12 θ ∂2 ∂φ2 (133) . Wir bezeichnen die zum EZ |l, mi zugehörige Darstellung als Wellenfunktion im Ortsraum mit Ylm (θ, φ). Die Eigenwertgleichung für Lz ist −i~ ∂ m Y = ~mYlm ∂φ l und hat die Lösungen Ylm (θ, φ) = flm (θ)eimφ . Die Funktion Yll erfüllt des weiteren die Gleichung L̂+ (θ, φ)Yll = 0 ⇒ 68 ∂fll = l cot θ fll , ∂θ (134) mit der Lösung Yll (θ, φ) = Cl eilφ sinl θ , wobei Cl eine Normierungskonstante ist. Die anderen Eigenfunktionen Ylm (θ, φ) mit m 6= l erhält man durch sukzessive Anwendung von L̂− (θ, φ) auf Yll (θ, φ) aus (130). Die oben konstruierten Lösungen existieren aber nur für m, l ∈ Z. Ein einfaches heuristisches Argument ist, dass der Winkel φ nur bis auf Addition eines ganzen Vielfachen von 2π definiert ist und daher gelten sollte: ! Ylm (θ, φ + 2π) = Ylm (θ, φ) ⇒ m ∈ Z. Ein substantielleres Argument ist, dass die Konstruktion der Ylm , m < l durch Anwendung von L̂− nur dann bei m = −l abbricht, wenn l ∈ Z. Das Ergebnis lässt sich in geschlossener Form schreiben als: Kugelflächenfunktionen m imφ , Ylm (θ, φ) = cm l Pl (cos θ)e 0≤l∈Z , Z 3 m = −l, ..., l 2 L̂ (θ, φ) Ylm (θ, φ) = ~2 l(l + 1) Ylm (θ, φ) , L̂z (θ, φ) Ylm (θ, φ) = (135) ~m Ylm (θ, φ) . Die Normierungskontanten sind s 2l + 1 (l − |m|)! cm , l = 4π (l + |m|)! ( 1 = (−1)m m<0 . m≥0 Die Funktionen Plm (x) mit x = cos θ sind die zugeordneten Legendre Polynome Plm (x) = (1 − x2 )|m|/2 d|m| Pl (x) , dx|m| (136) wobei Pl (x) = Pl0 (x) die gewöhnlichen Legendre-Polynome sind Pl (x) = 1 dl 2 (x − 1)l . 2l l! dxl (137) Bemerkungen: Die Kugelflächenfunktionen geben also eine Ortsdarstellung der EZ des Drehimpulses nur für ganzzahlige l, m ∈ Z. Sie beschreiben nur den Anteil des Bahn-Drehimpulses am Gesamt-Drehimpuls eines Teilchens. Mit den obigen Definitionen erfüllen die Kugelflächenfunktionen die Orthonormalitätsbedingung (vgl. (43)): Z π Z 2π 0 sin θdθdφ (Ylm )∗ Ylm = δll0 δmm0 . (138) 0 θ=0 φ=0 69 Die Kugelflächenfunktionen sind vollständig (vgl.(44)), d.h. jede Funktion auf der Kugeloberfläche läßt sich schreiben als Linearkombination X u(θ, φ) = al,m Ylm (θ, φ) . (139) l,m Aus (137) folgt, dass die Legendre-Polynome Pl (x) Polynome l-ten Grades in x sind, für kleine Werte von l: P0 (x) = 1, P1 (x) = x, P2 (x) = 12 (3x2 − 1), P3 (x) = 21 (5x3 − 3x) . Sie erfüllen die Orthogonalitätsrelation: Z 1 dx Pl (x)Pl0 (x) = −1 2 δll0 . 2l + 1 (140) Aus (136) folgt, dass die assozierten Legendre-Polynome eine wohldefinierter Parität haben: Plm (−x) = (−)l+m Plm (x) . Die Absolutquadrate der Kugelwellenfunktionen für kleine Werte von l sind im Anhang A.1 skizziert. Die Kugelflächenfunktionen bestimmen insbesondere die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen im vereinfachten Modell für das Wasserstoffatom, das wir später diskutieren. 5.3 Matrixdarstellungen, Spin, Addition Matrixdarstellungen Aus der algebraischen Methode können wir sofort Matrixdarstellungen für den Hilbertraum der Drehimpulsfreiheitsgrade konstruieren. Wir tun dies für kleine Werte der Quantenzahl l. l = 0: Der Hilbert-Raum ist 1-dimensional. |0i bezeichne den Zustand mit m = 0. Die Matrixdarstellung ist eine Zahl. Aus L̂± |0i = 0 = L̂z |0i , erhalten wir die 1-dim., triviale Darstellung L̂i = 0 der Drehimpulsalgebra (120). l = 12 : Wir bezeichnen die beiden Zustände mit m = ± 12 mit |±i. Mit (130) folgt L̂± |∓i = ~|±i, L̂± |±i = 0, L̂z |±i = ± ~2 |±i . 1 0 oder, in einer Matrixdarstellung |+i = , |−i = : 0 1 0 1 0 0 0 ~ 1 L+ = ~ , L− = ~ , Lz = 2 . 0 0 1 0 0 −1 70 (141) Aus der Definition der Leiteroperatoren L̂± folgt dann ~ 0 1 ~ 0 −i Lx = 2 , Ly = 2 , 1 0 i 0 2 L̂ = 3~ 4 1 0 , 0 1 (142) Dies ist eine 2-dim. Matrix-Darstellung der Drehimpulsalgebra, die wir bereits bei der Diskussion des Stern-Gerlachs Experiments benutzt haben, vgl. die Definition si = ~2 σi und (94). l = 1: Ähnlich erhält für l = 1 man eine 3-dim. Darstellung (→ Übung). Spin Die halbzahligen Werte des Drehimpulses lassen sich nur durch den intrinsischen Drehimpuls eines Teilchens, dem Spin, realisieren. Zur Unterscheidung bezeichnet man den EW des intrinsischen Drehimpulses oft mit s. Den einfachsten Fall, s = 21 , haben wir bereits genauer studiert. Der Spin kann aber auch andere Werte s = N2 mit 0 ≤ N ∈ Z annehmen. Den Elementarteilchen werden folgende Spins zugeordnet:23 s=0 s = 21 s=1 s = 23 s=2 Higgs-Teilchen (?) Elektronen, Neutrinos, Quarks Photonen, Gluonen, WZ-Bosonen Gravitinos (??) Gravitonen (?) Die bekannten Materieteilchen tragen also Spin 21 , während die Träger der elektro-magnetischen, starken und schwachen Wechselwirkung s = 1 haben. Ein Elementarteilchen mit s = 0, das Higgs-Teilchen, wird sehnlichst gesucht. Für eine q.m. Beschreibung der Gravitation werden auch Teilchen mit Spin s = 32 und s = 2 postuliert. Addition von Drehimpulsen Der Gesamtdrehimpuls eines Teilchen setzt sich aus Bahn-Drehimpuls und seinem Spin zusammen. Ähnlich addieren sich in einem System mit mehreren Teilchen die Einzeldrehimpulse zu einem Gesamtdrehimpuls (vgl. Mechanik). Wir skizzieren die Addition hier nur am einfachen Fall eines Spin s = 12 Teilchens mit Bahndrehimpuls l = 1. Die Operatoren ˆli des Bahn-Drehimpulses und die Spinoperatoren ŝi erfüllen für sich die Algebra (120) und kommutieren miteinander, [ˆli , ŝj ] = 0 ∀ i, j. Wir bezeichnen die Komponenten des Gesamt-Drehipulsoperators mit L̂i = ˆli + ŝi . Sie erfüllen ebenfalls die Algebra (120). 23 Fragezeichen kennzeichnen vermutete (?) bzw. hypothetische (??) Teilchen, die (noch) nicht im Experiment beobachtet wurden. 