M E D I Z I N Referiert Neuer Impfstoff gegen Rotavirus-Gastroenteritis Das Rotavirus ist der häufigste Erreger für Durchfallerkrankungen im Kindesalter und der dritthäufigste Erreger für Durchfall bei Erwachsenen. 500 000 Kinder sterben jährlich weltweit in den Entwicklungsländern an einer Rotaviren-Gastroenteritis, ein Drittel aller Hospitaleinweisungen wegen akuter Diarrhoe geht auf dieses Virus zurück. Durch eine Impfung lassen sich bei den meisten Kindern schwere Komplikationen beziehungsweise ein Klinikaufenthalt verhindern. Die Ergebnisse zweier großer Studien sind jetzt im New England Journal of Medicine vorgestellt worden. Die Rotavirus-Vakzine von Glaxo Smith Kline, ein abgeschwächter Lebendimpfstoff, wurde bei 63 225 Säuglingen als Schluckimpfung eingesetzt. Die Zahl der Klinikbehandlungen wegen Diarrhoen im Kindesalter nahm um 42 Prozent ab, die Zahl der stationären Behandlungen wegen einer Rotavirus-Infektion um 85 Prozent, die schweren Verlaufsformen um 100 Prozent. Ein pentavalenter Rotavirus-Impfstoff von Merck wurde bei 68 038 Säuglingen Placebo-kontrolliert eingesetzt. Hier wurden 95 Prozent aller Klinikaufnahmen verhindert, schwere Verlaufsformen gingen um 98 Prozent zurück. Die Einführung beider Vakzine in der EU wird noch in diesem Jahr erwartet. w G M Ruiz-Palacios, I Pérez-Schael, M O'Ryan et al.: Safety and efficacy of an attenuated vaccine against severe rotavirus gastroenteritis. N Engl J Med 2006; 354: 11–22. E-Mail: [email protected] T Vesikari, D O'Matson, P M Heaton et al.: Safety and efficacy of a pentavalent human-bovine (WC3) reassortant rotavirus vaccine. N Engl J Med 2006; 354: 23–33. E-Mail: [email protected] Alkoholabusus – Geschmacksempfindlichkeit wirkt protektiv Dass eine erhöhte Geschmacksempfindlichkeit gegenüber bitteren Substanzen die europäische Bevölkerung vor Alkoholabhängigkeit schützen könnte, zeigt eine Untersuchung der Collaborative Study of the Genetics of Alcoholism (COGA). Die Gruppe untersuchte Gen-Varianten in dem Bitter-Taste-ReceptorGen (hTAS2R16) auf Chromosom 7. Eine Gen-Variante ist durch einen Aminosäureaustausch charakterisiert; von ihr ist bekannt, dass sie die Geschmacksempfindlichkeit gegenüber bitteren Substanzen beeinflusst. Diese Gen-Variante erwies sich in einem Kollektiv bestehend aus 262 Familien mit alkoholabhängigen Angehörigen (1 065 Betroffene) als hochsignifikant mit der Erkrankung assoziiert. Hierbei trat das Allel mit der verminderten Geschmacksempfindlichkeit häufiger bei den Betroffenen auf. Die Auftrennung des Kollektivs nach dessen ethnischer Herkunft zeigte, dass A 1694 der Zusammenhang maßgeblich auf Familien afrikanischen Ursprungs zurückzuführen ist (Subgruppe aus 35 Familien mit 128 Betroffenen). Dem Risiko-Gen kommt somit eine größere Bedeutung bei der Alkoholabhängigkeit in afrikanischen Populationen zu. Da die Frequenz des Risiko-Allels in der afrikanischen Allgemeinbevölkerung höher ist als in der europäischen (26 versus 4 Prozent) und Primaten ausschließlich das Risiko-Allel tragen, muss es sich bei diesem um das evolutionär ursprüngliche Allel handeln. Die starke Verbreitung des Nicht-Risiko-Allels unter Europäern deutet darauf hin, dass die protektive Wirkung beziehungsweise die erhöhte Geschmacksempfindlichkeit dieses Allels von evolutionärem shm Vorteil war. Hinrichs AL, Wang JC, Bufe B et al.: Functional variant in a bitter-taste receptor (hTAS2R16) influences risk of alcohol dependence.Am J Hum Genet 2006; 78: 103–11. Eisenmangelanämie: Gastrointestinale Tumoren häufig Die Autoren aus zwei benachbarten Krankenhäusern in Großbritannien (höhere Fallzahlen bei gleichem sozio-ökonomischem Hintergrund) berichten in einer prospektiven Studie über die Ergebnisse von 1 999 Patienten, die mit Verdacht auf eine Eisenmangelanämie stationär aufgenommen wurden. In 13,1 Prozent der Fälle wurde ein Karzinom diagnostiziert, das mit 11,2 Prozent den Gastrointestinaltrakt betraf. Männliches Geschlecht, Alter über 50 Jahre und Hämoglobin 9,0 g/dL erwiesen sich als signifikante Risikofaktoren für einen malignen gastrointestinalen Tumor. Am häufigsten fand man ein Kolonkarzinom (6,3 Prozent), gefolgt von einem Magenkrebs (3,6 Prozent) und einem Karzinom der Niere beziehungsweise ableitenden Harnwege (1 Prozent). Bezüglich maligner gastrointestinaler Tumoren ergab sich kein Unterschied zwischen den Patienten, die Acetylsalicylsäure, nichtsteroidale Antirheumatika oder Antikoagulanzien einnahmen verglichen mit den Patienten, die diese Medikamente nicht einsetzten. Auch wenn in 53,7 Prozent der Fälle keine Ursache für die Eisenmangelanämie festgestellt wurde, betonen die Autoren, sollte eine Eisenmangelanämie nicht primär auf die Einnahme ulzerogener Medikamente zurückgeführt werden. Stattdessen müsse gezielt nach einem gastrointestinalen Tumor gew fahndet werden. M W James et al.: Risk factors for gastrointestinal malignancy in patients with iron-deficiency anaemia. Eur J Gastroenterol Hepatol 2005; 17: 1197–203. Dr. M.W. James,Wolfson Digestive Diseases Centre, University Hospital, Nottingham, Großbritannien E-Mail: [email protected] ⏐ Jg. 103⏐ ⏐ Heft 24⏐ ⏐ 16. Juni 2006 Deutsches Ärzteblatt⏐