Oncostatin M – ein pro- inflammatorisches Zytokin

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Zytokine
Oncostatin M – ein proinflammatorisches Zytokin
HEIKE M. HERMANNS
RUDOLF -VIRCHOW-ZENTRUM WÜRZBURG
Eine falsch regulierte Zytokin-Signalweiterleitung führt zur Entstehung
schwer wiegender Erkrankungen. Zur therapeutischen Intervention ist
eine umfassende Kenntnis der von einzelnen Zytokinen eingeleiteten
Signalwege unerlässlich.
Dysregulated cytokine signaling is involved in the pathogenesis of a large
number of diseases. Understanding cytokine signaling specificity is required to generate more specific therapeutic intervention methods and to
avoid harmful side effects.
ó Zur Koordinierung einer angemessenen
Immunantwort auf Gewebsschädigung (Verletzung oder Infektion) hat unser Körper ein
höchst komplexes Kommunikationssystem
entwickelt. Neben kleinmolekularen Mediatoren (z. B. Prostaglandin) oder biogenen Aminen (z. B. Histamin) spielen hier die Zytokine eine entscheidende Rolle. Diese unterscheiden sich von klassischen Hormonen
(z. B. Insulin, Adrenalin) dadurch, dass sie
von den meisten Körperzellen direkt am Ort
der Gewebeverletzung freigesetzt werden können. Ihre Wirkung ist daher meist lokal
begrenzt, das heißt von auto- oder parakriner Natur. Zu den Hauptaufgaben der Zytokine gehört neben der Regulation der Hämatopoese die Koordination von Entzündungsreaktionen.
Physiologie von Oncostatin M (OSM)
Das Zytokin vom Interleukin(IL)-6-Typ OSM
(Abb. 1) wird von aktivierten Neutrophilen,
˚ Abb. 1: Physiologische Antworten, die Oncostatin M (OSM) in verschiedenen Zielzellen hervorruft. APP: Akutphase-Protein; LDL: low density lipoprotein; VEGF: vascular endothelial growth
factor; COX: Zyklooxygenase; PGE2, Prostaglandin E2.
Monozyten und T-Lymphozyten freigesetzt.
Seinen Namen verdankt es einer wachstumsinhibierenden Wirkung auf Tumorzellen epithelialen Ursprungs (z. B. Melanom-,
Brustkarzinomzellen) [1]. Inzwischen weiß
man jedoch, dass es sich bei OSM um einen
wichtigen Regulator von Entzündungsreaktionen handelt. Wie einige seiner Verwandten
(IL-6; leukemia inhibitory factor, LIF) reguliert
OSM die Expression der Akutphaseproteine.
Diese Proteine stellen eine unspezifische
Immunantwort der Leber dar und fördern
unter anderem die Blutgerinnung und die
Aktivierung des Komplementsystems. Weiterhin werden OSM-Funktionen bei der Proliferation und Differenzierung z. B. von Endothelzellen, Fibroblasten und Osteoblasten, bei
der Wundheilung, der Induktion neurotropher
Peptide und der Regulation des Cholesterinmetabolismus zugeschrieben [2]. Neueste Studien in OSM-defizienten Mäusen weisen auf
eine wichtige Rolle zur Unterdrückung von
Autoimmunerkrankungen hin [3].
Erhöhte Expressionsspiegel von OSM findet
man in vielen chronisch verlaufenden Entzündungen, unter anderem bei der rheumatoiden Arthritis (RA). Diese chronische
Gelenksentzündung ist in ihren molekularen
Ursachen immer noch unverstanden und verursacht alleine in Deutschland jährlich
Behandlungs- und Folgekosten von über zehn
Milliarden Euro. Der erfolgreiche Einsatz blockierender Antikörper bzw. antagonistisch
wirksamer löslicher Rezeptoren vor allem
gegen Tumornekrosefaktor-α (TNFα) betont
die besondere Bedeutung der pro-inflammatorischen Zytokine für die Pathogenese der
RA. Leider ist eine TNFα- oder IL-1β-Blockade nicht bei allen Patienten wirksam, sodass
nach neuen möglichen Zielzytokinen gefahndet wird. OSM verkörpert ein interessantes
Zielzytokin, da es an vielen pathologischen
Prozessen der RA beteiligt ist. So fördert OSM,
zum Teil in Synergismus mit TNFα oder IL1β, den Knorpel- und Knochenabbau durch
verstärkte Expression von Metalloproteinasen und Osteoklastendifferenzierung [2, 4].
