Tiefer Eingetaucht Vielfalt in unseren Meeren Informationen für Lehrerinnen und Lehrer zur Bearbeitung der Schulaufgaben zum Meeresschutz und am Meeresschutz in Deutschland interessierte Menschen Ausführliche Begleitbroschüre zur BUND-Wanderausstellung “Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren” Impressum Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Bremen e.V. Am Dobben 44 28203 Bremen Telefon 0421 / 79 00 2 10 Fax 0421 / 79 00 2 - 90 [email protected] www.bund-bremen.net Redaktion: Nadja Ziebarth, BUND-Projektbüro Meeresschutz In Kooperation mit: Hochschule Bremen Internationaler Studiengang Technische und Angewandte Biologie (ISTAB) Bearbeitung: Eike Martina Holzkämper (ISTAB, Hochschule Bremen) Konzept, Texte und Gestaltung, Redaktionelle Überarbeitung: Oliver Hofmann wissenschaftlicher Lektor: Heiko Brunken (ISTAB, Hochschule Bremen) V.i.s.d.P: Martin Rode Diese Broschüre wurde gefördert mit Mitteln von Bingo! Die Umweltlotterie Inhalt Der Mensch und das Meer 4 Natura 2000 6 Die Nordsee 11 Die Doggerbank – von wegen Sandwüste unter Wasser! 13 Borkum Riffgrund – das Robbenrevier 17 Sylter Außenriff – buntes Leben im Auftriebsgebiet 22 Östliche Deutsche Bucht – 3135 km² für den Vogelschutz 27 Die Ostsee 31 Fehmarnbelt – Dreh- und Angelpunkt zwischen Nord- und Ostsee 33 Kadetrinne – ungestörte Natur in der Ostsee 38 Die Oderbank – Neue Heimat für den Stör 40 Adlergrund & Westliche Rönnebank – Rifflandschaft in der Ostsee 43 Pommersche Bucht – „Tank und Rast“ für Zugvögel 46 Schutzgebiete – eine große Lösung 48 Fischerei – mit Zukunft? 49 Nährsalze im Meer – gut oder Böse 52 Wasser und Öl – Eine schlechte Mischung 54 Sandabbau – Ein Lebensraum verschwindet 55 Müllkippe Ozean 56 Schifffahrt – Hauptverkehrsroute Nord- und Ostsee 58 Wasserplanet Erde Fast drei Viertel unseres Planeten sind von Wasser bedeckt. Unvorstellbare 1,338 Mrd. km³ Wasser fassen die Ozeane und damit 96,5 % des Wassers der Erde. Die Meeresflora (Pflanzen und Algen) produziert ungefähr 50 % des Sauerstoffs, ohne den es kein höheres Leben auf der Erde geben würde. Die Meeresströmungen regulieren das Klima indem sie die eingestrahlte Sonnenenergie als warmes Wasser über den Planeten transportieren. Das Ökosystem der Meere beherbergt eine ungeheure Vielfalt an Lebewesen, von denen sich wiederum Milliarden Menschen ernähren. Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch die Ozeane. Doch in den letzten hundert Jahren hat die Ausbeutung der Meere solche Ausmaße angenommen, dass heute große Teile dieses Ökosystems vor dem Zusammenbruch stehen. Dennoch stehen nicht einmal 2 Prozent der Meeresfläche unter Schutz. Ein weiterer Ausbau ist dringend notwendig. Der Mensch und das Meer Mensch und Meer Seit jeher siedelten sich Menschen gerne in der Nähe von Wasser an. Und dafür gab es gute Gründe. Nahrung war ganzjährig vorhanden, sofern man wusste wie man sie herankommen kann. Auch das Klima ist feuchter und milder. Später erschlossen sich die Menschen die Meere als günstigen Transportweg für Waren. Seitdem sind eine ganze Reihe neuer Nutzungen der Küsten und Meere hinzugekommen. Wir fördern Öl und Gas vom Meeresgrund, produzieren Strom in riesigen Windparks und verbringen unsere Freizeit zur Erholung an den Stränden. Auch Sand, vielleicht der wichtigste Baustoff, stammt zu großen Teilen aus dem Meer. So leben heute etwa 40 % aller Menschen weniger als 100 Kilometer von der Küste entfernt. Bei all diesen Aktivitäten wird jedoch häufig vergessen, dass die Ozeane sich nicht endlos ausbeuten lassen. Die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht. Überfischung, Gift- und Nährstoffeinträge, Vermüllung sowie die Zerstörungen ganzer Lebensgemeinschaften durch Bauaktivitäten oder Ölunfälle gefährden ein Ökosystem, auf dessen Funktionsfähigkeit wir Menschen angewiesen sind. Doch anstelle des dringend benötigten Schutzes steigt die Belastung der Meere weiter an. Die Folgen für diesen weltumspannenden Lebensraum lassen Seit jeher fasziniert das Meer die Menschen sich kaum abschätzen. Denn auch heute sind noch fast 90 % der Meere weitgehend unerforscht. 4 Schutz offshore? – Schutz international! Die Einrichtung von Meeresschutzgebieten in internationalen Gewässern gestaltet sich besonders schwierig. Denn hier kollidieren häufig die unterschiedlichsten Interessen der verschiedenen Nationen. Doch ohne einen umfassenden Schutz auch der küstenEines von ca. 40.000 Containerschiffen auf den Weltmeeren Meere brauchen Schutz fernen Gebiete wird ein Stopp des Artenschwundes in den Meeren nicht erreicht werden können. Denn gerade hier haben die Belastungen durch die Nutzung Die scheinbare Unendlichkeit der Ozeane erweckte für der Meere in beträchtlichem Maße zugenommen. lange Zeit den Eindruck, die Meere seien unerschöpf- Deshalb haben sich die Vereinten Nationen (United lich. Einzelne Eingriffe in die Meeresnatur würden Nations Convention on the Law of the Sea) 2010 schon auf Grund der schieren Größe der Ozeane darauf verständigt, 10 % der Meeresfläche bis 2020 „verkraftet“ werden. Diese Haltung hat dazu geführt, unter Schutz zu stellen. Derzeit sind es gerade ein- dass wir Menschen uns vom Strand bis in die Tiefsee mal 1,5 %. Es bleibt also noch viel zu tun, wenn man nehmen was wir haben wollen, und einleiten, was wir dieses Ziel erreichen will. nicht mehr brauchen. In Europa haben die Oslo-Paris-Konvention (OSPAR) Doch heute lassen sich die Folgen dieses Verhaltens für den Nordostatlantik und die Helsinki-Kommission nicht mehr übersehen - die marine Biodiversität (HELCOM) für die Ostsee Meeresschutzziele for- schrumpft, Chemikalien und Gifte lassen sich auch in muliert. Seit kurzem gewinnt auch das europäische den großen Tiefen und entlegenen Regionen nach- Schutzgebiete-Netzwerk Natura 2000 für den Mee- weisen. Plastikteppiche treiben auf den Meeren. Der resschutz an Bedeutung. andauernde Lärm unter Wasser stresst die Lebewesen und die Fischerei fängt deutlich mehr Fische, als nachwachsen können. All dies ist heute offensichtlich. Doch bisher wurden nur zögerlich Maßnahmen ergriffen, um dieses für unseren Planeten so wichtige Ökosystem zu erhalten. Dennoch haben in den letzten Jahren immer mehr Nationen die Bedeutung des Meeresschutzes erkannt und Programme zur Erhaltung der marinen Umwelt entwickelt, um die marine Biodiversität und Produktivität zu erhalten. Die Programme befassen sich mit dem Schutz der Meeresumwelt auf globaler und lokaler Ebene oder mit dem Erhalt besonderer Habitate oder Arten. Doch die Projekte beschränken sich meist auf die küstennahen Bereiche. Bald nur ein Windpark unter vielen in der Nordsee? Windräder vor Dänemark 5 Natura 2000 Was ist Natura 2000? Wer macht mit? “Natura 2000 ist das Kernstück der EU–Naturschutz- und Biodiversitätspolitik“ sagt die Europäische Kommission selber über ihr Großprojekt. Ziel ist, das größte ökologische Netz der Welt in Europa zu