Der Weg zur weiblichen Erleuchtung ist steinig

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Thema
Ordensgemeinschaft buddhistischer Nonnen im Tibetischen Zentrum Hamburg,
v.l.n.r.: Jampa Tsedroen, Thubten Choedroen, Soenam Choekyi, Jampa Yangkyi
Der Weg zur weiblichen
Erleuchtung ist steinig
Frauen und Ordination im Buddhismus von Nathalie Sopacua
Religion gilt bis heute als wesentliche Quelle der Wertevermittlung innerhalb der
Gesellschaft. Gleichzeitig bringt sie Diskriminierung und Ausgrenzung von Frauen
hervor. Das trifft auch auf den Buddhismus zu, dessen patriarchale Strukturen seit
nunmehr dreißig Jahren von einer immer stärker werdenden buddhistischen
Frauenbewegung infrage gestellt werden.
A
m Anfang stand für Sylvia Wetzel
die Legende der Grünen Tara: Es
ist die Geschichte der tibetischen Prinzessin Yeshe Dharma, die durch ihre
meditative Praxis die Fähigkeit erlangt
hatte, das Geschlecht für ihre nächste
Wiedergeburt selbst bestimmen zu
können, und die zum Erstaunen eines
befreundeten Mönchs gelobte: »Von
nun an bis zur Erleuchtung werde ich
ausschließlich weibliche Inkarnationen annehmen und auch in weiblicher Gestalt Erleuchtung erlangen, als
Inspiration und Vorbild für Frauen, die
den buddhistischen Weg gehen.«
Als Sylvia Wetzel 1977 im indischen
Dharamsala, dem Hauptsitz der tibetischen Exilregierung, die Geschichte
der Prinzessin zum ersten Mal hörte,
glaubte sie, als Feministin im Buddhismus gut aufgehoben zu sein. Sie sah
in dieser Legende ein klassisch feministisches Argument. »Das ist das Bild
einer freien Frau, die nein gesagt hat,
ohne in Wut und Opferhaltung zu
stürzen.« Bald aber kam für sie die
Ernüchterung. Sie musste feststellen,
dass sich auch in dieser Religion alt
bekannte patriarchale Strukturen festgesetzt hatten, dass es auch hier eine
strenge Geschlechterhierarchie und
geschlechtliche Arbeitsteilung gibt.
»Organisation ist die Sache der
Frauen, aber die Repräsentanten sind
Männer«, sagt Sylvia Wetzel. Heute
erstaunt das die 61-Jährige nicht
mehr, denn »wir können von einer
Religion ja nicht erwarten, dass sie
liberaler ist als die Gesellschaft, in der
sie lebt«, sagt sie.
Dennoch hat Sylvia Wetzel sich nicht
entmutigen lassen, ihren feministischen Weg auch als Buddhistin fortgesetzt. Als Präsidentin der Deutschen Buddhistischen Union (DBU)
kämpfte sie auch dafür, dass sich
mehr Frauen in leitende Gremien wie
den Rat der DBU trauen – mit Erfolg:
Zwischenzeitlich war das höchste
Gremium paritätisch besetzt. Gegenwärtig gehören ihm nur noch zwei
Frauen an – immerhin eine davon als
Präsidentin – und neun Männer. »Es
braucht eben immer wieder einzelne
Frauen, die dabei bleiben: keine idea-
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lisierten Frauen, keine Queens, sondern Frauen, die zeigen, dass es
geht«, sagt Sylvia Wetzel, die auch als
Pionierin eines feministischen Ansatzes in der buddhistischen Lehre gilt.
Trotz bestehender Ungleichheiten,
stellt sie aber klar, sei die buddhistische Lehre nicht ursächlich für die
Benachteiligung von Frauen. »Wenn
wir weniger repräsentiert sind, liegt
das an sozialen Mechanismen.«
Denn im Buddhismus sei jede Vorstellung lediglich eine Zuschreibung,
auch die von Männern und Frauen,
erklärt die Buddhistin. »Es gibt keine
aus sich heraus existierende ‚richtige’
Frau, es gibt keinen ‚richtigen’
Mann«, sondern jede Zuschreibung
hänge immer von vielen Faktoren ab.
Wenn man diese Grundphilosophie
des Buddhismus auf alle Männer- und
Frauenbilder übertrage, spreche
nichts gegen deren Veränderung.
