Kapitel 9

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KAPITEL 9
Euklidische Räume
1. Skalarprodukte
Definition 9.1. Es sei V ein Vektorraum über K = R oder K = C.
a) Eine Abbildung φ : V × V → K heißt symmetrische Bilinearform
(Falls K = R) bzw. hermitesche Form (falls K = C) falls gilt:
(i) für alle y ∈ V ist die Abbildung x 7→ φ(x, y) linear ist
(ii) Für alle x, y ∈ V gilt φ(x, y) = φ(y, x).
b) Eine hermitesche Form φ : V × V → R heißt positiv definit (bzw.
negativ definit, bzw. positiv semidefinit, bzw. negativ semidefinit), falls
für alle x ∈ V \{0} gilt φ(x, x) > 0 (bzw. φ(x, x) < 0, bzw. φ(x, x) ≥ 0,
bzw. φ(x, x) ≤ 0) gilt.
c) Eine Abbildung φ : V × V → R heißt Skalarprodukt wenn sie eine
positiv definite hermitesche Form ist.
Definition 9.2. Einen reeller Vektorraum versehen mit einem Skalarprodukt
nennt man Euklidischer Vektorraum. einen komplexen Vektorraum versehen
mit einem Skalarprodukt nennt man unitären Vektorraum
Bemerkung: Es sei A ∈ Kn×n (K = R oder K = C) eine Matrix mit der
Eigenschaft: Für alle x ∈ Kn \ {0} gilt x⊤ Ax > 0. Dann ist äquivalent:
(i) φ : Kn × Kn → K, (x, y) 7→ x⊤ Ay ist ein Skalarprodukt
⊤
(ii) A == A
Satz 9.3 (Cauchy-Schwarzsche Ungleichung). Ist V ein euklidischer oder ein
unitärer Vektorraum mit Skalarprodukt φ, so gilt für alle x, y ∈ V :
|φ(x, y)|2 ≤ φ(x, x)φ(y, y).
Gleichheit besteht genau dann, wenn x und y linear abhängig sind.
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2. Induzierte Normen und Winkel
Satz 9.4 (Induzierte Normen). Ist V ein euklidischer oder ein unitärer Vektorraum mit Skalarprodukt φ, so ist
p
k · kφ : V → R, x 7→ φ(x, x)
eine Norm – die durch φ induzierte Norm – auf V .
Satz 9.5 (Parallelogrammgleichung). Ist V ein euklidischer oder unitärer Vektorraum mit Skalarprodukt φ, so gilt für alle x, y ∈ V :
kx + yk2φ + kx − yk2φ = 2kxk2φ + 2kyk2φ .
Zur Erinnerung: Die Gleichung cos(x) = y hat für y ∈ [−1, 1] genau eine
Lösung x ∈ [0, π].
Definition 9.6. Es sei V ein euklidischer Vektorraum mit Skalarprodukt φ. Der
Winkel ∠φ (x, y) zwischen zwei Vektoren x, y ∈ V \ {0} ist die Zahl α ∈ [o, π],
φ(x,y)
welche die Gleichung cos α = kxk
lösst. Man sagt x und y stehen senkrecht
φ kykφ
aufeinander (othogonal zu einander) (bezüglichn φ), falls α = π2 (also wenn
φ(x, y) = 0).
Satz 9.7. Es sei V ein euklidischer Vektorraum mit Skalarprodukt φ. Für alle
x, y ∈ V gilt:
a)
b)
c)
d)
∠φ (x, y) = ∠φ (y, x).
∠φ (λ1 x, λ2 y) = ∠φ (y, x) für λ1 , λ2 > 0.
∠φ (x, y) = 0 genau dann wenn x = λy für ein λ > 0.
∠φ (x, −y) = π − ∠φ (y, x).
Satz 9.8 (Satz des Pythagoras). Es sei V ein euklidischer Vektorraum mit
Skalarprodukt φ. Für alle x, y ∈ V gilt
kx − yk2φ = kxk2φ + kyk2φ − 2kxkφ kykφ cos ∠φ (x, y).
3. Orthonormalbasen
Definition 9.9. Es sei V ein euklidischer oder ein unitärer Vektorraum mit
Skalarprodukt φ. Eine Basis B von V heißt Othonormalbasis (bezüglich φ),
wenn alle Elemente der Basis paarweise othogonal zueinander und normiert
sind. Das heißt, für alle a, b ∈ B gilt φ(a, b) = 0 falls a 6= b (othogonal) und
φ(a, b) = 1 falls a = b (normiert).
Satz 9.10 (Orthogonalisierungsverfahren von Gram-Schmidt). Jeder endlichdimensionaler euklidische oder unitäre Vektorraum besitzt eine Orthonormalbasis
bezüglich φ). Eine solche kann man mit dem Gram-Schmidtschen Orthogonalsierungsverfahren bestimmen.
