Druckversion Lebensmittel-Zusatzstoffe 24.03.2004 Kinder zunehmend gefährdet Knallbunte Süßigkeiten, farbenfrohe Limonaden, industrielle Fertigprodukte – die Regale der Supermärkte sind voll davon. Nahrungsmittel sind von Natur aus aber nicht knallorange, die Lebensdauer nicht unendlich. Also hilft die Industrie künstlich nach - mit Farb- und Konservierungsstoffen. Zusatzstoffe stellen normalerweise kein Risiko für die menschliche Gesundheit dar. Aber: Kinder nehmen mit ihrer täglichen Ernährung eine weit höhere Menge an Zusatzstoffen zu sich, als gesundheitlich unbedenklich wäre, warnte die EU bereits vor einem Jahr. Gefahr der Überschreitung der Tageshöchstmengen Und auch in Österreich zeigt das Zusatzstoff-Monitoring aus dem Jahr 2002, in dem insgesamt 90 Zusatzstoffe untersucht wurden, dass vor allem die Drei- bis Sechsjährigen gefährdet sind: Bei zehn Zusatzstoffen kann es zu einer Überschreitung der akzeptablen Tageshöchstmenge kommen, warnen die Experten. Bei sehr einseitiger Ernährung erwies sich die Aufnahme von sogar 14 Zusatzstoffen höher als bisher angenommen. Das Ergebnis wurde im Österreichischen Ernährungsbericht 2003 veröffentlicht. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat dies zum Anlass genommen, gängige Kinderprodukte näher unter die Lupe zu nehmen. Ergebnis: Die als problematisch eingestuften Zusatzstoffe sind nach wie vor in Lebensmitteln für Kinder enthalten, ständig kommen neue Produkte auf den Markt. In Kinderlebensmitteln nichts verloren Ein Zusammenhang zwischen Farb- und Konservierungsstoffen und dem Auftreten sogenannter Pseudoallergien ist bereits wissenschaftlich nachgewiesen, auch wenn diese sehr selten auftreten. Für andere Symptome wie das Zappelphilipp- oder hyperkinetische Syndrom fehlen noch wissenschaftliche Beweise für einen Zusammenhang. Dennoch sollten vor allem kleine Kinder möglichst wenig Zusatzstoffe durch die Nahrung aufnehmen, da ihr Organismus besonders sensibel ist. "Zusatzstoffe haben in Lebensmitteln für Kinder nichts verloren, zumal es genügend Alternativen zu künstlichen Farbstoffen und Konservierungsmittel gibt. Die Lebensmittelindustrie ist deshalb aufgefordert, verantwortungsvoll zu handeln und kindergerechte Produkte auf den Markt zu bringen", betont VKI-Obmann Harald Glatz. Zusatzstoff-Monitoring zeigt: 3 – 6-Jährige sind Risikogruppe In der EU sind derzeit über 300 Zusatzstoffe zugelassen. Um kein Risiko für die Gesundheit darzustellen, gelten für viele dieser Stoffe Höchstmengen bei der Verwendung, die nicht überschritten werden dürfen. Darüber hinaus werden für fast alle Zusatzstoffe ADI-Werte (Acceptable Daily Intake) definiert, die festlegen, wie viel Milligramm eines Zusatzstoffes ein Mensch pro Kilogramm Körpergewicht ein Leben lang täglich zu sich nehmen kann, ohne ein gesundheitliches Risiko einzugehen. Anhand eines EU-weiten Konzepts überprüfen nationale Ernährungsinstitutionen regelmäßig die Aufnahme von Zusatzstoffen. In Österreich fanden solche Zusatzstoff-Monitorings bereits drei Mal statt, zuletzt 2002. Bei dieser Untersuchung wurde die Zusatzstoffaufnahme speziell bei 3 – 6-jährigen Kindern untersucht, da diese aufgrund ihres Körpergewichtes und ihres Ernährungsverhaltens eine Risikogruppe darstellen. Bei dem mehrstufigen Verfahren wurden unter anderem Daten des tatsächlichen Lebensmittelkonsums mit den zulässigen Höchstwerten von insgesamt 90 Zusatzstoffen kombiniert. Dabei stellte sich heraus, dass Drei- bis Sechsjährige bei häufigem Konsum von Fertiglebensmitteln bei mindestens zehn Zusatzstoffen die akzeptablen Höchstmengen überschreiten. Die 10 problematischen Zusatzstoffe 4 Farbstoffe Gelborange S (E 110) Karmin bzw. Cochenille (E 120) Grün S (E 142) Brillantschwarz BN (E 151) 6 Konservierungsstoffe