Das sei vor allem in den asiatischen
Ländern nicht immer so einfach
Buddhismus in Deutschland
In Deutschland gibt es nach Schätzungen der Deutschen Buddhistischen
Union (DBU) zwischen 300.000 und
350.000 bekennende BuddhistInnen. Eine genaue Zahl ist schwer zu
ermitteln, da Buddhismus für viele
seiner AnhängerInnen in erster Linie
eine Sache der inneren Einstellung
ist und weniger einer offiziellen Kirchen- oder Tempelzugehörigkeit. Es
gibt in Deutschland Dutzende buddhistischer Verbände mit weit über
600 Anlaufstellen (Zentren, Tempel,
Meditations- und Studiengruppen,
Klöster, Seminarhäuser etc.). In der
DBU sind insgesamt 59 Gemeinschaften Mitglied. Die größte Gruppe der asiatischen BuddhistInnen
in Deutschland ist viet­namesischer
Herkunft. Es handelt sich um rund
100.000 Menschen. Die in Deutschland zurzeit populärsten Richtungen
des Buddhismus sind Schulrichtungen des Theravada, des tibetischen
Buddhismus und des Zen-Buddhismus.
uhe
Quellen: www.buddhismus.de
www.wikipedia.org
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umsetzen, räumt Sylvia Wetzel ein. So
gibt es im tibetischen Buddhismus die
Vollordination für Nonnen – anders
als zu Lebzeiten des Buddha – nicht
mehr, weil das entsprechende
Gelübde nicht von Indien nach Tibet
überliefert wurde. Für Frauen im
Westen sei die Nonnenfrage aber
eher ein Randthema und das Gros der
Übenden und Lehrenden im Westen
nicht ordiniert, schreibt die feministische Buddhistin im Vorwort ihres neu
aufgelegten Buches Das Herz des
Lotus. Und doch werde das Thema
vor allem von westlichen, US-amerikanischen und deutschen, Frauen
immer wieder auf die Tagesordnung
gesetzt.
Eingriffe in die kanonischen Texte
E
ine, die sich seit fast dreißig
Jahren für die Vollordination der
Nonnen weltweit einsetzt, ist die
Nonne Jampa Tsedroen aus Hamburg
(vgl. S. 31). Sie geht davon aus, dass
der Einzug von Frauen im Buddhismus mit der zunehmenden Institutionalisierung verloren gegangen sei.
»Wenn man die frühen Texte sieht,
scheint es keinen Unterschied gegeben zu haben, aber als die Nonnenbewegung immer größer wurde, hat
man sich gefragt, wie es sein kann,
dass ein Nonnenorden als Körperschaft existieren kann. Dann hat es
Eingriffe in die kanonischen Texte
gegeben.« Einige westliche Frauen,
die den tibetischen Buddhismus
praktizieren, haben inzwischen die
volle Ordination in Korea, Taiwan,
Hongkong oder bei Mönchen und
Nonnen im vietnamesischen Exil
genommen.
Der 14. Dalai Lama selbst habe die
volle Ordination von Nonnen stets
unterstützt, versichert Jampa Tsedroen. Doch ist das geistliche Oberhaupt der Tibeter keineswegs vergleichbar mit dem Papst. Diese hierarchischen Strukturen gibt es im Buddhismus nicht. Ein Orden ist dann
beschlussfähig, wenn eine bestimmte
Anzahl von voll ordinierten Nonnen
und Mönchen vorhanden ist. So wäre
nach dem Ordensrecht die Vollordination für Nonnen in Deutschland
rechtsgültig, wenn zwanzig voll ordi-
Nonnenordination
Der Überlieferung nach richtete der
Buddha vor etwa 2.500 Jahren nach
Etablierung des Mönchsordens den
Nonnenorden ein – allerdings unter der Bedingung, dass Frauen acht
besondere Regeln einzuhalten haben, die sie den Männern eindeutig
unterordnen. Als erste Form der Nonnenordination gilt die Aufnahme der
Ziehmutter des Buddha, Mahaprajapati Gautami, und 500 weiterer
Frauen.
Seit einigen Jahrhunderten ist die Ordinationslinie für Nonnen im Tibetischen Buddhismus unterbrochen.
Heute existiert lediglich eine Übertragungslinie, die sich von China
nach Korea und Vietnam ausdehnte
und dort sowie in Taiwan eine volle
Ordination für Nonnen ermöglichte.
In Indien, Sri Lanka und Japan ist sie
ausgestorben. Nach Tibet und Thailand wurde diese Tradition nie überliefert. Im Jahr 1987 verlangte der
14. Dalai Lama jedoch eine Prüfung,
um Nonnen wieder voll ordinieren zu
können.
sop
nierte Mönche Selbiges beschließen
würden. »Das Problem ist aber, dass
das keiner tun will, weil es dann aus
den eigenen Reihen großen Widerstand geben würde«, sagt die deutsche Nonne. Geschürt werde hier die
Angst, dass es mit Einführung der
Vollordination für Nonnen zu einer
weiteren Aufsplitterung der verschiedenen buddhistischen Traditionen
komme. »Das erhöht natürlich auch
den Druck auf die Frauen.«
Wenn der Buddhismus zeitgemäß
bleiben und in der Welt bestehen
wolle, ist Jampa Tsedroen überzeugt,
müsse er sich mit dem Thema erneut
auseinandersetzen. »Es kann ja nicht
angehen, dass es vor 2.500 Jahren für
Nonnen die Möglichkeit zur vollen
Ordination gab und sie heute im 21.