71 Die EZ |l, mi des vollständigen Satzes {ˆlz , l̂2 } mit l = 1, m = −1, 0, 1 und |±i = |s = 21 , m = ± 12 i von {ŝz , ŝ2 } leben in separaten Hilbert-Räumen. Der Zustandsraum des Gesamt-Drehimpulses kann als das direkte Produkt oder Tensorprodukt dieser beiden Räume konstruiert werden. Die Zustände in diesem Raum kann man als direktes Produkt der EZ der separaten Räume darstellen: |m, ±i := |1, mi ⊗ | 12 , ± 21 i , m = −1, 0, 1 . Der Zustandsraum des Gesamt-Drehimpulses ist also 2×3 = 6-dimensional. Diese Zustände erfüllen ˆlz |m, ±i = ~m|m, ±i , ŝz |m, ±i = ± ~2 |m, ±i , l̂2 |m, ±i = 2~2 |m, ±i , ŝ2 |m, ±i = 43 ~2 |m, ±i , wobei die Operatoren ˆlz , l̂2 immer nur auf den ersten Teil des direkten Produkts |1, mi ⊗ | 21 , ± 21 i wirken und die Spinoperatoren nur auf den zweiten Teil. Es folgt, dass die Zustände |m, ±i EZ des Operators L̂z sind: L̂z |m, ±i = ~(m ± 12 )|m, ±i . Sie sind aber i.a. keine EZ des Operators 2 L̂ = L̂2x + L̂2y + L̂2z = l̂2 + ŝ2 + 2(ŝx ˆlx + ŝy ˆly + ŝz ˆlz ) . Da die Operatoren L̂i ebenfalls die Drehimpulsalgebra (120) erfüllen, kann man für den 2 6-dim. Zustandsraum auch eine VON-Basis aus EZ |L, M i zum vollständigen Satz {L̂z , L̂ } konstruieren, d.h. L̂z |L, M i = ~M |L, M i , 2 L̂ |L, M i = ~2 L(L + 1)|L, M i . Die Basiselemente |L, M i müssen Linearkombinationen der sechs Zustände |m, ±i sein. Die richtigen Linearkombinationen findet man durch Anwendung der Leiteroperatoren L̂± = ˆl± + ŝ± . Der höchste (niedrigste) EW von L̂z tritt für den Zustand |1, +i (| − 1, −i) auf. Es muss also gelten |L = 23 , M = 23 i = |1, +i , |L = 32 , M = − 23 i = | − 1, −i . Weitere Zustände erhalten wir durch Anwendung von L̂± mit dem Ergebnis (→ Übung): |L = 23 , M = 3 2i = |1, +i , q q 2 1 |L = 23 , M = 12 i = |0, +i + 3 3 |1, −i, , q q 1 2 |L = 32 , M = − 12 i = | − 1, +i + 3 3 |0, −i , |L = 23 , M = − 32 i = | − 1, −i , q q 1 2 |L = 12 , M = 12 i = |0, +i − 3 3 |1, −i , q q 2 1 |L = 12 , M = − 12 i = | − 1, +i − 3 3 |0, −i . 72 Die sechs Zustände |m, ±i kombinieren also zu 4 EZ zum Gesamt-Drehimpuls L = 32 und 2 EZ zu L = 21 . Allgemeiner kann man leicht zeigen, dass die Addition zweier Drehimpulse l1 und l2 zu Zuständen mit Gesamt-Drehimpuls L im Bereich |l1 − l2 | ≤ L ≤ l1 + l2 , kombinieren. Die Koeffizienten der Linearkombinationen, die die EZ des Gesamtdrehimpulses mit denen der Teil-Drehimpulse verbinden (oben: |L, M i und |m, ±i) werden allgemein Clebsch-Gordan Koeffizienten genannt. 5.4 Rotationen im R3 Die hermiteschen Operatoren L̂i = ˆli definieren unitäre Operatoren R̂i (α) = eiαL̂i /~ . (143) Wir zeigen nun, dass diese Operatoren Rotationen um die xi -Achse mit Winkel α generieren. Wir beschränken uns auf die x = x1 -Richtung und betrachten einen infinitesimalen Winkel δα. Seien (x0 , y 0 , z 0 ) die gedrehten Koordinaten. Dann gilt: x0 = x , y 0 = cos(δα) y − sin(δα) z = y − δαz + O(δα2 ) , 0 (144) 2 z = sin(δα) y + cos(δα) z = z + δαy + O(δα ) , wobei im rechten Ausdruck höhere Ordnungen in δα vernachlässigt werden. Auf der anderen Seite gilt dann für eine beliebige (Wellen-)Funktion ϕ, in erster Ordnung in δα: ∂ ∂ 0 0 0 +y ϕ(x, y, z) ϕ(x , y , z ) = ϕ(x, y, z) + δα −z ∂y ∂z iδα = (1̂ + L̂x ) ϕ(x, y, z) = R̂x (δα) ϕ(x, y, z) , ~ d.h. die Rotation wird durch Anwendung des Operators R̂x (δα) erzeugt. Das Argument lässt sich auf endliche Winkel α erweitern. Allgemeiner erzeugt der Rotationsoperator: R̂(~n, α) = eiα P3 i=1 ni L̂i /~ , |~n| = 1 , (145) Rotationen um die durch den Einheitsvektor ~n definierte Achse mit Winkel α. Bemerkungen: Wegen (120) kommutieren die Operatoren R̂i für verschiedene i nicht. Eine beliebige Kombination von nachfolgenden Drehungen ist aber wieder eine Drehung um eine allgemeine Achse. Die Rotationen defineren eine Gruppe von Transformationen, die Drehgruppe mit Bezeichnung SO(3). 73 Die Operatoren L̂i in der Definition des Drehoperators R̂i stellen allgemein die Operatoren des Gesamt-Drehimpulses dar. Angewendet auf einen Eigenzustand |L, M i des Gesamt-Drehimpulses wirkt der Rotationsoperator R̂z (α) wie Rz (α) |L, M i = eiαLz /~ |L, M i = eiαM |L, M i . Für einen ganzzahligen (Gesamt-)Drehimpuls ist M ∈ Z und die Drehung um einen Winkel 2π ergibt die Identität, wie erwartet. Dagegen ergibt eine Drehung um den Winkel 2π für halb-zahlige EW M den Faktor -1. Da die hermiteschen Operatoren L̂i und damit auch die unitären Operatoren R̂i zeitunabhängig sind, generieren die R̂i Symmetrien des Systems, falls gilt [L̂i , Ĥ] = 0. Ein wichtiges Beispiel ist ein Teilchen in einem Zentralpotential, das wir gleich unten diskutieren. Die zugehörige Erhaltungsgröße (vgl. (110)) ist der Drehimpuls. 6 Drei-dimensionales Zentralpotential Wir betrachten nun ein drei-dimensionales Teilchen in einem Zentralpotential V (r), das nur vom Abstand des Teilchens vom Ursprung abhängt. Für einen speziellen Ansatz für das Potential beschreibt dieser Fall ein vereinfachtes Modell für das Wasserstoffatom, das exakt lösbar ist. Die Überprüfung der q.m. Vorhersagen für das Wasserstoffatom im Experiment lieferte einen wichtiger Test für die Theorie. Im realen Wasserstoffatom treten verschiedene Korrekturen zu diesem vereinfachten Modell auf, die zu einem nicht mehr exakt lösbaren Problem führen. Eine Methode zur näherungsweise Berechnung dieser Korrekturen werden wir später kennenlernen. 6.1 Radial-Gleichung Wir betrachten nun die 3-dimensionale Schrödinger-Gleichung für den Fall p eines zeitunabhängigen Potentials, das in Kugelkoordinaten nur vom Radius r = x2 + y 2 + z 2 abhängt: Zentralpotential: V (x, y, z, t) = V (r) . (146) Die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung in der Ortsdarstellung ist (vgl. (23)): ~2 − ∆ + V (r) ψ(r, θ, φ) = Eψ(r, θ, φ) . 