TROPISCHE ÖKOSYSTEME — Text eines von Stefan H. Reißmann im Jahre 2002AD gehaltenen Vortrages — 1. EINLEITUNG 1. Was sind die Tropen? 2. Was ist ein Ökosystem? Ich soll einen Vortrag über tropische Ökosysteme halten. Das Thema impliziert, daß zunächst einmal zwei Begriffe zu klären wären, nämlich „tropisch“ bzw. „Tropen“ und „Ökosystem“. 2. DIE TROPEN 2.1. Definition 2.1.1. MATHEMATISCHE DEFINITION Als Tropen bezeichnet man, „mathematisch“ oder „solar“ gesehen, die Gebiete der Erde, über denen die Sonne im Verlaufe des Jahres mindestens einmal senkrecht steht. Das entspricht dem Bereich zwischen den beiden Wendekreisen auf 23,5° nördlicher und südlicher Breite. 2.1.2. KLIMATISCHE DEFINITION Vegetation und Tierwelt hängen aber nur indirekt von der Lage auf dem Koordinatennetz der Erde ab. Entscheidend für sie ist vielmehr das wiederum von jener abhängige Klima. Klimatisch entsprechen die Tropen den Gebieten der Erde, in denen die täglichen Schwankungen der Temperatur die jährlichen auftretenden übertreffen, und in denen es dementsprechend keine temperaturbedingte jahreszeitliche Gliederung gibt. Allerdings können die Dinge in höheren Regionen etwas anders liegen. In diesem Gürtel der Erde liegen die Durchschnittstemperaturen auf Meereshöhe für den kühlsten Monat generell über 18°C. 2.2. Eigentümlichkeiten 2.2.1. DIE INNERTROPISCHE KONVERGENZ Die innertropische Konvergenz (ITC) ist die äquatoriale Tiefdruckrinne zwischen den Passatgürteln. Sie entsteht als Folge der Luftmassenkonvergenz der sich auflösenden NO- und SO-Passate, welche zu aufsteigender Luftbewegung, labiler Schichtung und starker Konvektion führt. In der Bodentiefdruckrinne entstehen die äquatorialen Westwinde, welche sich jedoch mit ausgedehnten, für Konvergenzen typischen Bereichen sehr geringer Luftbewegungen, den sogenannten Doldrums oder Mallunilen ablösen. -1- Stefan Reißmann TROPISCHE ÖKOSYSTEME 18.01.2002 AD 2.3. Gliederung 2.3.1. DIE IMMERFEUCHTEN TROPEN Die immerfeuchten Tropen sind, wie der Name schon sagt, durch Niederschlagsverteilung über das Jahr auf relativ hohem Niveau gekennzeichnet. 2.3.2. eine gleichmäßige DIE WECHSELFEUCHTEN TROPEN Zwar gibt es in den Tropen keine temperaturbedingten Jahreszeiten, aber eine klimatische Strukturierung des Jahresverlaufes findet in weiten Gebieten trotzdem statt, da die Niederschlagsverteilung in weiten Teilen der Tropen sehr unregelmäßig ist und dort zumeist jeweils ein bis zwei Feucht- und Trockenzeiten führt. Diese Gebiete werden als wechselfeuchte Tropen bezeichnet. Ursache für die ungleichmäßige Niederschlagsverteilung ist die sich im Verlaufe des Jahres ändernde Hauptwindrichtung, welche einige Monate lang feuchte Luft vom Meer zum Landesinneren führt, die anderen aber trockene Luft von inneren Regionen des Kontinentes zum Meer. Die Niederschlagsverteilung ist im allgemeinen umso unregelmäßiger, je geringer die Jahresniederschlagsmenge ist. 2.3.3. DIE TROCKENEN TROPEN Innerhalb der Wendekreise wie auch der 18°C(NN)-Isothermen beschränken sich als „Trockene Tropen“ zu bezeichnende Gebiete auf mehr oder minder kleine Areale in der Peripherie. Sie sind durch geringe jährliche Niederschlagssummen und eine äußerst unregelmäßige Verteilung der Niederschläge übers Jahr gekennzeichnet, wobei auch die Jahressumme des Niederschlages von Jahr zu