Seite 1 von 5 Zusammenfassung der Stellungnahme des DIÄTVERBANDes zur Beschluss-Empfehlung des G-BA vom 15.02.2005 zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinien Abschnitt E: Verordnungsfähigkeit von Aminosäuremischungen, Eiweißhydolysaten, Elementardiäten und Sondennahrung (Enterale Ernährung) (zusammenfassend im Folgenden enterale Ernährung genannt) Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für besondere Ernährungszwecke e.V. Godesberger Allee 142-148 D-53175 Bonn - Telefon (02 28) 3 08 51-40 - Telefax (02 28) 3 08 51-50 [email protected] - www.diaetverband.de PDF wurde mit pdfFactory-Prüfversion erstellt. www.context-gmbh.de Seite 2 von 5 Zusammenfassung der Stellungnahme des DIÄTVERBANDes Zusammenfassung Stellungnahme zur beabsichtigten Neufassung der Arzneimittelrichtlinie (AMR) zur Verordnungsfähigkeit enteraler Nahrung – AMR Nr. 20.1.i Die geplante Neufassung der Arzneimittelrichtlinien zur Verordnungsfähigkeit enteraler Nahrung begegnet erheblichen Bedenken, die sich im wesentlichen auf rechtliche und ethische Aspekte sowie auf die fehlende Praktikabilität des vorliegenden Entwurfs stützen. I. Rechtliche Bedenken Die Eingriffe in die ärztliche Therapiefreiheit sind in der vorgenommenen Form nicht gerechtfertigt. Sie bedürfen - unter der Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit – prinzipiell einer rechtlichen Ermächtigung. Die Voraussetzungen für einen solchen Eingriff gemäß § 92 SGB V sind jedoch nicht erfüllt. Noch schwerer wiegt ein grundsätzlicher systematischer Fehler in Bezug auf die Festlegung der Kriterien für die Bewertung von enteraler Nahrung. Die Auffassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dass neben der Mangelernährung auch noch ein Nutzen in der jeweiligen Indikation bezüglich des Krankheitsverlaufs, der Lebensqualität und Mortalität nachgewiesen sein muss und damit nicht allein die Beeinflussung des Körpergewichts oder von Laborparametern für die Beurteilung enteraler Nahrung ausreicht, geht in die Irre. Die vom G-BA vorgenommene krankheitsbezogene/pharmakologische Bewertung ist falsch und rechtlich unzulässig, denn enterale Nahrung kann und darf de lege nur den Zweck der diätetischen Behandlung i:S. von Nahrungszufuhr und Ernährung verfolgen, die auf natürlichem Wege nicht mehr möglich sind. Auf der Basis von § 92 Absatz 1 SGB V kann der G-BA die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen nur dann einschränken oder ausschließen, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der therapeutische Nutzen oder die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Hierzu liegt die Beweislast beim G-BA . Unstrittig ist jedoch, dass mit den auf dem Markt verfügbaren enteralen Nahrungen Patienten ausreichend ernährt werden können und sie damit den gesetzlich vorgegebenen Zweck erfüllen.. Die Zweckbestimmung enteraler Nahrung geht aus der Diätverordnung (DiätV) hervor. Bilanzierte Diäten dienen entsprechend den Vorgaben der DiätV (§ 1 (4a) Satz 2) der Ernährung von Patienten mit eingeschränkter, behinderter oder gestörter Fähigkeit zur Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechselung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder darin enthaltener Nährstoffe oder ihrer Metaboliten oder einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für dessen diätetische Behandlung eine Modifizierung der normalen Ernährung, andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung oder eine Kombination aus beiden nicht ausreichen. PDF wurde mit pdfFactory-Prüfversion erstellt. www.context-gmbh.de Seite 3 von 5 In Abgrenzung dazu führt § 2 Absatz 1 AMG aus: „Arzneimittel sind ... dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen, zu lindern oder vorzubeugen...., Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen ...“. Nach § 2 Absatz 3 AMG sind Arzneimittel nicht Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG. Damit haben Lebensmittel im Gegensatz zu Arzneimitteln keine pharmakologischen Wirkungen und dürfen diese auch nicht haben, sondern sie dienen ausschließlich der Ernährung. Anhand mehrerer Beispiele kann dargestellt werden, dass der G-BA bei seiner Bewertung jedoch davon ausgegangen ist, dass ein nachweislicher Zusammenhang zwischen Gabe von enteraler Nahrung und Beeinflussung des Krankheitsverlaufs bestimmter Erkrankungen bestehen muss. Bei dessen Fehlen sieht er sich zum Ausschluss von der Verordnungsfähigkeit ermächtigt. Die Voraussetzungen für diesen Eingriff gemäß § 92 SGB V sind jedoch nicht erfüllt. Der G-BA leitet ferner aus § 31 Absatz 1 Satz 2 SGB V ab, dass eine Versorgung mit enteraler Nahrung nur „als Ausnahmefall“ zugelassen sei. Näher liegt jedoch eine andere Auslegung, nämlich, dass die Einbeziehung von Nahrung in die Versorgung mit Arzneimitteln eine systematische Ausnahme darstellt, weil in § 31 SGB V festgelegt wurde, dass die wirtschaftliche Verordnung von enteraler Nahrung (ausnahmsweise) in den Arzneimittelrichtlinien zu regeln ist. Es wird schließlich dargelegt, dass die Ansprüche auf eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung einfach gesetzlich (§ 2 Absatz 2 in Verbindung mit §§ 2, 27 ff SGB V) und verfassungsrechtlich (Artikel 2 Grundgesetz) geschützt sind. Die Einschränkung der Versorgung ist durch die geplante Neufassung der Arzneimittelrichtlinien zur Verordnungsfähigkeit enteraler Nahrung damit rechts- und verfassungswidrig. II. Ethische Bedenken Es ist unethisch, von diätetischen Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke eine pharmakologische Wirkungsweise zu fordern, die diese naturgemäß aufgrund ihrer Zweckbestimmung niemals haben dürfen und trotzdem daran die Verordnungsfähigkeit zu knüpfen. Der Zweck der enteralen Ernährung ist ausschließlich die Ernährung und nicht die pharmakologische Behandlung von Krankheiten. Aus dem Rechtsrahmen für enterale Nahrung (Diätverordnung, LMBG, AMG, Rechtsprechung) ergibt sich sogar, dass diese Erzeugnisse keine pharmakologische Wirkung haben dürfen. Daher kann mit enteraler Nahrung nur ein krankheitsbedingter Gewichtsverlust ausgeglichen werden. Etwas anderes zu verlangen ist unethisch. Es ist unethisch, Studien höchster Evidenzstufe für die Versorgung der krankheitsbedingten Mangelernährung mit künstlicher Ernährung zu fordern, weil solche Anforderungen an Lebensmittel nicht gestellt werden können. Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für besondere Ernährungszwecke e.V. Godesberger Allee 142-148 D-53175 Bonn - Telefon (02 28) 3 08 51-40 - Telefax (02 28) 3 08 51-50 [email protected] - www.diaetverband.de PDF wurde mit pdfFactory-Prüfversion erstellt. www.context-gmbh.de Seite 4 von 5 Es ist unethisch, wenn die neue Richtlinie eine Ungleichbehandlung von vergleichbaren krankheitsbedingten „Mangelernährten“ vorschreibt oder ohne sachlichen Grund verschiedene Maßstäbe in der Beurteilung anlegt. Innerhalb der Bewertungen der Erkrankungen werden unterschiedliche Maßstäbe angesetzt und ein von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin gefordertes Stufenschema zur Bekämpfung krankheitsbedingter Mangelernährung nicht bei allen Krankheiten empfohlen, sondern nur bei Aids- und Mucoviszidosepatienten. Diese beiden Patientengruppen werden auch ausgenommen von der üblichen Nutzenbetrachtung der anderen Indikationen. Es ist unethisch, wenn die geplante Richtlinie Ärzte mit den von ihnen zu beachtenden medizin-ethischen Grundsätzen in Konflikt bringt. Die neugefasste Arzneimittelrichtlinie würde Ärzten verbieten, krankheitsbedingte Mangelernährung durch