schaffen. Das Überleben und die Erhaltung – auch für die Zukunft – von bedeutenden und besonders bedrohten Arten und Habitaten steht an erster Stelle. Dies wird durch die Ausweisung von Schutzgebieten sichergestellt. Dies bedeutet nicht, dass die Nutzung dieser Gebiete durch den Menschen ausgeschlossen wird – es geht vielmehr um ein ökologisch als auch ökonomisch nachhaltiges Management der Gebiete. Die Natura 2000-Richtlinie ist von allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union umzusetzen. Sie fußt auf zwei älteren europäischen Richtlinien, der Vogelschutzrichtlinie von 1979 und der Fauna-FloraHabitat-Richtlinie von 1992. Sie sind als europäische Gesetze für alle Mitgliedsstaaten der EU verbindlich. Mit der Schaffung eines Netzwerks von Schutzgebieten kommen die Länder einer gemeinschaftlichen Verpflichtung nach, nämlich dem in der Konvention über biologische Vielfalt (CBD, Rio 1992) beschlossenen Schutz der biologischen Vielfalt von Arten und Lebensräumen. Was macht Natura 2000? Wildlebende Pflanzen und Tiere von gemeinschaftlichem europäischem Interesse und ihre Lebensräume sollen erhalten werden. Unter Schutz gestellt werden Gebiete, die bestimmten Kriterien entsprechen, welche im Anhang der Richtlinien festgelegt sind. Sie enthalten z.B. schützenswerte Lebensräume oder Arten. Von den in diesen Anhängen aufgelisteten 231 Lebensraumtypen und rund 900 Arten kommen in Deutschland 91 Lebensraumtypen und 133 Tier- und Pflanzenarten vor. Ein Regenbrachvogel (Numenius phaeopus) bei der Rast im Watt 6 Wie entsteht ein Natura 2000Schutzgebiet? Es gibt zwei Arten von Natura 2000-Schutzgebieten: Jeder Mitgliedsstaat legt der Europäischen Kom- Besondere Schutzgebiete im Sinne der Vogel- mission eine Liste von Gebieten mit natürlichen schutzrichtlinie: Lebensräumen und wild lebenden Tier- und Pflanzen- Die Auswahl der Vogelschutzgebiete richtet sich nach arten vor. Daran schließt sich ein wissenschaftliches den besonders bedrohten Vogelarten die im Anhang Bewertungsverfahren des Erhaltungszustandes von der Vogelschutzrichtlinie aufgelistet sind. Dabei sind Arten und Habitaten an. In Abstimmung mit den Mit- die „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete“ gliedsstaaten wird dann eine Liste mit Gebieten von zu Schutzgebieten zu erklären. Auch in Brut-, Mau- gemeinschaftlicher Bedeutung erstellt. Als Grundlage ser- und Überwinterungsgebieten sowie Rastplätzen für die Bewertung dienen die biogeografischen Regi- müssen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen onen innerhalb der EU. werden. FFH-Gebiete werden einem Bewertungsprozess durch Besondere Schutzgebiete nach der Fauna-Flora- die EU-Kommission unterzogen, um den europäischen Habitat-Richtlinie (FFH): Zusammenhang des Netzes Natura 2000 sicherzu- Die Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren stellen. Schutzgebiete im Sinne der Vogelrichtlinie Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser erlangen den Status eines besonderen Schutzgebiets Lebensräume zu sichern und zu schützen. Außerdem sofort nach ihrer Meldung an die Kommission. soll sie zur biologischen Vielfalt in den biogeografi- Nachdem ein Areal als Gebiet von gemeinschaftlicher schen Regionen der Europäischen Union beitragen. Bedeutung ausgewählt wurde, weist der Mitgliedstaat dieses innerhalb von sechs Jahren als besonderes Schutzgebiet aus. Die biogeografischen Regionen der EU. Auf das Netz Natura 2000 entfallen etwa 20 % der Landesflächen. Die Fläche der Europäischen Union wird in neun Naturräume mit ähnlichen Umweltbedingungen und Lebensraumtypen eingeteilt: alpine Region, atlantische Region, Schwarzmeerregion, boreale Region, kontinentale Region, makaronesische Region, mediterrane Region, pannonische Region und Steppenregion. Arktische und anatolische Regionen befinden sich außerhalb der Landesfläche der EU. In Deutschland liegen drei der biogeographischen Regionen: alpin, atlantisch und kontinental. 7 Die 10 Natura 2000-Schutzgebiete der deutschen AWZ Nordsee Doggerbank Borkum Riffgrund Sylter Außenriff Östliche Deutsche Bucht Ostsee Fehmarnbelt Kadetrinne Westliche Rönnebank Adlergrund Oderbank Pommersche Bucht Sandbänke wirken auf den ersten Blick unbelebt. Tatsächlich wimmelt es zwischen den Sandkörnern nur so von Leben In den besonderen Schutzgebieten treffen die Mitgliedsstaaten alle erforderlichen Maßnahmen, um die Erhaltung der Lebensräume zu garantieren und die Störung von Zielarten zu vermeiden. Weiterhin sollen Die Grundlagen, Ziele und Verbindlichkeiten von die Migration und der genetische Austausch von Natura 2000 gelten sowohl an Land als auch im wildlebenden Arten gefördert werden. Bedrohte Arten Meer. Natura 2000-Gebiete im Meer erhalten das sind unter strengen Schutz zu stellen und deren Fang Vorkommen und die Verbreitung spezieller Arten oder Tötung zu verbieten. Dies alles erfordert ein von Seevögeln, Meeressäugern und Fischen. Auch gezieltes Management der Flächen. können besonders schützenswerte, international Welche Schutzinstrumente dieses Management bedeutsame Lebensraumtypen wie Sandbänke und enthalten soll entscheidet der jeweilige Staat. Er kann Riffe bewahrt werden. In Deutschland sind für den zum Beispiel Gesetze erlassen, eine Behörde für die Naturschutz und damit für die Auswahl der Natura Umsetzung beauftragen oder Verträge mit Nutzern 2000-Schutzgebiete grundsätzlich die Bundeslän- des Gebiets abschließen. Auch die Verwendung von der zuständig. Diese Zuständigkeit gilt allerdings nur vorhandenen nationalen Schutzkategorien ist mög- innerhalb der 12 Seemeilen-Zone, dem Küstenmeer. lich, wie beispielsweise Landschaftsschutzgebiete. Außerhalb der 12 Seemeilen-Zone sind die Hoheits- Der Vorteil ist, dass in diesen Fällen schon Manage- befugnisse Deutschlands auf bestimmte Aktivitäten mentsysteme existieren und sich die Umsetzung im beschränkt. Diese Zone (12 bis 200 Seemeilen) wird Idealfall beschleunigt. Dadurch kann es zu Über- Ausschließliche Wirtschaftszone, kurz AWZ, genannt. schneidungen und Kombinationen von Schutzgebie- Für Naturschutzangelegenheiten in diesem Bereich ten nach nationalen Schutzkategorien kommen, die übernimmt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) die jedoch alle Bestandteil des Natura 2000-Netzwerks Verantwortung. sind. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle sechs Jahre die Europäische Kommission über die getroffenen Maßnahmen in den Schutzgebieten und deren aktuellen Zustand zu unterrichten. 