2m Der Laplace-Operator ∆ = ∆ = = d2 i=1 dx2i P3 (147) geschrieben in Kugelkoordinaten lautet: 1 ∂ 2∂ 1 (r )+ 2 2 r ∂r ∂r r 1 ∂ sin θ ∂θ 1 ∂ 2∂ L̂2 (r ) − , r2 ∂r ∂r ~2 r2 ∂ 1 ∂2 sin θ + ∂θ sin2 θ ∂φ2 (148) 74 2 wobei wir im zweiten Schritt Gl. (133) für den Bahn-Drehimpulsoperator L̂ verwendet haben.24 Man überprüft leicht, dass der Hamilton-Operator für das Zentralpotential mit den Drehimpulsoperatoren vertauscht: 2 [L̂ , Ĥ] = 0 = [L̂z , Ĥ] . Daher kann man für den Zustandsraum des 3-dimensionalen Problems eine Basis von EZ/EF des vollständigen Satzes 2 {Ĥ, L̂ , L̂z } konstruieren. Für die gleichzeitigen Eigenfunktionen machen wir den Separationsansatz25 ψ(r, θ, φ) = u(r) m Yl (θ, φ) . r (149) 2 Die Eigenfunktionen der Operatoren L̂ und L̂z sind die bereits bekannten Kugelflächenfunktionen Ylm (θ, φ) mit Eigenwertgleichungen (135). Die zeitunabhängige Schrödingergleichung (147) wird damit zur folgenden Gleichung für die unbekannte Funktion u(r): Radialgleichung − ~2 d2 u(r) ~2 + V (r) + l(l + 1) u(r) = E u(r) . 2m dr2 2mr2 (150) Diese Gleichung hat die Form einer 1-dimensionalen Schrödingergleichung mit effektivem Potential ~2 Vef f (r) = V (r) + l(l + 1) . (151) 2mr2 Diese Vereinfachung für ein Zentralpotential ist im Wesentlichen die Gleiche, wie sie auch in der klassischen Mechanik auftritt (z.B. beim Keppler-Problem). 24 Mit der Definition p̂r := −i~∂/∂r für den radialen Impuls kann man den r-abhängigen Term von Ĥ 1 −1 2 schreiben als 2m r p̂r r, wobei die Ortskoordinate r und p̂r die Relation [r, p̂r ] = i~ erfüllen. 25 Der extra Faktor r−1 vereinfacht die (Radial-)Gleichung für die unbekannte Funktion u(r). 75 6.2 Wasserstoffatom Wir betrachten nun das spezielle Zentralpotential Wasserstoffatom: V (r) = − e2 ~2 1 =− , 4π0 r me rB r rB = 4π0 ~2 . me e2 (152) Dieses Potential liefert ein vereinfachtes Modell für ein Elektron im Wasserstoffatom, bei dem der Atomkern als unendlich schwer und punktförmig angenommen wird. rB ' 0, 5 · 10−10 m ist der Bohr’sche Radius, die charakteristische Länge des Problems, die wir schon bei der Diskussion des Bohr’schen Atommodells eingeführt hatten. Die Ortsdarstellung der vollständigen Wellenfunktionen ergibt sich aus der Lösung der Radialgleichung (150) für den speziellen Fall (152). Zur Vereinfachung der Gleichung (150) führen wir zunächst die Definitionen ein: √ −2me E 2 , ρ0 = . ρ = κr , κ= ~ rB κ Eine einfache Umformung ergibt dann die Gleichung d2 u(ρ) ρ0 l(l + 1) − 1− + u(ρ) = 0 . dρ2 ρ ρ2 (153) Wir betrachten die Gl.(153) zuerst im limes großer und kleiner Werte von ρ. Das asymptotische Verhalten der Funktion u(ρ) ist: ρ → ∞ ⇒ u(ρ) ∝ e−ρ . ρ → 0 ⇒ u(ρ) ∝ ρl+1 , Beweis: 2 u(ρ) l+1 i) Für ρ → 0 ist d dρ ' l(l+1) oder u(ρ) ∼ ρ−l . Die zweite Lösung divergiert 2 ρ2 u(ρ) ⇒ u(ρ) ∼ ρ für ρ → 0 und ist daher nicht normierbar. 2 u(ρ) ii) Für ρ → ∞ ist d dρ ' u(ρ) ⇒ u(ρ) ∼ e−ρ oder u(ρ) ∼ e+ρ . Die zweite Lösung divergiert für 2 ρ → ∞ und ist nicht normierbar. Die Funktion u(ρ) hat daher die Form u(ρ) = ρl+1 e−ρ v(ρ) , mit einer geeigneten Funktion v(ρ), die per Definition das asymptotische Verhalten bei ρ = 0 und ρ = ∞ nicht ändert. Einsetzen in (153) liefert die Differentialgleichung für v(ρ): ρ d2 v(ρ) dv(ρ) + 2(l + 1 − ρ) + (ρ0 − 2(l + 1)) v(ρ) = 0 . 2 dρ dρ 76 (154) Da die Funktion v(ρ) bei ρ → 0 das asymptotische Verhalten nicht ändert, setzen wir eine P k Potenzreihe in ρ (mit c0 6= 0) an, v(ρ) = ∞ k=0 ck ρ . Einsetzen in (154) und Koeffizientvergleich der Potenzen von ρ ergibt die Rekursionsformel ck+1 = 2(l + 1 + k) − ρ0 ck . (k + 1)(2l + k + 2) (155) Damit die Funktion v(ρ) das asymptotische Verhalten bei ρ = ∞ nicht ändert, muss es eine Abbruchbedingung bei endlichem k = kmax geben: Abbruchbedingung: 2(l + 1 + kmax ) − ρ0 = 0 ⇒ ck = 0 ∀ k > kmax . (156) Beweis: Angenommen es gäbe keine Abbruchbedingung. Für große k gilt dann ck+1 ' 2k k2 ck ⇒ P k k ck ' 2k! . Dann divergiert v(ρ) wie k 2k! ρk = e2ρ im Widerspruch zur Definition von v(ρ). Mit der Definition n := l + 1 + kmax folgt aus der Gleichung (156) und der Definition von ρ0 die zum Wert von 0 ≤ n ∈ Z gehörige Energie: En = − 1 ~2 1 2 = n2 E1 . n2 2me rB Da die Energie negativ ist, handelt es sich um Bindungszustände. Für den niedrigsten Wert n = 1 ergibt sich die maximale Bindungsenergie: E1 = − ~2 2 ' −13, 6eV . 2me rB (157) Zusammenfassend erhalten wir das Spektrum des (vereinf.) Wasserstoffatoms: Ĥψn,l,m = 2 L̂ ψn,l,m = L̂z ψn,l,m = 1 E n2 1 ψn,l,m , ~2 l(l + 1) ψn,l,m , ~m ψn,l,m , n = 1, 2, 3, ... Hauptquantenzahl l = 0, 1, ..., n − 1, Drehimpulsquantenzahl m = −l, −l + 1, ..., +l, magnetische Quantenzahl (158) Bemerkungen: Die bisherige Beschreibung ist noch unvollständig, weil das Elektron Spin 21 hat. Der Hilbertraum ist wie im vorhergehenden Beispiel zur Addition von Drehimpulsen um diesen Freiheitsgrad zu erweitern. Zu jedem der obigen Zustände gehören daher genauer zwei durch die Spinquantenzahl sz = ± ~2 unterscheidbare Zustände. 