3 Ortskurven

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T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3 Ortskurven
3.1 Einleitung
Durch ein Zeigerbild wird ein bestimmter Betriebszustand eines Wechselstromnetzes bei
konstanten
Parametern
(Amplitude und Frequenz der
einspeisenden sinusförmigen
Quellspannungen und Quellströme, Netzparameter R, L, und C) durch komplexe Effektivwerte
(manchmal auch Spitzenwerte) von Strömen und Spannungen beschrieben. Komplexe
Widerstände und komplexe Leitwerte von Wechselstromschaltungen lassen sich ebenfalls
durch Zeiger in der Gaußschen Zahlenebene darstellen.
Mit variablen Parametern ändern sich die Zeigerbilder für komplexe Widerstände. Wird nur die
Änderung einer bestimmten Größe des Wechselstromnetzes infolge der Änderung eines
Parameters untersucht, dann entsteht für diese Größe eine Menge von Zeigern. Die
Zeigerspitzen werden verbunden, die Kurve der Zeigerspitzen wird Ortskurve genannt. Durch
Ortskurven lassen sich verschiedene Betriebszustände eines Wechselstromnetzes, d.h. bei
geänderten Parametern, in einem Bild erfassen.
Zweck der Ortskurven ist es, einen Überblick über die Folgen zu erhalten, die sich bei
Veränderung einer oder mehrerer Größen für die übrigen einstellen. Man unterscheidet 2
Hauptgruppen von Ortskurven:
a) Spannungs- und Widerstandsdiagramme
b) Strom- und Leitwertdiagramme
3.2 Spannungs-/Widerstandsdiagramme in der
Reihenschaltung
Als Beispiel werden zunächst die Ortskurven für die Spannung gezeichnet, die sich im Fall der
Reihenschaltung von R, L und C ergeben, wenn einmal der Blindwiderstand und einmal der
Wirkwiderstand verändert wird. Dabei wird I konstant gehalten.
- 3.1 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.2.1 R = konstant ; ω = veränderlich
Schaltung
C
I
R
L
U
Konstruktion der Ortskurve
U
=
I · [R + j(ωL konstant
U
=
1
)]
!C
veränderlich durch Variation der Frequenz
I · (R + jX)
•
Die Wirkkomponente I · R liegt mit dem Strom in Phase, und sie ist konstant.
•
Die Blindkomponente steht zur Wirkkomponente senkrecht. Sie ist induktiv oder
kapazitiv, je nachdem ob ωL oder
•
1
überwiegt.
!C
Die Spitze des Spannungszeigers beschreibt also eine Gerade, die im Abstand I · R
parallel zur imaginären Achse verläuft. Diese Gerade ist die Ortskurve der obigen
Schaltung
für
konstanten Stromstärke I ,
konstanten Wirkwiderstand
R und
veränderliche Frequenz f (oder ω).
! = 0
"
! = ! Re s "
!#$
•
"
%!L = 0 )
'
'
& 1
*
' !C # $ '
(
+
1
!L ,
= 0
!C
%!L # $ )
'
'
& 1
*
' !C = 0 '
(
+
" U !=0 = I · (R , j$)
" U!
Re s
= I ·R
" U !=$ = I · (R + j$)
Für jede Frequenz erhält U einen anderen Betrag und eine andere Phasenlage
gegenüber dem Strom.
- 3.2 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
Ortskurve für die Spannung
Ortskurve für
U
Im
_ _ !
_6
I · jX
_5
U
_4
_ Resonanz
I ·R
= konst.
Re
_3
_2
_1
_ _ 0
Beispiel 3.1
Gesucht ist die Ortskurve des Scheinwiderstandes einer Reihenschaltung aus R = 15 Ω,
L = 0,2 H und C = 30 µF bei veränderlicher Frequenz.
3.2.2 X = konstant ; R = veränderlich
Schaltung
C
I
R
L
U
Konstruktion der Ortskurve
U
=
I · (R + jX)
- 3.3 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
veränderlich
konstant (induktiv oder kapazitiv)
•
Für R = 0 hat die Spannung nur einen Blindanteil.
•
Bei Änderung von R verläuft die Spitze des Spannungszeigers parallel zur reellen
Achse im Abstand I · X.
