Muslime in Deutschland Ziele, Strömungen, Organisationen/Strukturen

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Muslime in Deutschland
Ziele, Strömungen, Organisationen/Strukturen
Christian W. Troll SJ (Berlin)
Quelle: www.jesuiten.org/aktuell/jubilaeum/ files/jahresthema_2001_troll_1.pdf
1. Allgemeine Bemerkungen
Die Kürze der für dieses Statement vorgesehenen Zeit zwingt mich zu einer äußerst
knappen und selektiven Darstellung. Beginnen wir mit wenigen Zahlen aus der Antwort
der BuReg auf die Anfrage der Opposition: (Zu beachten: Jeder, der getauft ist und in ein
Taufregister eingetragen ist, wird als Christ gezählt. Bei den Muslimen gibt es nichts
Vergleichbares, m.a.W., es gibt keine konstitutive öffentlich registrierte Mitgliedschaft im
Islam allgemein. Jeder der sich als solcher bezeichnet, ist Muslim.)
Ausländische muslimische Mitbürger: 2,5-2,7 Millionen (geschätzt) Deutsche Muslime:
etwa 370 000 bis 450 000 Tausend Insgesamt: etwa 2.8-3,2 Millionen Menschen
muslimischen Glaubens. Wenigstens 2/3 der Muslime in Deutschland sind türkischer
Herkunft. Diese sind auch am stärksten organisiert.
Um die Bedeutung der islamischen Organisationen einigermaßen realistisch einzuschätzen,
sollte man sich stets vor Augen halten: Nur etwa 10-15 % der in Deutschland lebenden
Muslime werden den Organisationen zugeordnet - rund gerechnet sind das 350.000 bis
500.000. Die nichtorganisierten Muslime - also etwa 80 % - bilden die große schweigende
Mehrheit. Die deutsche Gesellschaft sollte deshalb darüber nachdenken, ob es angeraten ist,
einen Dialog auf die Dauer fast ausschließlich mit den Mitgliedern oder Sympathisanten
islamischer Verbände zu pflegen. Daß sich dies jedoch zunächst anbietet, liegt auf der Hand
und ist verständlich, denn sie sind es ja, die in erster Linie in Erscheinung treten und so oder
so Stellung beziehen.
Es ist deshalb wichtig, sich über die Verbände zu informieren. In diesem Zusammenhang noch
eine Zahl: Nur 1 bis 1.5 % der Muslime - das sind also maximal 35.000-45.000 werden vom
Verfassungsschutz dem "extremistischen" Umfeld zugerechnet. Fälschlicherweise wird das
Bild von den Muslimen in Deutschland weitgehend von diesen wenigen geprägt, so daß ein
diffuses, pauschales Feindbild entsteht, welches den Tatsachen nur zu einem (kleinen) Teil
entspricht. Über den Teil, der konkret den Tatsachen entspricht muß aber auch geredet
werden, zumal man wohl sagen kann, daß dem islamischen Extremismus von
nicht-extremistisch-muslmischer Seite her nicht so klar und entschieden entgegengetreten
wird, wie man sich das wünscht.
"Islamischer Extremismus" wird vom Verfassungsschutz als "Islamismus" definiert, der sich
"grundlegend vom traditionellen Islam unterscheidet" und deren Vertretern es "um eine
Instrumentalisierung der Religion geht". "Der Islam soll als Herrschaftsmittel eingesetzt
werden und Machtansprüche begründen. [Allerdings läßt sich nicht leugnen, daß das Einsetzen
des Islam als Herrschaftsmittel, und von Machtansprüchen im Namen des Islam, von den
allerersten Anfängen des Islam her (einschließlich der normativen Schrift, dem Koran, und der
normativen Biographie, der Muhammads) faktisch an der Tagesordnung war.]
Die meisten Muslime wollen friedlich hier leben. Aber es fällt ihnen nicht leicht, die deutschen
Nachbarn davon zu überzeugen. Denn nicht alle Verbände genießen diesen Ruf. Und als
deutsche Nichtmuslime vermögen wir zumeist nicht, die wichtigen Unterschiede zu erkennen,
weil die Fassade oft täuscht. Die Verzahnung mit politischen Parteien und Gruppierungen im
Herkunftsland bringt einige in den Geruch, "Brutstätten islamistischen Gedankenguts" zu sein,
was sich mit unseren Wertvorstellungen schwer verträgt. Weil dies so ist, sollte die
nichtmuslimische deutsche Mehrheitsgesellschaft nicht bei einem diffusen Unbehagen über
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den Islam stehen bleiben, sondern sich darüber informieren, von welchen Weltbildern und
Ideologien muslimische Menschen in Deutschland - möglicherweise durch islamische
Verbände -geprägt, bzw. indoktriniert werden.