(i) Wähle ṽ1 ∈ V \ {0} und normiere
v1 :=
ṽ1
.
kṽ1 kφ
(ii) Sind die Vektoren v1 , . . . , vk schon orthogonal und normiert zueinander und ist k < n := dim(V ), so wähle v ∈ V \ span(v1 , . . . , vk ) und
berechne
ṽk+1 = v − (φ(v, v1 )v1 + · · · + φ(v, vk )vk )
und normiere
vk+1 :=
ṽk+1
.
kṽk+1 kφ
Die so entstehende Menge {v1 , . . . , vn } ist eine Orthonormalbasis von V .
Satz 9.11. Ist {b1 , . . . , bn } eine Orthonormalbasis eines euklidischen oder
unitären Vektorraumes V mit Skalarprodukt φ, so errechnet sich die eindeutige Darstellung eines Vektors v ∈ V als Linearkombination der Basiselemente
mit
n
X
v=
λi bi mit λi = φ(v, bi ).
k=1
Des weiteren gilt
v
u n
uX
|λi |2
kvkφ = t
i=1
Definition 9.12. Es sei V ein euklidischer oder unitärer Vektorraum mit Skalarprodukt φ und U ein Unterraum von V . Die Menge
U ⊥ : {x ∈ V | φ(x, u) = 0 für alle u ∈ U }
heisst orthogonales Komplement von U .
Bemerkung: U ⊥ ist ein Unterraum von V .
Satz 9.13. Es sei V ein endlich dimensionaler euklidischer oder unitärer Vektorraum und U ein Unterraum von V . Dann gilt U ⊥ ⊕ U = V .
4. φ-Orthogonale Projektion
Lemma 9.14. Es sei V ein endlich dimensionaler euklidischer oder unitärer
Vektorraum und U ein Unterraum von V . Es gilt:
a) Zu jedem x ∈ V gibt es ein eindeutiges ux ∈ U , so dass kx − ux kφ
minimal ist.
b) Ist {b1 , . . . , bk } eine Orthogonalbasis von U , so gilt ux =
Pk
j=1 φ(x, bj )bj .
c) x − ux ∈ U ⊥ .
Definition 9.15. Es sei V ein endlich dimensionaler euklidischer oder unitärere Vektorraum mit Skalarprodukt φ und U ein Unterraum von V . Die Abbildung
πU : V → V, x 7→ ux ,
wobei ux den Term kx − ux kφ minimiert
nennt man φ-orthogonale Projektion.
Satz 9.16. Es sei V ein endlich dimensionaler euklidischer oder unitärere
Vektorraum mit Skalarprodukt φ und U ein Unterraum von V . Für die φorthogonale Projektion gilt:
a) πU ist eine lineare Abbildung.
b) πU2 = πU .
c) Bild(πU ) = U und Kern(πU ) = U ⊥ .
5. Isometrien
Satz 9.17. Es sei V ein euklidischer Vektorraum. Für eine Abbildung f : V →
V sind äquivalent:
a) Für alle x, y ∈ V gilt kf (x) − f (y)kφ = kx − ykφ .
b) f (x) = T (x) + b für ein b ∈ V und eine lineare Abbildung T : V → V ,
welche φ(x, y) = φ(T (x), T (y)) für alle x, y ∈ V erfüllt.
c) f (x) = T (x) + b für ein b ∈ V und eine lineare Abbildung T : V → V ,
welche kT (x)kφ = kxkφ für alle x ∈ V erfüllt.
Definition 9.18. Erfüllt f eine (und damit alle drei) der Bedingungen aus obigen Satz, so nennt man f eine Isometrie oder eine euklidische Bewegung.
Satz 9.19. Es sei V ein endlich dimensionaler euklidischer Vektorraum. Die
Menge der euklidischen Bewegungen in V ist bezüglich Komposition eine Gruppe, die sogenannte euklidische Gruppe oder Gruppe der Isometrien (Schreibweise
E(V ) oder ISO(V )).
Satz 9.20. Es sei Rn versehen mit dem Standard Skalarprodukt. Eine Abbildung
f : Rn → Rn ist genau dann eine Isometrie, wenn es ein b ∈ Rn und ein
T ∈ On (R) gibt, so dass für alle x ∈ R: f (x) = b + T x gilt.
6. Unitäre und orthogonale Abbildungen
Definition 9.21. Es sei V ein euklidischer oder ein unitärer Raum mit Skalarprodukt φ. Eine lineare Abbildung f : V → V heißt orthogonal (im Fall K = R)
bzw. unitär (im Fall K = C), falls für alle x, y ∈ V : φ(x, y) = φ(f (x), f (y)) gilt.