Ortskurve für die Spannung
Im
R =0
R1
R2
R3
R4
U ! Ortskurve für X >0
jI·X
Re
U ! Ortskurve für X <0
Beispiel 3.2
Gesucht ist die Ortskurve des Scheinwiderstandes einer RLC-Reihenschaltung mit L = 0,2 H
und C = 30 µF bei einer festen Frequenz von 50 Hz und einem veränderlichen Widerstand R
(Werte R = 20 Ω, 40 Ω, 60 Ω, 80 Ω, 100 Ω, 120 Ω).
3.2.3 Widerstandsdiagramme
Spannungsdiagramme lassen sich durch Division durch
I
in Widerstandsdiagramme
überführen. Spannungs- und Widerstandsdiagramme sind also vom Aussehen her gleich, sie
unterscheiden sich nur im Maßstab. Die Vorgehensweise bei der Konstruktion ist in beiden
Fällen gleich.
- 3.4 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.3 Strom-/Leitwertdiagramme in der Reihenschaltung
Es werden die Ortskurven für den Strom gezeichnet, die sich im Fall der Reihenschaltung von
R, L und C ergeben, wenn einmal der Blindwiderstand und einmal der Wirkwiderstand
verändert wird. Dabei wird U konstant gehalten.
3.3.1 R = konstant ; ω = veränderlich
Schaltung
C
I
R
L
U
Konstruktion der Ortskurve
U
=
I · (R + jX)
I
=
U
R + jX
I
=
mit X = (ωL -
1
)
!C
U
R + j(!L "
! = 0
!#$
! = ! Re s
1
)
!C
%!L = 0 )
U
'
'
" & 1
=
* " I!=0 =
R
+
j(0
,
$)
#
$
' !C
'
(
+
%!L # $ )
U
'
'
" & 1
=
* " I!=$ =
R
+
j($
,
0)
=
0
' !C
'
(
+
1
U
" !L ,
= 0 " I! =
= Im ax
Re s
!C
R
Beweis für Kreis:
U
=
I · (R + jX)
U
=
I · R + I · jX
│·
1
R
- 3.5 -
U
= 0 ( j0)
R , j$
U
= 0 (, j0)
R + j$
T3EE – ELETE
U
R
C. FEIPEL
=
I+ jI
X
R
=
I+ j
I
R
#
1 &
%$ !L " !C ('
Imax
•
Diese beiden Komponenten stehen immer senkrecht aufeinander, und ergeben
geometrisch addiert immer den maximalen Strom. Der Zeiger Imax =
U
liegt mit U in
R
Phase.
•
X
wandert auf einem Halbkreis (Thaleskreis) dessen
R
Die Spitze von I und j I
Durchmesser Imax entspricht.
•
Der Halbkreis liegt unter der reellen Achse, wenn !L "
wenn !L "
1
induktiv ist, und oberhalb
!C
1
kapazitiv ist
!C
Ortskurve für den Strom
Im
(" L <
1
) # X< 0
"C
Ortskurve für I
_
I
_ =0
_ _ !
!jI
Imax =
X
R
U
R
_ = _ Resonanz
U
Re
jI
I
X
R
Ortskurve für I
(" L >
1
) # X> 0
"C
- 3.6 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.3.2 X = konstant ; R = veränderlich
Schaltung
C
I
R
L
U
Konstruktion der Ortskurve
I
U
=
R + j(!L "
R = 0
!
I = Imax =
R $ %
!
I = 0
U
=
I · (R + jX)
U
=
I·R + jI·X
U
jX
=
I ·R
+ I
jX
U
X
=
!j
!j
1
)
!C
│·
U
U
= "j
jX
X
#
X > 0 ! I induktiv
X < 0 ! I kapazitiv
1
jX
I ·R
+ I
X
a) X > 0
b) X < 0
1
)
!C
1
(!L <
)
!C
(!L >
U
I ·R
= #j
+ I
X
X
U
I ·R
" j
= j
+ I
X
X
!
"$#$%
" #j
Imax
- 3.7 -
stehen senkrecht
aufeinander
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
Ortskurve für den Strom
Im
R=0
jI
j
R
X
R
U
X
X<0
I
U
R_ !
!j
Re
X>0
I
U
X
!jI
X
R
R=0
R
Ortskurve durch Inversion (siehe folgendes Kapitel)
Eine Gerade parallel zur reellen Achse geht über in einen Halbkreis dessen Durchmesser auf
der imaginären Achse liegt.