Isolierte Fibroblasten aus der Synovialmembran einiger rheumatisch erkrankter PatienBIOspektrum | 04.09 | 15. Jahrgang
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ten sezernieren konstitutiv OSM [5].
Zudem ist OSM ein hochpotenter Induktor
verschiedener Chemokine (CCL1, CCL2,
CCL7, CCL8, CCL11, CCL13) (Abb. 2) [5,
6]. Die Chemokin-Superfamilie kontrolliert
mit der Rekrutierung von Leukozyten
einen initialen Schritt der Entzündungsreaktion. Das erst kürzlich in der Synovialflüssigkeit von RA-Patienten nachgewiesene CCL13 wird ausschließlich durch
OSM, nicht aber durch IL-6, LIF, TNFα oder
IL-1β induziert. Beachtlich ist ferner die
Expression dieses Chemokins in synovialen Fibroblasten, nicht jedoch in Fibroblasten der Haut, der Lunge oder der Cervix [5].
Signaltransduktion von OSM
Als einziges Mitglied der IL-6-Typ-Zytokine signalisiert humanes OSM über zwei
Rezeptorkomplexe: den Typ-I-Rezeptorkomplex, bestehend aus dem LIF-Rezeptor
(LIFR) und gp130, und den Typ-II-Rezeptorkomplex aus gp130 und dem OSMRezeptor (OSMR) (Abb. 3) [2]. Wie für alle
Zytokinrezeptoren ist auch für die OSMvermittelte Signaltransduktion der erste
Schritt eine ligandeninduzierte Heterodimerisierung der signalweiterleitenden
Rezeptoren. Hierdurch werden die zytoplasmatischen Bereiche in räumliche Nähe
zueinander gebracht und somit die Signalkaskade ausgelöst [7]. Im Gegensatz zu
den Rezeptoren der Wachstumsfaktoren
besitzen Zytokinrezeptoren jedoch keine
intrinsische enzymatische Aktivität. Sie
sind daher zur Signalweiterleitung auf die
konstitutive Interaktion mit zytoplasmatischen Tyrosinkinasen der Janus-Familie
(JAK) angewiesen.
Da man in der C-terminalen Hälfte der
JAKs zwei Kinasedomänen findet, wurde
für diese Proteine in Anlehnung an die
römische Mythologie der Name des doppelgesichtigen Gottes Janus gewählt. Eine
genauere Analyse der Aminosäureabfolge
der N-terminalen Kinase-ähnlichen Domäne zeigt jedoch, dass katalytisch bedeutsame Bereiche mutiert sind, weshalb diese Domäne enzymatisch inaktiv ist. Sie
scheint eine wichtige Rolle für die Autoinhibition der ruhenden Kinasen zu spielen.
So weist die onkogene Variante JAK2
V617F eine Mutation in der Kinase-ähnlichen Domäne auf, die zu einer Autoaktivierung der Kinase führt und damit substanziell zum Fortschreiten myeloproliferativer Leukämien beiträgt. Der genaue
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Aktivierungsmechanismus der JAKs ist
aber bis heute unverstanden. In Analogie
zu den Rezeptortyrosinkinasen scheint
eine Aktivierung durch wechselseitige
Tyrosinphosphorylierung wahrscheinlich.
Im Verlauf einer OSM-vermittelten Signaltransduktion werden JAK1, JAK2 und
TYK2 aktiviert, wobei alle bislang untersuchten Signalwege auf die Anwesenheit
von TYK2 verzichten können. Nach ihrer
Aktivierung phosphorylieren die JAKs im
membrandistalen intrazellulären Bereich
der Rezeptoren gelegene Tyrosinseitenketten, die nun ihrerseits als Andockstellen für zytoplasmatische Proteine fungieren. Unter diesen sind für die Zytokin-Signaltransduktion vor allem die Transkriptionsfaktoren der STAT(signal transducer
and activator of transcription)-Familie hervorzuheben. Im Fall des OSM erfolgt eine
Tyrosinphosphorylierung von STAT1,
STAT3 und in einigen Zelltypen auch von
STAT5 und STAT6. Nach ihrer Aktivierung
homo- und/oder heterodimerisieren die
STATs und translozieren in den Zellkern,
wo sie an Enhancer OSM-induzierbarer
Genpromotoren binden.