Bemerkung: 1) Orthogonale bzw. unitäre Abbildungen sind Isometrien
2) Ist V = Rn versehen mit dem Standardskalarprodukt und ist f : x 7→ Ax
mit A ∈ Rn×n , so gilt: f ist orthogonal genau dann wenn A ∈ On (R).
3) Ist V = Cn versehen mit dem Standardskalarprodukt und ist f : x 7→ Ax
mit A ∈ Cn×n , so gilt: f ist unitär genau dann wenn A ∈ Un (C) = {A ∈
⊤
GLn (C) | AA = E}.
⊤
4) Matrizen mit der Eigenschaft AA = E nennt man unitäre Matrizen. Die
Menge der unitären Matrizen ist eine Gruppe bezüglich Matrixmultiplikation.
5) Ist dim(V ) < ∞ und f eine orthogonale bzw. unitären Abbildung, so ist
| det(f )| = 1.
6) A ∈ Rn×n ist genau dann orthogonal, wenn ihre Spaltenvektoren eine Orthonrmalbasis des Rn bilden (bezüglich Standardskalarprodukt). A ∈ Cn×n ist
unitär genau dann wenn ihre Spaltenvektoren eine unitäre Basis des Cn bilden
⊤
(d.h. für Spalten si , sj gilt s⊤
i sj = 1 falls i = j und si sj = 0 falls i 6= j).
Definition 9.22. Es sei V ein euklidischer oder unitärer Vektorraum und U
ein echter (d.h. U 6= V ), nichttrivialer (d.h. U 6= {0}) Unterraum von V welcher
U ⊕ U ⊥ = V erfüllt. Die Abbildung
SU → V, x 7→ πU (x) − πU ⊥ (x)
heißt Spiegelung an U .
Bemerkung: Für alle x ∈ V gilt: Su (x) = x − 2πU ⊥ (x)
Satz 9.23. Es sei V euklidisch oder unitär. Es sei U ein echter nichttrivialer
Unterraum von V mit U ⊕ U ⊤ = V und SU die Spiegelung an U . Es gilt:
a) Jede Spiegelung ist orthogonal (falls K = R) bzw. unitär ( falls K =
C).
b) SU ist diagonalsierbar und hat genau die Eigenwerte 1 und −1.
c) det(SU ) = (−1)n−dim(U ) .
7. SPD Matrizen
Definition 9.24. 1) Es sei K = R. Die Elemente der Menge
SP Dn (R) := {A ∈ Rn×n | A = A⊤
und ∀x ∈ Rn \ {0} : x⊤ Ax > 0}
heissen SPD-Matrizen (symmetrisch positiv definite Matrizen).
2) Es sei K = C. Die Elemente der Menge
⊤
HP Dn (C) := {A ∈ Cn×n | A = A
und ∀x ∈ Cn \ {0} : x⊤ Ax > 0}
heissen HPD-Matrizen (hermitsch positiv definite Matrizen).
Bemerkungen: 1) Ist A ∈ SP Dn (R) (bzw. A ∈ HP Dn (C)), so ist A
invertierbar.
2) Ist A ∈ SP Dn (R) (bzw. A ∈ HP Dn (C)), so ist A−1 ∈ SP Dn (R) (bzw.
−1
A ∈ HP Dn (C)).
3) Weder SP Dn (R) noch HP Dn (C) sind Gruppen bezüglich Matrixmultiplikation.
4) Sind A, B ∈ SP Dn (R) (bzw. A, B ∈ HP Dn (C)) und λ ∈ R+ , so ist
A + B ∈ SP Dn (R) (bzw. A + B ∈ HP Dn (C)) und λA ∈ SP Dn (R) (bzw.
λA ∈ HP Dn (C))
5) Ist A ∈ Cn×n hermitesch, so sind die Diagonaleinträge von A reell.
6) Hat eine hermitesche Matrix A ∈ Cn×n einen Eigenwert, so ist dieser
reell.
⊤
Satz 9.25 (Hurwitz Test). Es sei K ∈ {R, C}. Es gelte A = A . Zu A =
(ai,j )i,j=1,...,n ∈ Kn×n sei


a1,1 . . . a1,k
a1,1 a1,2
A1 := (a1,1 ), A2 :=
, . . . Ak :=  . . .
. . .  , . . . An = A
a2,1 a2,2
ak,1 . . . ak,k
Es gilt: A ist genau dann positiv definit, wenn für alle k = 1, . . . , n gilt:
det(Ak ) > 0.
Satz 9.26.
a) Ist A ∈ On (R) und D eine reelle Diagonalmatrix, so ist
⊤
T DT genau dann symmetrisch positiv definit, wenn alle Diagonaleinträge von D positiv sind.
⊤
b) Ist A ∈ Un (C) und D eine komplexe Diagonalmatrix, so ist U DU
genau dann hermitesch positiv definit, wenn alle Diagonaleinträge von
D reell und positiv sind.
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