8 Natura 2000 in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Eine typische Riffgemeinschaft im Sylter Außenriff bestehend aus Korallen, Seenelken, Moostierchen, Seescheiden und Schwämmen. Die Riff-Habitate sind nach der FFH-Richtlinie besonders schützenswert. Datengrundlage 1. Sammlung wissenschaftlicher Informationen über Vorkommen zu schützender Arten- und Lebensräume 2. Abgrenzung von potentiellen Gebieten nach den Kriterien von Vogelschutz und FFHRichtlinie Auswahl der Schutzgebiete Bsp.: Östliche Deutsche Bucht Bsp.: SylterAußenriff Hauptausweisungsgründe nach Hauptausweisungsgründe nach Vogelschutz-Richtlinie FFH-Richtlinie Die Datengrundlage der Auswahl potenzieller Gebiete nach den Kriterien der Vogelschutz- und FFH-Richtlinien wird durch großräumige Erfassungsmaßnahmen von Flora und Fauna erstellt. So können geeignete Gebiete abgegrenzt werden. Daraufhin werden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) die Gebiete in der AWZ ausgesucht, die den in der FFH-Richtlinie und der EU-Vogelschutzrichtlinie festgelegten fachlichen Kriterien am besten entsprechen. Kriterien für marine Schutzgebiete sind v.a. das Vorkommen von Seevögeln und Schweinswalen sowie der Lebensraumtypen „Sandbänke“ und „Riffe“. Die vorgeschlagenen Gebiete werden der Europäischen Kommission über das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zugeleitet. Die EU erstellt eine Liste von „Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung (SCI)“ unter Beteiligung der Mitgliedstaaten. Die Gebiete müssen geeignet sein, um die wichtigen Lebensraumtypen und Arten in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet zu erhalten. Bei der Auswahl der Gebiete orientieren sich die Fachleute an den biogeographischen Regionen der EU. Kommt die Europäische Kommission zu dem Schluss, dass für eine Region noch Gebiete fehlen, müssen die betroffenen Mitgliedstaaten weitere Vorschlagsgebiete nachmelden. Die nach Vogelschutzrichtlinie gemeldeten Gebiete werden direkt, ohne Prüfung und Abstimmung als „Besondere Schutzgebiete (SPA)“ ausgewiesen (siehe Pfeile)! Ausweisung als Besonderes Schutzgebiet (BSG) Special Area of Conservation (SAC) nach FFHRichtlinie Special Protection Area (SPA) nach Vogelschutz- Richtlinie Die Mitgliedstaaten weisen die ausgewählten Gebiete so schnell wie möglich als „Besondere Schutzgebiete (SAC)“ aus. Die Ausweisung der Schutzgebietsflächen in Deutschland erfolgt durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. 9 Meeresflächen in Deutschland. Fast 70 % der deutschen Nordseefläche liegt außerhalb des Küstenmeeres und gehört somit zur AWZ. In der Ostsee hingegen bildet die AWZ ein schmales Band (ca. 30 % der deutschen Ostsee), da hier die Anrainerstaaten sehr dicht nebeneinander liegen. Mehr als 50 % dieser AWZ-Fläche konnte als Schutzgebiet ausgezeichnet werden. In der deutschen AWZ der Nordsee beträgt der Anteil der Schutzgebietsflächen etwa 30 %. Flächenangaben der Natura 2000-Meeresschutzgebiete in der deutschen AWZ Vogelschutzgebiete Die Fläche der Vogelschutzgebiete beträgt in Nord- und Ostsee insgesamt 5.145 km², die der FFH-Gebiete insgesamt 9.440 km². Zusammen genommen wurde mit den zehn Natura 2000-Gebieten eine Fläche von etwa 10.400 km² ausgewiesen. Dies entspricht ca. 31 % der deutschen AWZ in der Nord- und Ostsee. Die Differenz zwischen den Flächenangaben ergibt sich aus der Überlappung von Schutzgebieten nach FFH-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie. Das mit Abstand größte Gebiet ist das Sylter Außenriff mit über 5.300 km² Fläche in der Nordsee. Das größte Schutzgebiet der Ostsee ist die Pommersche Bucht mit Oderbank von etwa 2.000 km² Ausdehnung. 10 Die Nordsee Silbermöwe (Larus argentatus) über der Nordsee. Natura 2000-Schutzgebiete in der deutschen AWZ der Nordsee Doggerbank Seite 13 Borkum Riffgrund Seite 17 Sylter Außenriff Seite 22 Östliche Deutsche Bucht Seite 27 11 Übersicht 12 Nordsee Die Doggerbank von wegen Sandwüste unter Wasser! Eine Sandbank mitten in der Nordsee - Gemeinsame Verantwortung von England, Norwegen, Dänemark, die Niederlande und Deutschland Die Doggerbank ist eine bis zu 13 Meter unter dem Meeresspiegel aufragende Sandbank in der zentralen Nordsee. Die Bank ist etwa 260 km von der deutschen Küste entfernt und bildet die nordwestliche Grenze der Deutschen Bucht. Ihre Form erinnert an die eines Tropfens. Mit etwa 300 km Länge, 120 km Breite und etwa 18.000 km² ist sie die größte Sandbank der Nordsee. Die Doggerbank – Nahrungskammer für Mensch und Tier? Die Doggerbank ist aufgrund der hier herrschenden Strömungsverhältnisse, ihrer Bodenstruktur und der vorkommenden Artengemeinschaft einzigartig in der Nordsee. Der Sandboden erscheint stellenweise wie eine gleichförmige unterseeische Wüste. Doch dieser Eindruck täuscht: Würmer, Muscheln, Seeigel und Krebstiere finden auf der seichten Bank beste Lebensbedingungen. Aber auch in der Wassersäule bietet die Doggerbank dem Plankton gute Wachstumsbedingungen. Dies macht sie zu einem Nahrungsgebiet für viele Fische. Auch Wale, Robben und Seevögel finden hier einen reich gedeckten Tisch. Doch die Aktivitäten einer hochtechnisierten europäischen Fischereiflotte bedrohen diesen einzigartigen Lebensraum. Die schweren Ketten der Grundschleppnetze pflügen den sandigen Boden der Doggerbank regelrecht um und zerstören dabei die empfindlichen Artengemeinschaften. Schon seit längerem wird die Doggerbank ihrem Ruf als fischreiches Fanggebiet nicht mehr gerecht. Bilder oben (v.l.n.r.): Riesenhai (Cetorhinus maximus), Nagelrochen (Raja clavata) und Seehund (Phoca vitulina) Die Bank erstreckt sich über die Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) von England, Norwegen, Dänemark, der Niederlande und Deutschland. Die Niederlande und Deutschland haben ihre relativ kleinen Bereiche schon als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen und werden damit ihrer Verantwortung für den Erhalt der wertvollen Meeresnatur gerecht. Andere Länder sträuben sich noch, da auf dem Gebiet größere Öl- und Gasvorkommen vermutet werden. Auch für die Offshore-Windindustrie hat die Doggerbank Potential. Der geschützte deutsche Teil der Doggerbank umfasst den sogenannten „Tailend“-Bereich mit Wassertiefen von 29 m bis 40 m. Mit einer Größe von 1.600 km² ist die Doggerbank das zweitgrößte Meeresschutzgebiet in Deutschland. Der deutsche Teil der Doggerbank umfasst die abflachenden nordöstlichen Areale der Sandbank (Tailend). 