Wir tun also dem Islam geradezu einen Gefallen, wenn wir uns nicht nur mit den schönen
Seiten des Islam und den gelungenen Beispielen friedlichen Zusammenlebens mit Muslimen
befassen, die es ja vielfach gibt, sondern uns auch kritisch mit den nicht gerade erfreulichen
Erscheinungsformen des Islam in diesem Lande auseinandersetzen. Beides ist notwendig, als
Grundlage für einen ernst gemeinten Dialog: Selbstkritik an unseren pauschalen Feindbildern,
aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Fakten. Die Fakten um des
vermeintlichen lieben Friedens willen außer acht zu lassen, würde bedeuten, die Realität
gesundzubeten.
Bevor wir kurz etwas über die wichtigsten Verbände sagen, noch eine Anmerkung: Es geht bei
den meisten islamischen Verbänden nicht nur um Religion, sondern ganz wesentlich auch um
Politik (was nicht selten massive wirtschaftliche Interessen einschließt). Das entspricht
zunächst der islamischen Vorstellung vom allumfassenden Charakter der Dîn (koranischer,
und von daher allgemein islamischer, Terminus für "Religion". Der im "westlichen" Kulturkreis
übliche Religionsbegriff hat wohlgemerkt eine andere Geschichte und folglich einen recht
verschiedenen Inhalt). Religion im Sinne von Dîn betrifft gleicherweise das ungetrennte
Zusammen von den Dingen dieser und jener Welt, von Politik und Religion. In der Praxis ist
diese Grundsicht mit einer starken Rückbindung an die Heimatländer verbunden, was die
Integration der Menschen in Deutschland zwar nicht unmöglich machen muß, aber auch nicht
eben erleichtert. Die hiesigen Verbände stehen aber praktisch alle, in verschiedenen
Konstellationen, einer klaren Trennung von Staat und Religion wie sie Atatürk ursprünglich
angezielt hatte, kritisch gegenüber. In jedem Fall aber haben gerade für Mitbürger türkischer
Herkunft alle politischen Vorgänge in der Türkei erhebliche Rückwirkungen auf die
muslimische Gemeinden in Deutschland. Nun aber ein kurzer Überblick wenigstens über die
wichtigsten islamischen Organisationen in Deutschland und ihre politischen Ausrichtungen.
Drei große Verbände - es sind türkische Verbände - will ich vor allem erwähnen: Es sind die
DITIB, der VIKZ, und die IGMG.
2. Die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB)
DITIB untersteht der türkischen Religionsbehörde DIYANET. Ursprünglich war DITIB vom
türkischen Staat gedacht als ein Gegengewicht gegenüber den in Deutschland hauptsächlich
vertretenen antilaizistischen Gruppierungen. Die nach Deutschland entsandten Imame
werden vom türkischen Staat bezahlt und von der Botschaft sowie den Konsulaten kontrolliert.
DITIB ist im Prinzip daher laizistisch ausgerichtet, d.h. sie vertritt den Grundsatz der Trennung
von Religion und Staat. Doch unterliegt DITIB natürlich den Schwankungen der türkischen
Politik. Bis vor kurzem hofften viele säkular eingestellte Türken, DITIB könne die Möglichkeit
einer "breiten, konsensfähigen Auslegung des Islam" bieten und ein Garant gegen islamischen
"Fundamentalismus" (Islamismus oder politischer Islam) sein. Derzeit wird diese Hoffnung
weitgehend als überholt angesehen. Nicht nur wegen der relativ kurzen Periode während derer
Necmettin Erbakan von der islamistischen Refah Partei Regierungschef war, sondern eher
wegen dem unleugbar wachsenden Gewicht des islamischen Elements innerhalb der sog.
türkisch-islamischen Synthese.
Die nach Deutschland zu den (mindestens 750) DITIB-Moscheen entsandten Imame bleiben
höchstens 5 Jahre und können meist kaum Deutsch. Veranstaltungen finden fast alle in
türkischer Sprache statt. Die Ausrichtung auf die Türkei und der Erhalt türkisch, ja
türkisch(-islamisch)er Identität, ja enger Anbindung an die Türkische Republik, scheint
oberstes Ziel zu sein.