Beispiel 3.3
Gesucht ist die Ortskurve des Scheinleitwertes einer RLC-Reihenschaltung mit L = 0,2 H und
C = 30 µF bei einer festen Frequenz von 50 Hz und einem veränderlichen Widerstand R (Werte
R = 20 Ω, 40 Ω, 60 Ω, 80 Ω, 100 Ω, 120 Ω).
3.3.3 Leitwertdiagramme
Stromdiagramme lassen sich durch Division durch U in Leitwertdiagramme überführen.
Strom- und Leitwertdiagramme sind also vom Aussehen her gleich, sie unterscheiden sich nur
im Maßstab. Die Vorgehensweise bei der Konstruktion ist in beiden Fällen gleich.
- 3.8 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.4 Inversion
Ortskurven für Scheinwiderstände und Scheinleitwerte lassen sich durch Inversion ineinander
überführen.
Z
=
Z · e j!
Z
=
R + j(!L "
1
)
!C
Y
=
Y
=
1
Z
=
1
· e " j!
Z
1
R + j(!L "
=
1
)
!C
1
(! = ! Re s =
R
Zmin
=
R (! = ! Re s )
Ymax
Z! = 0
=
R " j#
Y! = 0 =
j0
Z! $ # =
R + j#
Y! $ # =
" j0
Beispiel Ortskurve für X > 0
Im
Ortskurve für
Z
_1
Z1
_ 1 Z min
U
_1
Y
max
Y
1
Ortskurve für
Y
_1
Regeln bei der Inversion
•
Bei der Inversion bleiben die Winkel erhalten, die Vorzeichen ändern.
•
Aus Beträgen werden deren Kehrwerte.
- 3.9 -
1
LC
)
T3EE – ELETE
•
C. FEIPEL
Aus einer Geraden parallel zur imaginären Achse wird ein Halbkreis mit Durchmesser
auf der reellen Achse.
•
Liegt die gerade oberhalb der reellen Achse, so fällt der Halbkreis darunter; liegt die
Gerade unterhalb der reellen Achse, so fällt der Kreis darüber.
Beispiel 3.4
Ermittle die Ortskurve des Scheinwiderstandes und des Scheinleitwertes einer RLCReihenschaltung aus R = 15 Ω, L = 0,2 H und C = 30 µF bei veränderlicher Frequenz.
3.5 Diagramme in der Parallelschaltung bei veränderlicher
Frequenz
Schaltung
R
L
I
C
U
Strom-/Leitwertdiagramm
Y
=
1
1
+
+ j!C
R
j!L
Y
=
#
1
1 &
+ j% !C "
R
!L ('
$
U sein in die reelle Achse gelegt : U = U
I
=
U · Y
I
=
)1
#
1 &,
U · + + j% !C "
.
!L (' $
*R
- 3.10 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
! = 0
"
I!=0 =
!%$
"
I!=$ =
! = ! Re s
"
I!
Re s
1
# j$)
R
1
U ( + j$)
R
U
= Imin
R
U(
=
Die Ortskurve für I ist eine gerade parallel zur imaginären Achse im Abstand
U
.
R
Spannungs-/Widerstandsdiagramm
U
=
I · Z
Mit Z =
Z =
1
Y
1
#
1
1 &
+ j% !C "
R
!L ('
$
I sein in die reelle Achse gelegt : I = I
U
=
I
#
1
1 &
+ j% !C "
R
!L ('
$
! = 0
"
U !=0 =
!%$
"
U !=$ =
! = ! Re s
"
U!
Re s
=
I
(
)
1
+ j0 # $
R
I
1
+ j$ # 0
R
I · R = U max
(
- 3.11 -
)
=
=
I
1
# j$
R
I
1
+ j$
R
=
j0
=
# j0
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
Ortskurven
Ortskurve für
I
_ _ !
Im
Im
Ortskurve für U
_
# Inversion
U
$
U
jU R ( !C "
U
R
_ Resonanz
Re
_= 0
_ _ !
1
)
!L
_=
_ Resonanz Re
U max = I · R
I
_
I
_
__ 0
Beweis für Kreis:
)1
#
1 &,
I = U · + + j% !C "
.
!L (' $
*R
#
1 &
I · R = U + jR % !C "
·U
!