77 Die Drehimpulsquantenzahlen können die Werte l = 0, 1, 2, · · · , n − 1 und m = −l, −l + 1, · · · , l − 1, l annehmen, d.h. die Anzahl der Zustände mit Energie En ist 2× n−1 X (2l + 1) = 2 × n2 . l=0 Der extra Faktor 2 kommt vom Spin des Elektrons. Eine übliche Klassifizierung der Zustände des Elektrons ist die Einteilung in 1s, 2s, 2p, 3s, 3p, 3d,... Orbitale: ? Die erste Zahl gibt die Hauptquantenzahl n an, d.h. die Energie des Zustands. ? Der folgende Buchstabe gibt die Dreh-Impulsquantenzahl l an und bestimmt die Form, d.h. die Winkelabhängigkeit der Wahrscheinlichkeitsverteilung des Elektrons (vgl. App. A.1).26 s: l = 0 , p: l = 1 , d: l = 2 . Für E > 0 gibt es ein kontinuierliches Spektrum von Streuzuständen. Sie beschreiben ein ionisiertes Wasserstoffatom und sind aähnlich den hyperbolischen (’Kometen-’)Bahnen des klassischen Keplerproblems. Explizite Form der Eigenfunktionen ψn,l,m Wegen der Abbruchbedingung (156) sind die Funktionen v(ρ) Polynome vom Grad kmax = n − l − 1 in ρ. Für einen festen Wert n = kmax + l + 1 kann man die Energie En zwischen einem Anteil für den Drehimpuls mit l = 0, ..., n − 1 und einem Anteil kmax = 0, ..., n − 1 für die radiale Richtung aufteilen. Der Grad kmax des Polynoms ist also grob gesprochen ein Maß für die Energie des radialen Anteils der Wellenfunktion. Mit x = 2ρ lauten die Polynome für niedrige Werte von n in einer bestimmten Normierung k=0 k=1 k=2 n=1 1 n=2 6 4 − 2x n = 3 120 96 − 24x 18 − 18x + 3x2 Die Lösungen v(ρ) der Differentialgleichung (154) können in geschlossener Form durch die zugeordneten Laguerre Polynome ausgedrückt werden: v(ρ) = L2l+1 n−l−1 (x) , dp Lpq−p (x) = (−1)p p Lq (x) , dx q d Lq (x) = ex q (e−x xq ) . dx 26 x = 2ρ , (159) Die von lokalen Interessensgruppen verfolgte Umbenennung in c,s,u- Orbitale hat sich nicht durchgesetzt, trotz warnendem Hinweis, die folgende Konvention, und nicht etwa Versäumnisse, wäre der wahre Grund für die fortschreitende Verletzung der sogenannten “50+x Regel” und der daraus folgenden apokalyptischen Konsequenzen (der Verletzung). 78 Damit lassen sich die normierten Wellenfunktionen des vereinfachten Modells für das Wasserstoffatom schreiben als: Wellenfunktionen des (vereinf.) Wasserstoffatoms: s 2 3 (n − l − 1)! −r/nrB 2r l 2l+1 2r ) · Ylm (θ, φ) . ψn,l,m = e · Ln−l−1 ( nrB 2n ((n + l)!)3 nrB nrB (160) Bemerkungen: Das qualitative Verhalten kann man leicht aus den Quantenzahlen n, l, m ablesen, und umgekehrt, für gegebene Wellenfunktion: ψn,l,m ∼ e−r/nrB · rl · pn−1−l (r) · eimφ , wobei pk (r) ein Polynom k-ten Grades mit k von 0 verschiedenen Nullstellen ist. Die Wellenfunktionen (160) sind orthonormiert: Z ∗ Yn0 ,l0 ,m0 = δn0 n δl0 l δm0 m . r2 sin θ drdθdφ Yn,l,m (161) Der r-abhängige Anteil Rn,l (r) der Wellenfunktion ist für niedrige Werte von n, l: R1,0 ∼ e−r/rB , R2,0 ∼ 1 − 2rrB e−r/2rB , 2r2 e−r/3rB , R3,0 ∼ 1 − 3r2rB + 27r 2 B R2,1 ∼ rrB e−r/2rB , R3,1 ∼ (1 − 6rrB ) rrB e−r/3rB , R3,2 ∼ r rB 2 (162) e−r/3rB . Die Anzahl der Nullstellen (Knoten) ist n − 1, die Anzahl der Knoten im Bereich r > 0 ist n − 1 − l. Die Funktionen sind unten für n = 1, 2, 3 in schwarz/blau/rot skizziert, mit dunkleren Farben für steigendes l. 79 0.8 0.6 0.4 0.2 0.0 2 4 6 8 10 12 -0.2 Spektrallinien Eine einfache Überprüfung der Vorhersagen des Modells liefert die Beobachtung der Spektrallinien des Wasserstoffatoms, die aus der Emission eines Photons beim Übergang eines Elektrons von einem Zustand mit Energie Em zu einem Zustand mit niedrigerer Energie En resultieren. Aus der Energieerhaltung Ephoton = ~ω = Em − En , folgt mit ω = 2πc/λ die Wellenlänge des emittierten Photons λ −1 1 1 = R ( 2 − 2), n m me R= 4πc~3 e2 4π0 2 = 1.097 · 107 m−1 . Für Übergänge zum Grundzustand n = 1 sind die Spektrallinien für verschiedene m Bestandteil der Lyman-Serie und die Wellenlänge liegt im UV Bereich. Für Übergänge zum ersten angeregten Zustand n = 2 sind die Spektrallinien Bestandteil der BalmerSerie und die Wellenlänge liegt im sichtbaren Bereich. 80 6.3 Harmonischer Oszillator Das Zentralpotential für den 3-dim. harmonische Oszillator lautet V (r) = m 2 2 m 2 2 ω r = ω (x + y 2 + z 2 ) . 2 2 (163) Dieses Problem läßt sich auf zwei bereits bekannte Arten lösen: Separationsansatz in kart. Koordinaten In 3-dim. kart. Koordinaten ist das Zentralpotential die Summe von drei Termen in den Koordinaten x1 = x, x2 = y, x3 = z. Der Hamiltonoperator ist die Summe Ĥ = 3 X Ĥi = − Ĥi , i=1 m ~2 ∂ 2 + ω 2 x2i , 2 2m ∂xi 2 wobei Ĥi die Hamiltonoperatoren des 1-dim- harmonischen Oszillators in der jeweiligen Koordinate sind (vgl. (62)). Da die Ĥi vertauschen, [Ĥi , Ĥj ] = 0 ∀ i, j , kann eine Basis von gleichzeitigen EZ der Operatoren Ĥi für den Zustandsraum gewählt werden. Wir wählen als Basis die direkten Produktzustände |n1 , n2 , n3 i = |n1 i ⊗ |n2 i ⊗ |n3 i , wobei |ni den Energie-EZ des 1-dim. harmonischen Oszillators mit Energie En = ~ω(n+ 12 ) bezeichnet. Der Hamilton-Operator wirkt auf diese Zustände wie: Ĥ |n1 , n2 , n3 i = (Ĥ1 |n1 i) ⊗ |n2 i ⊗ |n3 i + |n1 i ⊗ (Ĥ2 |n2 i) ⊗ |n3 i + |n1 i ⊗ |n2 i ⊗ (Ĥ3 |n3 i) X = ~ω(ni + 21 )) = ~ω(n + 23 ) , i Die Energie-EW sind also: 3-dim. Harmonischer Oszillator: En = ~ω(n + 32 ) , n = n1 + n 2 + n3 . (164) Die Wellenfunktionen ergeben sich aus einem Separationsansatz in den Variablen x1 , x2 , x3 und sind die Produkte ψn1 ,n2 ,n3 (x1 , x2 , x3 ) = ψn1 (x) · ψn2 (y) · ψn3 (z) , (165) wobei die Funktionen im rechten Ausdruck die Wellenfunktionen des 1-dim. Oszillators in Gl.(60) sind. 81 Separationsansatz in Kugelkoordinaten In Kugelkoordinaten mit Separationsansatz ψ(r, θ, φ) = u(r)/r · Ylm (θ, φ) ist die Radialgleichung (150) für das Zentralpotential (163) zu lösen. Mit dem dimensionslosen Radius p ρ = κr , κ = mω/~ , lautet die Radialgleichung d2 u(ρ) = dρ2 l(l + 1) 2E 2 u(ρ) = 0 . ρ + − ρ2 ~ω Das asymptotische Verhalten für ρ → 0 wird wieder durch den Zentrifugalterm ∼ ρ−2 bestimmt. Für große ρ ergibt die Differentialgleichung d2 u = ρ2 u dρ2 ⇒ u(ρ) ∝ e−ρ 2 /2 mω = e− 2~ (x2 +y 2 +z 2 ) . Dies stimmt mit dem asymptotischen Verhalten der 1-dim Wellenfunktionen (60) überein. Der Ansatz ∞ X l+1 −ρ2 /2 u(ρ) = ρ ·e · v(ρ) , v(ρ) = ck ρ2k , k=0 liefert wie im Fall des Coulomb-Potentials eine Abbruchbedingung: ! 