Volle Ordination von Nonnen nur noch eine Frage der Zeit

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Nonnen
Steffen Honzera
Volle Ordination von Nonnen
nur noch eine Frage der Zeit
Führende Mönche und Nonnen des Therava-da und Maha-ya-na treffen sich beim
Kongress mit S.H. dem Dalai Lama, um die Wiedereinführung der Bhiks.un.-ıOrdination im Tibetischen Buddhismus zu erörtern.
Ein wegweisender Kongress zur Wiedereinführung der vollen Ordination für
von Carola Roloff
E
in Datum, wann die erste volle Ordination für
Nonnen in der tibetischen Tradition stattfindet,
konnte noch nicht bekannt gegeben werden. Aber,
wie die amerkanische Nonne Karma Lekshe Tsomo es
ausdrückte: „Es gibt kein zurück mehr. Die Frage ist nur
noch, wie und wann sie eingeführt wird.”
Vom 18. bis 20. Juli 2007 trafen sich zum ersten Mal
an einer europäischen Universität rund 65 Gelehrte, darunter bedeutende Historiker, Vinaya-Forscher und
Sprachwissenschaftler, sowie 300 buddhistische Praktizierende, unter ihnen Nonnen und Mönche aller Traditionen aus 19 Ländern, um das Thema der Wiedereinführung der vollen Ordination von Nonnen gemäß dem
Vinaya, dem buddhistischen Ordensrecht, zu diskutieren.
Der Erste Internationale Kongress zur Rolle buddhistischer
Frauen im Sa‡gha wurde von der Studienstiftung für
Buddhismus in Kooperation mit dem Asien-Afrika-Institut
der Universität Hamburg organisiert.
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buddhistische Nonnen in der tibetischen
Tradition fand vom 18. bis 20. Juli 2007
unter Beteiligung S.H. des Dalai Lama an
der Universität Hamburg statt. Carola
Roloff, die zusammen mit Thea Mohr das
Mammutereignis maßgeblich organisiert
hat, präsentiert die Ergebnisse.
Viele der von weither angereisten 1200 Gäste hofften,
Beifall bei der abschließenden Podiumsdiskussion im
so Die Welt am 16. Juli 2007, dass der Dalai Lama „in
Namen aller acht Mönche und acht Nonnen auf dem
Hamburg offiziell bekannt gibt, dass fortan auch Frauen in
Podium, dass sie den Wunsch nach Wiedereinführung der
die Führungsetage des tibetischen Buddhismus einziehen
Bhikæu¶ï-Ordination im tibetischen Buddhismus unterstütdürfen.“ Denn obwohl die volle Ordination für Frauen
zen. Dabei zeigte sich der Theravåda-Mönch erstaunlich
vom Buddha selbst etabliert wurde, ist sie nicht nach Tibet
offen und pragmatisch, was die Rolle der Ordensdisziplin
überliefert worden. Nach dem M•lasarvåstivåda (MSV)betrifft. Alle seien der Meinung, so der Gelehrte, dass der
Vinaya muss sie gemeinsam von einem Sa‡gha von zehn
Vinaya interpretierbar und damit flexibel sei, er sollte nicht
voll ordinierten Mönchen (Bhikæus) und zwölf voll ordibenutzt werden, um die eigentliche Intention des Buddha
nierten Nonnen (Bhikæu¶ïs) erteilt werden. Doch da die
zu blockieren.
Bhikæu¶ï-Ordination nicht nach Tibet überliefert wurde
Und Bhikkhu Sujato, der Abt des Santi-Waldklosters
fehlt die Voraussetzung.