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3. Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ)
VIKZ wird als eine Gründung der Süleymancilar bezeichnet und dieser Sufibruderschaft
zugerechnet, die aus der Nurculuk-Bewegung hervorgegangen ist. In Deutschland geben sich
die Süleymancilar des VIKZ betont unauffällig und zurückhaltend in Bezug auf die
süleymanistische Ideologie, deren Hauptzüge - grob gesprochen -folgende sind: Ihr Lehre gilt
als Geheimlehre, die außer dem "Meister" nur wenige kennen. Man spricht von einem "inneren
Kreis" bei VIKZ , dessen Stärke auf 20-40% der Mitglieder geschätzt wird.
Der Koran - und die von ihm bestimmte Scharia - allein ist für sie Gesetzesnorm; die
laizistische Ordnung in der Türkei wird abgelehnt. Das Geschlechterverhältnis gilt als
paternalistisch. VIKZ gab sich bis zum Herbst 2000 betont dialogbereit und aktiv offen für den
jüdisch-christlich-islamischen Dialog. Dem widerspricht, daß der Verband antisemitische
Literatur vertreibt - in türkischer Sprache. Das ist freilich auch in den Buchläden anderer
Verbände der Fall.
VIKZ ist nach innen hin straff und zentralistisch organisiert. Nur die Zentrale in Köln ist als
juristische Person eingetragen. Kritisiert wird vielfach mangelnde Transparenz. VIKZ war bis
zum vorigen Jahr die stärkste Mitgliederorganisation im Zentralrat der Muslime in Deutschland
in dem Dr. Nadeem Elyas Vorsitzender ist und der VIKZ-Geschäftsführer Ibrahaim Cavdar
Generalsekretär war. Am 30. August 2000 teilte der Zentralrat mit Bedauern den Austritt des
VIKZ aus diesem Spitzenverband mit. VIKZ hat einen Antrag laufen auf Anerkennung als
Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine Islamische Akademie namens ISLAH, die knapp
zwei Jahre lang von der Villa Hahnenburg in Köln-Mühlheim aus im Namen des VIKZ arbeitete,
wurde am 13. Juli 2000 kurzerhand geschlossen. Die bislang zu beobachtende Öffnung des
Verbandes auf die deutsche Gesellschaft hin scheint auf Anweisung aus der Türkei an ein Ende
gekommen zu sein. Bereits im Frühjahr 2000 war der bisherige Europapräsident Nurettin
Akman durch Ismail Akgün abgelöst worden. Der neue Europapräsident hat an seiner Seite je
eine Assistenten für die Leitung der Moscheen und Korankurse. Die interne Führung des VIKZ
setzt sich damit aus Personen zusammen, die unmittelbar aus der Türkei entsandt wurden.
4. Milli Görüs (IGMG) - vormals AMGT - und die zu ihr gehörende "Europäische
Moscheenbau- und Unterstützungsgemeinschaft" (EMUG).
"Milli Görüs" (zu deutsch: nationale Sichtweise) wurde laut Satzung zur religiösen, kulturellen
und sozialen Betreuung" der türkischen Staatsangehörigen im Jahre 1976 als AMGT gegründet.
Sie hat rund 26.000 Mitglieder und mehr als 500 Niederlassungen in Deutschland. Der von der
EMUG verwaltete Immobilienbesitz von Milli Görüs soll sich auf rund 100 Millionen Mark
belaufen. Sie wird seit Jahren vom Verfassungsschutz des Bundes und mehrerer Länder als
"extremistisch" eingestuft.