Jahr stark schwanken kann. 3. LEBENSRÄUME 3.1. Begriffe 3.1.1. „ÖKOSYSTEM“ Ein Ökosystem ist ein Beziehungsgefüge von Lebewesen untereinander und mit ihrem Lebensraum. Jedes Ökosystem besitzt besondere Strukturen und Funktionen. Die Struktur ist bedingt (1) physikalisch durch die Gliederung des Raumes, (2) chemisch durch Menge und Verteilung der anorganischen und organischen Stoffe, (3) biologisch durch die Ernährungsstufen der Produzenten, Konsumenten und Destruenten, durch das Spektrum der Lebensformen und die Mannigfaltigkeit der Arten. Die Hauptfunktion eines Ökosystems liegt im Kreislauf der Stoffe und dem damit verbundenen Energiefluß, ferner in den Beziehungen zwischen Aktion (Umweltfaktor → Organismus), Reaktion (Organismus → Umwelt) und Interaktion (Organismus ↔ Organismus). Ökosysteme als ökologische Systeme sind stets offen und haben bis zu einem gewissen Grade die Fähigkeit zur Selbstregulation. [ nach Schaefer/Tischler ] 3.1.2. „BIOM“ UND „BIOMTYP“ Lebensgemeinschaft eines durch seinen physiognomischen Klimax-Vegetationstyp einheitlichen Großklimabereichs. Wird im Gegensatz zum abstrakten Begriff des „Biomtyps“ in einem konkreten Sinn gebraucht, das heißt, auf ein bestimmtes größeres Gebiet mit einer bestimmten Fauna und Flora bezogen. Ein Biom schließt alle in der betreffenden Bioregion liegenden edaphisch oder anthropogen bedingten andersartigen Lebensräume mit ein. In neuerer Zeit faßt man das Biom als ein Groß-Ökosystem auf. -2- Stefan Reißmann TROPISCHE ÖKOSYSTEME 18.01.2002 AD „Biomtyp“ ist der abstrakte Begriff für die in den verschiedenen Gebieten der Erde sich entsprechenden Biome. Die Biomtypen entsprechen hinsichtlich ihrer geographischen Ausdehnung zumindest im wesentlichen den Vegetationszonen. [ nach Schaefer/Tischler ] 3.1.3. „VEGETATIONSZONEN“ Als Vegetationszonen bezeichnet man die zonale Vegetation der einzelnen Klimazonen der Erde sowie, im allgemeinen, den von ihr eingenommenen Raum. 3.2. Tropische Biomtypen 3.2.1. TIEFLANDREGENWALD Er kommt vor, wo die Temperatur ganzjährig über 20°C beträgt und tagtäglich reichlich Regen fällt. Der Jahresniederschlag sollte über 1600 mm betragen und gleichmäßig über das Jahr verteilt sein. Und die Trockenzeit, soweit eine solche überhaupt auftritt, sollte kürzer als zwei Monate sein. Er besteht überwiegend aus sehr schlanken, dicht stehenden Bäumen, eingestreut sind Urwaldriesen. Im Regenwald ist es in Bodennähe sehr dunkel, ab und zu ist diese Finsternis allerdings von einer Lichtung unterbrochen, welche durch den Sturz eines Urwaldriesen entstand. Der Regenwald zeigt in ökologischer Hinsicht eine charakteristische vertikale Strukturierung, einen Stockwerkbau. Er ist weiterhin gekennzeichnet durch Systeme der kurz geschlossenen Stoffkreisläufe und effektiven Stoffrückführung. Aufgrund der hohen Temperatur und der konstant hohen Feuchtigkeit laufen alle Zersetzungsprozesse recht schnell ab und es bildet sich nur eine sehr dünne Humusdecke. Im Innern des Regenwaldes herrscht ein recht ausgeglichenes Mikroklima mit relativ hohem Wasser- und CO2-Gehalt der Luft und nur geringen Temperaturschwankungen. Aufgrund des geringen Lichteinfalls am Boden sind viele der im Innern des Waldes wachsenden Pflanzen Saprophyten oder Wurzelparasiten. Zumindest hinsichtlich der Pflanzen gelten tropische Regenwälder als artenreichste Lebensräume der Welt. Diese Artenmannigfalt ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß sich während der letzten Eiszeit, als ein arideres Klima herrschte, die zunächst geschlossenen Waldareale vorübergehend in eine Gruppe großräumig getrennter Waldinseln aufgelöst wurden in welchen allopatrische Artbildung stattfand. 