Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren

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Refresher Course Nr. 39
Aktuelles Wissen für Anästhesisten
April 2013 · Nürnberg
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren –
was ist perioperativ zu beachten?
R. Schmidt
Zusammenfassung
Das perioperative Management von Patienten mit implantiertem Herzschrittmacher oder Kardioverter/Defibrillator erfordert neben einer sorgfältigen präoperativen Abklärung eine
gute Vorbereitung des intra- und postoperativen Vorgehens
und stellt für den jeweils verantwortlichen Anästhesisten eine
besondere Herausforderung dar. Angesichts der stetig ansteigenden Zahl immer komplexerer Aggregate ist ein profundes
Verständnis der zugrundeliegenden Technologie und Funktion
essentiell, um eine optimale Betreuung der jeweiligen Patienten sicherzustellen.
Präoperatives Management
Im Rahmen des Prämedikationsgespräches sollte bei den be­
treffenden Patienten der Aggregat-Ausweis erbeten werden.
Hieraus können Hersteller und Typ sowie Stimulationsmodus,
Implantationsindikation und der Zeitpunkt der letzten Aggregatkontrolle entnommen werden. Sollte die letzte Kontrolle des
implantierten Systems länger als 12 Monate zurückliegen, ist
eine präoperative Überprüfung der Aggregatfunktion ratsam.
Wenn ein System länger als 5 Jahre implantiert ist und die
letzte Kontrolle länger als 6 Monate zurückliegt, ist auch die
Abfrage der Batteriespannung indiziert. Durch eine sorgfältige
Anamnese (Synkopen, Z.n. AV-Knotenablation etc.) sowie ein
vorliegendes EKG kann eine eventuelle Schrittmacherabhängigkeit des Patienten festgestellt werden. In diesen Situationen
sollte für die Dauer des Eingriffs eine Umprogrammierung in
einen asynchronen Modus erfolgen und die Bereitstellung al­‑
ternativer Stimulationsmöglichkeiten wie transkutaner oder
transvenöser Schrittmacher ist obligat. Des Weiteren muss ver­‑
anlasst werden, dass geeignetes Instrumentarium zum Management von Störsituationen bereitgestellt wird, wie zum Beispiel
ein Auflagemagnet. Um evtl. notwendige Umprogrammierungsmaßnahmen einleiten zu können, sollte die Kontaktnummer des verantwortlichen Rhythmologen präoperativ ermittelt
und das perioperative Vorgehen mit ihm diskutiert werden. Bei
operativen Eingriffen mit dem Risiko des Auftretens elektromechanischer Interferenz müssen die antitachykarden Funktionen
von implantierten Kardiovertern/Defibrillatoren deaktiviert
werden, da es sonst zu inadäquaten Schockabgaben kommen
kann.
Intraoperatives Management
Zur Verringerung elektromagnetischer Interferenzen ist die
Ver­wendung bipolarer Kautersysteme den unipolaren vor-
zuziehen. Ist die jeweilige Operation jedoch ohne unipolare
Hochfrequenzchirurgie nicht möglich, sollte mit möglichst
geringer Energie und kurzen Bursts mit nachfolgenden Pausen
gearbeitet und die indifferente Kauterplatte so platziert werden,
dass der Strom vom Aggregat weg fließt. Im Rahmen temporärer Störungen der Schrittmacherfunktion kann in bedrohlichen
Situationen ein Magnet als Akutmaßnahme aufgelegt werden.
Ein Pulsmonitoring zur Überwachung der mechanischen Aktivität des Herzens muss in Form der Pulsoxymetrie oder als
invasive Blutdruckmessung intraoperativ durchgeführt werden.
Postoperatives Management
In der unmittelbar postoperativen Phase muss die Überwachung der mechanischen Aktion des Herzens zunächst
fortgesetzt werden. Im Anschluss an einen operativen Eingriff
ist die Kontrolle des jeweiligen Aggregats unbedingt indiziert,
wenn Hinweise auf eine Fehlfunktion vorliegen, es zu einer
perioperativen Kardioversion bzw. Defibrillation gekommen ist
oder wenn präoperativ eine Umprogrammierung des Systems
vorgenommen wurde. Diese sollte dann schnellstmöglich,
entweder noch im Aufwachraum oder auf der Intensivstation
erfolgen. Nach thorakalem Kautereinsatz in Aggregatnähe ist
eine postoperative Kontrolle empfehlenswert, genauso nach
intraoperativer Magnetauflage. In anderen Fällen ist die Routinekontrolle zum nächsten geplanten Termin, bei länger als
5 Jahre implantierten Systemen innerhalb der nächsten drei
Monate, ausreichend. Bei Kardioverter/Defibrillator-Systemen,
deren antitachykarde Funktionen präoperativ deaktiviert wurden, ist eine möglichst schnelle Reaktivierung und Wiederherstellung der präoperativen Geräteparameter zu veranlassen. Bis
dies geschehen ist, müssen die jeweiligen Patienten lückenlos
überwacht werden.