Erwähnt wird im NRW-Verfassungsschutzbericht für 1996 zum erstenmal, daß es seit einigen
Jahren Kontakte der IGMG zur "Scientology-Organisation" gibt. "In der IGMG-Zentrale sind
bereits Seminare von Scientology durchgeführt worden", heißt es wörtlich. Weiterhin vermerkt
der NRW-Bericht: "Mit dem Fernsehsender Kanal 7 verfügt die Refah Partisi (Türkei)
(Vorgängerin der Fazilet Partisi) seit 1995 über ein wichtiges Propagandainstrument. Der
Sender kann über Satellit auch in Europa empfangen werden.". Weiterhin: "Die IGMG war und
ist das Sammelbecken der islamisch-extremistischen türkischen Refah Partei. Diese Partei …
hat das Ziel, mit legalen Mitteln das laizistische Staatssystem der Türkei durch eine
islamisches zu ersetzen. Milli Görüs steht für das Konzept eines auf islamischem Recht (scharia)
aufgebauten Staatssystems, das in der Türkei als Modell für eine weltweite Islamisierung
geschaffen werden soll. Die vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene und vom
Deutschen Orientinstitut in Hamburg erstellte Studie über Islamische Organisationen sagt,
ihrer Meinung nach verfolge diese Partei das Ziel, "möglichst viele Muslime an sich zu binden
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und diese machtpolitisch und ökonomisch für ihre Zwecke zu benützen. Nicht Integration der
Muslime sei das Ziel, sondern Dominanz. Das Schwierige sei nur, daß dies nicht leicht zu
erkennen sei. Das Hauptproblem ist die Doppelbödigkeit. Gegenüber Deutschen und in
deutscher Sprache betont man unablässig, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen und
den Dialog zu wollen. Gegenüber Türken und in türkischer Sprache überwiegen Hetzparolen
gegen westliche Demokratie, den Pluralismus und die angeblich "sittlich verrottete" deutsche
Gesellschaft. Auf deutsch propagiert Milli Görüs die Integration, auf türkisch treibt man seine
Anhänger ins Ghetto.
Zahlreiche Beispiele dafür liefern die Veröffentlichungen des Sprachrohrs der Refah (bzw.
Fazilet)-Partei und der Milli-Görüs Bewegung. "Milli Gazete". Das Zentrum der Türkeistudien
hat diese türkische Tageszeitung, die nur im Abonnement und in Moscheen vertrieben wird,
ein halbes Jahr lange beobachtet und darüber im Jahre 1996 ein Studie erstellt, die bislang
nicht veröffentlicht ist. Aussagen wie diese sind in Milli Gazete keine Seltenheit: "Milli Görüs ist
ein Schild, das unsere Mitbürger vor der Assimilierung im barbarischen Europa schützt". Und
die Steinbach-Studie berichtet von massiv antisemitischer, antiwestlicher und
integrationsfeindlicher Literatur und Videos, die in IGMG-Buchläden verkauft werden. Da liegt
z.B. eine Hetzschrift aus, nach der die Freimaurer als Instrument des Weltjudentums dazu
geschaffen wurden, um die Weltherrschaft zu erringen und die islamische Welt zu "versklaven".
Desintegration wird auch in einem Kinderbuch betrieben mit dem Titel "Wenn muslimische
Mädchen weinen". Dieses Werk fordert die strikte Trennung von muslimischen und
nicht-muslimischen Kindern und preist die muslimischen Kinder als "Elite", die westliche Welt
wird als "sittlich verdorben" und "korrupt" dargestellt.
Mit dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland hält Milli Görüs seit Anfang des 90er
Jahre ein schlagkräftiges Instrument in der Hand. Die meisten Mitgliedsverbände sind - außer
IGMG - selbst Untergruppierungen von IGMG oder organisatorisch selbständige aber
abhängige Organisationen. Mit Hilfe des Islamrates strebt die IGMG die Anerkennung als
Körperschaft des öffentlichen Rechtes an. Die zweite vom Verfassungsschutz als
"extremistisch" bezeichnete islamische Organisation ist der Verband der islamischen Vereine
und Gemeinden -(ICCB). Das ist der sogenannte "Kaplan-Verband". Das neuerliche
Düsseldorfer Urteil in Sachen des selbsternannten "Kalifen Deutschlands" Metin Kaplan, Sohn
des vor Jahren notorischen Cemaluddin Kaplan von Köln, hat breitere Kreise in Deutschland
mit dieser kleinen, extremistischen Gruppe bekannt gemacht.
Vom NRW-Verfassungschutz als "extremistisch" bezeichnet wird außerdem die Türkische
Föderation (ATF). ATF ist der neue Name für die "Föderation der türkisch-demokratischen
Idealistenvereine (ADÜDTF). Es ist ein Verband mit extrem nationalistischer,
anti-kommunistischer und
anti-kurdischer Ausrichtung. Er vertritt die Ziele der türkischen MHP, der Partei des Anfang
April 1997 verstorbenen Alparslan Türkes. Seit geraumer Zeit spielt auch der Islam eine Rolle
in der Ideologie des Verbandes. In ihm sind die sogenannten "Grauen Wölfe" beheimatet, die
auch durch Gewaltaktionen bekannt wurden. In den vergangenen Jahren haben jugendliche
"Graue Wölfe" sich mehrfach mit kurdischen Mitschülern an deutschen Schulen angelegt.