(Thai-Tradition), fügte hinzu: „Beide Optionen sind nach
Im Verlauf des Kongresses zeigte sich, dass unter den
dem Vinaya gültig. Bei der Entscheidung sollte man das spiGelehrten breiter Konsens besteht, bei der Wiedereinrituelle Wohl der Nonnen im Auge haben. Der Vinaya
führung der vollen Ordination im tibetischen Buddhismus
spricht nicht von Ordibeide Ordinationslinien, die Bhikæu- und Bhikæu¶ï-Linie,
nationslinien, M•lasarvåeinzubeziehen, so wie man es auch in Sri Lanka gemacht
stivåda, Dharmagupta,
hat. Zwei Optionen sind jedoch möglich: 1. Ordination
Theravåda, Tibet, China
durch MSV-Mönche allein, oder 2. duale Ordination
oder Sri Lanka.“ Viel
durch MSV-Mönche zusammen mit Nonnen, die in der
mehr gehe es darum, die
tibetischen Tradition praktizieren und ihre volle
besten Voraussetzungen
Ordination in der Dharmagupta (DG)-Tradition, etwa in
dafür zu schaffen, ein spiTaiwan, erhalten haben. Die Ordinationslinie der neuen
rituelles Leben zu führen
Nonnen wäre dann ebenfalls MSV. Die Noviz-Nonnen
und Verwirklichungen im
aus dem tibetischen Kulturkreis favorisieren die erste
Dharma zu erlangen.
Variante in tibetischer Sprache.
Prof. Samdhong Rinpoche, der „Jetzt sind wir an einem entscheidenden Punkt
Premierminister der tibetischen Exilangelangt. Es ist dies die erste öffentliche, forregierung, unterstrich das starke
Interesse S.H. des Dalai Lama und der male Erklärung großer Tragweite, in der S.H.
tibetischen Exilregierung an der der Dalai Lama seinen Wunsch und seine
Wiedereinführung der Bhikæu¶ï- Entschlossenheit kundtat, den Bhiks.un.-ı-Orden
Ordination in der tibetischen Ge- in der tibetischen Tradition einzurichten”.
sellschaft, gab aber zu, dass man sich
Damchö Dianna Finnegan
schwer tue, „eine Lösung zu finden,
wie die eigene MSV-Linie für Nonnen
wiederbelebt werden kann.“ Auf frühe OrdinationsGeshe Rinchen Ngodup, einer der engsten Schüler
formen könne man nicht zurückgreifen, weil damit der
von Geshe Lobsang Palden, dem Abt der KlosteruniVinaya verletzt würde. Das Problem sei, dass bisher kein
versität Sera-Je, der nach 27 Jahren Studium ein Buch
expliziter Beleg dafür gefunden wurde, dass auch die volle
zum Thema verfasst hat, verwies auf die vier InterOrdination, die nach dem MSV-Vinaya von Mönchen und
pretationsregeln des Vinaya, was nicht zuletzt beim fühNonnen gemeinsam gegeben werden soll, allein von
renden Vinaya-Experten Professor Oskar von Hinüber auf
Mönchen gegeben werden kann. Es seien lediglich
volle Zustimmung stieß. Dabei zeigte er einen pragmatiAbleitungen aus zwei Textstellen möglich, was viele
schen Ansatz: Was vom Buddha nicht ausdrücklich verMönche aber nicht gelten ließen. Auch der zweite
boten sei, müsse als erlaubt gelten, wenn es mit den
Vorschlag treffe auf starken Widerstand in tibetischen
Lehren übereinstimme. Er favorisierte die volle Ordination
Reihen. Kritiker sind der Ansicht, zwei Gruppen verschieallein durch Mönche.
dener Ordinationslinien könnten nicht gemeinsam
Verständlicherweise waren auch alle führenden westOrdensrecht sprechen.
lichen Nonnen für die Wiedereinführung der vollen
Bhikkhu Bodhi, ein Schüler des berühmten deutschen
Ordination. Sie sprachen sich überwiegend für die duale
Mönchs Nyånaponika (1991–2004), erklärte unter großem
Ordination aus.
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Nonnen
Der Weg zur Erleuchtung steht allen offen
en die volle Ordination eingerichtet habe. Daher bestehe
kein Grund, die Notwendigkeit der Bhikæu¶ï-Ordination
in Frage zu stellen. Sie sei nur nicht nach Tibet überliefert
worden. Dies empfinde er selbst schon lange als einen
Missstand, denn ohne Bhikæu¶ïs sei die tibetische
Tradition des Buddhismus unvollständig.
