Ein einfacher viraler Infekt?

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CASUISTIQUES
Eine genaue Anamnese und klinische Untersuchung führen zur Diagnose
Ein einfacher viraler Infekt?
Moritz Haenel a , Manuela Lötscher b , Marc Slawik c , Mario Kurz d
Notfallstation, St. Claraspital; b St. Claraspital; c Endokrinologie, St. Claraspital; d Infektiologie, St. Claraspital
Fallbericht
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und somit gelegentlich auch Fäkalien gegenüber ex
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a
poniert. Gemäss eigenen Angaben sei er als Kind an
Masern, Röteln und Windpocken erkrankt, ferner habe
Ein 19-jähriger Patient stellte sich im April aufgrund
er alle erforderlichen Impfungen erhalten. Auf gezieltes
von Fieber bis 40 °C, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Ab-
Fragen hin gab er an, dass er zwei Tage vor Symptom-
geschlagenheit, katarrhalischen Symptomen und leich-
beginn von einer seiner beiden Ratten, die er zwei Wo-
ter Diarrhoe auf unserer Notfallstation vor. Zum Zeit-
chen zuvor in einer deutschen Tierhandlung gekauft
punkt der Vorstellung waren die Beschwerden bereits
hatte, in die rechte Hand gebissen worden sei. Es sei
wieder regredient und das Fieber mit Paracetamol gut
hierbei zu einer kleinen oberflächlichen Verletzung
senkbar. Bei gutem Allgemeinzustand, unauffälligem
mit einer leichten Blutung gekommen, die spontan
körperlichem Status sowie laborchemisch erhöhten
und ohne Komplikationen abheilte.
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Anamnese
Entzündungswerten (CRP 109 mg/l, Leukozyten 14,7 ×
Klinisch imponierte ein 19-jähriger Patient in leicht
Vier Tage später erfolgte die erneute Vorstellung auf-
reduziertem Allgemeinzustand, Blutdruck 112/56 mm
grund von persistierenden, nun seit zehn Tagen be-
Hg, Puls 100/min, Atemfrequenz 18/min, Temperatur
stehenden, abendlichen Fieberschüben, zusätzlich
37,7 °C nach Einnahme von Antipyretika. An den Händen
aufgetretenen Halsschmerzen sowie linksseitigen
sahen wir ein subjektiv nicht wahrgenommenes,
Leisten- und Fussschmerzen. Die erweiterte Anamnese-
makulo-papulöses Exanthem, das sich primär an den
erhebung ergab eine unauffällige Reise- und Sexual
Handflächen und Fusssohlen (Abb. 1) manifestierte
anamnese. Der Patient ist von Beruf Sanitärarbeiter
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und im Bereich der Füsse auf die Fussrücken übertrat.
Abbildung 1: Klinisch imponierte ein makulo-papulöses Exanthem der Handflächen und Fusssohlen, das auf die Fussrücken übertrat.
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Moritz Haenel
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Status
nach Hause entlassen.
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109) wurde er mit Verdacht auf einen viralen Infekt
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Bei der passiven Bewegung im linken oberen Sprung-
auf eigenen Wunsch am dritten Hospitalisationstag
gelenk sowie der linken Hüfte zeigte sich eine schmerz-
entlassen wurde. Bei fortbestehendem Verdacht auf
hafte Bewegungseinschränkung ohne Hinweise auf
ein Rattenbissfieber wurde die antibiotische Therapie
einen relevanten Gelenkerguss.
mit Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. für insgesamt sieben Tage
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asuistiques
C
und während sieben weiteren Tagen mit Amoxicillin
Befunde
3 × 500 mg/d p.o. weitergeführt.
Laborchemisch zeigte sich weiterhin eine Leukozytose
Nachdem der Patient ausgetreten war, zeigte sich in 2
von 16 × 10 (mit 89% neutrophilen Granulozyten), der
von 6 Blutkulturen ein Wachstum von Streptobacillus
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moniliformis, was für die Diagnose des Rattenbissfiebers
286 × 109, der CRP-Wert war mit 100 mg/l erhöht, die
schlussendlich beweisend war. Da der Patient rasch be-
Leber- und Nierenwerte waren im Normbereich. In der
schwerdefrei war und er bereits in die ambulante Weiter-
Sonographie des linken Hüftgelenks konnte kein rele-
betreuung entlassen wurde, und da eine Endokarditis
vanter Gelenkserguss nachgewiesen werden. Das Tho-
mit Streptobacillus moniliformis insgesamt selten auf-
raxröntgenbild und der Urinstatus waren unauffällig.
tritt, haben wir auf die Durchführung einer Echokardio-
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Hb-Wert lag bei 142 g/l, die Thrombozyten betrugen
graphie verzichtet. Seit Abschluss der Therapie ist der
Exanthem auf. Der CRP-Wert war zwei Wochen und
mit einem makulo-papulösen Exanthem der Hände
vier Monate nach Therapieabschluss normwertig. Leider
und Füsse sowie Oligoarthralgien zehn Tage nach einem
wurden im ambulanten Setting keine Überwachungs-
Rattenbiss wurde der Patient mit Verdacht auf ein Rat-
blutkulturen abgenommen, was der Dokumentation
tenbissfieber stationär aufgenommen. Differentialdia-
des Therapieerfolges gedient hätte.