Die "idealistischen Türken" haben am 5. Oktober 1996 die "Föderation der
türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa" (AUTDK) gegründet. Diesem
europäischen Dachverband gehören die nationalen Föderationen - so auch ATF - an. Sie sind
gehalten, sich den Weisungen und der Kontrolle des Dachverbandes zu unterwerfen (NRW
Verfassungsschutz 1996): Von der damaligen ABÜTDF abgespalten hat sich 1987 eine Gruppe
um den ehemaligen Führer Celebi. Sie nennt sich Türkisch-islamische Union (ATIB) (Union der
türkisch-islamischen Kulturvereine). Wie ABÜTDF (=ATF) steht auch ATIB für die sogenannte
"islamisch-türkische Synthese", wobei der Islam bei ATIB eine größere Rolle spielt. ATIB hast
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sich nach eigener Darstellung von den "Grauen Wölfen" gelöst. Es fällt dem Verband jedoch
schwer, dieses Negativ-Image loszuwerden. Im Gegensatz zu ATF wird ATIB nicht vom
Verfassungsschutz beobachtet. ATIB ist Mitglied im Zentralrat der Muslime.
5. Die deutschen Muslime
Sie sind eine wachsende Minderheit. Die Muslime mit deutschen Paß nehmen rapide zu.
Deutsche Muslime mit deutsch ethnischem Hintergrund dürften mittlerweile weit über 50.000
zählen. Sie sind in mehreren kleinen Gruppierungen organisiert (z.B. Deutsche Moslemliga,
Bonn und Hamburg) Einige Konvertiten zum Islam spielen eine wichtige Rolle im Islamrat und
vertreten die Meinung, die Scharia lasse sich mit der Idee eines pluralistischen,
demokratischen Staates vereinen.
6. Die Alewiten und die Ahmadiyya
Diese zwei Gruppen werden von den "orthodoxen" Muslimen (also von Sunniten und Schiiten)
nicht als Muslime anerkannt, weil sie gewisse, von diesen für den Islam als grundlegend
angesehene Glaubensinhalte nicht teilen. Sie gehören daher keinem der genannten
Dachverbände an. Sowohl die Ahmadis als auch die meisten Aleviten verstehen sich selbst
jedoch als Muslime. Sie sind eine nicht zu vernachlässigende Größe! Die Aleviten zählen rund
20 % der in Deutschland lebenden Muslime türkischer Herkunft. Sie haben sich in einer
Dachorganisation, der Föderation der Aleviten-Gemeinden Deutschland e.V.
zusammengeschlossen. Die Aleviten stehen in der Türkei weitgehend der laizistischen
Staatsidee nahe und sehen sich seit dem Erstarken des Islamismus dort zunehmend
Repressalien ausgesetzt.
Die Ahmadis in Deutschland beziffern sich - wohl nicht ohne Übertreibung - auf 60.000. Sicher
aber zählen sie 40.000 allein in Deutschland. Sie selbst verstehen sich als streng orthodoxe,
genuine und ganz zu Unrecht verfolgte Gruppe der Muslime.
In diesen knappen Ausführungen haben wir uns auf ganz wenige Punkte beschränken
müssen, vor allem auf die politischen Zielvorstellungen einiger islamischer Organisationen
und ihrer Meinungsführer sowie auf die Vernetzungen hiesiger Verbände mit ihrem
Heimatland. Die von mir bruchstückhaft erwähnten Machenschaften einiger Verbände
mögen bei Ihnen den Eindruck einer einseitigen Sicht hinterlassen. Dieser Eindruck täuscht
Sie nicht: es ist eine einseitige Sicht.
Kein Zweifel: Die Mehrzahl der Muslime will friedlich in Deutschland leben. Wer den Durchblick
hat, distanziert sich von den Machenschaften. Und es werden immer mehr. Und vor Ort in den
Moscheengemeinden wird teilweise sehr positive Arbeit für die Muslime geleistet, auch im
Hinblick auf eine recht verstandenen Integration. Beides - das Negative und das Positive existiert nebeneinander und gleichzeitig. Dieser Widerspruch mag uns nicht schmecken, aber
es gibt ihn. Und es ist notwendig, beide Seiten der Medaille ans Licht zu bringen.
