Dimensionierungskritische Parameter bei Pulspower-Anwendungen Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Einsatz von Leistungshalbleitern in PulspowerAnwendungen. Solche Anwendungen, bisher vorzugsweise mit Schaltröhren und Thyristoren realisiert, gewinnen zunehmend an Bedeutung in der Prozesstechnik, in der Medizintechnik und Navigationstechnik. Typische Einsatzgebiete sind z.B. Pulseranwendungen in Beschleunigern, Anwendungen als Hochleistungs-Pulsschalter in der Metallbearbeitung, der Einsatz in Magnetstimulatoren in der Medizintechnik und in Radaranlagen zur Führung von Flugzeugen und Schiffen. Allen Anwendungen gemeinsam ist der Betrieb mit hohen kurzzeitigen Strompulsen bei hohen Betriebspannungen und unterschiedlichsten Wiederholraten. Dabei werden die Leistungshalbleiter oft bis an die physikalischen Grenzen belastet. Werden diese überschritten kommt es in der Folge häufig zu Ausfällen die mitunter erst nach längerer Betriebszeit auftreten können. Thyristoren in Pulspower-Anwendungen Die derzeit häufigst benutzten Leistungshalbeiter in Pulspower-Anwendungen sind Thyristoren. Die Thyristoren werden als Schalter zwischen eine aufgeladene Kondensatorbatterie und die Last verschaltet. Die Spannung an der Kondensatorbatterie kann sehr hohe Werte - einige 10kV bzw 100kV - erreichen. Dann werden die Thyristoren in Reihenschaltung betrieben damit sie die Spannung halten können. Zum Einschalten des Pulsers erhalten alle Thyristoren gleichzeitig einen Zündimpuls auf das Gate. Die auf der Kondensatorbatterie gespeicherte Energie wird dann in Form eines hohen Laststrompulses auf die Last entladen. Die Kurvenform des Laststromes in Anstieg Verlauf und Pulsbreite ist von der Art der Belastung abhängig. Wird der Laststrom durch den Thyristor am Ende der Entladung zu Null, so erlischt der Thyristor und geht in den Sperrzustand über. Die Kondensatorbatterie kann nun für eine neue Entladung nachgeladen werden. So einfach diese Funktionsweise aussieht, so komplex ist die Wechselwirkung zwischen dem physikalischen Verhalten der Thyristoren und der in diesen Anwendungen geforderten bzw auftretenden Betriebsverhältnissen die sich teilweise konträr verhalten. Am besten eignen sich für diese Anwendung hochsperrende „schnelle“ Thyristoren. Hochsperrend um die Anzahl der in Serie geschalteten Thyristoren zu optimieren, „schnell“ um einerseits den RC-Beschaltungsaufwand aufgrund des TSE-Effektes und andererseits die Limitierung der Wiederholraten aufgrund langer Freiwerdezeiten zu minimiern. Grundlegend und nicht zu beeinflussen ist jedoch die Begrenzung der maximalen Stromanstiegsgeschwindigkeit di/dt auf Werte zwischen 100 bis ca. 300A/us wenn Thyristoren für Pulspower-Anwendung eingesetzt werden. Bild1: Tyristor Pulsschalter 40kV, 6kA,tp 200us. Zündung über Fiberoptik Zündung Thyristoren haben im Vergleich zu GTO, IGCT und IGBT kleine Gatestrukturen mit relativ kurzen Gatelängen. Deshalb steht unmittelbar nach dem Zünden des Thyristors nur eine kleine gezündete Fläche rund um das Gate für die Stromführung zur Verfügung. Wird die Stromdichte wegen einer zu hohen Stromanstiegsgeschwindigkeit zu hoch kann es zu lokalen Überhitzungen auf dem Thyristorchip kommen. Dies führt in aller Regel mittelfristig zu Ausfällen die durch ein Brandloch in Gatenähe charakterisiert sind. Der Stromanstieg muss daher mittels einer Drossel auf dem im Datenblatt spezifizierte Wert für di/dtcr limitiert werden. Der Thyristor sollte mit einem sehr kräftigen Zündimpuls (einigen Ampere, Begrenzung siehe zulässige Zündverlustleitung Pg in Funktion der Zündimpulsdauer) gezündet werden. Ein solcher kräftiger Zündimpuls ist vor allen Dingen dann wichtig, wenn Thyristoren in Serie geschaltet werden müssen. Weiterhin ist es vorteilhaft eine Notzündeinrichtung mit sogenannten Kippdioden zu installieren. Diese Kippdioden sind eigentlich kleine Thyristoren die durch Überschreitung der zulässigen Vorwärtssperrspannung gezündet und damit eingeschaltet werden dürfen. Die Kippdioden werden zwischen Anode und Gate eines