Patient afebril und weist weder Arthralgien noch ein
Mit dem klinischen Bild eines persistierenden Fiebers
Diagnose / Verlauf
gnostisch dachten wir an eine exanthematös verlaufende virale Erkrankung, wie zum Beispiel eine Infektion
mit Parvovirus B19, Coxackievirus, Enterovirus, Adeno-
Diskussion
virus, CMV (Zytomegalievirus), EBV (Epstein-Barr-Virus)
Das Rattenbissfieber ist eine selten diagnostizierte,
oder HIV (humanes Immundefizienz-Virus), ferner
systemische Erkrankung, die durch eine Infektion mit
an eine disseminierte Gonokokkeninfektion, eine Lues
den gramnegativen Stäbchenbakterien Streptobacillus
moniliformis oder Spirillum minus hervorgerufen wird
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oder Leptospirose. Als mögliche nicht-infektiöse Ur
und einen akuten bis chronisch-remittierenden Krank-
Nach Abnahme von Blutkulturen wurde bei Verdacht
heitsverlauf aufweisen kann.
auf ein Rattenbissfieber eine antibiotische Therapie
Streptobacillus moniliformis ist für die Mehrzahl der
mit Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. begonnen; dies hätte zusätz-
Krankheitsfälle in Europa und den USA, Spirillum minus
lich auch eine disseminierte Gonokokken-Infektion,
vor allem für das Rattenbissfieber in Asien verantwort-
sache wurde ein Morbus Still in Betracht gezogen.
lich [1].
Das Rattenbissfieber ist eine selten diagnostizierte, systemische Erkrankung, die durch
eine Infektion mit den gramnegativen Stäbchenbakterien Streptobacillus moniliformis oder
Spirillum minus hervorgerufen wird.
Die Übertragung von Streptobacillus moniliformis erfolgt nach einem Rattenbiss oder dem Biss durch andere Nagetiere, bei denen der Erreger die nasopharyngeale Mukosa in variablem Prozentsatz kolonisiert
hat. Ferner kann die Einnahme von mit Nagetierkot
eine Lues sowie eine Leptospirose therapiert. Das mikro-
verunreinigten Nahrungsmitteln oder mit Rattenurin
biologische Labor wurde über den klinischen Verdacht
kontaminierten Getränken zu einer Infektion führen,
eines Rattenbissfiebers informiert.
die unter dem Namen «Haverhill fever» bekannt ge-
Der HIV-Test, die Serologien für Lues, Parvovirus B19,
worden ist [4].
Die vor allem im ostasiatischen Raum durch Spirillum
ebenso die nasopharyngeal abgenommenen PCR-
minus ausgelöste Erkrankung ist im Japanischen unter
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EBV, CMV und Leptospira interrogans fielen negativ aus,
dem Namen «Sodoku» bekannt. Hier verbreitet sich die
Adenoviren.
Spirillose gerne über Eichhörnchen und nagetierfres-
Unter der Therapie mit Ceftriaxon stellte sich rasch
sende Haustiere. Im Vergleich zur Streptobacillose ist
eine klinische Besserung ein. Der Patient entfieberte,
«Sodoku» durch eine meist längere Inkubationszeit
die Arthralgien und das Exanthem waren innerhalb
von 1–32 Tagen und dem selteneren Auftreten von Ar-
von drei Tagen praktisch komplett regredient. Die la-
thritiden gekennzeichnet [2].
borchemischen Entzündungsparameter normalisier-
Beim in Europa durch Streptobacillus moniliformis aus-
ten sich in derselben Zeitspanne, so dass der Patient
gelösten Rattenbissfieber kommt es nach einer Inku-
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Untersuchungen auf Coxackieviren, Enteroviren und
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reichend. In der Initialphase der Behandlung wird eine
schmerzen und einem schweren Krankheitsgefühl.
intravenöse Therapie mit Penicillin während 5–7 Tagen
Insbesondere bei jüngeren Kindern können auch gas
empfohlen. Im Falle des guten klinischen und laborche-
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bationszeit von 1 bis 20 Tagen zu hohem Fieber, Kopf-
mischen Ansprechens kann zur Komplettierung der
Durchfall hinzukommen [2, 3]. Im weiteren Verlauf der
14 Tage im weiteren Verlauf auf eine perorale Penicillin-
Erkrankung kann ein makulo-papulöses Exanthem
therapie gewechselt werden. Alternativ kann zu Beginn
auftreten, das charakteristischerweise an den Handin-
Ceftriaxon verabreicht werden, im Falle einer Typ-1-
nenflächen und den Fusssohlen erscheint; Arthralgien
Penicillinallergie wird Doxycyclin empfohlen.
werden ebenfalls häufig beobachtet.