Sorbate (E 200, 202, 203) Benzoate (E210 – 213) Schwefeldioxid (E 220) Sulfite (E 221 – 224, E 226 – 228) Nitrite (E 249 – 250) Phosphate (E 338 – 341, E 450 – 452) Das Zusatzstoff-Monitoring sieht auch ein "worst case"-Szenario vor. Dabei wird die maximal theoretische Zufuhr eines Stoffes angenommen, in der Praxis ist dieses Szenario mit einer sehr einseitigen Ernährung zu vergleichen. Bei insgesamt 14 Zusatzstoffen wurde eine Überschreitung der akzeptablen Höchstmengen festgestellt. "Drei- bis Sechsjährige überschreiten also viel häufiger die festgelegten Höchstmengen bei bestimmten Lebensmittelzusatzstoffen als ältere Kinder oder Erwachsene", warnt VKIErnährungswissenschafterin Birgit Beck. VKI-Untersuchung Der VKI beobachtet den Markt für Kinderlebensmittel schon länger, vor zwei Jahren wurden Kindergetränke auf Zusatzstoffe untersucht. „Nur zwei Prozent aller Säfte kamen ohne den Zusatz von Aromen aus, mehr als ein Drittel der Limonaden enthielten Farbstoffe“, berichtet Birgit Beck. Nunmehr nahm der VKI das Ergebnis des Zusatzstoff-Monitorings zum Anlass, sich wieder im Lebensmittelhandel umzusehen. 24 speziell für Kinder ausgelobte Produkte kamen unter die Lupe. Ziel war es festzustellen, ob die als kritisch eingestuften Zusatzstoffe immer noch Verwendung finden. In den Einkaufskorb kamen nur solche Lebensmittel, auf deren Verpackung Zusatzstoffe aufgelistet waren. Bilanz nach dem Check: Egal ob Farb- oder Konservierungsstoffe – fast kein Kinderprodukt kommt ohne sie aus. Zudem stecken in manchen Kindergetränken künstliche Süßstoffe, und auch hier drohen die empfohlenen Höchstmengen pro Tag am ehesten von Vorschulkindern überschritten zu werden. Farbstoffe: Was zuviel ist, ist zuviel In sechs Produkten wurden jene Farbstoffe gefunden, vor deren Überschreitung die Ernährungsexperten in ihrem Bericht warnen. Cochenille/Karmin (E 120) wurde in vier Kinderprodukten nachgewiesen: "Campino Sommerfrüchte", "Tutti Frutti Fruchtgummi", "Swedish Fish Malaco", und "Smarties" erhalten erst dadurch ihre knallrote Farbe. Und auch die anderen kritischen Farbstoffe – bis auf Grün S (E 142) – kommen immer noch zum Einsatz. "Lühders Monsters Fruchtgummi" enthält unter anderem die Farbstoffe Gelborange S (E 110) und Brilliantschwarz (E 151). "Swizzels Fizzers" weisen neben vielen anderen den Farbstoff Gelborange S (E 110) auf. Farbstoffe können Pseudoallergien verursachen Neben den vier Farbstoffen, die im Monitoring besonders kritisch beurteilt werden, finden sich zahlreiche weitere Farbstoffe – und zwar in so gut wie allen Produkten. Die Gefahr, dass Kinder zu viel von diesen Stoffen zu sich nehmen, besteht zwar nicht. Aber: Zwei Drittel der Produkte weisen Farbstoffe auf, die in seltenen Fällen sogenannte Pseudoallergien verursachen können und zu Nesselsucht, Asthma oder Hautödemen führen. Allurarot AC (E 129) sorgt dafür, dass "Fruchttiger Roter Spaß-Mix" auch so aussieht wie es heißt. Die Schokobananen von "Casali" verdanken ihre Farbe nicht den Bananen, sondern dem Farbstoff Chinolingelb (E 104). "PEZ Bonbons" erhalten ihre Farbenvielfalt durch Tartrazin (E 102), Brillantblau (E 133) und Allurarot (E 129). Die meisten Produkte enthalten zwei oder drei Farbstoffe, die "Swizzels-Fizzer" führen mit acht Farbstoffen die negative Hitliste an. Konservierungsstoffe: Vor allem in Getränken Damit Lebensmittel möglichst lange halten, wird die Lebensdauer von Produkten mittels Konservierungsstoffen künstlich verlängert. Mehr als ein Fünftel der untersuchten Produkte enthalten jene Stoffe, die laut Monitoring von Vorschulkindern zum Teil oberhalb der zulässigen Menge aufgenommen werden. Vor allem Getränkehersteller bedienen sich aus dem reichen Angebot an Konservierungsmitteln. Sogenannte "Kindersäfte" wie "Alldudler