13 Als Lebensraum für Fische, Schweinswale, Robben und Seevögel muss dieses Gebiet erhalten und seine natürlichen Funktionen wiederhergestellt werden. Als „Trittstein“ ermöglicht die Doggerbank die Ausbreitung der Bodenlebewesen in der gesamten Nordsee: die küstenferne Untiefe ist ein Bindeglied zwischen den Arten der relativ flachen Deutschen Bucht und der restlichen tieferen Nordsee. Wird diese ökologische Funktion durch eine übermäßige und zerstörerische Fischerei gestört, kann dies direkte Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung der gesamten Nordsee haben. Schlick, Sand und Kies Der deutsche Teil der Doggerbank weist die für Sandbänke typischen Lebensräume auf: Bruchstücke von Muschelschalen (Schill) und Kies wechseln sich mit sandigen und schlickigen Bereichen in muldenförmigen Vertiefungen ab – das sorgt für eine Vielfalt an Lebensräumen. Die sandigen Bereiche im Zentrum der Bank sind von einer Bodentiergemeinschaft besiedelt, die an relativ flache Wassertiefen angepasst ist. Dazu gehört auch die Flohkrebs-Tellmuschel (Bathyporeia-Fabulina)Gemeinschaft, die für diesen küstenfernen Bereich der Nordsee eine Besonderheit darstellt. Besonders an den Hängen der Doggerbank sind Schlangensterne die dominierende Tierklasse Bislang sind in diesem Natura 2000-Gebiet ca. 38 Arten der Roten Listen ermittelt worden, wie z.B. die Wellhornschnecke. Das Haus der Wellhornschnecke (Buccinum undatum) wird bis zu 11 cm groß. Sie ist die größte Schnecke der Nordsee. Bathyporeia-Fabulina–Gemeinschaft Als Bathyporeia-Fabulina- oder auch Flohkrebs-Tellmuschel–Gemeinschaft wird eine spezielle Artengemeinschaft bezeichnet die typisch für die flacheren Bereiche der Nordsee mit sandigem Grund ist. Die hier vorkommenden Arten leben meist gut versteckt im Sand eingegraben und werden deshalb auch als Infauna bezeichnet. Dominierende Arten sind der Flohkrebs Bathyporeia elegans, die Gerippte Tellmuschel Fabulina fabula und die beiden Borstenwürmer Spiophanes bombyx und Spio decorata. Eine Besonderheit der Bathyporeia-Fabulina–Gemeinschaft ist ihre Ernährungsweise. Tellmuscheln filtern winzige organische Schwebstoffe aus der Wassersäule. Borstenwürmer bevorzugen es, bei guten Strömungsverhältnissen die im Wasser schwebenden Partikel herauszufiltern. Sind die Strömungsverhältnisse jedoch ungünstig, begnügen sie sich auch mit dem Abgrasen des Sediments (interface-feeding). Die Flohkrebse sind auf das „Reinigen“ der Sandoberfläche und dem Abweiden von darauf sitzenden Mikroalgen spezialisiert. Das Vorkommen der Bathyporeia-Fabulina–Gemeinschaft ist damit ein Hinweis auf eine hohe Primärproduktion - so bezeichnet man das Wachstum von Phytoplankton in der Nähe des Meeresbodens. Die hohe Primärproduktion ist hier möglich, weil klares und nährstoffreiches Wasser für ideale Wachstumsbedingungen für Algen sorgen. Flohkrebs Bathyporeia elegans 14 Phytoplankton – die Grundlage des marinen Lebens Plankton ist ein Sammelbegriff für alle im Wasser lebenden Organismen, deren Hauptmerkmal es ist, dass sie sich mit der Wasserströmung fortbewegen, bzw. fortbewegt werden. Man unterscheidet Zoo- (Tiere), Phyto- (Pflanzen), Bakterio- (Bakterien) und Mycoplankton (Pilze). Das Phytoplankton besteht aus Lebewesen, die durch Photosynthese Sonnenenergie in Biomasse umwandeln. Das Phytoplankton ist der wichtigste Primärproduzent in den Meeren und bildet die Grundlage für die Nahrungskette. Es ist also das marine Gegenstück zu den Landpflanzen und produziert einen Großteil des Sauerstoffs auf der Erde. Das Phytoplankton setzt sich hauptsächlich aus mikroskopisch kleinen Algen und Kieselalgen (Diatomeen) zusammen, die in ungeheurer Formenvielfalt vorkommen. Von ihnen ernährt sich das Zooplankton, zu dem auch die Flohkrebse gehören. Das Zooplankton wiederum hat unzählige Fressfeinde: Muscheln, Krebse und marine Würmer ernähren sich von ihm, genauso wie Heringe und Sardinen und sogar die Meeresgiganten wie Riesenhai oder Bartenwale. Entscheidend für ein gutes Wachstum von Phytoplankton ist die Versorgung mit Sonnenlicht, eine stabile Wasserschichtung und ausreichend gelöste anorganische Nährsalze wie Nitrat und Phosphat. Diese beiden Stoffe sind in Kunstdüngern und Gülle enthalten. Durch die industrielle Landwirtschaft gelangen sie inzwischen in viel zu hohen Konzentrationen über die Flüsse in die Meere - mit schweren Folgen für das Ökosystem der Meere. Nahrung für Zwergwal, Riesenhai und Eissturmvogel Die ständige Verfügbarkeit von Plankton bildet eine ausgezeichnete Nahrungsgrundlage für viele unterschiedliche Lebewesen. Das Benthos (die am Boden lebende Tiergemeinschaft) ist hier besonders indiviUnter dem Mikroskop wird die große Formenvielfalt des Phytoplanktons sichtbar. Gut gemischt duenreich. Unzählige Muscheln und Borstenwürmer ernähren sich vom Plankton, indem sie es aus dem Wasser filtern. Diese Tiere sind wiederum die Haupt- Die Doggerbank ist eine „biogeographische Schei- nahrung für viele Fische. Das reichhaltige Nahrungs- de“. Denn hier treffen die Wassermassen des kalten, angebot lockt Fischschwärme an, darunter viele nördlichen atlantischen Stroms auf die wärmeren der Arten, die für die Fischerei von Bedeutung sind wie südlichen Nordsee aufeinander. Dies hat natürlich Kabeljau, Schellfisch, Scholle, Seezunge und Sandaal. auch Auswirkungen auf die Tierwelt. So kommen im Der Fischreichtum macht die Doggerbank zum Fut- nördlichen Teil der Doggerbank vor allem kältean- tergrund für Seehund und Schweinswal. Arten wie gepasste Arten vor, im Süden findet man hingegen Weißschnauzendelfin und Zwergwal suchen die wärmebevorzugende Spezies. Doggerbank bei ihren jährlichen Wanderungen auf. Das Wasser über der Sandbank ist ständig in Bewe- Selbst die seltenen Riesenhaie werden hier regelmä- gung: Durch Wirbelbildung gelangt warmes Oberflä- ßig gesichtet, wie sie mit weit geöffnetem Maul das chenwasser auch zum Grund. Plankton aus dem Wasser filtrieren. Diese fortwährende Durchmischung des Wasserkör- Auch viele verschiedene Vogelarten wie der Eissturm- pers führt zu einer guten Verteilung der Nährstoffe vogel finden hier ihre Nahrung. Vor allem im Herbst über der Doggerbank. Phytoplankton gedeiht unter und Winter halten sich auch viele Basstölpel, Trottel- diesen Bedingungen hervorragend und das ganze Jahr lummen, Tordalk und Möwenarten in dem Gebiet auf. über. 15 Factsheet Doggerbank Lebensraumtyp Sandbank - größte Sandbank in der Nordsee Schutzstatus FFH- Schutzgebiet seit 2008 Ausdehnung 1.600 km² Tiefe zwischen 13 und 40 Metern Meeresboden Sedimente (Sand, Schill, Kies, Schlick) Strömungen biogeographische Scheide, Mischung von kalten und warmen Wassermassen, Wirbelbildung Artengemeinschaften MZB Flohkrebs - TellmuschelGemeinschaften, Zierlicher Schlangenstern FFH/VS-RL-Arten Schweinswal, Seehund Rote-Liste-Arten MZB 38 Ein Tordalk (Alca torda) hat Sandaale erbeutet Fischfang ohne Ende? Jahrzehntelang war die Doggerbank eines der wichtigsten Fanggebiete in der zentralen Nordsee. Heringsschwärme kamen zum Laichen hier her, große Rochen schwebten dicht über dem Sandboden, Schellfische und Kabeljau suchten nach Fressbarem. Reiche Beute war den Fischern garantiert. Seit 1950 MZB: Makrozoobenthos = makroskopische, den Boden bewohnende Tiere. hat sich die Fischereiaktivität hier vervielfacht. Doch heute ist das Gebiet stark überfischt. Die Bestände mehrere Male im Jahr. Langlebige Arten haben kaum vieler wichtiger Speisefischarten sind zusammenge- mehr eine Chance, alt genug zu werden, um sich zu brochen oder akut bedroht. vermehren. Durch diesen menschgemachten Selek- Doch auch die Bodenfauna nimmt durch die inten- tionsdruck hat sich die Artenzusammensetzung der sive Fischereiaktivität Schaden. Besonders die beim Bodenfauna schon verändert. Auf lange Sicht werden fischen von