2kmax = E −l− ~ω 3 2 ⇒ E = ~ω(2nr + l + 32 ) , wobei wir die radiale Quantenzahl 0 ≤ nr = kmax ∈ Z eingeführt haben. Das Energiespektrum stimmt offensichtlich mit dem Resultat (164) überein. Die Hauptquantenzahl n = 2nr + l setzt sich in diesem Fall aus einem Radialanteil nr und einem Drehimpulsanteil l zusammen. Vergleich Die Entartung der Energie-EW für gegebenes n ist: n X n X n X n1 =0 n2 =0 n3 =0 n [ ] δn−n1 −n2 ,n3 = n X l 2 X X nr =0 l=0 m=−l δn−2nr ,l = (n + 1)(n + 2) . 2 Die Entartung wächst also ∼ n2 /2 für große Werte von n, im Unterschied zum 1-dim. harm. Oszillator, bei dem alle Energiewerte nur einmal auftreten. Die Entartung der EnergieEZ ist durch die Angabe der Quantenzahlen n1 , n2 bzw. Drehimpulsquantenzahlen l, m aufgehoben, d.h. ein Zustand ist in beiden Basissystemen durch die Angabe von drei Quantenzahlen eindeutig bestimmt. Die Elemente der beiden Basissysteme für die zwei vollständigen Sätze {Ĥ1 , Ĥ2 , Ĥ3 }, 2 und {Ĥ, L̂ , L̂z } sind für kleine n in folgender Tabelle zusammengestellt: 82 n=1 E 3 2 ~ω n1 0 n2 0 n3 0 nr 0 l 0 m 0 n=2 5 2 ~ω 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 1 1 1 -1 0 1 2 0 0 1 1 0 0 2 0 1 0 1 0 0 2 0 1 1 0 0 0 0 0 1 2 2 2 2 2 0 -2 -1 0 1 2 0 n=3 7 2 ~ω Die Aufstellung gibt nur die jeweils möglichen Zustände für gegebene Quantenzahlen an, die Zustände in einer Zeile sind aber nicht gleich (ausser für den Grundzustand).27 7 Störungstheorie Bisher haben wir sehr spezielle Hamiltonoperatoren betrachtet, für die die Schrödingergleichung lösbar war. Trotzdem war die explizite Form der Lösungen bereits in diesen einfachen Fällen nicht trivial (vgl. Definitionen der Kugelflächenfunktionen, Hermite-, Legendre-, Laguerre-Polynome). Diese exakt lösbaren Fälle sind die Ausnahme und stellen idealisierte Modelle für reale Systeme dar. Der Hamiltonoperator Ĥ eines realen Systems ist praktisch immer zu kompliziert, um die (Differential-)Gleichungen geschlossen zu lösen. In diesem Fall kann man oft Näherungsmethoden verwenden, um die Lösungen zu einer bestimmten Genauigkeit zu berechnen. Zur Vereinfachung betrachten wir wieder den Fall eines zeitunabhängigen Hamilton-Operators Ĥ. Die Idee der folgenden Näherungsmethode ist: 1. Wir definieren den Operator Ĥ(λ) = Ĥ0 + λV̂ , Ĥ(1) = Ĥ , (166) wobei Ĥ0 ein exakt lösbaren Problems beschreibt. Die nicht lösbaren Terme sind im zweiten Term, dem Störoperator V̂ zusammengefasst. Für den Wert λ = 0 beschreibt Ĥ(λ) das lösbares System. Die Abänderung des Systems durch den Operator V̂ wird als kleine Störung des (bekannten) Systems behandelt. Diese Näherung 27 Die Elemente der beiden Basen für gegebene Energie En sind durch nichttriviale Linearkombination miteinander verbunden, deren Koeffizienten durch die inneren Produkte hn1 , n2 , n3 |nr , l, mi bestimmt sind. Ähnliches hatten wir bereits bei der Addition von Drehimpulsen beobachtet, wo die beiden Basissysteme |m, ±i und |L, M i durch Linearkombinationen mit den Clebsch-Gordan Koeffizienten verbunden waren. 83 ist gültig, wenn der Beitrag des Störoperators V̂ zur Energie klein im Vergleich zum Beitrag von Ĥ0 ist. 2. Für die Energien und Eigenzustände des Operators Ĥ(λ), Ĥ(λ) |n(λ)i = En (λ) |n(λ)i , (167) setzen wir im nicht-entarteten Fall die folgende Potenzreihen an: En (λ) = ∞ X λi En(i) = En(0) + λEn(1) + . . . , i=0 |n(λ)i = ∞ X λi |n(i) i = |n(0) i + λ|n(1) i + . . . , (168) i=0 wobei das Superskript i den Term ∼ λi kennzeichnet. 3. Die führenden Terme ∼ λ0 beschreiben das lösbare Problem mit Hamilton-Operator (0) Ĥ0 und EW En und EZ |n(0) i. Die höheren Terme in λ erhält man durch Einsetzen des Ansatzes (168) in (167) und Koeffizientenvergleich. 4. Die Bedeutung des Parameters λ ist, dass die Korrekturterme der Ordnung λi proportional zu Produkten von Erwartungswerten sind, die i Potenzen des Störoperators V̂ enthalten. Wenn der Störoperator V̂ einen kleinen Beitrag zur Energie liefert, werden diese Korrekturen immer kleiner mit höherer Ordnung in i und der Abbruch nach einer bestimmten Potenz liefert ein gutes Näherungsergebnis. 7.1 Nichtentarteter Eigenwert Einsetzen des Ansatzes in (168) in linke bzw. rechte Seite von (167) liefert die Potenzreihen Ĥ(λ)|n(λ)i = Ĥ0 |n(0) i + λ(Ĥ0 |n(1) i + V̂ |n(0) i) + λ2 (Ĥ0 |n(2) i + V̂ |n(1) i) + ... (169) En (λ)|n(λ)i = E0 |n(0) i + λ(En(0) |n(1) i + En(1) |n(0) i) + λ2 (En(0) |n(2) i + En(1) |n(1) i + En(2) |n(0) i) + ... Der Koeffizientenvergleich der Terme ∼ λ0 reproduziert die Eigenwertgleichung des ungestörten Problems: λ0 : Ĥ0 |n(0) i = E0 |n(0) i . (0) Wir nehmen an, dass die EW En und die (normierten) EZ |n(0) i bekannt sind. Korrekturen 1. und 2. Ordnung Koeffizientenvergleich der Terme ∼ λ1 liefert die Gleichung: λ1 : Ĥ0 |n(1) i + V̂ |n(0) i = En(0) |n(1) i + En(1) |n(0) i . Bilden des inneren Produkts mit hn(0) | ergibt: En(0) hn(0) |n(1) i + hn(0) |V̂ |n(0) i = En(0) hn(0) |n(1) i + En(1) , 84 (170) wobei wir verwendet haben, dass Ĥ0 hermitesch ist und die EZ des ungestörten Systems orthonormiert sind, hn(0) |m(0) i = δnm . Die ersten beiden Terme auf beiden Seite heben sich auf und wir erhalten das Ergebnis für die Korrektur 1. Ordnung zur Energie: En(1) = hn(0) |V̂ |n(0) i = Vnn . (1) Die Verschiebung der Energie En ist der Erwartungswert des Störoperators V̂ im n-ten EZ des ungestörten Systems. Allgemeiner bezeichnet im Folgenden Vmn = hm(0) |V̂ |n(0) i (171) die Matrixelemente des Störoperators im ungestörten System. Als nächstes berechnen wir die Korrektur |n(1) i zum Eigenzustand. Da