Jupiter Apfel" und "Alldudler Planet Lollipop" weisen durch Natriumbenzoat (E 211) Überschreitungspotential auf. Kindern, die gerne "Pumuckl Kobold Käse" (E 200 Sorbinsäure) oder "Tabaluga Croissants" (E 202 Kaliumsorbat) essen, droht ebenso die Gefahr, die Grenzwerte zu überschreiten. Auch gelten Natriumbenzoate als Auslöser der bereits erwähnten Pseudoallergien. Die meisten Lebensmittel kommen mit einem Konservierungsstoff aus, die Haltbarkeit von "Tabaluga Croissants" wird mit Hilfe zweier Konservierungsstoffe künstlich verlängert. Süßstoffe: Nichts für die Kleinen Neben Konservierungs- und Farbstoffen enthalten Kinderprodukte oft zahlreiche Süßstoffe, Stabilisatoren, Emulgatoren, Säuerungsmittel und Antioxidationsmittel. Auch für Süßstoffe gelten Höchstmengen. Dennoch sind Süßstoffe für gesunde Kinder (Ausnahme sind natürlich Diabetiker) nicht zu empfehlen, da Tageshöchstmengen leicht erreicht werden. In den Getränken "Fruchttiger Grüner Dschungelmix", "Fruchttiger Roter Spaß Mixx" und "Sun & Fun planet orange" fanden sich die Süßstoffe Acesulfam K (E 950) und Aspartam (E 951). Gerade Getränke werden von den Sprösslingen in größeren Mengen konsumiert, sodass es schnell zu einer Überschreitung der Grenzwerte kommt. Es geht auch ohne "Farbstoffe dienen weder der Geschmacks- noch der Qualitätsverbesserung – ihre Aufgabe besteht einzig und alleine darin, das jeweilige Produkt optisch ansprechender zu gestalten. Da die Sprösslinge schon einer ganzen Reihe von Belastungen ausgesetzt sind, sollte in Kinderprodukten auf künstliche Zusatzstoffe verzichtet werden", appelliert Beck an die Lebensmittelindustrie. Nicht zuletzt deswegen, weil es auch natürliche Methoden gibt, Lebensmittel "aufzupeppen". Pflanzliche Farbstoffe wie Chlorophyll (grün), Carotinoide (orange bis gelb) oder Betenrot sorgen ebenso für bunte Limonaden und Süßspeisen. Der Gesetzgeber schreibt für den Einsatz von Zusatzstoffen eine technologische Notwendigkeit vor, die allerdings gerade bei künstlichen Farbstoffen nicht immer nachvollziehbar ist. VKI-Obmann Glatz: "Hier müssen EU-weit strengere Vorgaben festgelegt werden. Es darf nicht sein, dass Marketingargumente mehr zählen als die Gesundheit unserer Kinder." VKI-Ernährungstipps Natürlich soll und kann man Kindern das Naschen nicht gänzlich verbieten. Es kommt auf die gesamte Ernährungsweise an. Sind viele Fertigprodukte und die erwähnten Süßigkeiten im Spiel, sollte man unbedingt gegensteuern. Jede Einseitigkeit wäre gerade in dieser Altersgruppe fehl am Platz, weil der Organismus durch das starke körperliche Wachstum ohnehin sehr belastet ist. Die Kleinen brauchen dringend eine ausgewogene Kost. Der VKI empfiehlt deshalb: Kinder sollten fünf Mahlzeiten am Tag zu sich nehmen. Zu jeder Mahlzeit gehört ein energiearmes oder energiefreies Getränk wie Wasser, ungesüßter Kräuter- oder Früchtetee oder stark verdünnte Säfte. Morgens. Die Mahlzeit besteht am besten aus Brot oder Getreideflocken, Milch- oder Milchprodukten und Obst oder Gemüserohkost. Vormittags. Kinder sollten eine kleine Zwischenmahlzeit in Form von Brot oder Getreideflocken und Obst oder Gemüserohkost zu sich nehmen. Mittags. 1 warme Mahlzeit (oder kalte Mahlzeit, hängt mit den familiären Gewohnheiten zusammen, Austausch mit der Abendmahlzeit): Grundlage sind Kartoffeln, Reis oder Nudeln, dazu reichlich Gemüse oder ein Salat. Fleischportionen sollten eher klein gehalten werden. Nachmittags. Kinder können als Zwischenmahlzeit statt Brot oder Obst auch ab und zu Süßigkeiten oder Kuchen zu sich nehmen. Abends. 1 kalte Mahlzeit (oder warme Mahlzeit, hängt mit den familiären Gewohnheiten zusammen): Brot oder Getreideflocken, Milch- oder Milchprodukte sowie Obst und Gemüse sind die wichtigsten Bestandteile dieser Mahlzeit.