Seit den 60er Jahren, so der Dalai Lama, unterstütze er
die Einrichtung eines Bhikæu¶ï-Sa‡gha im Tibetischen
Buddhismus. Nach der Flucht aus Tibet 1959 habe man
den Ausbildungsstandard der [Noviz]-Nonnen verbessert
und sich für die Einführung des Geshe-Abschlusses für sie
eingesetzt. Das alles habe er ohne Befragung des MönchsSa‡gha verfügen können. Hinsichtlich des Bhikæu¶ïGelübdes müsse er jedoch dem Ordensrecht folgen, d.h.
entsprechende Belege finden und unter den Mönchen
seiner Tradition weitgehenden Konsens schaffen. „Manche denken, der Dalai Lama hätte genügend Autorität,
allein zu entscheiden, aber wer das denkt, der kennt den
Vinaya nicht.“
Der Dalai Lama blieb damit zwar hinter den
Erwartungen des Podiums zurück, aber seinem pragmatischen Kurs treu: Er tut, was er ohne die Zustimmung
anderer Mönche tun kann, vermeidet Alleingänge und
versucht, den tibetischen Buddhismus international einzubinden.
Die Entscheidung, die MSV-Tradition einzuführen,
erfordert die konstruktive und aktive Unterstützung tibetischer Mönche, von denen es viele immer noch ablehnen,
sich überhaupt mit dem Thema der vollen Ordination für
Nonnen auseinanderzusetzen. Die Oberhäupter der verschiedenen Kagyü-Traditionen und der Sakya-Tradition
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Privat
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versicherten den Dalai Lama ihrer vollen Unterstützung
und sandten klare Grußbotschaften. Das tibetische
In seiner mit Spannung erwarteten Abschlussrede stellte
Ministerium für Kultur und Religion hatte wohl bis zuletzt
der Dalai Lama klar, dass der Buddha ohne
versucht, die Basis aller vier Traditionen mehrheitlich hinDiskriminierung Männern wie Frauen den Weg zur
ter den Dalai Lama zu bringen und ihn ausreichend zu
Erleuchtung
authorisieren – offensichtlich ohne Erfolg.
gewiesen
So bleibt den Noviz-Nonnen auch bis auf Weiteres nur
und für Mändie zumindest im Westen schon längst etablierte Variante,
ner wie Fraudie Ordination in der DG-Tradition zu nehmen. Darüber
hinaus forderte der Dalai
Lama die voll ordinierten
„Jetzt, wo sich die Aufmerksamkeit auf die
Nonnen auf, ab sofort in
Bhiks.un.ıs richtet, gehen sie mit viel mehr
Dharamsala, spätestens ab
Würde, denn sie wissen, dass sie nicht allein
Sommer 2008, die drei
unterwegs sind, sondern gemäß der Botwichtigsten monastischen
schaft des Buddha auch für das Wachstum
Rituale – die regelmäßige
des Buddhismus verantwortlich sind”.
Bekenntniszeremonie, die
Sommerklausur und deren
Bhikkhuni Dhammananda, erste Thai-Frau,
Abschlusszeremonie – auf
die als Theravåda-Bhikkhuni ordiniert wurde.
Tibetisch zu praktizieren.
„Ganz gewiss wird der Hamburger Kongress Druck auf all
jene buddhistischen Länder und Traditionen ausüben, die
keinen Bhiks.un.-ı-San. gha haben, damit sie endlich ihre
Haltung und Politik überdenken. Dieser Kongress hat
starke Kräfte zu Gunsten der Einführung der vollen Ordination für Nonnen im tibetischen Buddhismus mobilisiert.
Ranghohe tibetische Buddhisten müssen eine wichtige
Entscheidung treffen: Werden sie weiterhin an starren,
legalistischen Strukturen festhalten, die Frauen von der
Erfüllung höherer spiritueller Ziele ausschließen, oder
werden sie die Flexibilität, Offenheit und Herzensgüte
besitzen, um einen liberaleren Weg einzuschlagen, so
dass ein Bhiks.un.-ı-San. gha Wirklichkeit werden kann?
Obwohl diese Frage seit über 20 Jahren im Raum steht,
verlieh ihr der Hamburger Kongress eine neue und
unausweichliche Dringlichkeit.”
Bhikkhu Bodhi, amerikanischer Mönch,
Herausgeber und Übersetzer großer Teile des Pali-Kanons.