die EZ |n(0) i eine Basis des Hilbert-Raums bilden, kann man die Korrektur 1. Ordnung zum EZ als Linearkombination dieser Vektoren schreiben: X cnm |m(0) i . (172) |n(1) i = m Einsetzen in (170) ergibt die Gleichung X (0) (Em − En(0) )cnm |m(0) i = (En(1) − V̂ )|n(0) i . m6=n Der Koeffizient cnm für n 6= m folgt dann aus dem inneren Produkt dieser Gleichung mit hm(0) |. Für m = n ist die Gleichung trivial erfüllt und der Koeffizient cnn ist unbestimnt. Der Zustand |n(0) i + λ|n(1) i ist in 1. Ordnung in λ korrekt normiert für die Wahl cnn = 0. (0) (0) Zusammenfassend erhalten wir mit der Abkürzung ∆Enm := En − Em für die Korrekturterme in 1. Ordnung in λ: Korrekturen 1. Ordnung: (1) Energie-EW: En = Vnn = hn(0) |V̂ |n(0) i , Energie-EZ: |n(1) i = X hm(0) |V̂ |n(0) i X Vmn |m(0) i = |m(0) i . (0) (0) ∆Enm m6=n En − Em m6=n (173) (i) Die Berechnung der Terme höherer Ordnungen ist ähnlich. Sind die Größen En und |n(i) i für i < j bekannt, liefert der Koeffizientenvergleich der Terme λj eine Gleichung für die Terme nächsthöherer Ordnung. Für die Korrekturen 2. Ordnung erhält man: Korrekturen 2. Ordnung: Energie-EW: Energie-EZ: X |Vmn |2 , ∆Enm m6=n X X X |Vmn |2 V V V V mk kn − nn mn + |m(0) i − 1 |n(2) i = |n(0) i . 2 2 ∆Enm ∆Enk ∆Enm 2 ∆Enm En(2) = m6=n k6=n 85 m6=n Der Korrekturterm ∼ |n(0) i zu |n(2) i folgt wieder aus der Normierung. Die Korrekturen 2. Ordnung sind besonders wichtig, wenn die Korrekturen 1. Ordnung verschwinden, z.B. aus Symmetriegründen. Weitere Bemerkungen: Wie anfangs erwähnt, sind die Korrekturen i-ter Ordnung proportional zur i-ten Potenz der Matrixelemente von V̂ im ungestörten System. Die Störungstheorie ist nur dann (0) gültig, wenn diese Erwartungswerte klein im Vergleich zu den Eigenwerten En von Ĥ0 , (0) (0) bzw. im Vergleich zu den im Nenner auftauchenden Differenzen ∆Enm = En − Em dieser EW sind. Insbesondere gehen die Energiedifferenzen im Nenner für (nahezu) entartete Eigenwerte gegen Null und der obige Näherungsansatz ist nicht anwendbar. Einen modifizierten Ansatz für entartete EW diskutieren wir unten. Wegen ∆E1m < 0 und |Vmn |2 > 0 ist die Korrektur 2. Ordnung zur Energie des Grundzustandes n = 1 immer negativ. Beispiel: Wir betrachten ein elektrisch geladenes Teilchen im 1-dim. unendlichen Potentialtopf. Nach Einschalten eines elektrischen Feldes E enthält der Hamilton-Operator einen weiteren Potentialterm V̂ = −qE x̂ , Ĥ = Ĥ0 + V̂ , wobei Ĥ0 der in Abschnitt 3.3.1 betrachtete Hamilton-Operator ohne Feld ist. Zur Berechnung der korrigierten Energie-EW können wir die dortigen Ergebnisse für das Spektrum und die Wellenfunktionen ϕn (x) in der Ortsdarstellung verwenden (Gl.(51)). Die Korrektur 1. Ordnung ergibt sich aus dem Matrixelement Z Z 2 πnx qEL (1) (0) (0) ∗ En = hn |V̂ |n i = dxϕn (x)(−qEx)ϕn (x) = −qE dx sin2 ( )x = − . L L 2 Zur 1. Ordnung Störungstheorie sind die Energie-EW im elektrischen Feld daher (0) En = n2 E1 − qEL qEL = En(0) (1 − ), (0) 2 2n2 E1 (0) E1 = π 2 ~2 . 2mL2 Die Korrektur ist proportional zu E und wird damit klein für ein schwaches elektrisches Feld E. Da die Korrektur i-ter Ordnung proportional zu E i ist (genauer: zur dimensionslosen (0) Größe (qEL/E1 )i ), wird die Korrektur mit steigender Ordnung i immer kleiner. 7.2 Entarteter Eigenwert (0) Wir betrachten nun einen N -fach entarteten Energie-EW En des ungestörten HamiltonOperators Ĥ0 . Der N -dimensionale Unterraum Hn ⊂ H des Zustandsraums mit diesem Eigenwert hat eine ON Basis {|n, α(0) i} mit der Eigenschaft: Ĥ0 |n, α(0) i = En(0) |n, α(0) i 86 ∀ α = 1, . . . , N . (174) Der entartete Fall ist besonders interessant, da das Hinzufügen eines Störterms V̂ zum Hamilton-Operator in der Regel eine (teilweise) Aufhebung der Entartung bewirkt, d.h. die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung für das gestörte Problem lautet Ĥ(λ) |n, α(λ)i = En,α (λ) |n, α(λ)i , (175) mit nicht entarteten EW En,α (λ) 6= En,β (λ) für α 6= β. Beispiel: Die Energie-EW En für das idealisierte Modell des Wasserstoffatoms (Gl.(158)) sind hoch entartet mit N = n2 . Die verschiedenen Werte für l, m zu gegebener Hauptquantenzahl n könnten dann nicht durch eine einfache Messung der Spektrallinien unterschieden werden. Nach Hinzufügen verschiedener Störungen (Korrekturterme im realen Wasserstoffatom, bzw. Anlegen äußerer elektromagnetischer Felder) wird die Entartung der Energie-EW aufgehoben. Der vorhergehende Ansatz ist im Fall eines entarteten Energie-EW En nicht anwendbar, wie man bereits daraus sehen kann, dass die berechneten Korrekturen im Nenner die Energiedifferenzen ∆Enm enthalten, die im Fall der Entartung gegen Null gehen. Das Problem ist, dass eine gegebene ON Basis {|n, α(0) i} für den Untterraum Hn nicht eindeutig ist, da jede Linearkombination dieser EV wieder einen EV mit dem gleichen EW (0) En ergibt. Jede unitäre Transformation mit einer unitären Matrix uαβ erzeugt also eine weitere ON Basis (siehe Bemerkungen unter Gl.(99)): X {|n, α(0) i} ist ON Basis ⇒ {|n, α(0) i0 := uαβ |n, β (0) i} ist ON Basis. β Auf der anderen Seite ist die Basis {|n, α(λ)i} für das gestörte Problem eindeutig, wenn die Entartung durch den Störoperator V̂ aufgehoben wird: eine Linearkombination der Vektoren |n, α(λ)i erfüllt nicht mehr die EW-Gleichung (175). Die Beschränkung von {|n, α(λ)i} auf den Term ∼ λ0 gibt nur eine der unendlich vielen Basen von Hn : {|n, α(λ)i} λ0 −→ {|n, α(0) i} . Diese ausgezeichnete Basis {|n, α(0) i} bezeichnen wir mit fettgedrucktem α. Ein geeignet modifizierter Ansatz für die gestörten Energien und Zustände bis zur 1. Ordnung im Unterraum Hn ist dann wie folgt: (1) En (λ) = En + λEn,α + ... , |n, α(0) i |n, α(λ)i = = X λ|n, α(1) i + . . . X uαβ |n, α(0) i + λ cnl |l(0) i + . . . . β + (176) n6=l Bemerkungen: (1) Für die Energiekorrekturen En,α lassen wir wegen der Aufhebung der Entartung verschiedene Werte zu, in Übereinstimmung mit (175). 