Das kompliziert verlaufende Rattenbissfieber mit Me-
Das kompliziert verlaufende Rattenbissfieber kann zu
ningitis, Endokarditis, Myokarditis, Pneumonie oder
Pneumonien, Endokarditiden, ubiquitär auftretenden
septischer Arthritis als Folge einer Bakteriämie ist sel-
Abszedierungen sowie auch zu septischen Arthritiden
ten und meist die Folge einer im Frühstadium nicht
führen, wie es vereinzelt in der Literatur beschrieben
etablierten Antibiotikatherapie. In diesen Fällen wird
wird [5].
ebenfalls mit intravenösem Penicillin behandelt (alter-
Die Diagnose des Rattenbissfiebers ist meist eine klini-
nativ Ceftriaxon). Die Therapiedauer richtet sich nach
sche Diagnose im Kontext mit einem Rattenbiss, da die
dem klinischen Szenario, zum Beispiel vier Wochen i.v.
kulturelle Isolation des Erregers häufig schwierig ist
Therapie im Falle einer Nativklappenendokarditis.
und bis dato keine serologischen Tests zur Verfügung
Zur Vermeidung der Erkrankung sollte nach einem
stehen. Wie wichtig hierbei eine genaue Anamnese
Rattenbiss eine Postexpositionsprophylaxe über drei
und klinische Untersuchung ist, hat sich auch in unse-
Tage mit Penicillin V 4 × 500 mg/d p.o. oder Augmentin
rem Fall gezeigt. Der Nachweis von Streptobacillus
3 × 625 mg/d p.o. erfolgen.
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moniliformis kann aus Wund-/Abszessabstrichen und
aus Blutkulturen erfolgen, meist ist eine verlängerte
Bebrütungszeit notwendig.
Differentialdiagnostisch muss, wie auch bei unserem
Patienten, neben Virusinfektionen mit CMV, EBV, Coxsackie-/Enterovirus und Parvovirus B19, an eine Lues,
Informed consent
Die Publikation erfolgt im Einverständnis des Patienten.
Disclosure statement
Die Autoren haben keine finanziellen oder persönlichen
Verbindungen im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.
Leptospirose oder disseminierte Gonokokkeninfektion
Literatur
Das kompliziert verlaufende Rattenbissfieber kann eine
1
Mortalitätsrate von bis zu 10% aufweisen [6], weshalb
2
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3
rapie der Wahl, die optimale Therapiedauer ist nicht
­
therapie begonnen werden sollte. Penicillin ist die The-
4
St. Claraspital
berichten – nach dem klinischen Erscheinungsbild bzw.
5
Kleinriehenstrasse 30
Schweregrad der Erkrankung [7].
claraspital.ch
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auf, eine Therapiedauer von 14 Tagen ist in der Regel aus-
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Die meisten Fälle weisen einen unkomplizierten Verlauf
7
moritz.haenel[at]
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CH-4058 Basel
Dr. med. Moritz Haenel
bekannt und richtet sich – auf der Grundlage von Fall-
Korrespondenz:
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beim klinischen Verdacht eine empirische Antibiotika-
Futaki K, Takaki I, Taniguchi T et al. (1917) Spirochaeta marsus muris,
n. sp., the cause of rat bite fever. J Exp Med 25:33–44.
Josephson SL. (1988) Rat-bite fever. In: Balows A, Hausler Jr. WJ,
Ohashi M, Turano A (eds) Laboratory diagnosis of infectious
disease, vol 1. Springer, Berlin Heidelberg New York.
Raffin BJ, Freemark M (1979) Streptobacillary rat-bite fever:
a pediatric problem. Pediatrics 64:214–7.
Parker Jr F, Hudson NP (1926) The etiology of Haverhill fever
(Erythema arthriticum epidemicum). Am J Pathol 2:375–9.
Simon MW, Wilson HD (1986) Streptobacillus moniliformis
endocarditis. A case report. Clin Pediatr (Phila) 25:110–1.
Elliott SP (2007) Rat bite fever and Streptobacillus moniliformis.
Clin Microbiol Rev. 2007 Jan;20(1):13–22.
Truckis M; Rat bite fever; up to date; 2014.
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gedacht werden.
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trointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen und
­
asuistiques
C
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