Einleitung
Aufgrund der demographischen Entwicklung nimmt weltweit
die Zahl alter und multimorbider Patienten stetig zu. Insbesondere bei den Hochrisikopatienten haben kardiovaskuläre
Erkrankungen wie etwa die koronare Herzkrankheit oder die
schwere Herzinsuffizienz eine hohe Prävalenz. Die konsekutive Entwicklung relevanter Störungen des Reizleitungssystems
und das signifikant erhöhte Risiko der Induktion maligner
tachykarder Arrhythmien bestimmen in vielen Fällen die
Prognose in dieser Patientengruppe. Durch die Einführung von
Herzschrittmachersystemen (HSM) und implantierter Kardio-
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren – was ist perioperativ zu beachten? · R. Schmidt
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verter/Defibrillatoren (ICD) ist es gelungen, in vielen Fällen
eine verbesserte Lebensqualität sowie eine deutliche Reduktion
der Morbiditäts- und Mortalitätsraten bei Schwerstkranken zu
erreichen [1,2]. Weltweit gibt es derzeit etwa 5 Millionen HSM
bzw. ICD-Träger. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2010
circa 74.000 Herzschrittmacher und 25.500 Kardioverter/
Defibrillatorsysteme neu implantiert [3]. Angesichts dieser Entwicklung sowie der rasant zunehmenden Vielfalt immer komplexer werdender implantierter Systeme, stellt die perioperative
Betreuung dieser Patientengruppe hohe Anforderungen an das
behandelnde Team. Es ist daher essentiell, die zugrundeliegende Technologie sowie die Funktion der diversen Aggregate
zu kennen, um eine optimale Patientenversorgung sicherzustellen. Aufgrund unzureichender Daten bezüglich der durch
Aggregatfehlfunktionen bedingen perioperativen Komplikationen gibt es bis heute keine national oder international publizierten Leitlinien zur Versorgung von Patienten mit HSM oder
ICD. Die derzeit verfügbare Literatur besitzt aus diesem Grunde
keinen Leitliniencharakter sondern ist eine größtenteils auf
Expertenmeinungen basierende Zusammenstellung von Empfehlungen für die klinische Praxis. Die aktuellsten und relevantesten Publikationen im angloamerikanischen Sprachraum sind
die gemeinsam von der American Society of Anesthesiologists
(ASA) und der Heart Rhythm Society (HRS) im Jahr 2011 veröffentlichten Empfehlungen und das Konsensuspapier der HRS in
Zusammenarbeit mit der ASA, der American Heart Association
sowie der Society of Thoracic Surgeons aus dem selben Jahr
sowie das 2012 publizierte gemeinsame Positionspapier der
Canadian Cardiovascular Society, der Canadian Anesthesiologists’ Society und der Canadian Heart Rhythm Society [4-7].
Im deutschsprachigen Raum stützen sich die Empfehlungen
auf ein im Jahr 2009 publiziertes gemeinsames Positionspapier
von drei Fachgesellschaften, der Österreichischen Gesellschaft
für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin, der
Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie sowie Empfehlungen der
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie [2,8].
Grundlagen
Herzschrittmacher
Grundsätzlich unterscheidet man temporäre von permanent
implantierbaren Schrittmachern. Temporäre Stimulation kann
mittels externer Klebeelektroden, transösophageal oder über
zentralvenös eingebrachte Spezialkatheter erfolgen. Permanente Schrittmacher erfordern hingegen die in der Regel präpectorale Implantation eines Pulsgenerators, der seine Energie
über intrakardial fixierte Schrittmachersonden auf das Myokard
überträgt. Abhängig vom Stimulationsort bzw. von der Position
der eingebrachten Sonden gibt es Einkammer- (Vorhof oder
Kammer), Zweikammer- (Vorhof und Kammer; Abb. 1) oder
Dreikammerschrittmacher (Vorhof und beide Kammern). Beim
Dreikammerschrittmacher wird neben rechtem Vorhof und
36
Abbildung 1
Thorax-Röntgenbild eines typischen Zweikammer-Schrittmachers.
rechter Kammer eine zusätzliche Sonde über den Sinus coronarius in den Bereich der linken Kammer eingebracht. So kann
durch differenzierte Stimulation eine Resynchronisierung der
Herzkontraktion erreicht werden, mach spricht hier auch von
‚cardiac resynchronization therapy’ (CRT).
Es gibt Schrittmacher mit unipolaren oder bipolaren Elektroden. Bei letzteren befinden sich Anode und Kathode auf der
Sonde selbst, bei unipolaren Schrittmachern ist die Kathode
auf der Sonde lokalisiert während das Aggregat als Anode
fungiert. Dies bedeutet, dass die Distanz zwischen Anode und
Kathode bei bipolaren Schrittmachern wesentlich geringer als
bei unipolaren ist, was die Anfälligkeit für elektromechanische
Interferenz wesentlich reduziert und somit einen großen
Vorteil dieser Technologie darstellt. Die ganz überwiegende
Mehrzahl der heute implantierten Aggregate nutzt bipolare
Sonden. Die Indikationen zur Herzschrittmachertherapie sind
sehr umfangreich und stützen sich auf die von der Deutschen
Gesellschaft für Kardiologie publizierten Leitlinien [9,10].
Zusammenfassend ergibt sich die Indikation zur Implantation
eines HSM-Systems zum einen bei symptomatischer Bradykardie (z.B. Sinusknoten-Dysfunktion oder höhergradigen AVBlockierungen) und aus prognostischen Gründen. Bei letzterer
kann der Patient prinzipiell asymptomatisch sein und die In­
dikation ergibt sich rein aus der Kombination der Grundkrankheit und dem EKG-Befund.
Herzschrittmacher-Kodierung
Die heute verwendeten Schrittmacher folgen dem seit 1988
geltenden und 2002 revidierten North American Society of
Pacing and Electrophysiology (NASPE)/British Pacing and
Electrophysiology Group (BPEG) Generic Code (NBG-Code)
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Tabelle 1
Der revidierte North American Society of Pacing and Electrophysiology (NASPE) und British Pacing and Electrophysiology (BPEG) Generic Code (NBGCode) [11].
Position I
Position II
Position III
Position IV
Position V
Stimulationsort
Registrierungsort
Betriebsart
Frequenzadaptation
Multifokale Stimulation
0 = keiner
0 = keiner
0 = keine
0 = keine
0 = keine
A = Atrium
A = Atrium
I = inhibiert
R = adaptiv
A = Atrium
V = Ventrikel
V = Ventrikel
T = getriggert
V = Ventrikel
D = Dual (A+V)
D = Dual (A+V)
D = Dual (I+T)
D = Dual (A+V)
(Tab. 1) [11]. Eine gründliche Auseinandersetzung mit den
Einzelheiten dieser Kodierung ist wichtig, um die jeweiligen
Aggregate und deren Programmierung gut zu verstehen. Der
erste Buchstabe beschreibt den Stimulationsort. „A“ steht für
Stimulation im Atrium (Vorhof), „V“ für Stimulation im Ven­‑
trikel (Herzkammer), „D“ weist auf eine duale Stimulations­
form hin (Vorhof und Kammer) und „0“ steht für keine Stimulation. Der zweite Buchstabe gibt den Detektionsort an, wobei
die Kodierung dem eben genannten entspricht. Der dritte
Buchstabe definiert die Betriebsart des Aggregats. Im Inhibitionsmodus „I“ wird die Abgabe eines Impulses bei eigener
Herzaktivität unterdrückt. Im Triggermodus „T“ führt ein im
Vorhof registriertes Signal zur Impulsabgabe im Ventrikel. Auch
hier bedeutet die Kodierung „D“ (Dual), dass beide Funktionen
(Inhibitions- und Triggermodus) unterstützt werden. Der vierte
Buchstabe bezeichnet die Möglichkeit zur Frequenzadaptation. Dies bedeutet, dass die Schrittmacherfrequenz z.B. bei
körperlicher Anstrengung an ein belastungsinduziertes Signal
angepasst werden kann. Die derzeit am häufigsten für diese
Funktion eingesetzten Sensoren sind Kombinationen aus be­‑
wegungssensitiven Akzelerometern und die Impedanzänderungen des Thorax während des Atemzyklus detektierenden
Sensoren, die dann die Schrittmacherfrequenz bewegungsabhängig modulieren. Wenn diese Funktion programmiert ist,
wird dies mit „R“ (engl.: rate modulation, Ratenmodulation)
kenntlich gemacht. Ist sie ausgeschaltet, bezeichnet dies ein
„0“. Der fünfte Buchstabe definiert den Ort der multifokalen
Stimulation. „A“ bezeichnet Mehrstellenstimulation im rechten
Atrium oder Stimulation im rechten und im linken Atrium. „V“
gibt eine multifokale Stimulation im rechten Ventrikel oder
Stimulation im rechten und linken Ventrikel an (biventrikuläre
Stimulation). „D“ steht für Mehrstellenstimulation in Atrium
und Ventrikel und „0“ steht für keine multifokale Stimulation.