87 Da wir die spezielle Basis {|n, α(0) i} nicht wissen, setzen wir für den λ0 Term des EZ eine allgemeine Linearkombination in einer beliebigen Basis {|n, α(0) i} für Hn an. Für den λ1 Term des Zustands verwenden wir, dass der Zustand |n, α(λ)i in 1. Ordung in λ normiert ist, wenn |n, α(1) i orthogonal zu |n, α(0) i ist; die Summe läuft daher nur über die EZ (0) (0) l 6= n zu den EW El 6= En (aus dem gleichen Grund hatten wir im nicht-entarteten Fall den Koeffizienten cnn in (172) null gesetzt. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass die (0) Energie-EW ausser En nicht entartet sind, sonst müssten weitere Summationsindizes für die entarteten Eigenräume Hl mit l 6= n eingeführt werden. Die weitere Rechnung ist wie im nicht-entarteten Fall. Einsetzen des Ansatzes in (175) liefert bei der Ordnung λ0 die Gleichung (174), in der ausgezeichneten Basis {|n, α(0) i}. In 1. Ordnung erhält man, nach dem Nehmen des inneren Produkts mit dem Bra-Vektor hn, γ (0) |: X X (1) hn, γ (0) |V̂ uαβ |n, β (0) i = En,α uαβ hn, γ (0) |n, β (0) i = En,α uαγ . (177) β β Mit den Matrixelementen (V )γβ = hn, γ (0) |V̂ |n, β (0) i auf dem Unterraum Hn lässt sich diese Gleichung schreiben als Matrixgleichung Korrekturen 1. Ordnung (entarteter Fall) (1) α V · uα = En,α u , (178) wobei uα = (uα1 , . . . , uαN )T den α-ten Spaltenvektor der Matrix uαβ darstellt. Die Gleichung (178) ist eine Eigenwert-Gleichung für die Matrixelemente V des Operators V̂ auf dem Unterraum Hn und besagt zweierlei: (1) Die gesuchten Energiedifferenzen En,α sind die Eigenwerte des Störoperators V̂ auf dem Unterraum Hn mit entartetem Eigenwert. Die Elemente der zuvor unbekannten speziellen Basis {|n, α(0) i} sind nun bestimmt; (1) sie sind genau die Eigenvektoren von V̂ zu den EW En,α im Unterraum Hn . 7.3 Anwendungen zum Wasserstoffatom In Abschnitt 6.2 hatten wir ein vereinfachtes Modell für das Wasserstoffatom mit dem Hamilton Operator Ĥ0 = p̂2 + V (r), 2me V (r) = − ~2 1 , me rB r gelöst. In diesem Abschnitt wenden wir das Prinzip der Störungstheorie an, um verschiedene Korrekturen zu diesem Modell zu berechnen, die beim realen Wasserstoffatom auftreten. Die im vereinfachten Modell für das Wasserstoffatom ermittelten Energien lassen sich schreiben als 1 (179) En(0) = − 2 · α2 me c2 . 2n 88 Hier ist α eine bereits in Abschnitt 1.2. eingeführte fundamentale, dimensionslose Größe, die Sommerfeld’sche Feinstrukturkonstante α= e2 ~ ≈ 0.0073 ≈ 1/137 . = 4π0 ~c me crB (180) Die Energie-Eigenwerte werden im realen Wasserstoffatom auf Grund verschiedener Wechselwirkungen korrigiert. Interessant sind u.a. die folgenden, nach absteigender Größe geordneten Korrekturen: Relative Größe Bezeichnung Physik relativistische Korrekturen Spin-Bahn Kopplung Quantisierung des elektr. Feldes Spin des Protons α2 ∼ 10−5 Feinstruktur α3 ∼ 10−7 ∼ 10−8 Lamb shift Hyper-Feinstruktur me α2 m K Feinstruktur Wir skizzieren im Folgenden die Berechnung der Feinstruktur, bei der die folgenden Erwartungswerte benötigt werden:28 1 h i = r n 1 h 2i = r n 1 h 3i = r n 1 , n2 rB 1 , 2 (l + 21 )n3 rB 1 , 1 3 l(l + 2 )(l + 1)n3 rB (181) Das Subskript n in h...in bedeutet, dass diese Erwartungswerte in einem EZ des ungestörten (0) Problems mit Energie En berechnet sind (vgl. Gl.(158)). Man beachte dass die EW für r−k mit k > 1 auch von der Drehimpuls-QZ l abhängen. Die Feinstruktur der Energie-EW setzt sich aus zwei unterschiedlichen Termen zusammen: Relativistische Korrektur 2 p̂ Der Term 2m im Hamilton-Operator ergibt sich aus der klassischen Energie/ImpulsBeziehung Tkin = p2 /2m und der Ersetzungsregel p → p̂. Der relativistische Ausdruck für die kinetische Energie ist aber Tkin = E − mc2 = mc2 ( p p2 p4 − + ... . 1 + (p/mc)2 − 1) = 2m 8m3 c2 p 4 Die rechte Seite ist die Taylor-Entwicklung für kleine Impulse bis zur Ordnung ( mc ) . Mit der Ersetzungsregel kann die führende relativistische Korrektur durch Addition des 28 Diese Erwartungswerte lassen sich mit Hilfe der sogenannten Kramers-Relation berechnen. 89 Störoperator p̂4 , (182) 8m3 c2 berechnet werden. Die Korrektur 1. Ordnung zur Energie im Zustand |n(0) i ist dann mit (173) V̂1 = − 2 p̂2 1 1 (0) p̂ En(1) = hn(0) |V̂1 |n(0) i = − hn | hn(0) |(En(0) − V (r))2 |n(0) i = |n(0) i = − 2 2mc 2m 2m 2mc2 1 (0) 2 (0) 2 = − (E ) − 2E hV (r)i + hV (r) i , (183) n n 2mc2 (0) wobei wir die Schrödingergleichung Ĥ0 |n(0) i = En |n(0) i benutzt haben. Mit V (r) = −~cα/r und (181) ergibt sich die Korrektur: ! ! (0) 2 (E ) 4n 1 4n n En(1) = − −3 =− 4 − 3 α4 me c2 . (184) 2me c2 l + 12 8n l + 12 Spin-Bahn-Kopplung Die Spin-Bahn Kopplung kann man sich grob wie folgt vorstellen: im Ruhesystem des Elektrons kreist der positive geladene Atomkern um das Elektron und erzeugt einen Kreisstrom, der wiederum ein Magnetfeld am Ort des Elektrons induziert. Die Wechselwirkung dieses Magnetfeldes mit dem magnetischen Moment des Elektrons ergibt einen weiteren ~ ·~s (vgl.(93)). Der genaue Koeffizient kann aus einer relativistischen Potentialterm ∆V ∼ B Betrachtung des Elektronspins (in der sogenannten Dirac-Gleichung) hergeleitet werden. Das Ergebnis ist: ~ α~ ˆl · ~ŝ V̂2 = , (185) 2m2e c r3 wobei ˆli die Komponenten des Bahndrehimpulsoperators sind und wir die VektorschreibP ~ ~ ~ weise ˆl · ~ŝ = 3i=1 ˆli ŝi verwenden. Mit dem Gesamtdrehimpulsoperator L̂ = ˆl + ~ŝ kann der ~ Operator ˆl · ~ŝ umgeschrieben werden als: ~ˆ ~ 1 2 ˆ2 l · ŝ = (L̂ − l − ŝ2 ) . 