3.2.2. NEBELWALD Nebelwälder finden sich an den Hängen tropischer Gebirge auf allen Kontinenten ab 2000m Höhe. Dort steigt Luft auf, kühlt sich ab, und das in ihr enthaltene Wasser kondensiert zu Nebel. Auf diese Weise haben die Nebelwälder eine zusätzliche Wasserquelle zum Regen, was zu einer besonders üppigen und reich gegliederten immergrünen Waldvegetation führt. Die in ihnen herrschenden Temperaturen sind deutlich niedriger als die im Innern tropischer Regenwälder herrschenden. Dadurch kann sich auch eine Humus- oder Rohhumusschicht beachtlicher Dicke bilden. Nebelwälder sind lichter als Tieflandregenwälder, wodurch die Bodenvegetation in ihnen im Gegensatz zu jenen sehr reichhaltig ist. Ebenfalls sehr reichhaltig entwickelt ist die Epiphytenflora, welche in ihnen eine größere Diversität zeigt als in irgendwelchen anderen Ökosystemen. Innerhalb der tropischen Region haben die Nebelwälder eine bedeutende ökologische Funktion, weil sie die Wasserausbeute aus der Atmosphäre erhöhen und als Wasserspeicher für die Hydrologie der Landschaft wichtig sind. Ebenso schützen sie vor Erosion. 3.2.3. REGENGRÜNE WÄLDER Diese Wälder findet man in den wechselfeuchten Tropen, welche durch einen Wechsel arider und humider Jahreszeiten gekennzeichnet sind. Mit Abnahme der Niederschlagsmenge wie der Gleichmäßigkeit ihrer Verteilung, welche unter anderem im allgemeinen bei Entfernung vom Äquator erfolgt, lichtet sich der Wald zusehends und es treten vermehrt Spezies auf, welche bei Trockenheit bzw. in der Trockenzeit ihr Laub abwerfen. In Gegenden, die sehr trocken sind oder nur sehr unregelmäßig -3- Stefan Reißmann TROPISCHE ÖKOSYSTEME 18.01.2002 AD von Niederschlägen heimgesucht werden, treten sogenannte „Flaschenbäume“ auf, welche in ihrem Stamm Wasser speichern. Im Unterwuchs finden sich Kräuter und Gräser, deren oberirdische Teile in der Trockenzeit vielfach vollständig verdorren. 3.2.4. SAVANNEN Regengrüne tropische Wälder und Savannen treten in der Landschaft vielfach benachbart auf und stellen alternative natürliche Vegetationsformen unter gleichartigen klimatischen Bedingungen dar. Die jeweilige Ausprägung wird nicht nur von der Gesamthöhe des Jahresniederschlags und der Dauer der Trockenzeit bestimmt, sondern ebenso durch die Bodenverhältnisse. Savannen treten auf, wenn es mindestens eine lange Trockenzeit gibt. Ihre geographische Ausdehnung ist beachtlich, sie bedecken jeweils etwa die Hälfte bis zwei Drittel der Fläche der drei Südkontinente. Savannen ähneln einer Parklandschaft mit Baumgruppen oder Bäumen verschiedener Arten, wobei in vielen tropischen und subtropischen Savannen verschiedene Spezies von Akazien überwiegen. In der Krautschicht dominieren C4-Gräser. Gegenüber Trockenwäldern sind Savannen durch das Vorherrschen grasbedeckter Flächen charakterisiert. Für die Ausbildung der jeweiligen Form der Savanne sind unter anderem Niederschlagshöhe und –verteilung, die Häufigkeit von Feuern, die Nährstoffbedingungen, die Art und Intensität der Beweidung und der menschliche Einfluß entscheidend. Die Periodizität der biologischen Vorgänge wird in den Savannen- wie Trockenwaldgebieten wesentlich durch den Wechsel von Regen- und Trockenzeit gesteuert. 