!L ('
$
"$$$$#$$$$%
U max
·R
2 senkrechte Komponeten
- 3.12 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
- 3.13 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.6 Ortskurven bei zusammengesetzten Schaltungen
3.6.1 Hilfsblatt 1
- 3.14 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.6.2 Hilfsblatt 2
- 3.15 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.6.3 Hilfsblatt 3
- 3.16 -
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
3.7 Aufgaben
Aufgabe 3.1
(Examen 86)
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt U = 100 V ;
I
R
L
R = 500 Ω ; f = 50 Hz.
a) Zeichne die Ortskurve für Z und I für L = 0,5 H bis
U
5 H. (M: 20 Ω ! 1 mm ; 4 mA ! 1 mm).
b) Trage die Punkte für L = 0,5 H und L = 5 H in die beiden Ortskurven ein.
Aufgabe 3.2
(Examen 86)
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt XL1 = 50 Ω ;
R2
R2 = 25 Ω ; C2 ist variabel zwischen 0 und ∞. Zeichne die
Ortskurven für Z2 ; Y2 und Yges (M: 1 Ω ! 1 mm ;
L1
C2
1 mS ! 2 mm).
Aufgabe 3.3
(Examen 88)
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt f = 50 Hz ;
XC1 = 50 Ω ; R2 = 50 Ω ; C2 ist variabel zwischen 0 und ∞.
a) Zeichne die Ortskurven für Z2 ; Y2 ; Yges und Zges
R2
C1
(M: 1 Ω ! 1 mm ; 1 mS ! 2 mm).
b) Trage in die Ortskurve von Yges den Punkt P ein für den
Zges minimal ist.
c) Übertrage diesen Punkt in die Ortskurven von Y2 und Z2
und ermittle den Wert von C2.
- 3.17 -
C2
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
Aufgabe 3.4
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt f = 25 Hz ;
XC1 = 20 Ω ; R2 = 25 Ω ; L2 ist variabel zwischen 0 und ∞.
R2
a) Zeichne die Ortskurven für Z2 ; Y2 ; Yges und Zges
C1
(M: 1 Ω ! 2 mm ; 1 mS ! 3 mm).
L2
b) Trage in die Ortskurve von Yges den Punkt P ein für den
Zges = 25 Ω ist.
c) Übertrage diesen Punkt in alle anderen Ortskurven und
ermittle den Wert von L2.
Aufgabe 3.5
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt XC2 = 200 Ω ;
R1 = 125 Ω ; R2 ist variabel zwischen 0 und ∞.
R1
a) Zeichne die Ortskurven für Y2 ; Z2 ; Zges und Yges
(M: 100 Ω ! 8 cm ; 1 mS ! 1 cm).
b) Ermittle φmax
C2
R2
c) Ermittle, für welchen Wert von R2 der Strom minimal
wird.
Aufgabe 3.6
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt XL = 400 Ω ; XC
I
= 200 Ω ; R ist variabel zwischen 0 und ∞.
a) Zeichne die Ortskurven des Gesamtleitwertes
XL
(M: 100 Ω ! 1 cm ; 1 mS ! 4 cm).
b) Trage auf der Ortskurve die Punkte ein für R = 200 Ω
und R = 1000 Ω. Ermittle für die beiden Widerstände
aus der Ortskurve die Leitwerte nach Betrag und Phase.
c) Bestimme den Wert von R, für den Strom und
Spannung in Phase sind. Gib zudem den Wert des
Gesamtleitwertes in diesem Fall an.
- 3.18 -
XC
U
R
T3EE – ELETE
C. FEIPEL
Aufgabe 3.7
Gegeben die nebenstehende Schaltung. Es gilt XL = 150 Ω ;
I
R = 400 Ω ; XC ist variabel zwischen 0 und ∞.
XL
a) Zeichne die Ortskurven des Gesamtscheinwiderstandes
(M: 100 Ω ! 2 cm ; 1 mS ! 1 cm).
U
b) Trage auf der Ortskurve die Punkte ein für XC = 200 Ω
R
C
und XC = 800 Ω. Ermittle für die beiden Werte von XC
aus der Ortskurve die Scheinwiderstände nach Betrag
und Phase.
c) Bestimme den (die) Wert(e) von XC, für den Strom und Spannung in Phase sind. Gib
zudem den (die) Wert(e) des (der) Scheinwiderstandes (-widerstände) in diesem
(diesen) Fall (Fällen) an.
d) Bestimme den (die) Wert(e) von XC, für den Strom der Spannung um 20° nacheilt. Gib
zudem den (die) Wert(e) des (der) Scheinwiderstandes (-widerstände) in diesem
(diesen) Fall (Fällen) an.
- 3.19 -
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