Die biventrikuläre Stimulation im Sinne der CRT hat eine hohe
klinische Relevanz. Die klassische Indikation für eine CRT
stellt die schwere Linksherzinsuffizienz (NYHA III/IV, LVEF
<35%) mit Schenkelblockbild und erhaltenem Sinusrhythmus
dar. Große Untersuchungen konnten zeigen, dass CRT zu einer
signifikanten Verbesserung der linksventrikulären Funktion,
der Lebensqualität, der Morbidität und Mortalität führen kann
[12-14].
Implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren
Die überwiegende Zahl der in Deutschland auftretenden HerzKreislaufstillstände sind ursächlich bedingt durch tachykarde
ventrikuläre Rhythmusstörungen. Für Patienten, die ein hohes
Risiko für die Entwicklung solcher ventrikulärer Arrhythmien
bieten bzw. eine entsprechende Episode bereits überlebt haben
ist die nachweislich effektivste Therapiemodalität die Implantation eines ICD-Systems. Die von der Deutschen Gesellschaft
für Kardiologie publizierten Leitlinien zur ICD-Implantation
zeigt Tabelle 2. Implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren
detektieren maligne ventrikuläre Arrhythmien und reagieren je
nach Typ der Rhythmusstörung mit Überstimulation (over-drive
pacing), synchronisierter Schockabgabe (Kardioversion) oder
nicht synchronisierter Schockabgabe (Defibrillation).
Tabelle 2
Indikationen zur ICD-Implantation1.
1
Symptome
Empfehlung
Evidenz
Herz-Kreislauf-Stillstand durch Kammertachykardie oder Kammerflimmern
I
A
Kammertachykardie mit hämodynamischer
Wirksamkeit
I
A
Synkope bei EF ≤40% ohne andere Ursachen
I
A
Myokardinfarkt (vor >4 Wochen) und
EF ≤30%
I
B
Herzinsuffizienz (NYHA II/III) und EF ≤35%
I
B
Brugada-Syndrom mit unklarer Synkope
I
C
Brugada-Syndrom, asymptomatisch, mit
Risikomarker
IIa
C
Long-QT-Syndrom mit Synkopen unter
Betablockern
IIa
C
Hypertrophe Kardiomyopathie, arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
mit Risikomarkern
IIa
C
Kurzes QT-Syndrom
IIa
C
Brugada-Syndrom, asymptomatisch, ohne
Risikomarker
IIb
C
Dilatative Kardiomyopathie und EF ≤35%,
Dauer >9 Monate
IIb
A
modifiziert nach [32,33]
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren – was ist perioperativ zu beachten? · R. Schmidt
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Tabelle 3
Der North American Society of Pacing and Electrophysiology (NASPE) und British Pacing and Electrophysiology (BPEG) Defibrillator Code (NBD-Code) [34].
Position I
Position II
Position III
Position IV
Schockkammer
Antitachykarde Stimulationskammer
Tachykardiedetektion
Antibradykarde Stimulationskammer
0 = keine
0 = keine
E = EKG
0 = keine
A = Atrium
A = Atrium
H = Hämodynamik
A = Atrium
V = Ventrikel
V = Ventrikel
V = Ventrikel
D = Dual (A+V)
D = Dual (A+V)
D = Dual (A+V)
Kodierung von implantierbaren Kardiovertern/
Defibrillatoren
Die Klassifikation der ICD-Systeme erfolgt über den NASPE/
BPEG-Defibrillator Code (NBD-Code), in dem die Definition
der verschiedenen Buchstaben in vielen Punkten dem Herzschrittmachercode (NBG-Code) entspricht. So bezeichnet der
erste Buchstabe die Lokalisation der Schockkammer („A“
steht für Schockabgabe im Atrium, „V“ für Schockabgabe im
Ventrikel, „D“ weist auf eine duale Schockabgabe hin (Atrium
und Ventrikel) und „0“ steht für keine Schockprogrammierung.
Der Buchstabe an Position II definiert die Lokalisation der
antitachykarden Stimulationskammer bei Einsatz der Arrhythmieterminierung mittels Überstimulation (Kodierung „A“, „V“,
„D“, „0“ wie oben) und der dritte Buchstabe gibt die Art der
Tachykardiedetektion an. „E“ steht für Tachykardieerkennung
durch das EKG. Der Buchstabe „H“ bezeichnet grundsätzlich
38
die Möglichkeit der Tachykardiedetektion mittels hämodynamischer Parameter. Diese Option ist jedoch bisher auf experimentelle Untersuchungen beschränkt und somit noch nicht in
der klinischen Praxis verfügbar. Der vierte Buchstabe gibt an,
ob der ICD auch eine antibradykarde Funktion aufweist, wobei
bei kombinierten antitachykarden/antibradykarden Systemen
der vierte Buchstabe des NBD-Codes durch den kompletten
NBG-Code ersetzt wird. So kann ein implantierter Kardioverter/Defibrillator mit kombiniertem Dreikammerschrittmacher
mit DDD-Funktion und programmierter Frequenzadaptation
beispielsweise die Bezeichnung VVE-DDDRV haben.