angemessene enterale Ernährung zu therapieren und nur noch wenige Ausnahmen zulassen. Unstrittig könnten Ärzte nur noch Patienten behandeln, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Schwere Bewusstseinsstörungen (Koma, Sopor), vollständige Störungen der Schluckfunktion, tracheoösophageale Fisteln und mechanisch bedingte Störungen der normalen Nahrungsaufnahme (z. B. bei Tumoren in Mund, Rachen oder Ösophagus). III. Mangelhafte Praktikabilität Die Arzneimittelrichtlinie ist zu komplex und z. T. widersprüchlich aufgebaut. Es wird zwar der Eindruck erweckt, dass bei 23 Indikationen die enterale Nahrung notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich sei, was dann in weiterführenden Tabellen und Texten wieder stark eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Folgende Begriffe sind unbestimmt und werden in der Richtlinie nicht näher definiert: „Speziell mit Ballaststoffen angereichert“ und „MCT-angereichert“, „krankheitsadaptierte Spezialnahrung“ sowie „Semielementardiäten“. Diese Begriffe stehen jeweils im Zusammenhang mit Verordnungsvoraussetzungen oder Verordnungsausschlüssen, so dass der Arzt das Vorliegen der Verordnungsfähigkeit nicht feststellen kann. In ca. 30 Seiten Gesamtumfang ist die geplante Neufassung der AMR für die praktische Arbeit von Vertragsärzten nicht geeignet. Dem Arzt fehlen häufig Möglichkeiten, die Forderungen zu erfüllen, z. B. wenn es heißt: „Anreicherung mit Vitaminen und Mineralien nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen“ oder „bei seltenen nicht in Anlage 7 aufgeführten Indikationen sind entsprechende Konstellationen zur Entscheidungsfindung heranzuziehen“. Außerdem werden erhebliche Dokumentationspflichten über den Misserfolg aller ärztlichen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen verlangt, deren Umfang und geforderter Inhalt aber nicht erkennbar sind. Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für besondere Ernährungszwecke e.V. Godesberger Allee 142-148 D-53175 Bonn - Telefon (02 28) 3 08 51-40 - Telefax (02 28) 3 08 51-50 [email protected] - www.diaetverband.de PDF wurde mit pdfFactory-Prüfversion erstellt. www.context-gmbh.de Seite 5 von 5 Die Neuregelungen verpflichten den Arzt indirekt dazu, Marktrecherchen durchzuführen und Preisvergleiche anzustellen, ohne dass dafür jedoch ausreichende Instrumente zur Verfügung stehen, denn die Lauertaxe und Rote Liste greifen nicht (Vertrieb der Produkte nicht nur über Apotheken, sondern auch über andere Vertriebskanäle) und enterale Nahrung unterliegt nicht der Arzneimittelpreisverordnung, sondern der freien Preisbildung. Weitere Beispiele hierfür sind die Forderung, dass der Arzt keine speziell ballaststoffhaltigen Produkte verordnen darf „wenn damit Mehrkosten verbunden sind“. Bei MCT-haltigen Produkten ist die Verordnungsfähigkeit auf bestimmte Krankheitsbilder aus dem Formenkreis Fettverwertungsstörungen beschränkt, „wenn der MCT-Zusatz zu höheren Kosten führt“. Die Entscheidung für hochkalorische Produkte in Verbindung mit zusätzlicher Flüssigkeitsgabe gegenüber normkalorischen Produkten ist „unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen“. Aufgrund aller vorgebrachten Bedenken ist die vorliegende Entwurfsfassung der Arzneimittelrichtlinien erneut zu beanstanden und eine praktikable Lösung zu finden, die rechtlich tragfähig ist und keinen ethischen Bedenken begegnet. Unsere Stellungnahme enthält dazu einen Vorschlag. Bonn, im Februar 2005 DIÄTVERBAND e.V. Bundesverband der Hersteller von Lebensmitteln für besondere Ernährungszwecke e.V. Godesberger Allee 142-148 D-53175 Bonn - Telefon (02 28) 3 08 51-40 - Telefax (02 28) 3 08 51-50 [email protected] - www.diaetverband.de PDF wurde mit pdfFactory-Prüfversion erstellt. www.context-gmbh.de