Sozialraumorientierung als Fachkonzept der - IFZ

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Sozialraumorientierung
als Fachkonzept der
Sozialen Arbeit
(Präsentation im Rahmen des ifz-Fachgesprächs
am 6. & 7. November 2014)
Univ.-Ass. Dipl.-Päd. Bernhard Babic
FB Erziehungswissenschaft, Arbeitsschwerpunkt Sozialpädagogik
Sozialraumorientierung (SRO) - Wo kommt
sie her?
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Wurzeln der SRO reichen letztlich zurück zu den Anfängen der
Sozialen Arbeit als Profession/Disziplin Ende des 19./ Anfang des
20. Jhdts.
Jane Addams
(1860-1935)
-
Samuel Barnett
(1844-1913)
Beruht auf der Einsicht, dass sich soziale Probleme & Herausforderungen nicht ausschließlich auf der individuellen Ebene
(Einzelfallarbeit) oder auf Ebene von Gruppen (Gruppenarbeit)
bearbeiten lassen
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SRO - Wo kommt sie her?
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Erlebte in den 60er und 70er Jahren des 20. Jhdts. unter dem
Begriff „Gemeinwesenarbeit“ als ‚dritte Handlungsmethode‘ der
Sozialen Arbeit eine - rückblickend betrachtet - mitunter fragwürdige Blütezeit
In den 80er Jahren litt sie – nachdem sie teilweise zu einem ‚roten
Tuch‘ geworden war - unter zunehmender begrifflicher Unschärfe
und Beliebigkeit
Ist seit den 90er Jahren aber unter dem u.a. von Hinte geprägten
Begriff der ‚Sozialraumorientierung‘ wieder zunehmend in Mode
gekommen
Prof. Dr. Wolfgang Hinte
(ISSAB Essen; Jhg. 1952)
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SRO – Was sagt sie aus?
Kritik der SRO an der vorherrschenden Praxis Sozialer Arbeit (nach
Früchtel et.al. 2013):
 Kritik an der Individualisierung sozialer Probleme
Durch die starke Fokussierung auf den Einzelfall geraten
häufig die sozialen Ursachen einer Problematik und der
daraus resultierende gesellschaftliche Veränderungsbedarf
aus dem Blick. Es wird (ausschließlich) der Mensch den
Bedürfnissen der Gesellschaft angepasst.
 Kritik am Fachkräftemonopol
Fachkräfte bestimmen in der Regel was passiert und legen
dabei häufig wenig wert darauf, tatsächlich „Hilfe zur
Selbsthilfe“ zu leisten. Stattdessen werden die Adressaten
u.U. in Passivität und/oder neue Abhängigkeiten gedrängt.
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SRO – Was sagt sie aus?
 Kritik an der Effizienz ‚herkömmlicher‘ Sozialer Arbeit
Durch den hohen Grad an Spezialisierung (bzw.
„Versäulung“) von Angeboten Sozialer Arbeit (und deren
standardisierte flächendeckende Verbreitung) kann die
Effizienz, des dafür notwendigen Mitteleinsatzes in Frage
gestellt werden.
 Forderung: Der jeweilige (Einzel-)Fall muss immer in seinem
(Lebensum-)Feld (d.h. in seinem Sozialraum) betrachtet
werden und es gilt dabei immer erst zu überprüfen, ob dort
nicht schon genügend Ressourcen vorhanden sind, um die
jeweilige Problematik erfolgreich zu bewältigen.
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SRO – Was sagt sie aus?
 Sozialraum:
Vor diesem Hintergrund greift es – insbesondere aus
Blickwinkel des Individuums - letztlich zu kurz, sich den
Sozialraum lediglich als physischen Raum vorzustellen, der
mehr oder minder klar durch (sozial-)geographische oder
sozialstatistische Größen gegenüber anderen physischen
Räumen abgegrenzt werden könnte.