Im Röntgenbild des Thorax sind ICD-Systeme an der röntgendichten dickeren Drahtspule („coil“) im Bereich der rechten
Kammer (single coil ICD) oder zusätzlich in der V. cava superior (dual coil ICD) zu erkennen und damit leicht von reinen
Schrittmachersystemen zu unterscheiden (Abb. 2 und 3).
Abbildung 2
Abbildung 3
Thorax-Röntgenbild eines typischen Zweikammer-Schrittmachers mit
kombiniertem Kardioverter/Defibrillator und single-coil-Sonde im rechten
Ventrikel.
Thorax-Röntgenbild eines typischen Dreikammer-Schrittmachers (Cardiac
Resynchronization Therapy (CRT)) mit kombiniertem dual-coil Kardioverter/Defibrillator. Zu beachten ist die quadripolare Elektrode der über
den Sinus coronarius eingebrachten Schrittmachersonde zur Resynchronisierung der Herzaktion.
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Perioperative Überlegungen
Das perioperative Risiko ergibt sich aus dem Risiko der zugrunde liegenden Erkrankung plus dem Risiko einer möglichen
Fehlfunktion des Aggregats. Bei Einhaltung der vorgeschriebenen Kontrollen des HSM/ICD Systems sind perioperative
Generatorausfälle eine Rarität. Aggregatfehlfunktionen können
jedoch abhängig von der Lokalisation des operativen Eingriffs
und insbesondere der Intensität elektromechanischer Interferenz (EMI) auftreten, sind allerdings in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle temporärer Natur. Perioperative Aggregatfehlfunktionen können entweder durch direkte mechanische
Schädigung der Elektroden und/oder des Pulsgenerators sowie
durch elektromechanische Interferenz (EMI) begründet sein.
Tabelle 4
Potentielle Störbeeinflussungen implantierter Herzschrittmacher und Kar­
dioverter/Defibrillatoren durch Elektrokauter.
Asynchrone Stimulation
Inhibition der Stimulation
Triggerung einer schnellen Stimulation
Inadäquater Mode-Switch
Frequenzanstiege durch Beeinflussung von Atemminutenvolumensensoren
Inadäquate Tachykardiedetektion
Inadäquate Tachykardietherapie (Stimulation oder Schock)
Inhibition einer adäquaten Tachykardietherapie
Umprogrammierung
Direkte mechanische Schädigung
Reset
Direkte mechanische Schädigung der Elektroden und/oder des
Aggregats können vor allem bei herz- und thoraxchirurgischen
Eingriffen operativ bedingt sein. Des Weiteren sollte insbesondere innerhalb der ersten sechs Wochen nach Implantation
von intrakardialen Sonden besondere Vorsicht bei der Anlage
zentralvenöser und insbesondere pulmonalarterieller Katheter
geboten sein. Schädigungen können hier zum einen durch
direkte Punktion der Sondenkabel und andererseits durch
Dislokation der Elektroden aufgrund Knotenbildung des
pulmonalarteriellen Katheters entstehen. Um Schäden durch
Punktion zu vermeiden, muss die Lage des Aggregats bzw.
der Elektrodenkabel vor einer eventuellen Punktion zentraler
Gefäße evaluiert werden, um eine alternative Punktionsmöglichkeit zu definieren. Des Weiteren ist in kritischen Situationen die sonographiegesteuerte Punktion sinnvoll, um sowohl
Nadelspitze der Punktionskanüle als auch Elektrodenkabel
sicher zu identifizieren.
Backup-Stimulation
Elektromechanische Interferenz
Elektrokauter
Durch den Einsatz von Elektrokautern kann es zu einer Viel­zahl
von Störeinflüssen auf Herzschrittmacher oder implantierte
Kardioverter/Defibrillatoren kommen [8]. Eine Zusammenstellung der bisher publizierten durch Elektrokauter bedingten
Probleme zeigt Tabelle 4. Um das Risiko elektromechanischer
Interferenz möglichst niedrig zu halten, sollte zunächst jeder
Einsatz eines Elektrokauters kritisch hinterfragt werden. Ist
die Operation nicht ohne Elektrochirurgie durchzuführen,
sollten bevorzugt bipolare Kauter (Strom fließt nur zwischen
den Pinzettenspitzen) mit niedriger Energie verwandt werden.
Bei Gebrauch von unipolaren Elektrokautern (Strom fließt
vom Kauter zur Neutralelektrode) muss der Strom durch gezieltes Kleben der Neutralelektrode vom Aggregat weggeleitet
werden. Wenn möglich, ist ein Mindestabstand von 15 cm
zwischen Elektrokauter und Aggregat einzuhalten. Um die
Möglichkeit eines Oversensings mit ungewollter Inhibition
der Schrittmacheraktivität zu vermeiden, sollten kurze Bursts
von 1-2 Sekunden Dauer gefolgt von einigen Sekunden Pause
Aktivierung des End-of-life-Indikators
Reizschwellenanstieg
Induktion von ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern
Aggregatdefekt/Aggregatausfall
verwandt werden. Der Begriff „Oversensing“ bezeichnet die
Wahrnehmung von elektrischen Signalen, die normalerweise
nicht vom Aggregat detektiert werden sollten, jedoch zu einer
Inhibition des Herzschrittmachers führen.
Elektrokrampftherapie
Elektrokrampftherapien (EKT) können zu signifikanten EKGVeränderungen sowie hämodynamischen Alterationen im
Sinne von Hypotonie mit Bradykardie meist gefolgt von Hypertonie mit Tachykardie führen. Insbesondere bei schwer kardial
vorerkrankten Patienten kann dies auch noch Stunden nach
der eigentlichen Intervention in einer akuten Myokardischämie
und/oder Herzinsuffizienz resultieren. Derzeit gibt es jedoch
keine klinischen Studien, die relevante elektromechanische
Interferenzen oder durch EKT bedingte Aggregatfehlfunktionen
nachweisen konnten. Aus Sicherheitsgründen sollte jedoch
die antitachykarde Funktion von ICD-Systemen während der
elektrokonvulsiven Behandlung deaktiviert werden. Bei HSMabhängigen Patienten ist zur Vermeidung von potentiellen
Aggregatinhibitionen die Umprogrammierung in einen asynchronen Modus mit dem behandelnden Rhythmologen zu
diskutieren [6].
Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie
Durch vom Lithotripter generierte Impulse kann es sowohl zu
ventrikulären Extrasystolen als auch zu Einzelschlaginhibierungen am HSM-Aggregat kommen. Diese Risiken können durch
R-Zacken getriggerte Abgabe der Stoßwellen reduziert werden.
Da durch den Schrittmacher ausgelöste Vorhofstimulationen
prinzipiell vom Lithotripter als R-Zacke misinterpretiert wer­
den könnten, empfehlen die Fachgesellschaften hier die prä­‑
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren – was ist perioperativ zu beachten? · R. Schmidt
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Aktuelles Wissen für Anästhesisten
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operative Deaktivierung der atrialen Stimulation [6]. Die anti­
tachykarden Funktionen eines ICD sollten für die Dauer der
Lithotripsie deaktiviert werden. Um direkte Schädigungen am
Aggregat zu vermeiden, ist der Fokus des Stoßwellen-Lithotripters mindestens 15 cm vom implantierten Aggregat entfernt zu
definieren [15]. Die genannten Empfehlungen gründen sich
auf Expertenmeinungen, denen theoretische Überlegungen zugrunde liegen. Harte Daten für einen klinischen Vorteil dieser
Maßnahmen liegen derzeit nicht vor [6].
Magnetresonanztomographie
Durch hohe statische Magnetfelder, gepulste Hochfrequenzfelder sowie schnell geschaltete magnetische Gradientenfelder kann es zur Erwärmung von Elektroden mit myokardialen
Nekrosen kommen. Nahezu jede denkbare Aggregatdysfunktion wurde bereits in der Literatur beschrieben. Andererseits
haben eine ganze Reihe klinischer Untersuchungen zeigen
können, dass MRT Untersuchungen auch bei Patienten mit
Aggregaten älterer Bauart problemlos durchgeführt werden
konnten [2,16]. Bisher sind etwa 1500 MRT-Untersuchungen
bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierten Kardiovertern/Defibrillatoren in der Literatur beschrieben. Davon
wurden allerdings nur 344 Patienten im Rahmen prospektiver
klinischer Studien untersucht, welche die Sicherheit der MRT
bei HSM/ICD-Trägern evaluiert haben. Des Weiteren ist zu
beachten, dass ein Großteil dieser Daten bei Tomographen mit
Feldstärken von 0,5 bis 1,5 Tesla erhoben worden sind. Keine
Erfahrung besteht mit modernen Geräten, die beispielsweise
Feldstärken von 3 Tesla aufweisen [16]. Aufgrund der genann­ten
Interaktionen zwischen MRT und Aggregat bzw. implantierten
Sonden gilt die Magnetresonanztomographie (MRT) allgemein
als kontraindiziert bei Patienten mit HSM/ICD-Systemen. Nur
in äußerst dringenden Fällen, in denen es keine alternativen
Untersuchungsverfahren gibt und der zu erwartende Nutzen
eindeutig mögliche Risiken überwiegt, sehen sowohl die USamerikanischen als auch die europäischen Leitlinien (auch bei
Patienten mit HSM oder ICD älterer Bauart) eine Indikation
für die Durchführung der MRT [17,18]. Diese muss dann
aber unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt
werden. Hierzu ist eine sorgfältige Vorbereitung erforderlich,
die den Kontakt mit dem die Untersuchung anfordernden
Kollegen, dem behandelnden Rhythmologen sowie dem Radiologen einschließt. Des Weiteren sind beispielsweise über
die Hotline des Aggregat-Herstellers die exakten Angaben über
das implantierte Gerät zu beschaffen (Tab. 5) [6]. Eine solche
Untersuchung sollte im elektiven Routinebetrieb stattfinden
und erfordert neben einer kontinuierlichen Pulsüberwachung
und dem Vorhandensein externer Stimulations- bzw. Defibrillationsmöglichkeiten auch die persönliche Anwesenheit eines
in der Notfallmedizin versierten Arztes sowie eines Rhythmologen mit Telemetriegerät, mit dem im Vorfeld die präinterventionelle Umprogrammierung in einen asynchronen Modus
diskutiert werden sollte [2]. Seit wenigen Jahren gibt es nun
auf dem deutschen Markt Herzschrittmacher-Systeme und seit
Kurzem auch ein ICD-System, welche für eine Anwendung im
MRT unter bestimmten Bedingungen zugelassen sind. Auch
40
Tabelle 5
Notfall-Hotlines der Hersteller von HSM/ICD-Systemen1,2.
Hersteller
Internet
Notfall-Hotline
Biotronic
www.biotronic.de
+49 (0)30 - 68905 - 2200
Boston Scientific www.bostonscientific.de
(inkl. Guidant)
+49 (0)2102 - 489 - 770
Medtronic
www.medtronic.de
+49 (0)2159 - 8149 - 112
Sorin Group
www.sorin.de
+49 (0)172 - 8222222
St. Jude Medical www.sjm.de
+49 (0)180 - 3666546
Vitatron
+49 (0)2159 - 8149 - 112
www.vitatron.de
Für aktuelle Informationen und Aggregat-Datenbank siehe auch:
www.herzstimulation.info
1
2
ohne Garantie für Aktualität und Vollständigkeit
modifiziert nach [15]
hier muss das Vorgehen im Vorfeld interdisziplinär besprochen
werden, da die aktuell verfügbaren Geräte beispielsweise nur
für Tomographen bis zu einer Feldstärke von maximal 1,5 Tesla
vom Hersteller freigegeben sind.
Monitoring
Sowohl moderne Monitore als auch Herzschrittmacher ver­
wenden niedrige Stromflüsse, um thorakale Impedanzänderungen während des Atemzyklus zu detektieren und daraus
die Atemfrequenz zu messen bzw. das Atemminutenvolumen
näherungsweise zu berechnen. Durch Interaktion der angelegten elektrischen Energie kann nun EMI resultieren mit der
Folge von monitorinduzierten Tachykardien [19]. Bei neueren
HSM-Systemen mit kombinierten Sensoren zur Frequenz­
adaptation wird jedoch der Atemminutenvolumensensor erst
bei Erkennung einer Bewegung durch den Akzelerometersensor
freigegeben, so das hier das Risiko einer Interferenz deutlich
geringer ist [2].