jeden Thyristors in der Serienschaltung geschaltet. Wird ein Thyristor in der Serienschaltung nicht durch einen regulären Zündimpuls gezündet so wird er dann durch das Ansprechen der Kippdiode „notgezündet“. Dadurch werden Thyristorausfälle –d.h. hier Spannungsausfälle aufgrund fehlerhafter Zündung einzelner Thyristoren in der Serienschaltung verhindert. Ein solcher Spannungsausfall zeigt sich in vielen Fällen als Brandkanal im Rand- bzw. Passivierungsbereich auf dem Thyristorchip. Spannungsauslegung Die Anzahl der in Serie geschalteten Thyristoren wird bestimmt durch die Spannung auf die die Kondensatorbatterie aufgeladen wird. Die dann zu installierende Sperrspannung Vdrm, bzw. Vrrm sollte das 2fache der Spannung an der Kondensatorbatterie betragen. Dies bringt eine ausreichende Spannungssicherheit und Redundanz sollte ein Thyristor in der Serienschaltung trotz aller Schutzmassnahmen ausfallen. Ein ausgefallener Thyristor zeigt sich in aller Regel als kurzgeschlossenes Bauelement in der Reihenschaltung. Dies ist so lange unkritisch, solange genügend Redundanz vorgesehen ist. In hochwertigen Anlagen ist es daher sinnvoll, eine Statusrückmeldung vorzusehen die einen Rückschluss zur Betriebsfähigkeit der Thyristoren während des Betriebes zulässt. Statische Spannungsaufteilung Damit es erst gar nicht zu Spannungs-Ausfällen vor genannter Art kommt, erhält jeder Thyristor in der Serienschaltung eine Beschaltung zur statischen und dynamischen Spannungsaufteilung. Die statische Beschaltung ist ein Widerstand der parallel zu jedem Thyristor geschaltet wird. Über diesen Widerstand soll ein Strom fließen der 3-5fach höher ist als der Sperrstrom Idrm, Irrm des Thyristors bei einer Sperrschichttemperatur von 125°C. Damit wird eine gleichmäßige Sperrspannungsaufteilung innerhalb der Serienschaltung sicher erzwungen. Die in den Widerständen umgesetzte Leistung kann je nach Thyristorgröße recht beachtliche Werte annehmen. Da der Sperrstrom durch den Thyristor stark von der aktuellen in der Anwendung auftretenden Sperrschichttemperatur abhängig ist, (pro 10°C Temperaturverringerung halbiert sich in etwa der Sperrstrom eines Thyristors) ist es sinnvoll die tatsächlich in der Anwendung entstehende Sperrschichttemperatur und den dazu relevanten Sperrstrom zu ermitteln und darauf den Parallelwiderstand auszulegen. Dies führt in aller Regel zu deutlich kleineren Baugrößen für die Widerstände und kleineren Kühlern weil weniger Leistung in den Widerständen umgesetzt wird. Bild 2: Thyristor Reihenschaltung mit statischer und dynamischer Beschaltung und Notzündung Dynamische Spannungsaufteilung Ähnliches gilt für die dynamische Beschaltung. Hierbei handelt es um einen Widerstand in Reihenschaltung mit einem Kondensator, das Ganze wird zusätzlich parallel zu jedem Thyristor in der Thyristor-Serienschaltung geschaltet. Der Kondensator muss in der Lage sein die in der Rückstromspitze Irr enthaltene Energie Qrr aufzunehmen um die Überspannungsspitze, welche beim Erlöschen des Thyristors entsteht, auf Werte zu begrenzen die unterhalb der maximalen zulässigen Sperrspannung Vdrm, Vrrm liegt. Auch hier ist es möglich die Beschaltungswerte zu optimieren da die Rückstromspitze (und damit das Qrr) neben der Ausschaltstrom-Steilheit ganz wesentlich von der in der Anwendung aktuell entstehenden Sperrschichtemperatur abhängig ist. Optimierung der Beschaltung, Freiwerdezeit, Schonzeit Prinzipiell besteht die Möglichkeit das Schaltverhalten prozesstechnisch bei der Herstellung der Thyristoren zu optimieren. Dies kann vom Hersteller in sogenannten Prozesskurven welche den Durchlassspannungsabfall Vt in Abhängigkeit der Sperrverzugsladung zeigen angegeben werden. Je höher der Durchlassspannungsabfall ist je kleiner ist die Sperrverzugsladung Qrr und damit die Freiwerdezeit tq des Thyristors bei gleichen Bedingungen. Die Freiwerdezeit tq bestimmt letztendlich mit welcher Periodizität der Pulsschalter betrieben werden darf. Die einzuhaltende Schonzeit ts zwischen dem Setzen zweier Pulse muss Faktor 3 bis 5 länger