Nonnen
nun aufgefordert, sich im Vergleich zu anderen
Weltreligionen klar zu positionieren. Mönche können sich
ihrer Verantwortung nicht länger entziehen. Sie dürfen
nicht länger, wie die Bangkok Post am 9. August schrieb,
„durch Schweigen die Ordination von Frauen blockieren“.
Karma Lekshe Tsomo, die Vorsitzende der Internationalen Frauenorganisation Sakyadhita, zeigte sich insgesamt zuversichtlich und erklärte gegenüber Tibet und
Buddhismus: „Der Dalai Lama versucht sein Bestes, im
Rahmen einer sehr konservativen Tradition kontinuierlich
für die volle Nonnenordination in der
tibetischen Tradition zu arbeiten. Es bleibt
die Frage, wie wir, die wir in der Dharma-
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Winter eine Konferenz mit rund 100 führenden Sa‡ghaMitgliedern und Vinaya-Experten in Indien organisiert
werden.
Viele sind vom Nutzen einer solchen Folge-Konferenz
nicht überzeugt, weil befürchtet wird, dass 100 hochrangige, konservative Mönche sich unter Ausschluss von
Frauen, Akademikern und der Öffentlichkeit treffen, um
in hierarchischer Rangfolge darüber zu beraten und zu
entscheiden, was Frauen dürfen oder nicht dürfen.
Parallel gibt es deshalb Überlegungen, die Konferenz gut
vorbereitet im Winter 2008/09 in der tibetischen
Universität in Sarnath zu veranstalten. Die Finanzierung
soll laut S. H. Dalai Lama von tibetischer Seite erfolgen.
So gingen dann auch die Meinungen auseinander,
welche Bedeutung dieser Erste Internationale Kongress zur
Rolle buddhistischer Frauen im Sa‡gha nun wirklich hatte.
Für die Mehrheit der Teilnehmer und Referenten war er
bahnbrechend. Die Dinge haben sich durch den
Hamburger Kongress verändert, das Problem und die
Fragestellungen sind nun benannt und weltweit bekannt.
Auch die internationale Tragweite, selbst über den
Buddhismus hinaus, ist deutlich geworden. Entsprechend
groß ist das internationale Interesse. Der Buddhismus ist
„Das Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg
hat den Kongress von Anfang an unterstützt, nicht
nur mit den Räumlichkeiten, sondern auch inhaltlich
auf ganzer Linie. Wenn auch nicht an Ort und Stelle
das genaue Verfahren der Ordenseinführung geregelt werden konnte, so war es doch der in der
Geschichte bisher stärkste Ausdruck einer uneingeschränkten Unterstützung der buddhistischen Welt
für eine Vollordination von Nonnen in der tibetischen Tradition.”
Michael Zimmermann, Professor für Buddhismuskunde an der Universität Hamburg
gupta-Tradition ordiniert wurden, dies in Tibet und im
Himalaya institutionalisieren können. Ich betrachte die
Konferenz als einen großen Schritt nach vorne. Und ich
bin zuversichtlich, dass wir bald in der Lage sein werden,
die volle Ordination in der tibetischen Tradition einzuführen.”
Jens Nagels
Diese drei Rituale sind das charakteristische Merkmal
einer gut funktionierenden Ordensgemeinschaft.
Westliche Nonnen praktizieren sie auf Englisch.
Am Morgen nach der Konferenz lud der Dalai Lama
kurzfristig alle noch erreichbaren Konferenzteilnehmer,
insbesondere alle Nonnen und Referenten, zu einem
zusätzlichen Treffen in sein Hotel ein und schlug als nächste Schritte vor, international weitere Befürwortungsschreiben von führenden Mönchen aller Traditionen zu
sammeln, vor allem von den führenden TheravådaMönchen. Seitens der Tibeter solle schon im kommenden
Carola Roloff (Jampa Tsedroen)
erhielt ihre Ordination zur
Bhikæu¶ï 1985 in Taiwan. Sie
war viele Jahre im Vorstand der
buddhistischen Frauenorganisation Sakyadhita tätig. Als
Tibetologin arbeitet sie zurzeit
an ihrer Promotion.
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