Nervenstimulation
Sowohl die transkutane Nervenstimulation (TENS) als auch
die für die Anlage von Plexusanästhesien verwendete Nervenstimulation können EMI verursachen. Zum einen kann
die Schockabgabe bei ICD-Geräten getriggert werden, zum
anderen besteht die Möglichkeit des „Oversensing“ mit
nachfolgender Inhibition von Schrittmacherimpulsen, was
Bradykardien oder im ungünstigsten Fall eine Asystolie zur
Folge hätte [20,21]. Um das Risiko dieser Komplikationen so
niedrig wie möglich zu halten sollte eine niedrige Impulsstärke
gewählt werden und der Einsatz auf die kürzestmögliche Zeit
beschränkt bleiben. Unter diesen Voraussetzungen sollte der
Gebrauch bei Patienten mit HSM und ICD-Systemen unpro­
blematisch sein [15].
Radiofrequenzablation
Ablative Verfahren mittels Radiofrequenzen kommen sowohl
intrakardial (z.B. bei Vorhofflimmern oder Kammertachykardien) als auch extrakardial etwa zur destruktiven Therapie von
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren – was ist perioperativ zu beachten? · R. Schmidt
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April 2013 · Nürnberg
Neoplasien zur Anwendung. Bei beiden Verfahren können
HSM und ICD-Systeme durch EMI beeinflusst werden, wobei
eine Vielzahl von Störungen beschrieben sind. Die genauen
Effekte der Reaktionen sind im Einzelfall jedoch nicht vorhersagbar [22,23]. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden,
dass kein Kontakt zwischen Ablationskatheter und Pulsgenerator bzw. Elektroden besteht und der Strompfad so weit als
möglich vom Aggregat sowie den implantierten Sonden entfernt ist. Während der gesamten Prozedur müssen eventuelle
Auffälligkeiten mit dem Untersucher direkt diskutiert werden
[6].
Radiotherapie
Diagnostische Röntgenstrahlung hat keinen Einfluss auf HSM
oder ICD-Aggregate, so dass diesbezügliche Untersuchungen
ohne Probleme indiziert und durchgeführt werden können.
Therapeutisch eingesetzte ionisierende Strahlung im Megavoltbereich kann jedoch Ursache diverser Aggregatdysfunktionen
sein, wobei aus der aktuellen Literatur derzeit kein sicherer
Schwellenwert hervorgeht, unter dem die applizierte therapeutische Dosis als unbedenklich angesehen werden kann
[24]. Bei der Therapie mit ionisierenden Strahlen ist darauf zu
achten, dass die HSM/ICD-Aggregate außerhalb des direkten
Bestrahlungsfeldes liegen. Ist dies der Fall, kann eine Radiotherapie bei dieser Patientengruppe sicher durchgeführt werden.
Sollte der Generator nicht durch ein Strahlenschild verdeckt
oder geschützt werden können, bzw. das Aggregat im direkten
Strahlengang zu liegen kommen, wird eine präinterventionelle
chirurgische Umpositionierung des HSM/ICD-Aggregats emp­‑
fohlen [6]. Schon in der Phase der Bestrahlungsplanung macht
es Sinn, den betreuenden Rhythmologen frühzeitig zu invol­
vieren und das konkrete Vorgehen während des Behandlungszyklus interdisziplinär festzulegen [25].
Die präoperative Phase
Im Rahmen des Prämedikationsgespräches sollte von den
betreffenden Patienten der Aggregat-Ausweis erbeten werden.
Hieraus können Hersteller und Typ sowie Stimulationsmodus,
Implantationsindikation und der Zeitpunkt der letzten Aggregatkontrolle entnommen werden. Sollte die letzte Kontrolle
des implantierten Systems länger als 12 Monate zurückliegen
oder zeigen sich Hinweise einer Aggregat-Dysfunktion, ist
eine präoperative Überprüfung des Gerätes zu fordern. Wenn
ein System länger als 5 Jahre implantiert ist und die letzte
Kontrolle länger als 6 Monate zurückliegt, ist auch die Abfrage
der Batteriespannung indiziert [2]. Ist der Aggregatausweis
nicht verfügbar, können die benötigten Informationen vom
betreuenden Rhythmologen erfragt werden. Aufschluss über
den Aggregattyp gibt auch ein vorliegendes Röntgenbild des
Thorax (Abb. 1-3). Die Kontaktierung des Herstellers über
die jeweilige 24-h-Hotline kann ebenfalls hilfreich sein, um
spe­zielle Eigenschaften des Aggregats und Hinweise zum peri­
operativen Vorgehen zu erhalten (Tab. 5). Durch eine sorgfäl­‑
tige Anamnese (Synkopen, Z.n. AV-Knotenablation etc.), das
Fehlen von eigenen Ventrikelaktionen während einer bradykarden VVI-Stimulation im Zuge der letzten Aggregatkontrolle
sowie ein vorliegendes EKG (kontinuierliche Schrittmacheraktivität) kann eine eventuelle Schrittmacherabhängigkeit des
Patienten festgestellt werden. Im Zuge der körperlichen Untersuchung während der Prämedikationsvisite muss die Implantationsstelle des Aggregats begutachtet und palpiert werden,
um Auffälligkeiten wie Infektionen zu erkennen. Zusätzlich zu
den oben genannten Informationen muss die Frage nach der
Wahrscheinlichkeit des Auftretens intraoperativer elektromechanischer Interferenz beantwortet werden. Davon abhängig
ist, ob die präoperative Umprogrammierung in einen asynchronen Modus bzw. die Deaktivierung der Frequenzadaptation
bei antibradykarden Systemen und/oder die Deaktivierung der
antitachykarden Funktion von ICD-Aggregaten erfolgen sollte.
Wenn elektromechanische Interferenz wahrscheinlich ist (z.B.
Einsatz von Elektrokautern bei thorakalen Eingriffen) sollte
beim schrittmacherabhängigen Patienten die Umprogrammierung in einen asynchronen Modus sowie die Deaktivierung
der frequenzadaptiven Funktionen vorgenommen werden.
Wenn der Implantationsbereich des Aggregats intraoperativ
zugänglich ist, kann nach Rücksprache mit dem betreuenden
Rhythmologen auch ein Magnet während des Eingriffs aufgelegt
werden. Die Magnetauflage führt bei HSM-Aggregaten für die
Dauer der Auflage zur Stimulation im asynchronen Modus mit
der sogenannten „Magnetfrequenz“, die Frequenzadaptation
ist dabei deaktiviert.