Er ergibt sich schließlich nicht zuletzt aus den Kontakten, die
eine Person (real oder virtuell) zu anderen (natürlichen oder
juristischen) Personen oder (formalen oder informellen)
Organisationen, Netzwerken, Initiativen etc. unterhält.
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SRO – Was sagt sie aus?
Fünf Prinzipien der SRO (u.a. Hinte 2008; Bestmann 2010):
 Orientierung am Willen der Menschen
Menschen dürfen nicht zum Objekt (gemacht) werden
sondern sind zunächst als aktive und kompetente Gestalter
des eigenen Lebens ernst zu nehmen. Leitfrage ist „Was
wollen Sie (hier) ändern?“.
Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen Wille und
Wunsch:
„Ein Wunsch ist eine Einstellung, aus der heraus ich erwarte,
dass ein für mich erstrebenswerter Zustand durch die
Aktivität einer anderen Person oder Institution (…) hergestellt
wird. Eine Wunsch-Haltung ist immer gekennzeichnet durch
den Mangel an eigener Tätigkeit (…)“ (Hinte 2008)
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SRO – Was sagt sie aus?
„Wenn Fachkräfte (…) sich darin gefallen, Wünschen
nachzukommen (…), manövrieren sie sich in eine
ausweglose Situation. Zum einen sind sie mit derlei Aufgaben
völlig überfordert, und zum anderen nehmen sie den
wünschenden Menschen die Möglichkeit eigener Aktivität und
verstärken (…) eine passive Erwartungshaltung auf optimale
Betreuung und wohlfahrtsstaatliche Zuwendung“ (Hinte 2008)
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SRO – Was sagt sie aus?
 Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe
„Würde erhalten Menschen nicht dadurch, dass sie
alimentiert werden (…), sondern dadurch, dass sie unter
Aufbietung eigener Kräfte (und durchaus unter Nutzung
sozialstaatlicher Leistungen und sozialarbeiterischem
Beistand) prekäre Lebenssituationen meistern, so dass sie
(…) sagen können. „Das habe ich selbst geschafft!““ (Hinte
2008)
Fazit: Sowenig Hilfe wie möglich, soviel Hilfe wie Nötig (bei
Vorrang bürgerschaftlicher vor professionellen Leistungen/
Angebote). Es gilt, der (professionellen) „Kolonialisierung“
(Habermas 1982) der (privaten) Lebenswelt keinen Vorschub
zu leisten!
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SRO – Was sagt sie aus?
 Konzentration auf Ressourcen
Es gilt das Augenmerk auf die Stärken der Menschen zu
richten, die sich nicht selten in den vermeintlichen Defiziten
abbilden (z.B. der Dieb als potentieller Sicherheitsexperte).
Schwierigkeit:
Die soziale Arbeit steht „in der widersprüchlichen Situation,
dass sie ständig (…) „Defizite“ konstatieren muss, um
überhaupt Leistungen zu rechtfertigen, und gleichzeitig (…)
Ressourcen erheben soll, damit diese (…) Leistungen
möglichst hochwertig und wirkungsvoll erbracht werden
können.“ (Hinte 2008)
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SRO – Was sagt sie aus?
 Zielgruppen- und bereichsübergreifende Sichtweise
Es ist in der Regel kontraproduktiv Sozialräume funktional in
separate Aufgabenbereiche oder Angebote ausschließlich
eindimensional auf bestimmte Zielgruppen zuzuschneiden,
weil dadurch bestimmte Ressourcen/Optionen gar nicht erst
ins Blickfeld geraten.
 Integrative Kooperation und Koordination
Vielmehr ist durch die Initiierung bzw. den Ausbau sowie
durch die aktive Pflege von Netzwerken, in die möglichst alle
Akteure innerhalb eines Sozialraums eingebunden sind, im
Bedarfsfall die Erschließbarkeit sozialräumlicher Ressourcen
zu gewährleisten.
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SRO – Wo setzt sie an?