Muscheln, Plattfischen und Krabben ein- langlebige Arten verdrängt und durch andere ersetzt gestezten schweren Grundschleppnetze durchpflü- werden, deren Populationen sich schneller wieder gen den Meeresgrund zentimetertief, häufig gleich erholen. Die Kraft der Schallwellen Bei der Suche nach Öl und Gas werden hydroakustische Untersuchungsmethoden eingesetzt: Druckluftpulser feuern von Schiffen im Sekundentakt einen lauten, explosionsartigen Knall ab. Die Schallwellen dringen über den Wasserkörper bis tief in die Erdkruste ein. Aus dem reflektierten Schall kann abgelesen werden, wo sich Lagerstätten befinden. Die Lautstärke von über 260 dB führt bei Walen und Delfinen zu schweren Gehörschäden bis zur Taubheit. In unmittelbarer Nähe wirkt der Schall sogar tödlich. Sämtliche Meerestiere, auch Fische und Vögel, die in dem Untersuchungsgebiet leben, werden in einem Radius von bis zu 70 km massiv gestört und für längere Zeit aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben. Besonders für die Doggerbank ist dies ein Konfliktthema, da Schweinswale dieses Gebiet intensiv nutzen. Unter anderem werden hier oft Weibchen mit Jungen gesichtet. 16 Schweinswal (Phocoena phocoena) Borkum Riffgrund das Robbenrevier Verknüpfte Vielfalt Borkum Riffgrund weist auf kleiner Fläche viele verschiedene Bodenstrukturen auf. Wegen der Vielfalt an Lebensräumen können sich eine Fülle von Artengemeinschaften ansiedeln: die TellinaFabula – Gemeinschaft der Weichböden, die Goniadella-Spisula – Gemeinschaft der Grobsande und Riff-Gemeinschaften. Das Gebiet liegt im Einstrombereich des Atlantikwassers, das aus dem Ärmelkanal und aus der westlichen Nordsee einfließt. Diese Lage im Zirkulationssystem der Nordsee begünstigt die Ausbreitung von Arten zwischen dem Atlantik, dem Ärmelkanal und dem ostfriesischen Wattenmeer: planktonische Larven vieler Arten treiben mit den Strömungen in neue Siedlungsgebiete. Darüber hinaus kommen besonders geschützte Arten im Borkum Riffgrund vor: Schweinswal, Seehund, Kegelrobbe und der Wanderfisch Finte. Die Kegelrobbe ist in der deutschen Nordsee sehr selten, deshalb ist der Schutz des Borkum Riffgrunds als geeigneter Jagdgrund und Migrationskorridor in der Nähe ihrer Liegeplätze im Wattenmeer besonders wichtig. Die Kegelrobbe (Halichoerus grypus) erkennt man an ihrer langen, kegelförmigen Schnauze. Sie ist eine von 3 Robenarten die vor der Deutschen Küste vorkommen Rifflandschaft vor Deutschlands Küste Borkum Riffgrund ist ein Areal im Westen der Deutschen Bucht, geprägt von einem Mosaik aus sandigen Böden und felsigen Stellen mit kleinen Riffen. Das Gebiet liegt nördlich der ostfriesischen Inseln Borkum und Juist. Im Westen grenzt es an die AWZ der Niederlande. Im Süden verläuft die Grenze entlang des deutschen Küstenmeeres vor Niedersachsen (Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer). Borkum Riffgrund umfasst etwa 625 km² mit Wassertiefen zwischen 20 und 30 Metern. Anders als der Name vermuten lässt, sind nach FFH-Richtlinie ca. 521 km² als Sandbankhabitat klassifiziert und nur 23 km² als Riffe. Hier kommen zahlreiche Rote-Liste-Arten vor. Meeresschutzgebiet Borkum Riffgrund Einsiedlerkrebse (Pagurus bernhardus) schleppen ihre Behausung, meist ein leeres Schneckenhaus mit sich herum. 17 Seeanemone (Metridium senile), Sepien bei der Eiablage (Sepia officinalis), Seehase (Cyclopterus lumpus) Viel Abwechslung auf kleiner Fläche Das Besondere an Borkum Riffgrund ist die abrupt Insgesamt hebt sich der Borkum Riffgrund durch und kleinräumig wechselnde Verteilung des Sedi- die Vielfältigkeit der Bodenstruktur und seiner Sedi- ments. Strömungen lagern die oberen Sandschichten mente deutlich von den umgebenden Gebieten ab. ständig um und gestalten so diesen Lebensraum Im Borkum Riffgrund formen Riffe und Sandbänke ständig neu. Unter der mobilen Sandschicht liegt eine ein komplexes System aus Lebensräumen von hohem ca. 10 bis 40 m starke Schicht aus eiszeitlichen Fein- ökologischem Wert. Die Variation der Meeresboden- bis Grobsanden. Große Gesteinsbrocken schauen hier beschaffenheit führt zu einem bunten Nebeneinander und da aus dem Sand hervor und bieten Siedlungs- von zahlreichen Tierarten auf vergleichsweise kleiner raum für Riffgemeinschaften. Fläche. Moment mal – Riffe in der deutschen Nordsee? Riffe – dieser Begriff lässt Bilder von exotischen Korallenriffen und paradiesischen Stränden vor dem inneren Auge auftauchen. Dabei ist die wissenschaftliche Definition eines „Riffs“ überhaupt nicht malerisch: „ […] untermeerische turm- oder barrenartige Erhebung (Untiefe) mit meist steilen Hängen, aus freiliegendem Felsgestein (Felsriff), Kies oder Sand (Schaar) oder - vor allem - koloniebildenden Organismen (Korallen, Algen, Schwämmen usw.) bestehend. […]“ Murawski, H. & Meyer, W. (1998): Geologisches Text beginnt Wörterbuch. - 10. Aufl.: 278 S.; Stuttgart (Enke). Demnach werden Strukturen von festem Gestein (Hartsubstrate) am Meeresboden schon Riff genannt: ein Riff geogenen Ursprungs. Riffe können aber auch biogenen Ursprungs sein, d.h. sie entstehen durch das Wachstum von Lebewesen bzw. durch wiederholtes Aufwachsen neuer Organismen. Neben dem bekannten Beispiel des Korallenriffs gibt es auch Muschelriffe und Riffe aus den Wohnbauten von Borstenwürmern (Sabellaria-Riffe). Auch in der Nordund Ostsee gibt es Riffe. Hier bilden hauptsächlich Geröllfelder und große Steine den Kern, auf dem das Leben dort im wahrsten Sinne der Wortes fußt. Daneben gibt es viele Miesmuschelbänke und auch einige wenige Sabellaria-Riffe in Küstennähe. Riffe beherber- Riffgemeinschaft in der Nordsee gen eine reiche Artengemeinschaft, da sie Schutz und Nahrung bieten. Gerade alte Riffe weisen eine enorme Artenvielfalt auf. Vor allem festsitzende (sessile) Lebewesen sind auf die festen Strukturen der Riffe angewiesen. Diese Tiere werden als Epifauna bezeichnet. Ein Riff zeichnet sich immer durch seine besondere Bodenstruktur und Strömungseigenschaften aus. Will man diesen artenreichen Lebensraum erhalten, dürfen die vorhandenen Strukturen aus Steinen und Felsen und die Wasserzirkulation nicht gestört werden. Auch das Vorkommen von Plankton und Nährstoffen sowie die Ablagerung von Partikeln (Sedimentation) bestimmen über die „Gesundheit“ des Riffs. Ein zerstörtes Riff baut sich gar nicht oder nur sehr langsam wieder auf, deshalb müssen Eingriffe in den Lebensraum verhindert werden. Gefahr droht den Riffen vor allem durch Fischerei, die mit ihrem schwerem Geschirr Riffe beschädigt, Schadstoffe und Öl, Eutrophierung sowie durch Kies- und Sandabbau. Hier reichen oft schon Abbauaktivitäten in der Nähe der Riffe aus, um die Organismen unter einer dicken Schicht aufgewirbelten Sediments zu begraben. Miesmuschelbänke reagieren dazu empfindlich auf die Entnahme von Jungmuscheln durch die Muschelfischerei und Baggergutverklappungen. 