4.5. UNITÄRE RÄUME 4.5 205 Unitäre Räume Es soll nun untersucht werden, wie man zweckmäßig vorzugehen hat, wenn der Grundkörper K der Körper C = {ζ := ρ + iσ | ρ, σ ∈ R} der komplexen Zahlen ist, mit den bekannten Rechenregeln und der Konjugation −: C → C, ζ 7→ ζ := ρ − iσ. 4.5.1 Definition (Semibilinearformen) Ist V ein C-Vektorraum, dann heißt Φ: V × V → C Semibilinearform, wenn gilt Φ(ζ0 v0 + ζ1 v1 , v2 ) = ζ0 Φ(v0 , v2 ) + ζ1 Φ(v1 , v2 ) und Φ(v0 , ζ1 v1 + ζ2 v2 ) = ζ1 Φ(v0 , v1 ) + ζ2 Φ(v0 , v2 ). • Die zugehörige quadratische Form ϕ ist wieder durch ϕ(v) := Φ(v, v) definiert, und auch hier gilt die Parallelogramm-Identität ϕ(v + w) + ϕ(v − w) = 2[ϕ(v) + ϕ(w)]. p p Weiter haben wir, für |ζ| := ζζ = ρ2 + σ 2 : 4.5.2 ϕ(ζv) = |ζ|2 ϕ(v), und auch hier im komplexen Fall läßt sich Φ aus der quadratischen Form ϕ wiedergewinnen: 4.5.3 2Φ(v, w) = [ϕ(v + w) − ϕ(v) − ϕ(w)] + i · [ϕ(v + iw) − ϕ(v) − ϕ(w)]. 4.5.4 Definition (hermitesche Semibilinearform) Die Semibilinearform Φ e gilt, wobei heißt hermitesch, wenn Φ = Φ e w) := Φ(w, v). Φ(v, e ist offensichtlich ebenfalls hermitesche Semibilinearform.) (Φ • Eine Semibilinearform ist also genau dann hermitesch, wenn die zugehörige quadratische Form reellwertig ist. Demnach kann man bei hermiteschen Semibilinearformen auch von positiv definiten sprechen, sie eigenen sich also zur Metrisierung! 4.5.5 Definition (hermitesche Matrix) A ∈ Cn×n heißt hermitesch, wenn gilt aik = aki . • 206 Ist z. B. Φ hermitesch, B = (b0 , . . . , bn−1 ) eine Basisfolge, dann ist MBΦ hermitesch. 4.5.6 Beispiele • Ist V := Cn , dann ist das Standardskalarprodukt Φ, definiert durch Φ(v, w) := n−1 X vi wi , i=o hermitesch. • Ein R-Vektorraum V ergibt den C−Vektorraum V × V vermöge (ρ + iσ)(v, w) := (ρv − σw, ρw + σv). Dieser Vektorraum heißt die Komplexifizierung von V. Wir bezeichnen ihn mit C (V × V ). Jeder seiner Vektoren (v, w) ist eindeutig darstellbar als Summe (v, w) = (v, 0) + (0, w) = (v, 0) + i(w, 0). Ist dabei R V euklidisch, h− | −i das innere Produkt, dann definiert Φ((v, v 0 ), (w, w0 )) := hv | wi + hv 0 | w0 i + i · [hv 0 | wi − hv | w0 i] eine hermitesche Semibilinearform auf C (V × V ). 3 4.5.7 Definition (unitärer Raum, unitäre Matrix) i) Ein endlichdimensionaler C−Vektorraum zusammen mit einer positiv definiten hermiteschen Semibilinearform h− | −i: V × V → C heißt unitärer Raum. h− | −i heißt dann auch hermitesches inneres Produkt. ii) A ∈ Cn×n heißt unitär, wenn gilt: A−1 = t A = (aki ). • Natürlich ist Cn mit dem Standardskalarprodukt ein unitärer Nicht ganz so offensichtliches Beispiel ist die oben eingeführte Komplexifizierung C (V × V ) eines reellen Vektorraums V mit der dort angegebenen hermiteschen Semibilinearform Φ. Auf unitären Räumen kann, ganz wie für relle Vektorräume mit innerem Produkt, eine Norm definiert werden: p kvk := hv | vi, 4.5. UNITÄRE RÄUME 207 denn der Wert unter der Wurzel ist ja eine nicht negative reelle Zahl. Auch hier gilt die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung |hv | wi| ≤ kvk kwk. mit Gleichheit genau dann, wenn die beiden Vektoren linear abhängig sind. Der Beweis verläuft hier völlig analog zum Beweis im Reellen. 4.5.8 Hilfssatz Es gilt die Dreiecksungleichung kv + wk ≤ kvk + kwk, mit Gleichheit genau dann, wenn v = ρw, ρ ∈ R≥0 . Beweis: Die Gültigkeit der Dreiecksungleichung folgt mit Hilfe der CauchySchwarzschen Ungleichung. Bei Annahme der Gleichheit quadriert man beide Seiten von kv + wk = kvk + kwk und erhält p 4.5.9 hv | wi + hv | wi = 2 hv | vihw | wi, also für den Realteil von hv | wi die Gleichung Re(hv | wi) = kvk kwk. Aus der Cauchy-Schwarzschen Ungleichung folgt damit die Gleichheit |hv | wi| = kvk kwk, die Vektoren v und w sind demnach linear abhängig, etwa v = ζw. Setzen wir dies in 4.5.9 ein, so folgt ζ + ζ = 2|ζ|, der Koeffizient ζ ist demnach reell. Ist umgekehrt v = ζw, mit ζ ∈ R≥0 , dann wird aus der Dreiecksungleichung ganz offensichtlich eine Identität. 2 Auch im unitären Fall nennen wir zwei Vektoren v, w genau dann orthogonal, wenn ihr inneres Produkt verschwindet: v ⊥ w :⇐⇒ hv | wi = 0. Wir haben also einen Orthogonalitätsbegriff, Orthonormalbasisfolgen, orthogonale Komplemente usw. Eine wichtige Konstruktion ist 4.5.10 Definition (der konjugierte Vektorraum) Der zu V konjugierte Vektorraum V hat dieselbe Grundmenge V von Vektoren, aber das Produkt eine v ∈ V mit einem Skalar ζ ∈ C setzt man gleich dem Vektor ζ · v im Vektorraum V, kurz: ζ · v := ζ · v. • 208 (Das sieht vielleicht auf den ersten Blick merkwürdig aus, wird aber dadurch erklärt, daß links ein Vektor aus V , und rechts einer aus V steht!) Für die Abbildung f : V → V , v 7→ v gilt f (i · v) = −i · f (v). Mit ihrer Hilfe definiert man dann zum unitären V (mit h− | −i) die nicht ausgeartete Bilinearform (nachrechnen!) [− | −]: V × V → C: (v, w) 7→ hv | f −1 (w)i. V und V sind also bzgl. [− | −] zueinander duale Vektorräume. Hiermit läßt sich auch der Rieszsche Darstellungssatz übertragen: Ist G: V → C eine Linearform, dann folgt aus einem ganz analogen Beweis, daß g(v) = [v | b], für ein geeignetes b ∈ V. Wegen [v | b] = hv | f −1 (b)i =: hv | ai ergibt sich für g die folgende Darstellung mit Hilfe eines geeigneten a ∈ V und des inneren Produkts auf V : g(−) = h− | ai. usw. Dies wird im kommenden Semester in der Vorlesung Algebra I ergänzt und fortgesetzt! Inhalt von Kapitel 5: Tensoren, multilineare Algebra