Bei neueren Modellen hat kontinuierliche EMI die automatische Umschaltung des Aggregats in den sogenannten
„noise-interference-mode“ zur Folge, welcher automatisch
eine asynchrone Stimulation bewirkt, so dass bei diesen Modellen eine präoperative Umprogrammierung entfallen kann
[2]. Ob das jeweilige Gerät die genannte Option beinhaltet,
ist im Gespräch mit dem verantwortlichen Rhythmologen zu
klären. Bei Patienten, die nicht schrittmacherabhängig sind,
ist die Umprogrammierung des HSM in einen asynchronen
Modus nicht notwendig. In Situationen, bei denen keine elektromechanische Interferenz zu erwarten ist, die turnusmäßige
Kontrolle des ICD-Systems regelhaft stattgefunden hat und
die Operation nicht im Bereich des Pulsgenerators oder der
Sonden stattfindet, ist eine Deaktivierung der antitachykarden
Funktionen nicht zwingend notwendig. In allen anderen
Fällen muss die antitachykarde Funktion deaktiviert werden.
Dies kann entweder durch präoperative telemetrische Umprogrammierung oder mittels intraoperativer Magnetauflage
geschehen. Von einer routinemäßigen Magnetauflage wird
weiterhin abgeraten, da die individuelle Reaktion auf diese
Maßnahme nicht sicher vorausgesagt werden kann. Aus diesem Grunde sollte nach Rücksprache mit dem betreuenden
Rhythmologen das individuelle Vorgehen festgelegt werden.
Bei der Betreuung von Patienten mit HSM und ICD-Systemen
ist die Bereitstellung alternativer Stimulationsmöglichkeiten
wie transkutaner oder transvenöser Schrittmacher obligat. Des
Weiteren muss veranlasst werden, dass geeignetes Instrumentarium zum Management von Störsituationen bereitgestellt
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren – was ist perioperativ zu beachten? · R. Schmidt
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wird, wie zum Beispiel ein Auflagemagnet. Im Gespräch mit
dem verantwortlichen Operateur ist zu klären, ob die Verwendung von bipolaren Elektrokautern bzw. Ultraschall-Skalpells
statt unipolarem Instrumentarium möglich ist, um das Risiko
elektromechanischer Interferenz zu minimieren.
Die intraoperative Phase
Die Wahl des Anästhesieverfahrens
Weder Allgemeinanästhesie- noch Regionalanästhesieverfah­
ren beeinflussen Herzschrittmacher oder implantierbare Kar­
dio­
verter/Defibrillatoren [6]. Daher sollten die Narkoseform
und Auswahl der Anästhetika ausschließlich durch die Grundund Begleiterkrankungen der jeweiligen Patienten determiniert
werden. Intraoperativ auftretende physiologische Veränderungen wie etwa Elektrolytverschiebungen (z.B. Hypokaliämie
als Folge von Hyperventilation) können jedoch zu einer Veränderung der Reizantwort führen und sind selbstverständlich
engmaschig zu überwachen und zu therapieren.
Umfang des intraoperativen Monitorings
Der Umfang des intraoperativen Monitorings ist abhängig
von den Grunderkrankungen des Patienten. Sowohl die Herzfrequenz als auch der Rhythmus sollten besonders sorgfältig
kontrolliert und das Erkennen von Schrittmacherspikes am
EKG-Monitor aktiviert werden. Die Überwachung der mechanischen Aktivität des Herzens bei HSM/ICD-Trägern ist aufgrund des erhöhten Risikos der pulslosen elektrischen Aktivität
in dieser Patientengruppe obligat. Dies kann durchaus mittels
gut abgeleitetem Pulsoxymetersignal erfolgen oder durch eine
invasive arterielle Blutdruckmessung.
Mögliche Störeinflüsse
Quellen elektromechanischer Interferenz sollten schon in der
präoperativen Phase identifiziert und wenn immer möglich
vermieden werden. Einzelheiten zu den diversen EMI-Quellen,
Risiken und deren Minimierung wurden bereits im Abschnitt
„Perioperative Überlegungen –> Elektromechanische Interferenz“ detailliert aufgezeigt.
Management von Notfallsituationen
Externe Kardioversion oder Defibrillation
Im Falle einer perioperativen Notfallsituation mit Notwendigkeit der externen Kardioversion oder Defibrillation, ist der
operative Kollege unmittelbar über den Sachverhalt zu infor­‑
mieren. Im nächsten Schritt sollten alle Quellen elektro­
mechanischer Interferenz beseitigt und anschließend ein
eventuell aufliegender Magnet entfernt werden, um damit den
Versuch einer durch das implantierte Aggregat selbst zu terminierenden malignen Arrhythmie zu unternehmen. Sollte das
eigene System nicht adäquat auf die bestehende Rhythmusstö­
rung reagieren oder die antitachykarde Funktion präoperativ
deaktiviert worden sein, muss nach aktuellen Notfall-Leitlinien
vorgegangen und von extern kardiovertiert oder defibrilliert
42
werden [26]. Dabei gilt es, die durch das Aggregat fließende
Energie möglichst niedrig zu halten, um das Risiko irreversibler Schäden zu minimieren. Die optimale Positionierung der
Defibrillatorelektroden hat Einfluss auf den durch das HSM/
ICD-System fließenden Strom. So lässt sich dieser durch eine
anterior-posteriore Positionierung verringern, weil dadurch der
Strom quer zur gedachten Verbindung zwischen Generator und
HSM-Elektrode fließt. Gleichzeitig sollten die Klebeelektroden
wenn möglich mindestens 10 cm vom Aggregat entfernt angebracht werden. Grundsätzlich sind biphasische Schockformen
monophasischen vorzuziehen, da sie mit geringerer Energie
arbeiten [27]. Nach jeder externen Kardioversion und/oder
Defibrillation muss eine telemetrische Kontrolle des HSM/ICDSystems durchgeführt werden [2,6].
Magnetauflage
Das Verhalten von Herzschrittmachern und implantierbaren
Kardiovertern/Defibrillatoren differiert nach Auflage eines
Magneten entscheidend. Zu beachten ist jedoch, dass die
Reaktion eines Aggregates auf Magnetauflage individuell programmierbar ist, so dass die Antwort des implantierten Systems
ohne Kenntnis der genauen Programmierung nicht immer in
letzter Konsequenz vorausgesagt werden kann.