SRO muss als umfassendes (‚ganzheitlicheres‘) Konzept folglich auf
mehreren Handlungsfeldern gleichzeitig ansetzen. Budde & Früchtel
(2012) identifizieren die folgenden vier:
 Sozialstruktur
verstanden als gesellschaftspolitischer Kontext Sozialer Arbeit
 Organisation
verstanden als eine Instanz, die sich (im gesellschaftlichen
Auftrag) der Bearbeitung spezifischer Probleme annimmt.
 Netzwerk
Verstanden als lebensweltlicher/sozialräumlicher Kontext des
Einzelnen
 Individuum
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SRO – Wo setzt sie an?
Handlungsfelder der SRO (SONI-Schema nach Budde & Früchtel 2012):
Richmond (1922)
Indirekte
Intervention
Direkte
Intervention
Soziale Gerechtigkeit
Soz.räuml. Steuerung
Habermas (1982)
System
Sozialstruktur
Gesellschaft
Lebenswelt
Sozialkapitalmodel
Netzwerk
Gemeinwesen
Organisation
Hilfesystem
Stärkemodell
Individuum
Lebenswelt
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SRO – Wie arbeitet sie?
 Fallspezifische Arbeit
Hiermit sind Tätigkeiten gemeint, die sich unmittelbar auf einen als „Fall“
identifizierten Menschen (oder eine Gruppe) beziehen.
 Fallbezogene Ressourcenmobilisierung / fallübergreifende
Arbeit
Meint Aktivitäten, die zwar vom ‚bezuschussten Symptomträger‘
ausgehen und sich auf ihn beziehen, sich jedoch (…) darauf richten
außerhalb des (…) Falles zu dessen Bewältigung nutzbare Ressourcen
zu mobilisieren.
 Fallunspezifische Arbeit
Meint Aktivitäten, mit denen sich eine Fachkraft die Ressourcen in einem
(nicht-individuellen, sozialgeographisch/-statistisch eingegrenzten)
Sozialraum erschließt, ohne bereits zu wissen, ob und ggf. wie sie diese
Ressourcen für einen Fall benötigen wird.
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Pegnitz (13.600 EW), Bez. Oberfranken/Bayern
Prognostizierte Entwicklung der Bevölkerung bis 2029:
(Bayerisches Landesamt f. Statistik u. Datenverarbeitung 2011, S. 6)
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Veränderung der Bevölkerung nach Altersgruppen bis 2029:
(Bayerisches Landesamt f. Statistik u. Datenverarbeitung 2011, S. 6)
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Den absehbar wachsenden Bedarf an Unterstützungs- und Pflegeleistungen im Alter bedarfsgerecht, fachlich angemessen und
zugleich effizient zu decken, wird so zu einer ernsthaften Herausforderung:
 In Alten- und Pflegeheimen möchten nur die wenigsten Menschen
ihren Lebensabend verbringen. Im Grundsatz „ambulant vor stationär“
kommen zudem fachpolitische Vorbehalte gegenüber dieser
Angebotsform zum Ausdruck.
 Es ist davon auszugehen, dass zur Unterstützung und Pflege immer
seltener auf (jüngere) Angehörige zurückgegriffen werden kann.
 Der ambulanten Versorgung Unterstützungs- und Pflegebedürftiger
ausschließlich durch Fachkräfte sind schon aus Kostengründen
Grenzen gesetzt.
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
 Der zunehmende Fachkräftemangel in der Altenhilfe wird sich
problemverschärfend auswirken.
 Insbesondere ländliche Kommunen in strukturschwachen Regionen
drohen in (zusätzliche) fatale Teufelskreise zu geraten. Hinsichtlich
benachbarter Kommunen sind ‚Domino-Effekte‘ denkbar.
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Das sozialraumorientierte Wohnmodell „In der Heimat wohnen“
 Vor diesem Hintergrund trat die Kommune 2011 an „In der Heimat
wohnen“ heran, ein vom Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg
und dem kirchlichen Wohnungsunternehmen Joseph-Stiftung
entwickelten sozialraumorientierten Wohnmodell.