18 Korallen in der Nordsee – die Tote Mannshand (Alcyonium digitatum) Die Tote Mannshand, auch Tote Meerhand genannt, gehört zu den Lederkorallen. Im Gegensatz zu ihren Verwandten, den Steinkorallen, haben diese „weichen“ Korallen kein festes Kalkskelett und bilden keine Riffe. Ihre Larven treiben mit der Stömung, um sich, sobald sie einen freien festen Platz gefunden haben, anzusiedeln. Sie ernähren sich von Plankton, welches sie mit ihren Tentakeln aus dem Wasser fischen. Man findet die Tote Mannshand auf festem Untergrund ab 20 m Tiefe in Nord- und Ostsee, im europäischen Atlantik und im Ärmelkanal. Sie kann weiß, gelblich, hellorange oder rosa gefärbt sein. Ihren seltsamen und makaberen Namen hat sie daher, dass sie in Form und Farbe der Hand einer Wasserleiche ähnelt. Von Weichböden zu Mini-Riffen In den geschützten feinsandigen Abschnitten des Gebiets Borkum-Riffgrund leben die für Weichböden typischen Arten der Tellmuschel (Tellina fabula)Gemeinschaft. Dort, wo der Sand gröber ist und mehr Umlagerungen stattfinden, dominieren KnäuelwurmTrogmuschel (Goniadella-Spisula)-Gemeinschaften. Doch nicht nur Sandkörnung spielt für das Gebiet eine Rolle: die vielen vereinzelt herumliegenden Steine bieten Lebensraum für ganz andere Lebewesen. Auf den „Mini-Riffen“ sitzen Seenelken, Tote Mannshand, Zypressenmoos, Seescheiden, Moostierchen und Schwämme. Von den etwa 40 Fischarten, die im Borkum Riffgrund vorkommen, stehen fünf auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten des deutschen Wattenmeer- und Nordseebereichs. Dazu gehören die Wanderfische Die Tote Mannshand (Alcyonium digitatum) braucht festen Untergrund. Factsheet Borkum Riffgrund Lebensraumtyp Sandbank mit Riffanteilen Schutzstatus FFH-Schutzgebiet seit 2008 Ausdehnung 625 km² Tiefe zwischen 20 und 30 Metern Meeresboden Sedimente (Feinsand, Grobsand, Kies), Hartsubstrate (Steine) Strömungen Gezeitenströmung Artengemeinschaften MZB Tellmuschel-Gemeinschaften, FFH/VS-RL–Arten Finte, Flussneunauge, Schweinswal, Seehund, Kegelrobbe Rote-Liste-Arten Fische Finte, Flussneunauge, Kleines Petermännchen, Großer Scheibenbauch, Große Seenadel Finte und Flussneunauge, das Kleine Petermännchen, der Große Scheibenbauch sowie die Große Seenadel. Auch die für die Fischerei wichtigen Fischarten wie Hering, Sprotte, Scholle und Kabeljau haben hier ihre Kinderstuben. Schweinswale und viele Seevögel suchen das Gebiet regelmäßig zum Jagen auf. Für Kegelrobben und Seehunde ist die Nähe dieses Nahrungsgrundes zu ihren Liegeplätze im Wattenmeer von besondere Bedeutung. Knäuelwurm-Trogmuschel– und Riffgemeinschaften MZB: Makrozoobenthos = makroskopische, den Boden bewohnende Tiere. Die Kamm-Furchenschnecke (Janolus chistatus) weidet in den Riffen die Moostierchen von den Felsen ab. 19 Riffe in Nord- und Ostsee Die schrittweise Besiedelung eines Riffs (Sukzession) Als Sukzession bezeichnet man die sich mit der Zeit auf einem gegebenen Areal einander ablösenden Lebensgemeinschaften von Organismen. In der Nord- und Ostsee besteht der Boden hauptsächlich aus Sand oder Schlick und beherbergt eine speziell an diese Bedingungen angepasste Fauna. Ein nackter Felsen hingegen bietet Lebensraum für viele Tierarten, die auf festen Grund angewiesen sind. Deshalb bleiben Hartsubstrate wie größere Kiesel, Steine und Felsen unter Wasser nicht lange unbesiedelt. Die ersten Ankömmlinge (Primärbesiedler) versuchen, freie Areale schnell für sich zu erobern. Im Verlauf der Jahre siedeln sich immer wieder neue Arten an und verdrängen oder „übersiedeln“ die vorhandenen Lebewesen, bis ein mehr oder weniger stabiles Stadium (Klimax) erreicht ist. Es zeichnet sich durch eine hohe Artenvielfalt und zahlreiche spezialisierte Lebewesen aus und ist deshalb ein besonders wertvolles Habitat. Dieses Stadium ist stabil, solange Strömung, Salzgehalt und Lichtverfügbarkeit unverändert bleiben. Doch durch natürliche Störungen, aber auch Beschädigungen durch Fischereigeräte, Kiesabbau und Bauwerke ändert sich die Zusammensetzung der Artengemeinschaften immer wieder. So kommt es häufig vor, dass Riffgemeinschaften ein oder mehrere Sukzessionsstadien zurückgeworfen werden. Dadurch gehen wertvolle Habitate verloren. 1. Larvenfall von Mytilus edulis (sogenanne Veliger-Larven) und Metamorphose Jungmuscheln (5 mm Größe) stoßen auf kleinräumiges Ansiedlungssubstrat (Steine, Kiesel, Fischernetz) Kasten: Veliger-Larve Röhrenpolyp (Tubularia larynx) 2. Anheftung mit Byssusfäden Kasten: Miesmuschel mit Byssusfäden 3. Wachstum der Muscheln und damit der Schalenoberfläche, Einspinnen von Schalenresten mit Byssusfäden, Bildung eines Schlickpolsters durch Pseudofaeces Kasten: Filtration des Meerwassers, Ausscheiden nicht verwertbarer Partikel (Pseudofaeces) 20 Seepocken (Balanidae) Schwamm (Reniera aquaeductus) Biogene Riffe in der Nord- und Ostsee: Ein Muschelriff entsteht Miesmuschelbänke sind biogene, d.h. eine von Lebewesen erzeugte Riffstruktur. In den deutschen Meeresgebieten sind die riffbildenden Tiere vor allem Miesmuscheln (Mytilus edulis), in der Nordsee auch die eingewanderte pazifische Auster (Crassostrea gigas). Eine Miesmuschel produziert 5 bis 10 Millionen Eier, aus denen freischwimmende (planktonische) Trochophora-Larven schlüpfen. Aus ihnen entwickeln sich wiederum die Veliger-Larven. In diesen planktontischen Larvenstadien werden sie durch Meeresströmungen teilweise mehrere hundert Kilometer weit verdriftet. In dieser Zeit werden fast 99,9 % von ihnen gefressen. Haben die überlebenden Larven eine Größe von etwa 3 mm erreicht, setzen sie sich an Steinen, Muschelschalen und Algenfäden fest und entwickeln sich zu Jungmuscheln. Bis zu einer Größe von 5 cm sind die Muscheln noch mobil, bis sie einen geeigneten Platz gefunden haben, wo sie sich mit ihren Byssusfäden endgültig fest verankern. Dabei suchen sie die Nähe zu ihren Artgenossen, so dass sich schnell größere Ansammlungen zusammenfinden. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ihre in die Wassersäule abgegebenen Samenzellen die ebenfalls davontreibenden Eizellen erfolgreich befruchten. Miesmuscheln sind Filtrierer, das heißt sie entnehmen ihre Nahrung aus dem sie umgebenden Meerwasser. Winzige Nahrungsteilchen bleiben an den Kiemen hängen und werden zur Verdauung in den Magen geschleust. Unverwertbare Reste werden ausgeschieden (Pseudofaeces) und sammeln sich zu einer dicken Schicht zwischen den Muscheln an. Diese mit Muschelkot gefüllten Zwischenräume bilden einen ganz eigenen Lebensraum. Viele verschiedene Würmer finden hier immer noch verwertbare Nahrungspartikel. Auch die Schalenoberfläche größerer Muscheln bietet Platz für neue Lebewesen wie Seepocken, Moostierchen und Polypen. Mit dem Wachstum der Muscheln wird auch das Netz aus Byssus-Fäden erweitert und die Struktur immer größer und stabiler. Selbst große Braunalgen, z.B. Zuckertang, finden nach einiger Zeit auf der Muschelbank genügend Halt. Das erweiterte Nahrungsangebot lockt nun auch Räuber wie Schnecken, Krebse und Seeigel an, die die Muscheloberflächen abweiden oder die Muscheln fressen und somit Platz für neue Muscheln schaffen. Durch Rekrutierung neuer Generationen von Miesmuscheln, die sich auf und zwischen die älteren Tiere setzen, wächst die Bank unter guten Bedingungen beständig, wobei die älteren Tiere nach und nach unter dem Kot der oberen Tiere ersticken. 