sein als die vor erwähnte Freiwerdezeit tq und kann bei schnellen hochsperrenden Thyristoren leicht in den Millisekundenbereich gehen. Wird der Thyristor während dieser Schonzeit ts mit einer positiven Sperrspannung beaufschlagt so kippt er und schaltet ein ohne über das Gate gezündet worden zu sein. Ausfälle aufgrund Nichteinhaltung der mindest erforderlichen Schonzeit zeigen sich in aller Regel durch einen Brandkanal zwischen Gate und Passivierungs- bzw. Randbereich des Thyristorchips. Bild 3: Strom- und Spannungsverlauf zur Definition der Freiwerdezeit tq Mechanik Bei räumlich großen Aufbauten der Thyristor-Reihenschaltung kann es auch zu Spannungsfehlaufteilungen aufgrund parasitärer Erdkapazitäten kommen. Diese Fehlaufteilung kann durch einen geänderten Aufbau (Anordnung weiter von Erdpotential führenden Teilen entfernen) oder durch eine zusätzliche Kondensatorbeschaltung beseitigt werden. Besondere Aufmerksamkeit muss auf den mechanischen Aufbau gelegt werden. In vielen Fällen beträgt die Betriebsspannung einige 10.000V. Auf die Verwendung geeigneter Isolationsmaterialien ist ebenso zu achten wie die Einhaltung der erforderlichen Kriech- und Luftstrecken. Potential führende metallische Teile sollten keine scharfen Kanten aufweisen und müssen gegebenenfalls mit Kalotten geschirmt werden damit es zu keinen Feldentladungen kommen kann. Die zur Zündung der Thyristoren erforderliche Energie sollte dem Lastkreis entnommen werden. Damit entfällt der Einsatz extrem teurer Netzteile mit entsprechender Isolations- und Teilentladungsfestigkeit zur Versorgung der Zündeinheiten. Diese Zündeinheiten können dann über eine Fiberoptik, welche gleichzeitig die Isolationsbarriere zwischen Steuerung und Lastseite darstellt, angesteuert werden. Der IGCT, ein neuer Leistungshalbleiter für Pulspower Anwendungen Der IGCT ist ein weiterentwickelter GTO. In den Pulspower-Anwendungen wird der IGCT durch ein gänzlich anderes Betriebsverhalten neue Einsatzgebiete erschließen. Zwar ist der IGCT ein aktiv abschaltbares Bauelement, in der Pulspower-Anwendung wird diese Eigenschaft jedoch nicht gezielt genutzt da er mit Strömen beaufschlagt wird die weit über den zulässigen abschaltbaren Stromgrenzen liegen (z.B. 140.000A bei tp =50us). Bild 4: IGCT Pulser Sehr weit verzweigte feine Gate-Strukturen ermöglichen sehr hohe Stromänderungsgeschwindigkeiten von mehr als 10.000A/us. Die von Thyristoren bekannten Freiwerde- bzw Schonzeitlimitierungen sind für die Auslegung nicht relevant, da der IGCT ein abschaltbares Bauelement ist und aktiv abgeschaltet wird nachdem der Strom durch den IGCT zu Null geworden ist. Er kann dann im Gegensatz zum Thyristor sofort positive Sperrspannung aufnehmen und kann unmittelbar danach wieder für eine neue Entladung gezündet werden. Bild 5: IGCT mit optischer Ansteuerung und Statusrückmeldung IGBT als Leistungsschalter in Pulspower-Anwendungen Wie der IGCT ist auch der IGBT ein abschaltbares Bauelement mit sehr fein und weitverzweigten Gatestrukturen. Allerdings sind die Laststrompulse durch das Entsättigungsverhalten des IGBT auf Amplituden begrenzt, deren Maximalwert durch das RBSOA Diagram definiert ist. Die maximale Amplitude ist daher in aller Regel ca. das 2fache des IGBT Typenstromes. Bei einem IGBT mit z.B. 1200A Nennstrom wäre die maximale Amplitude demnach ca. 2400A. Da dieser Betrieb innerhalb der zulässigen RBSOA Werte liegt ist es im Gegensatz zum IGCT möglich, den IGBT aktiv abzuschalten während er noch Strom führt. Dies eröffnet die Möglichkeit eine Pulsformung vorzunehmen. Zu beachten sind beim Einsatz von IGBT in Pulspower-Anwendung Alterungserscheinungen aufgrund Ermüdungserscheinungen im Bereich der Wirebond-Kontaktierungen auf dem IGBT Chip. Bild 6: IGBT mit optischer Ansteuerung und Statusrückmeldung Autor: e-mail: Internet: Werner Bresch GvA Leistungselektronik GmbH Boehringerstrasse 10-12 68307 Mannheim [email protected] www.gva-leistungselektronik.de Werner Bresch ist Gesellschafter Geschäftsführer der GvA Leistungselektronik GmbH in Mannheim.