 Auf der Grundlage verschiedener Gespräche mit Vertretern der
Kommune, von Einrichtungen der Caritas und anderer Träger vor Ort
sowie einer Sozialraumanalyse wurde daraufhin beschlossen, in
Pegnitz einen „In der Heimat wohnen“-Standort zu verwirklichen.
 Ziel des Wohnmodells ist es, möglichst vielen Menschen in einem
Quartier/an einem Standort zu ermöglichen, den Lebensabend (bis
zum Tod) im vertrauten Umfeld zu verbringen, auch bei erhöhtem
Unterstützungs-/Hilfebedarf
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Der „In der Heimat wohnen“-Standort Pegnitz
 Auf einem von der Kommune zur Verfügung gestellten unbebautem
Grundstück in einem von älteren, freistehenden Ein- und
Mehrfamilienhäusern geprägtem Quartier/Viertel
 12 barrierefreie Mietwohnungen (davon 10 öffentlich gefördert) in
energieeffizienter Modulbauweise
 ein Gemeinschaftshaus mit Büro für das Quartiersmanagement, dass
allen Bewohnern im Viertel zur Verfügung steht
 als Erbringer professioneller ambulanter Leistungen steht bei Bedarf
(unter Wahrung des Wunsch- und Wahlrechts) auf Grundlage eines
Kooperationsvertrags die Caritas-Sozialstation Pegnitz zur Verfügung
 für stationäre Leistungen soll mit dem Zentralen Diakonieverein
Pegnitz kooperiert werden
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Das Quartiersmanagement
 strategischer Ansatz zum Auf- und Ausbau selbsttragender und
nachhaltig wirksamer materieller und sozialer Strukturen
 bedient sich vorrangig der bereits im Quartier vorhandenen
Ressourcen
 orientiert sich primär an den mit den älteren Quartiersbewohnern (und
ihren Angehörigen) formulierten Bedürfnissen
 Als Aufgaben im engeren Sinn können daher benannt werden:
- Aktivierung der älteren Quartiersbewohner (u.a. zur Formulierung
eine ‚Quartiersvision‘)
- Quartierskoordination & Projektinitiierung
- Öffentlichkeitsarbeit, Evaluation & Berichterstattung
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Dienstleistungen, die das Quartiersmanagement (aus Sicht der
QuartiersbewohnerInnen) erbringt:
 Hausbesuche und Vermittlung von Nachbarschaftshilfe
 (Erst-)Beratung von Senioren, Pflegebedürftigen und Angehörigen
 Unterstützung und Begleitung von Senioren, Pflegebedürftigen und
Angehörigen bei Behördengängen und Anträgen
 (Erst-)Beratung zur Wohnraumanpassung
 Vermittlung und Koordinierung von professionellen Hilfeleistungen
 Vernetzung von Akteuren und Angeboten im Sozialraum
 Anregung von Selbsthilfeaktivitäten
 Aufbau, Pflege und Weiterentwicklung eines EhrenamtlichenNetzwerks
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Das Quartiersmanagement koordiniert zudem die Nutzung des
Gemeinschaftshauses, in dem vorgesehen ist:
 einen offenen Mittagstisch und
 ein ehrenamtliches Bürger-/Seniorencafé anzubieten
 Gottesdienste, Feste und Feiern abzuhalten
 Informations-, Kultur- und Freizeitangebote in Zusammenarbeit mit
örtlichen Akteuren (Vereine, Initiativen, Kirchen, Kommune,
engagierten Einzelpersonen etc.) sowie
 Maßnahmen zur Bürgeraktivierung im Rahmen der partizipativen
Weiterentwicklung des Quartiers durchzuführen
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SRO in der Altenhilfe:
Ein Umsetzungsversuch
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Fotos: © „In der Heimat wohnen“/Joseph-Stiftung
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