Jahrhundert, wo es Gleichstellung der
Frauen in vielen Gesellschaftsbereichen gibt, nicht mehr möglich ist.«
Nathalie Sopacua ist freie Journalistin in
Berlin.
Thema
»Heraus­
ragende
Buddhistin«
Die Nonne Jampa Tsedroen
von Nathalie Sopacua
I
hr tibetischer Name bedeutet »liebevolle Zuneigung«
(Jampa) und »Licht des Lebens« (Tsedroen). Er begleitet
die buddhistische Nonne, die als erste Frau aus Deutschland die volle Ordination hat, schon fast dreißig Jahre.
Als Carola Roloff wuchs die heute 51-Jährige in der niedersächsischen Kleinstadt Holzminden auf. Das Gymnasium brach sie vorzeitig ab. Stattdessen machte sie eine
Ausbildung zur Arzthelferin – ein Beruf, in dem sie mehr
als einmal mit dem Tod konfrontiert wurde. Doch auf die
Frage nach den Ursachen für das Leid fand sie keine
zufriedenstellende Antwort, auch nicht in der evangelischen Gemeinde, in der sie sich damals sehr engagierte.
Mit dem Buddhismus kam sie erstmals mit 21 Jahren in
Berührung: Sie las Hermann Hesses Siddharta, lernte einen
tibetischen Lama kennen und spürte, dass ihre Bestimmung eine andere war. »Ich hatte viel über Tod und Vergänglichkeit kontempliert und bin zu dem Schluss gekommen, dass das Leben als Nonne das Beste ist, was ich in
meinem Leben tun kann.« Ihre Eltern, deren Zustimmung
sie dafür formell benötigte, waren zunächst alles andere
als begeistert, erahnten aber, wie ernst es ihrer Tochter mit
diesem Schritt war, und machten schließlich ihren Frieden
damit.
Auch buddhistische Nonnen geloben den Zölibat und verzichten auf eine eigene Familie, doch Carola Roloff hatte
keine Zweifel. »Ich wollte davon ganz unabhängig sein,
wollte mich dem buddhistischen Weg mit aller Konsequenz widmen können.« Im indischen Dharamsala, dem
Hauptsitz der tibetischen Exilregierung, legte sie 1980 ihr
fünfteiliges Laiengelübde ab. Dann ging sie zurück nach
Hamburg, arbeitete dort als Arzthelferin und studierte
gleichzeitig im Tibetischen Zentrum. Die Lehrjahre mit
ihrem damaligen Lehrer Geshe Thubten Ngawang
beschreibt sie als »die schönste Zeit meines Lebens«. Sie
war innerlich erfüllt.
Ein gutes Jahr nach ihrem Laiengelübde bat sie um die
Novizordination. Sie bekam den Kopf geschoren, legte ihr
orange-rotes Ordensgewand an und das Bekenntnis ab,
von nun an ihr Leben zur Befreiung zu führen, zum obersten Ziel des Buddhismus: die Befreiung aus dem Kreislauf
der Leidens zum vollkommenden Frieden, dem Nirwana.
Zwei westliche Mönche, die damals für ihren Lehrer übersetzten, wiesen sie darauf hin, dass es die volle Ordination
für Nonnen der tibetischen Tradition nach nicht gebe und
ihr die höchste Weihe deshalb versagt bleiben würde.
»Immer, wenn es schwierig wurde, habe ich mich daran
erinnert, dass ich alles vorher schon wusste.« Doch die
Hoffnung blieb, dass die Vollordination, die ihrer Überzeugung nach notwendig ist für die volle Bewahrung und
Weitergabe des Buddhismus, für sie und andere Nonnen
irgendwann doch möglich werden würde.
Als der Dalai Lama 1982 Hamburg besuchte, erzählte ihm
Jampa Tsedroen von ihrem Herzenswunsch. Drei Jahre
später willigte das geistliche Oberhaupt der TibeterInnen
schließlich ein, dass sie ihre volle Ordination in Taiwan
erhalten konnte. Das Recht, das sie für sich erstritten hat,
fordert sie seitdem für alle buddhistischen Nonnen der
tibetischen Tradition ein. Im März 2007 wurde Jampa Tsedroen in Bangkok von einem internationalen Komitee von
Gelehrten und buddhistischen Ordinierten als »herausragende Frau im Buddhismus« geehrt. In der Urkunde heißt
es: »Ihre Rolle als positives Vorbild soll unzähligen Frauen
in Süd- und Südostasien und dem Rest der Welt als Inspiration dienen.« Das versteht sie als Auftrag. Vergangenes
Jahr hat sie ihre Promotion über einen buddhistischen Heiligen abgeschlossen. Derzeit arbeitet sie an einem von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt
zur buddhistischen Nonnenordination.
i
carolaroloff.de
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