4. Die geschaffenen Lebensräume Schlick, Muschelschale und Zwischenräume (Byssusfädennetz) werden besiedelt. Kästen: Schnurwurm (Tubulanus superbus), Braunalgen (Phaeophyceae), Moostierchen (Membranipora membranacea), Polypen von Quallen (Hydrozoa), Seepocken (Balanidae) Einsiedlerkrebs (Pagurus bernhardus) 5. Das Nahrungsangebot lockt bewegliche Räuber an (v.l.n.r.): Seeigel (Echinus esculentus), Wellhornschnecke (Buccinum undatum), Taschenkrebs (Cancer pagurus), Seestern (Asterias rubens), Einsiedlerkrebs (Pagurus bernhardus) Gemeiner Seestern (Asterias rubens). 6. Wachstum durch Rekrutierung neuer Muschelgenerationen, Nahrung und Versteckmöglichkeiten für Fische Taschenkrebs (Cancer pagurus) Zeichnungen: Eike Holzkämper 21 Sylter Außenriff buntes Leben im Auftriebsgebiet Schutz für die Meeressäuger Das Sylter Außenriff ist mit insgesamt 5314 km2 das größte Schutzgebiet Deutschlands und zugleich die größte Riffstruktur in der deutschen Bucht. Dieses Gebiet ist für den Schutz der Meeressäuger Seehund, Kegelrobbe und besonders des Schweinswals von zentraler Bedeutung. Hier werden die größten Ansammlungen der gefährdeten Kleinwale in der gesamten Nordsee beobachtet. Das Sylter Außenriff dient den Schweinswalen als Jagdgrund, Durchzugs- und Paarungsgebiet. Auch Mutter-Kalb-Paare werden hier regelmäßig gesichtet. Für Seehunde und die seltenen Kegelrobben ist das Sylter Außenriff ebenfalls ein wichtiges Jagdgebiet. Doch nicht nur für Meeressäuger ist das Sylter Außenriff von unschätzbarem Wert. Besondere Strömungsverhältnisse und sein Strukturreichtum machen dieses Gebiet zu einem einzigartigen Lebensraum. Insgesamt 42 Rote-Liste Arten wurden hier schon nachgewiesen. Deshalb muss das Sylter Außenriff vor Eingriffen durch den Menschen besonders geschützt werden. Doch schon heute führt eine starkbefahrene Schifffahrtsroute durch das Gebiet, werden an seinen Grenzen nach Öl und Gas gesucht und Offshore-Windparks samt Kabelanbindungen errichtet. Eine Minimierung der negativen Auswirkungen auf dieses wertvolle Gebiet ist eine große Herausforderung für die Zukunft. Finne eines Schweinswals (Phocoena phocoena). Die Tiere sind noch häufig im Sylter Außenriff anzutreffen. Ein Riff im Flussbett Würde man den Meeresspiegel der Nordsee um 40 Meter absenken, würde das Sylter Außenriff sehr einer sanften Flusslandschaft ähneln. Denn noch heute lässt sich am Meeresgrund erkennen, wo sich einst die Elbe durch die eiszeitlichen Tundren ihren Weg bahnte, als der Meerspiegel noch deutlich niedriger lag. Das Flussbett hebt sich deutlich als 10 Meter Die Violette Fadenschnecke (Flabellina pedata) ist im Sylter Außenriff häufig. 22 Im Zentrum des Schutzgebietsnetzes Das 5314 km² große Sylter Außenriff liegt in der Deutschen Bucht westlich des nordfriesischen Wattenmeeres und nördlich der Insel Helgoland vor Sylt und Amrum. Es beinhaltet eine große Sandbank (87 km²) und zahlreiche Steinriffe (154 km²). Die Wassertiefen betragen zwischen 8 m und 48 m und fallen nach Westen hin ab. Das Sylter Außenriff umfasst die Sylt-Amrumer Außengründe mit der Amrumbank und die nordöstlichen Hänge des Elbe-Urstromtals. Das Elbe-Urstromtal ist ein eiszeitliches Relikt des Stromtals der Elbe. Noch heute ist das ehemalige Flussbett als breite Rinne in der Nordsee zu erkennen. Im Norden grenzt das Sylter Außenriff an die AWZ von Dänemark. Im Osten überlagert sich die Schutzgebietszone um etwa 3000 km² mit dem Vogelschutzgebiet “Östliche Deutsche Bucht”. An der Grenze zum Küstenmeer schließt das Sylter Außenriff an das Kleinwalschutzgebiet im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches-Wattenmeer an. Der Langstachlige Seeskorpion (Taurulus bubalis) ist ein kleiner Räuber in den Riffen Ein Riff für Stachelhäuter Auf den sandigen Böden des Sylter Außenriffs dominiert wie schon auf der Doggerbank die Tellmuschel (Tellina fabula)–Gemeinschaft. Auch die für grobsandiges und kiesiges Substrat typischen KnäuelwurmTrogmuschel (Goniadella-Spisula)–Gemeinschaften sind hier häufig vertreten. Außergewöhnlich ist jedoch die Vielfalt der Riffgemeinschaften im Sylter Außenriff. Jeder Stein ist dicht besiedelt von Seenelken, Toter Mannshand, Blättermoostierchen, Seescheiden und Schwämmen. Das FFH-Meeresschutzgebiet Sylter Aißenriffs ist das größte Schutzgebiet in Deutschland Dazwischen wandern gemächlich die Räuber Seeigel, und Meeresschnecken. Da ihre Hauptnahrung, die tiefe, mit Sand und Kies gefüllte Mulde vom umge- Moostierchen, fest auf Steinen und Algen wachsen, benden Meeresgrund ab. kommt es bei ihrer Jagd nicht auf Geschwindigkeit An den Flanken der Mulde haben einst die eiszeitli- an. Seeigel gehören genauso wie Seesterne zum Tier- chen Gletscher und die Elbe große Gesteinsbrocken stamm der Stachelhäuter. abgeladen. Diese bilden heute die Grundlage für die großen Riffstrukturen, die dem Gebiet den Namen gegeben haben. Felsbrocken werden schnell besiedelt. Der Kuckuckslippfisch (Labrus mixtus) lebt an algenbewachsenen Felsen. Der Knotige Seestern (Hippasteria phrygiana) gehört zur Famile der Stachelhäuter. 23 Da die großen Steinbrocken eine Befischung mit Grundschleppnetzen unmöglich machen, sind die Steingründe wichtige Rückzugsgebiete für Fische und die häufig als „Beifang“ mitgefischten Bodenbewohner. Viele der hier vorkommenden Rifflebewesen finden sich auch auf den bekannten Felsriffen bei Helgoland, sind aber sonst in der Deutschen Bucht sehr selten. 42 Rote-Liste-Arten kommen im Sylter Außenriff vor, von denen 15 auf Steinriffe als Lebensraum angewiesen sind. Besonders Seesterne und Seeigel sind in diesen Bereichen sehr häufig. Von hier aus erobern ihre Larven, von den Strömungen getragen, Fischschwarm in der Nordsee neue Lebensräume und sorgen dafür, dass die von der Fischerei geschädigten Gebiete neu besiedelt werden. Hier hat der Schweinswal sein „Zuhause“ Der Fischreichtum des Sylter Außenriff und seine relative Nähe zum Land macht dieses Gebiet zu einem wichtigen Jagdrevier für Seevögel und Robben. Viele Seeigellarven lassen kaum erahnen zu welchem Tier sie heranwachsen werden. der auf Helgoland brütenden Basstölpel und Lummen finden hier die Nahrung, mit denen sie ihre Jungen großziehen. Seehunde und Kegelrobben nutzen das Gebiet ebenfalls für die Jagd nach fetten Fischen. Das Sylter Außenriff ist zudem der „Hot Spot“ für Schweinswale. Von den geschätzten 38.000 Schweinswalen in Nord- und Ostsee halten sich Auftrieb sorgt für einen gedeckten Tisch flinken Tiere finden sich hier zu großen Gruppen zu- An den nordöstlichen Hängen des