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astro-STEOP Lösungen zum Thema Elementare Geometrie - GEO I & II
Elementare Geometrie - Lösungen zu GEO I & II
Beide Aufgaben lassen sich ohne Kenntnis der eingeschlossenen Winkel, also ohne trigonometrische Funktionen,
mit Hilfe des Strahlensatzes lösen. Der Strahlensatz gehört zu den fundamentalsten Aussagen der elementaren
Geometrie und sagt etwas über Streckenverhältnisse aus1 .
Satz: Wenn zwei durch einen Punkt (Scheitel) verlaufende Halbgeraden (Strahlen) von zwei parallelen Geraden
geschnitten werden, die nicht durch den Scheitel gehen, dann gelten die folgenden Aussagen:
1. Es verhalten sich je zwei Abschnitte auf dem einen Strahl zueinander so wie die ihnen entsprechenden
Abschnitte auf dem anderen Strahl.
2. Es verhalten sich die ausgeschnittenen Strecken auf den Parallelen, wie die ihnen entsprechenden, vom
Scheitel aus gemessenen Strecken auf den Strahlen.
Ein verwandtes Konzept ist das der geometrischen
Ähnlichkeit; die Dreiecke AXB und B 0 XA0 sowie
die Dreiecke V CD und V C 0 D0 sind zueinander ähnlich, was bdeutet, dass gewisse Streckenverhältnisse
zueinander gleich sind.
Für die beiden Dreiecke erhalten wir aus dem Satz
folgende Formeln
AX
A0 X
= 0
BX
BX
(1)
AB
AX
= 0
0
0
BA
AX
(2)
und
Abbildung 1: Strahlensatz
Im Folgenden wird gezeigt, wie sich dieser Strahlensatz bei unseren astronomischen Beispielen einsetzen lässt.
Beispiel GEO I: Bestimmung des Erdradius nach Eratosthenes
Bei der Bestimmung des Erdradius nach Eratosthenes kann den Kreisbogen zwischen Syene und Alexandria
sowie der Schatten an der Erdoberfläche durch eine Gerade angenähert werden, d.h. ein Dreieck zwischen
Syene, Erdmittelpunkt und Alexandria.
Diese Vereinfachung ist gerechtfertigt,
weil die Strecken a und s sehr klein im
Vergleich zum Erdradius r sind und der
Unterschied zwischen Kreisbogen und Gerader ist auf diesem kleinen Abschnitt deshalb minimal2 .
Wir erhalten zwei Dreiecke wie in Abbildung 1 links und können Gleichung (1)
anwenden, denn: Es verhalten sich je zwei
Abschnitte auf dem einen Strahl zueinander (hier h und r) so wie die ihnen entsprechenden Abschnitte auf dem anderen
Strahl (hier s und a).
s
h
=
r
a
(3)
Abbildung 2: Strahlensatz
1
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Strahlensatz, 03.05.2010
Solche Näherungen sind in der Astronomie und in der Physik sozusagen täglich Brot und erleichtern das Rechnen - falls
gerechtfertigt - enorm. Für derartige Tricks bekommt man im Laufe des Studiums immer mehr Gefühl und Routine.
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astro-STEOP http://www.univie.ac.at/astro-steop/
1
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Um den Erdradius zu bestimmen, muss diese Gleichung noch auf eine Form r = . . . gebracht werden (Äquivalenzumformungen). Dafür dividieren wir auf beiden Seiten der Gleichung zunächst durch h und bilden dann
links und rechts den Kehrwert.
Ergebnis 1: Wir erhalten folgende geometrische Formel für die Berechnung des Erdradius.
r=
ah
s
(4)
Eratosthenes hatte laut Überlieferung folgende Werte: die Strecke zwischen Syene und Alexandria wurde mit
5000Stadien angegeben, ein Stadion hatte umgerechnet etwa 157.5m. Die Höhe des Hindernisses (eine Säule)
betrug 10m und der Schattenwurf wurde mit 1, 23m gemessen.
r=
5000 · 157.5 m · 10 m ∼
= 6402439 m
1.23 m
(5)
Ergebnis 2: Wir errechnen für den Radius der Erde also ungefähr 6402 km, was erstaunlicherweise um nur 25
km vom heute bekannten Wert von 6371 km abweicht.
Zur Rechnung ist zu bemerken, dass wie hier mit dimensions- bzw. mit Einheiten behafteten Größsen arbeiten
und diese Größen in der Rechnung nicht vergessen dürfen. Rein formal dividieren wir in Gleichung (5) eine
Fläche in Quadratmetern durch eine Länge in Metern, erhalten also ein Ergebnis in Metern, denn rechts und
links von einer Gleichung muss ja das selbe stehen.