2 Die Eigenwerte dieses Operators sind: ~2 (L(L + 1) − l(l + 1) − s(s + 1)) , 2 wobei im letzten Term s = Energie in 1. Ordnung 1 2 En(1) = hn(0) |V̂2 |n(0) i = = zu setzen ist. Mit Gl.(181) ergibt sich für die Korrektur zur α~ ~2 1 · (L(L + 1) − l(l + 1) − 43 ) · 1 2 3 2me c 2 l(l + 2 )(l + 1)n3 rB (0) (En )2 n (L(L + 1) − l(l + 1) − 43 ) α4 me c2 (L(L + 1) − l(l + 1) − 43 ) = (186) . me c2 4n3 l(l + 12 )(l + 1) l(l + 12 )(l + 1) 90 Diese Korrektur ist von der gleichen Größenordnung wie (184) Gesamtkorrektur Nach Summation der beiden Termen (184) und (186) ergeben sich die korrigierten EnergieEW bis zur 1. Ordnung zu: Feinstruktur (0) En,L = = En(0) + (1) En,L E1 α2 1 + n2 n2 = En(0) n L+ 1 2 En 1+ 2mc2 ! 3 − . 4 4n 3− L + 12 ! (187) Bemerkungen: Die relative Korrektur ist wegen α2 ≈ 5 · 10−5 sehr klein. Sie ist immer negativ, da E1 ≈ −13, 6 eV negativ ist und wegen L = l ± 12 und l ≤ n − 1 gilt n/(L + 12 ) ≥ 1. Die magnetischen Quantenzahlen lz , sz sind nach Hinzufügen der Störung einzeln keine guten Quantenzahlen mehr, weil die Operatoren ˆlz , ŝz nicht mehr mit Ĥ (genauer: V̂2 ) vertauschen. Der Hamilton-Operator Ĥ = Ĥ0 + V̂ vertauscht aber mit den Operato2 2 ren L̂ , L̂z , ˆl2 , d.h. {Ĥ, L̂ , L̂z , ˆl2 } bilden einen vollständigen Satz von Obervablen mit zugeordneter Eigenbasis |n, L, Mz , li. Da die Feinstrukturkorrektur nur von n und dem Gesamtdrehimpuls L abhängt, sind die Energie-EW nach wie vor entartet bzgl. der Quantenzahlen Mz (EW von L̂z ) und l. Äußere Felder Die Entartung der magnetischen Quantenzahl Mz = m + sz ist eine Folge der Rotationssymmetrie des Problems: solange die Symmetrie besteht, ist die Wahl der z-Achse beliebig. Die Symmetrie kann durch das Anlegen externer Felder gebrochen werden. Diese können in der Störungstheorie durch folgende Operatoren berücksichtigt werden: Externes Feld Störoperator Bezeichnung ~ ext Elektrisch E ~ ext Magnetisch B ~ ext · ~x̂ V̂ = eE ~ ~ ext V̂ = e (ˆl + 2~ŝ) · B ”Stark-Effekt” 2m ”Zeemann-Effekt” Die durch die Felder induzierten Kräfte wirken unterschiedlich auf den Kern und das Elektron und deformieren das Atom. Die Berechnung der Energieverschiebungen erfolgt wieder ganz genauso wie oben, durch Berechnung der Matrixelemente der Störoperatoren. 91 A A.1 Anhang Kugelfächenfunktionen l = 0, m = 0 l = 1, m = 0, 1 l = 3, m = 0, 1, 2, 3 Der Abstand der ’Schale’ vom Ursprung in eine bestimmte Richtung ist proportional zum Absolutquadrat |Ylm |2 und damit zur Wahrscheinlichkeitsdichte. 92 Index Adjungierter Operator, 21, 47 Freies, n.r. Teilchen, 6 Basis Vollständige, orthonormierte, 44 Basiswechsel, 60 Bindungsenergie, 77 Bindungszustand, 33, 37 Bohrsches Atommodell, 7 Bra, 44 bracket, 44 Gemischter Zustand, 63 Gruppengeschwindigkeit, 8 Clebsch-Gordan, 73 de Broglie, 5 Delta-Funktions Potential, 29, 36 Dichteoperator, 63 Dispersionsrelation, 2, 6 Drehimpuls Addition, 71 Bahn-, 65, 68 Matrixdarstellung, 70 Spektrum, 67 Spin, 71 Drehimpulsalgebra, 65 Ebene Welle, 2, 5–7, 27, 35 Ehrenfest-Theorem, 62 Eigenbasis, 52 Eigenfunktion, 25 Eigenvektor, 49 Eigenwert -Gleichung, 25 Reelle, 27 Eigenzustand, 25, 49 Einheitsoperator, 46, 51 Endlicher Potentialtopf, 33 Energie-Impuls Relation, 6 Entartung, 28, 50, 67, 86 Epsilon-Symbol, 57 Erhaltungsgröße, 63 Ers.Regeln im Ortsraum, 12 Ersetzungsregeln, 6, 12 Erwartungswert, 19, 54 Erwartungswert allg., 21 Euler-Lagrange, 11 Feinstrukturkonstante, 89 Fourier-Tranformation, 20 Hamilton Gleichungen, 11 Hamilton-Operator, 10, 13, 39 Harmonischer Oszillator, 37, 39 3-dim., 81 Eigenfunktionen, 38, 40 Matrixdarstellung, 49 Hermitesche Polynome, 38 Hermitescher Operator, 21, 47 Hamilton-Operator, 16 Hilbertraum, 43 Inneres Produkt, 44 Interferenz, 3 Ket, 44 Kommutator, 13 Komponentendarstellung, 45 Kontinuitaetsgleichung, 17, 36 Kugelflächenfunktionen, 69 Kugelkoordinaten, 68 Laguerre-Polynome, 78 Laplace-Operator, 74 Legendre-Polynome, 69 Legendre-Tranformation, 11 Leiteroperatoren, 39, 66 Matrixdarstellung, 45, 70 Matrixelemente, 47 Messung, 23 Inkompatible Observable, 56 Kollaps, 53, 64 Kompatible Observable, 55 Wahrscheinlichkeit, 53, 64 Normierungsbedingung, 15 Orthonormalitaetsrelation, 28, 44, 51 Orts- und Impulsdarstellung, 20 Paritaetsoperator, 27, 32 Pauli-Matrizen, 57 Phasenraum, 11 93 Plancherel Theorem, 20 Plancksches Wirkungsquantum, 3 Postulate, 53 Projektionsoperator, 48, 53, 64 Radialgleichung, 75 Randbedingungen, 29 Reflektionskoeffizient, 36 Reiner Zustand, 63 Rotationsoperator, 73 Potential, 76 Spektrum, 77 Wellenfunktion, 79 Welle-Teilchen Dualismus, 2 Wellengleichung, 2 Wellenpaket, 8 Zeitentwicklung, 61 Zentralpotential, 74 Schroedinger-Gleichung, 10 Dichteoperator, 64 im Hilbertraum, 53 Zeitunabhängige, 25 Schwarzsche Ungleichung, 44 Spektrallinien, 80 Spektralsatz, 50 Spektralzerlegung, 50, 51 Spin, 46, 57, 71 Spin-Bahn-Kopplung, 90 Spur, 60 Störoperator, 83 Störungstheorie entartet, 86 nicht entartet, 84 Stern-Gerlach, 57 Stetigkeitsbedingungen, 29 Streuzustand, 35 Stromdichte, 17 Superpositionsprinzip, 6 Symmetrieoperator, 62 Translationsoperator, 60 Transmissionskoeffizient, 36 Unendl. Potentialtopf, 31, 33 Unendliches Potential, 30 Unitäre Transformation, 48, 59 Unitärer Operator, 48 Unschaerferelation, 7, 23 Vertauschungsrelationen, 13 Vollständiger Satz, 52 Vollständigkeit, 28 Energieeigenfunktionen, 27 Wahrscheinlichkeit, 53, 54, 64 Wahrscheinlichkeitsinterpretation:, 9 Wasserstoffatom Feinstruktur, 91 94