Neben dem JAK/STAT-Signalweg aktiviert OSM die MAPK(mitogen-activated protein kinase)-Signalkaskaden. Dies erfolgt
über Adapterproteine, die ebenfalls an
phosphorylierte Rezeptortyrosine binden
und die Rekrutierung eines Guaninnukleotid-Austauschfaktors in die Nähe einer
kleinen GTPase ermöglichen. Im Fall des
OSM-Rezeptors ist hierfür das Adapterprotein Shc (SH2 and collagen-homology
domain containing protein) verantwortlich
[7]. Für die Induktion der Chemokin-Gene
stellte sich heraus, dass die MAPK ERK1/2
(extracellular signal-regulated kinase) über
ihre aktivierten Transkriptionsfaktoren cJun und c-Fos die Transkription einleiten,
während die Stress-aktivierte Proteinkinase p38 wichtig ist, um die produzierte
mRNA zu stabilisieren und deren effiziente
Translation zu erlauben [5, 6]. Erstaunlicherweise sind weder aktiviertes STAT1
noch STAT3 an der Transkription der Chemokingene beteiligt. STAT5 spielt jedoch
eine zelltypspezifische Rolle: Während dieser Transkriptionsfaktor für die OSM-vermittelte Expression von CCL13 in synovialen Fibroblasten absolut essenziell ist [5],
übt er auf die Expression von CCL1 eine
reprimierende Wirkung aus [6].
Diese Beobachtung ist von besonderem
Interesse, da Chemokine nicht nur für die
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besonderer Bedeutung für die Rekrutierung
zytotoxischer T-Zellen und NK(natural killer)Zellen ist, stellt die Aufrechterhaltung eines
Signalweges, der die Freisetzung dieses Chemokins verhindert, eine geschickte Überlebensstrategie von Tumorzellen dar.
Danksagung
Die Forschung der Arbeitsgruppe wurde von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(SFB542, TP B6; FZ82; Nachwuchsgruppe)
unterstützt.
ó
Literatur
˚ Abb. 2: Die OSM-vermittelte Chemokinexpression in humanen Fibroblasten sowie GAPDH als
Beladungskontrolle. Zeitliche Abhängigkeit der OSM-vermittelten Transkription der Chemokine
CCL1, CCL2, CCL7 und CCL8 (in dermalen Fibroblasten) und CCL13 (in synovialen Fibroblasten)
im RNase-Protektionsassay (RPA, links) sowie für einen Teil der Chemokine deren Translation
mittels ELISA untersucht wurde (rechts, Mittelwerte ± SD).
˚ Abb. 3: Die Rezeptorkomplexe von OSM. Im intrazellulären Bereich sind die Assoziation der
Janus-Kinasen (JAK) sowie die Positionen phosphorylierter Tyrosinseitenketten dargestellt. LIFR:
LIF-Rezeptor; OSMR: OSM-Rezeptor.
Auslösung einer effizienten Immunantwort
gegenüber Traumata oder einwandernden
Pathogenen wichtig sind, sondern auch für
die Bekämpfung maligner Zellen. Interessanterweise beobachtet man eine konstitutive Aktivierung von STAT-Faktoren, vor allem
STAT3 und STAT5, in einer großen Anzahl
von Tumoren sowohl epithelialen als auch
hämatopoetischen Ursprungs. Da CCL1 von
[1] Zarling JM, Shoyab M, Marquardt H, Hanson MB, Lioubin
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Korrespondenzadresse:
PD Dr. Heike M. Hermanns
Rudolf-Virchow-Zentrum
DFG-Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin
Universität Würzburg
Versbacher Straße 9
D-97078 Würzburg
Tel.: 0931-201 48722
[email protected]
AUTOR
Heike M. Hermanns
Jahrgang 1971. Nach Biologiestudium 1996–2000 Promotion in der Arbeitsgruppe
von Prof. Dr. Behrmann an der RWTH Aachen. 2001–2007 Arbeitsgruppenleiterin
und Habilitation am Institut für Biochemie der RWTH Aachen (Prof. Dr. Heinrich).
Seit 2007 Nachwuchsgruppenleiterin „Signaltransduktion inflammatorischer Zytokine“ am Rudolf-Virchow-Zentrum, DFG-Forschungszentrum für experimentelle Biomedizin in Würzburg.
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