3.2.5. WÜSTEN Wüsten entstehen in ariden Klimaten, in denen die Verdunstungsmenge die der Niederschläge übersteigt. Allerdings gilt es dabei die jahreszeitliche Verteilung der Aridität zu berücksichtigen. Eine typische Wüste ist durch von Jahr zu Jahr schwankende Niederschläge und deren episodisches, unvorhersehbares Auftreten gekennzeichnet. Bei extremen Wüsten liegt die Jahresniederschlagssumme unter 100 mm. Klimatische Ursachen der Wüstenbildung können unter anderem die fast permanente Ausbildung kräftiger Hochdruckgebiete in subtropischen Lagen, die Lage im Lee hoher Gebirge oder inmitten großer Kontinentalmassen sowie kalte Meeresströmungen sein. Für den ökologischen Charakter einer Wüste und ihren Artenreichtum spielt ihr Alter eine wesentliche Rolle. Je älter sie ist, desto länger war Zeit für die Evolution an sie angepaßter Organimen, und desto mannigfaltiger ist ihre Flora und Fauna, wie auch die sie bewohnenden Organimen in umso extreme Bereiche vorstoßen. In Jahren mit sehr ergiebigen Regenfällen kann indes auch die Wüste von einer wirklich dichten Pflanzendecke bedeckt sein. Die sie bewachsenden Pflanzen sind im allgemeinen dem CAM-Typ der Photosynthese zuzuordnen und öffnen die Spaltöffnungen nur nachts. Das Grundproblem aller Wüstenbewohner ist die Wasserversorgung, hinzu kommt für die Primärkonsumenten noch die ausreichende Versorgung mit pflanzlicher Nahrung. Verdunstungsschutz erfolgt beispielsweise durch dicke Cuticulae oder ähnliches, Verlegen der Aktivitätszeit auf die Nacht und Ausscheidung eines hochkonzentrierten Harns oder von Harnsäure. Die Gewinnung von Wasser erfolgt zum Beispiel aus Tau, der Nahrung oder Küstennebel. 3.2.6. GEBIRGE Die Vegetation in tropischen Gebirgen folgt wie die in den gemäßigten Breiten einer typischen vertikalen Zonierung, wobei in höheren Bereichen eine Vegetation vorkommt, welche savannenartig ist. 3.2.7. Mangrove Mangrove kommt im Gezeitenbereich der Flachküsten tropischer Meere vor und wird von spezialisierten salztoleranten Bäumen aus acht Gattungen gebildet, ist deméntsprechend relativ artenarm. Die Blätter der Bäume sind mit Drüsen zur Salzsekretion ausgestattet. In ihr treffen sich Organismen marinen und terrestrischen Ursprungs. -4- Stefan Reißmann 4. TROPISCHE ÖKOSYSTEME 18.01.2002 AD LITERATUR DESHMUKH, I. (1986): „Ecology and Tropical Biology“ [Blackwell, Palo Alto & Oxford] REMMERT, H. (1998): „Spezielle Ökologie: Terrestrische Systeme“ [Springer-Verlag, Berlin & Heidelberg] GRABHERR, G. (1997): „Farbatlas Ökosysteme der Erde“ [Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart] MARTIN, C. (1989): „Die Regenwälder Westafrikas“ [Birkhäuser Verlag, Basel] WHITMORE, T. C. (2001): „Tropische Regenwälder“ [Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg] LESER, H. [Hrsg.] (1997): „DIERCKE-Wörterbuch Allgemeine Geographie“ [DTV, München & Westermann, Braunschweig] ZAHN, U. et al. (1992): „DIERCKE-Weltatlas (Ausgabe 2)“ [Westermann Schulbuchverlag, Braunschweig] SCHAEFER, M. & TISCHLER, W. (1983): „Ökologie – Ein Wörterbuch“ [Gustav Fischer Verlag, Jena] -5-