Effekte der Magnetauflage bei Herzschrittmachern
Magnetauflage auf den Herzschrittmacher hat eine starre und
asynchrone Stimulation mit der sogenannten „Magnetfrequenz“ zur Folge. Diese ist abhängig von der jeweiligen Programmierung des Aggregats („AOO“ Stimulation des rechten
Vorhofs; „VOO“ Stimulation der rechten Kammer oder „DOO“
Stimulation von Vorhof und Kammer) sowie der Batterierestspannung. Diese fixe Stimulation birgt grundsätzlich das Risiko
der sogenannten „Parasystolie“, also einem Nebeneinander von
Eigenaktionen des Herzens und Schrittmacherimpulsen, was
in äußerst seltenen Fällen zur Induktion maligner Arrhythmien
führen kann. Diese Fälle betreffen wahrscheinlich ausschließlich Patienten mit organischer Herzerkrankung, insbesondere
akuter Myokardischämie, eingeschränkter linksventrikulärer
Funktion und spontanen ventrikulären Tachyarrhythmien oder
schweren Elektrolytstörungen, da durch die genannten Punkte
prinzipiell eine Absenkung der Reizschwelle erreicht werden
kann. In einer Stellungnahme der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Sicherheit der asynchronen ventrikulären Schrittmacherstimulation
heißt es jedoch: „Die Induktion ventrikulärer Tachyarrhythmien
durch eine kurzzeitige asynchrone Ventrikelstimulation ist eine
Rarität“ [28]. Die beschriebene asynchrone Stimulation beginnt
bei Auflage des Magneten und dauert so lang an, wie dieser
auf dem Aggregat verbleibt. Nach Entfernen des Magneten
kehrt der Herzschrittmacher in seine Ausgangskonfiguration
vor Beginn der Magnetauflage zurück [29]. Indikationen für
die Auflage eines Magneten auf ein HSM-Aggregat sind zum
einen die Terminierung einer durch den HSM ausgelösten Tachykardie sowie die Beendigung einer HSM-Inhibierung durch
EMI-induziertes Oversensing.
Herzschrittmacher und implantierbare Kardioverter/Defibrillatoren – was ist perioperativ zu beachten? · R. Schmidt
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Effekte der Magnetauflage bei implantierbaren Kardiovertern/
Defibrillatoren
Magnetauflage auf ein ICD-System deaktiviert die antitachy­
karden Funktionen des Aggregats ohne eine eventuell programmierte antibradykarde Funktion zu beeinflussen. Dies
bedeutet, dass im Gegensatz zum Herzschrittmacher ein ICDSystem bei Magnetauflage nicht in einen asynchronen Stimulationsmodus schaltet. Sollte bei ICD-Trägern perioperativ
ein asynchroner Modus benötigt werden, ist dieser durch
den behandelnden Rhythmologen im Vorfeld telemetrisch zu
programmieren. Andernfalls besteht im Notfall bei hämodynamisch wirksamen und medikamentös nicht zu therapierenden
Bradykardien die Möglichkeit einer temporären transkutanen
oder transvenösen Stimulation.
empfehlenswert, genauso nach intraoperativer Magnetauflage
[31]. In anderen Fällen ist die Routinekontrolle zum nächsten
geplanten Termin, bei länger als 5 Jahre implantierten Systemen
innerhalb der nächsten drei Monate, ausreichend. Bei Kardioverter/Defibrillator-Systemen, deren antitachykarde Funktion
präoperativ deaktiviert wurde, ist eine möglichst schnelle
Reaktivierung und Wiederherstellung der präoperativen Geräteparameter zu veranlassen. Bis dies geschehen ist, müssen die
jeweiligen Patienten lückenlos überwacht werden [2].
Der große Vorteil einer perioperativen Magnetauflage im
Vergleich zur präoperativen telemetrischen Deaktivierung des
Systems besteht in der sofortigen Reaktivierung der antitachykarden Funktionen bei Entfernung des Magneten vom Aggregat
und somit der Möglichkeit einer Terminierung maligner
Arrhythmien ohne externe Kardioversion bzw. Defibrillation.
Nachteil der Magnetauflage im perioperativen Setting ohne
Kenntnis der genauen Programmierung ist die schon oben angesprochene Möglichkeit einer programmierten Deaktivierung
der Magnetoption, so dass eine Magnetauflage ohne Effekt
bleibt. Dies ist jedoch eine Rarität. Bezüglich der Magnetoption
bestehen folgende Unterschiede zwischen den verschiedenen
Herstellern: Die antitachykarde Funktion von ICD-Geräten der
Hersteller Medtronic, Biotronic und Sorin-ELA Medical bleibt
während der Magnetauflage deaktiviert. Einige Aggregate der
Firmen Boston Scientific und St. Jude Medical haben jedoch
die Option einer programmierbaren Deaktivierung der Magnetfunktion und ignorieren in diesen speziellen Fällen eine
Magnetauflage [30]. Die weitaus meisten Aggregate kehren
nach Entfernung des Magneten zu ihrer vor der Magnetauflage
bestandenen Programmierung zurück. Einige Geräte können
jedoch so programmiert werden, dass genau dies unterbleibt.
Folglich erhält der jeweilige Patient ab diesem Zeitpunkt keine
adäquate antiarrhythmische Therapie mehr vom Aggregat.
Daher ist im Anschluss an eine stattgehabte Magnetauflage die
postoperative Kontrolle des jeweiligen Systems empfehlenswert.
2.
Die postoperative Phase
In der unmittelbar postoperativen Phase muss die Überwachung der mechanischen Aktion des Herzens zunächst
fortgesetzt werden. Eine postoperative Kontrolle des jeweiligen
Aggregats ist unbedingt indiziert, wenn Hinweise auf eine Fehlfunktion vorliegen, es zu einer perioperativen Kardioversion
bzw. Defibrillation gekommen ist oder wenn präoperativ eine
Umprogrammierung des Systems vorgenommen wurde. Diese
sollte dann schnellstmöglichst, entweder noch im Aufwachraum oder auf der Intensivstation erfolgen. Nach thorakalem
Kautereinsatz in Aggregatnähe ist eine postoperative Kontrolle
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