Aktuelle Daten zur Rotavirus-Impfung: Rückgang der Erkrankungen auch bei älteren Kindern und Erwachsenen Prof. Dr. med. Markus Rose, M.P.H., Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Leiter der Infektiologie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Frankfurt Die Infektion mit Rotaviren ist die weltweit häufigste Ursache für schwere Gastroenteritiden bei Säuglingen und Kleinkindern. Auch in Deutschland besteht eine erhebliche Krankheitslast mit jährlich etwa 146.000 Arztbesuchen sowie 22.000 stationären Behandlungen bei Kindern unter fünf Jahren.1 Die Krankheit kann binnen weniger Stunden lebensbedrohliche Verläufe nehmen. Mit der Schluckimpfung gegen Rotaviren kann die Krankheitslast erheblich reduziert werden. Neuere Daten zeigen, dass der Impfschutz bis ins vierte Lebensjahr anhält.2,a Untersuchungen in den USA haben ergeben, dass nach der Einführung des Impfprogramms sowohl Säuglinge als auch ältere Kinder deutlich weniger häufig an Rotaviren erkrankten. Herdenimmunität durch Implementierung des Impfprogramms? In den USA wurde die Rotavirus-Impfung unmittelbar nach Einführung des Impfstoffes im Jahr 2006 von der nationalen Impfkommission ACIPb für Säuglinge empfohlen und in das nationale Impfprogramm aufgenommen.3 Die Durchimpfungsrate stieg seitdem kontinuierlich an; im März 2008 hatten bereits 56 % der Säuglinge mindestens eine Impfdosis erhalten.4 Obwohl zu diesem Zeitpunkt nur 33,7 % eine komplette Grundimmunisierung mit drei Dosen erhalten hatten, konnte in mehreren Post-Marketing-Studien bei den unter Einjährigen ein Rückgang der Rotavirus-bedingten Hospitalisierungen um 85 % bis 100 % festgestellt werden.5,6,7 Untersuchungen haben gezeigt, dass nach Implementierung des amerikanischen a Die Rate an Krankenhaus- und Notfallbehandlungen bis 3 Jahre nach Abschluss der Impfung konnten reduziert werden: um 94,4 % (95 % KI: 91,6; 96,2) für die Genotypen G1 – G4, um 95,5 % (95 % KI: 92,8; 97,2) für den Genotyp G1, um 81,9 % (95 % KI: 16,1; 98,0 für den Genotyp G2, um 89,0 % (95 % KI: 53,3; 98,7) für den Genotyp G3, um 83,4 % (95 % KI: 51,2; 95,8) für den Genotyp G4, und um 94,2 % (95 % KI: 62,2; 99,9) für den Genotyp G9. Während des dritten Jahres gab es aufgrund RV-bedingter Gastroenteritis keinen Fall von Krankenhausund Notfallbehandlung in der Impfstoff-Gruppe (n = 3.112) und einen Fall von Krankenhaus- und Notfallbehandlung (nicht typisierbare RV) in der Placebo-Gruppe (n = 3.126). b Advisory Committee on Immunization Practices 1 DE01262 Rotavirus-Impfprogrammes der Rückgang der Hospitalisierungen stärker ausgeprägt war, als aufgrund der Durchimpfungsrate zu erwarten war. Auch bei den älteren, nicht geimpften Kindern (2–5 Jahre) wurde ein starker Rückgang der Rotavirus-bedingten Hospitalisierungen beobachtet (42–45 %)8, so dass man von einer Herdenimmunität sprechen kann. Neue Erkenntnisse zur Krankheitslast bei älteren Kindern In einer Untersuchung von Lopman et al. wurden die Gastroenteritis-bedingten Krankenhausaufenthalte des Jahres 2008 mit denen aus der Prä-Rota-Impfära 2000–2006 verglichen.9 Auch hier wurden Effekte im Sinne. einer Herdenimmunität sichtbar. Interessant ist, dass hier auch die Auswirkungen bei den über Vierjährigen analysiert wurden. Es konnte gezeigt werden, dass die Zahl der Hospitalisierungen nicht nur bei den 0–4-Jährigen gesenkt werden konnte, sondern auch ältere Kinder indirekt von dem Impfprogramm profitierten. Bei den 0–4-Jährigen konnten die Rotavirus-bedingten Hospitalisierungen im Schnitt um 69 % gesenkt werden. In der Gruppe der 5–14-Jährigen, die nicht geimpft wurden, konnte interessanterweise sogar ein Rückgang der Rotavirus-bedingten Hospitalisierungen um 71 % festgestellt werden.10 Die Zahlen zeigen erstmalig eindrucksvoll die Bedeutung von Rotaviren auch jenseits des frühen Kindesalters. Zwar ist bekannt, dass Säuglinge und Kleinkinder Rotaviren auf ältere Kinder und Erwachsene übertragen, aber bisherige Einschätzungen zur Krankheitslast wie auch gesundheitsökonomische Modelle hatten bislang ältere Kinder unberücksichtigt gelassen. Komplikationen vermeiden Krankenhausärzte werden vor allem mit den schweren Rotavirus-Fällen konfrontiert, die insbesondere bei jungen Kindern und Abwehrgeschwächten immer wieder mit lebensbedrohlichen Komplikationen verbunden sind. Auch nosokomiale Infektionen sind ein großes Thema – Rotaviren sind trotz Hygienemaßnahmen die Hauptpathogene bei gastrointestinalen Krankenhausinfektionen. In Studien ließen sich nosokomiale Rotavirus-Infektionen um zirka 70 % senken.11 Die Verteilung und Zirkulation von Rotaviren unterliegen erheblicher Fluktuation. Daher ist ein Impfschutz mit einer möglichst breiten Serotypen-Abdeckung empfehlenswert. 2 DE01262 Quellen: 1 Rose M et al. Rotaviruserkrankung: Lästiges Übel oder schwere Belastung für Familie und Gesundheit? Prävention und Gesundheitsförderung 2008;3:266–272. 2 Vesikari et al. Sustained efficiacy of the pentavalent rotavirus vaccine, RV5, up to 3.1 years following the last dose of vaccine. Pediatr Inf Dis J 2010;29:1–7. 3 Centers of Disease Control and Prevention. Prevention of rotavirus gastroenteritis among infants and children. Recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP). MMWR 2006;55:1–13. 4 Centers of Disease Control and Prevention. Delayed onset and diminished magnitude of rotavirus activity US Nov 2007–May 2008. MMWR 2008;57:697–700. 5 Boom JA et al. Effectiveness of pentavalent rotavirus vaccine in a large urban population in the United States. Pediatrics 2010.;125:199–207. 6 Wang FT et al. Effectiveness of the pentavalent rotavirus vaccine in preventing gastroenteritis in the United States. Pedicatrics 2010;125:208–213. 7 Begue RE et al. Reduction in gastroenteritis with the use of pentavalent rotavirus vaccine in a primary practice. Pediatrics 2010,126:40–45. 8 Curns et al. Reduction in acute gastroenteritis hospitalizations among US children after introduction of rotavirus vaccine: Analysis of hospital discharge data from 18 US states. JID 2010. 9 Lopman BA et al. Infant rotavirus vaccination may provide indirect protection to older children and adults in the United States. Journal of Infectious Diseases 2011;204 (7):980–986. 10 Glass RI. Unexpected benefits of rotavirus vaccination in the United States. Editorial Commentary. Journal of Infectious Diseases 2011;204(7):975–977. 11 Anderson EJ et al. Impact of Rotavirus Vaccination on Hospital-AcquiredRotavirus Gastroenteritis in Children. Pediatrics 2011;264–270. 3 DE01262