Beispiel GEO II: Parallaxenmethode zur Entfernungsbestimmung
Beim Parallaxen-Beispiel möchten wir den
Abstand zu einem Objekt mit Hilfe des
Daumensprungs - in unserer Notation die
Größe d - bestimmen. Für die beiden Dreiecke aus Augenverbindungslinie und Daumen, sowie Daumen und Objekt gilt nach
dem obigen Satz: Es verhalten sich die
ausgeschnittenen Strecken auf den Parallelen (hier b und d), wie die ihnen entsprechenden, vom Scheitel aus gemessenen Strecken auf den Strahlen (hier a und
c). Wir können also Gleichung 2 anwenden
Abbildung 3: Daumensprung
b
a
=
d
c
(6)
und wie in Aufgabe 1 umformen, um auf eine Formel für c zu gelangen. Der Abstand3 zwischen BeobachterIn
und Objekt ist dann a + c.
Ergebnis 3: Der Abstand zwischen BeobachterIn und Objekt ist
a+c=a+
ad
d
=a 1+
b
b
(7)
Ergebnis 4: Für a = 70 cm, b = 6 cm und d = 1 m ergibt sich ein Abstand des Objekts von etwa a + c = 12.4
m.
3 Auch hier machen wir um genau zu sein eine Näherung, denn der wirkliche Abstands zwischen BeobachterIn und Objekt
eigentlich die zwei Höhen der Dreiecke sind, also um den Cosinus des eingeschlossenen Winkels kleiner als a + c.
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Hintergründe, Anwendungen, Zusatzinfos
Zu Aufgabe 1: Eratosthenes benutzte für die Bestimmung des
Erdradius tatsächlich eine etwas andere Methode. Er bestimmte
den Winkel zwischen den (parallelen) Sonnenstrahlen, d.h. dem
Zenit in Syene und dem Lot in Alexandria. Eratosthenes bestimmte den Winkel ϕ als ein Fünfzigstel des Vollwinkels, d.h.
7◦ 120 ∼
= 360◦ /50. Die Strecke von Syene nach Alexandria musste also etwa ein Fünfzigstel des Erdumfangs sein, woraus sich
der Erdradius berechnen lässt.
787.5 km · 50 ∼
r∼
= 6266 km
=
2π
(8)
Abbildung 4: Winkelmethode
Wir haben bereits einige Ungenauigkeiten bzw. Näherungen im
Zusammenhang den beiden Methoden erwähnt. Genau genommen sind die Sonnenstrahlen in Syene und
Alexandria nicht exakt parallel, der Fehler beträgt aber nur etwa eine Bogensekunde (1/3600 eines Grads).
Weiters ist erst seit Newton im 17. Jhdt. bekannt, dass die Erde keine Kugel, sondern ein durch die Rotation
abgeplattete Figur ist und daher der Erdradius am Äquator größer als am Pol gemessen wird.
Zu Aufgabe 2: Die Parallaxenmethode zur Entfernungsbestimmung spielt in der Astronomie eine ganz entscheidende Rolle. Jahr 1838 wurde die erste Sternparallaxe vom Mathematiker und Astronom Friedrich Wilhelm Bessel für einen der 20 sonnennähsten Sterne im Sternbild Schwan durchgeführt. Der Stern 61 Cygni4 wurde von Bessel gewählt weil sich dieser über die Jahre auffällig stark gegenüber dem Fixsternhimmel
bewegt hatte (Eigenbewegung) und Bessel vermutete, dass er daher der Sonne relativ nahe sein müsste.
Mithilfe der Parallaxenmethode war es erstmals möglich
absolute Entfernungen außerhalb des Sonnensystems anzugeben, was den wissenschaftlichen Horizont natürlich entscheidend erweiterte und unser Verständnis vom Universum wieder ein Stück nach vorne brachte.
Die scheinbare Positionsänderung eines nahen Sterns am
Himmel im Laufe eines Jahres ist in Abbildung 5 (wiederum nicht maßstabsgetreu)
Abbildung 5: Astronomische Parallaxe
skizziert. Die Bewegung des
Sterns im Bezug auf das Sternbild im Hintergrund ist 2p, als Parallaxe wird der Winkel p bezeichnet. Aus
der Parallaxe hat sich eine astronomische Maßeinheit für die Entfernung abgeleitet, der Parsec 5 .
Selbst für sehr nahe Sterne beträgt die Parallaxe aber lediglich einige hundert Bogensekunden und Parallaxenmessungen können derzeit nur bis zu einer Entfernung von etwa einigen 100 Parsec durchgeführt werden.
Zum Vergleich, das Zentrum unserer Milchtraße ist 8000 Parsec entfernt.
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Lateinische Bezeichnung für den Schwan.
Ein Parsec ist definiert als die Entfernung eines Sterns, der eine jährliche Parallaxe von genau einer Bogensekunde zeigt. 1
Parsec = 3.26 Lichtjahre = 30.86 · 1015 m, Abkürzung pc.
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