Der Dialog muß geführt werden - aber nicht blauäugig. Wenn die muslimischen Dialogpartner
ernst genommen werden wollen, müssen sie sich beim Wort nehmen lassen und zur Kenntnis
nehmen, daß wir uns in Deutschland nicht mehr alles vormachen lassen; daß wir nicht mehr
alle bereit sind, taktvoll zu schweigen, wenn der Versuch gemacht wird (und von Deutschland
aus unterstützt wird), die Demokratie auf friedlichem Wege abzuschaffen - sei es auch
zunächst fernab in der Türkei. Es widerspricht dem Geist des Dialogs, unkritisch gegenüber
Informationen und Fakten zu sein. Und wer nicht nur vom Dialog redet, sondern ihn tatsächlich
will, muß lernen, Kritik, zu ertragen und mit ihr dialogisch umzugehen. Das gilt für beide
Seiten. Kritik ist sozusagen Teil des Dialogs.
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7. Einige Thesen zum "Multireligiösen Zusammenleben"
Ein zukunftsträchtiges multikulturelles, plural verfaßtes Zusammenleben in Deutschland kann
nicht gelingen ohne daß auf beiden Seiten, der der Mehrheitsgesellschaft und ihrer
Komponenten sowie der der muslimischen Minderheiten bestimmte Grundhaltungen und
-überzeugungen als allgemein bindende und verpflichtende Ideale und Ziele anerkannt
werden. Hier seien einige Leitsätze genannt mit besonderer Rücksicht auf unsere
muslimischen Mitbürger (sie gelten aber für alle Bürger unseres Staates):
7.1. Für ein zukunftsfähiges "multikulturelles Zusammenleben" brauchen wir muslimische
Partner, die an der Weiterentwicklung des säkularen, toleranten, freiheitlichen Grundmusters
des gesellschaftlichen Zusammenlebens, wie es in der BRD von der Verfassung gefordert wird
und in der Praxis gewachsen ist (Schwachstellen und immer wieder vorkommende Verstöße
werden hier nicht geleugnet), aus innerer Bejahung interessiert sind, und nicht nur an der
Nutzung rechtlicher Spielräume zur Absicherung von Nischen der Selbstisolation.
7.2. Für ein zukunftsfähiges "multireligöses Zusammenleben" brauchen wir muslimische
Partner, die glaubhaft machen, daß sie für das Ziel des Zusammenlebens die Teilnahme an
diese "westlichen" kulturellen und wertemäßigen Zivilisation ist und nicht deren Überwindung
oder Unterwanderung.
7.3. Für ein zukunftsfähiges "multikulturelles Zusammenleben" brauchen wir muslimische
Partner, die sich des Fremden und als fremdartig Wahrgenommenen ihrer Art zu leben und
ihren Glauben zu praktizieren (vgl. Gebetsruf) bewusst sind und in der Lage sind, das Ausmaß
der Hinnahme von Veränderungen und Zumutungen, das sie von der Mehrheitsgesellschaft zum Teil mit gutem Recht - verlangen, zu würdigen.
7.4. Für ein zukunftsträchtiges "multikulturelles Zusammenleben" brauchen wir muslimische
Partner, die sich der Erkenntnis öffnen, daß das Zusammenleben mit Christen und religiös
nicht mehr gebundenen Menschen und Gruppen für ihre eigene Existenz als Muslime eine
wertvolle Bereicherung sein kann und ihren Glauben vor Fragen stellt, die ihn nicht bedrohen
müssen, sondern an denen er wachsen kann.
7.5. Für ein zukunftsfähiges "multikulturelles Zusammenleben" brauchen wir muslimische
Partner, die das ganze Recht auf Religionsfreiheit von Herzen und in theologischer Reflexion
bejahen und nicht nur das Recht, Muslim zu sein. Zwang und Druck passen zu keinem Glauben
und schon gar nicht in eine freiheitliche Gesellschaft, die das Miteinander von
Religionsgemeinschaften und ideologischen Gruppen (etwa unter dem Banner des
"Humanismus") auf Dauer ermöglichen und fördern will.
7.6. Für ein zukunftsfähiges "multireligöses Zusammenleben" brauchen wir ein
islamisch-theologisch-juridisches Denken, das eine freiheitliche, pluralistisch-demokratische
staatliche Ordnung "mit gutem koranischen und islamischen Gewissen" dynamisch und
öffentlich vertritt, ganz unabhängig davon, ob die Muslime in einem gegebenen Staatsgebilde
virtuelle Minderheit oder Mehrheit sind. Ohne eine radikal erneuerte Interpretation der
normativen Quellen des Islam aufgrund einer seriösen modernen islamischen Hermeneutik
wird dies nicht zu erreichen sein.
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