Elbe-Urstromtales sammen und jagen gemeinsam nach Fischen, Krebsen führen Strömungen zum Aufsteigen wärmerer Was- und Tintenfischen. Zudem werden häufig Muttertiere sermassen an die Oberfläche. Diese Auftriebsgebiete mit sehr jungen Kälbern gesichtet. Deshalb ist das zeichnen sich durch besonders viel Phytoplankton Sylter Außenriff von internationaler Bedeutung für aus, weil in den aufströmenden Wassermassen hohe den Schutz der Schweinswale -einer der Hauptgründe Konzentrationen von Stickstoffverbindungen und für die Meldung als Natura 2000-Gebiet im Jahre Phosphaten gelöst sind. Diese Substanzen „düngen“ 2008. das Oberflächenwasser und führen so zu einem explosionsartigen Wachstum des Phytoplanktons, der Basis der Nahrungskette im Meer. 24 über 10.000 regelmäßig im Sylter Außenriff auf. Die Auftriebsgebiete und ihre Bedeutung Temperatur und Salzgehalt bestimmen die Dichte von Wasser; je kälter und salzhaltiger, umso schwerer ist es. Treffen Wassermassen mit unterschiedlicher Dichte aufeinander, bilden sie übereinander gelagerte Schichten: kaltes und salzhaltiges Wasser unten, warmes und salzarmes Wasser oben. Zwischen den Wasserschichten bildet sich eine sogenannte Sprungschicht. In der schmalen Sprungschicht ändern sich Temperatur oder Salzgehalt von oben nach unten rasch. Sehr leichte Partikel (z.B. Plankton) und gelöste Stoffe (z.B. Nährsalze, Sauerstoff) durchdringen diese Grenze oft nicht, sondern sammeln sich an diesen Sprungschichten. Erst durch Stürme, starke Winde oder einem Abkühlen und damit einhergehender größerer Dichte des Oberflächenwassers im Winter kommt es zu einer Durchmischung der Schichten. Größere Partikel organischen Materials hingegen sinken auf den Meeresboden herab und werden von Bakterien zersetzt. Die dabei freigesetzten Stoffe, wie Nitrat und Phosphat sind wichtige Nährsalze für das Phytoplankton. Dieses kommt jedoch nur in den oberen, von Licht durchdrungenen Wasserschichten der photischen Zone vor. Das Tiefenwasser ist normalerweise durch Schichtung vom Oberflächenwasser getrennt, so dass die vom Phytoplankton benötigten Nährsalze es nicht erreichen. Doch in Gebieten, wo unterschiedlich dichte Wassermassen aufeinander treffen, schiebt sich das kältere und/oder salzreichere und damit dichtere Wasser unter das wärmere und/oder salzärmere Wasser. Dieses steigt an die Oberfläche und mit ihm werden die gelösten Nährsalze vom Grund zum Phytoplankton an die Oberfläche transportiert. Der Kreislauf beginnt von vorn. Beim Auftrieb handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel aus Wind, Meeresströmungen und anderen Faktoren wie der Dichte des Wassers. Die produktivsten und fischreichsten Gebiete der Erde, beispielsweise vor Peru und Mauretanien, sind riesige, vom Wind angetriebene Auftriebsgebiete. Permanent blasen hier die Passatwinde das Oberflächenwasser von der Küste weg, Richtung offenen Ozean. Nährstoffreiches Tiefenwasser fließt beständig nach oben und nimmt den Platz der oberen Wasserschicht ein, bis es vom Wind weiter getrieben wird. Diese „Pumpe“ treibt das globale Strömungsystem der Erde mit an. Und in der Nordsee? Da die Nordsee ein sehr flaches Meer ist, sind ausgeprägte dauerhafte Schichtungen wie in den tiefen Ozeanen eher selten. Doch grade während warmer Sommer kommt es auch in der Nordsee zu sehr stabilen Schichtungen, die zu einer deutlichen Verknappung der Nährsalze im Oberflächenwasser führen. So führt das Aufeinandertreffen warmer Wassermaßen aus der südlichen Nordsee und kalter aus dem Norden, noch begünstigt durch die Bodenstruktur der Doggerbank, dort zu idealen Wachstumsbedingungen für Phytoplankton. Ansonsten führen häufig Stürme, kurzfristige Wasserwirbel oder Meeresströmungen zur explosionsartigen Vermehrung von Mikroalgen, auch Phytoplanktonblüten genannt. Sie sorgen zeitweise für eine sehr hohe Produktion von Biomasse. Gefahr für das Sylter Außenriff Vor allem Grundschleppnetze fügen der gefährdeten Rifffauna verheerende Schäden zu. Stellnetze, die für den Herings- und Kabeljaufang eingesetzt werden, sind eine ständige Bedrohung für Schweinswale und Meeresenten. Denn Leicht verfangen sich die Tiere in den für sie unsichtbaren Netzen und ertrinken. Lärm und giftige Substanzen von den Offshore-WindanEin toter Schweinswal am Strand. Opfer eines Stellnetzes? lagen, Öl- und Gasplattformen und unterseeische Pipelines an den Grenzen des Schutzgebiets belasten die Lebewesen im Sylter Außenriff ebenfalls. Gerade Schweinswale reagieren sehr empfindlich auf Unter- Auch Seevögel verfangen sich immer wieder in Fischernetzen. wasserlärm. 25 Saugbagger für den Kies- und Sandabbau. Kritischer Kiesabbau Außerordentlich kritisch ist der Sand- und Kiesabbau unter Wasser. Denn mit dem Sand verschwindet der ganze Lebensraum vieler Lebewesen, und es kann Jahre dauern, bis die ausgebaggerten Stellen sich wieder mit Sand gefüllt haben und wiedebesiedelt wurden. Doch häufig finden sich danach andere Arten als vor dem Eingriff. Es kommt zu einer Verschiebung hin zu opportunistischen Arten. Das ist nicht das einzige Problem. Denn beim Baggern werden ungeheure Mengen feinen Sediments aufgewirbelt, welches mit der Strömung verteilt wird. So können noch in einigen Kilometern Entfernung Riffe unter einer dicken Schlickschicht begraben werden. Durch den Lärm, der beim Ausbaggern entsteht, werden die hier lebenden Fische, Schweinswale, Robben und Seevögel vertrieben. Vor allem der Lebensraum der Sandaale, ein wichtiger Beutefisch für Seevögel und Meeressäuger, wird dauerhaft zerstört. Diese Fische sind auf kiesigen bis grobsandigen Grund angewiesen. Derzeit findet zum Glück kein Sand- und Kiesabbau im Sylter Außenriff statt. Dennoch wurden Schürf- Sandaale (Ammodytidae) brauchen sandigen Untergrund zum Überleben. Factsheet Sylter Außenriff Lebensraumtyp Riff, Sandbank Schutzstatus FFH-Schutzgebiet seit 2008 Ausdehnung 5314 km² Tiefe zwischen 8 und 48 Metern Meeresboden Hartsubstrate (Steine) Sedimente (Sand, Kies) Strömungen unregelmäßiges Auftriebsgebiet Artengemeinschaften MZB Tellmuschel-, KnäuelwurmTrogmuschel- und Riffgemeinschaften FFH/VS-RL–Arten Finte, Flussneunauge, Schweinswal, Seehund, Kegelrobbe Rote-Liste-Arten MZB 42 rechte für große Kiesvorkommen kurz vor der Meldung als Natura 2000-Gebiet vergeben, die heute immer noch gültig sind. Der Beginn der Förderung würde große Teile dieses einzigartigen Gebiets dauerhaft beeinträchtigen. 26 MZB: Makrozoobenthos = makroskopische, den Boden bewohnende Tiere. Östliche Deutsche Bucht 3135 km² für den Vogelschutz Basstölpel (Morus bassanus) bei der Balz auf Helgoland Ein Schutzgebiets-Netzwerk für Seevögel Das Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht ist fast deckungsgleich mit dem Natura 2000Gebiet Sylter Außenriff. Diese Überlappung von einem Vogelschutzgebiet mit einem FFHSchutzgebiet hat einen einfachen Grund. Durch die Meldung als Vogelschutzgebiet erhielt dieser Bereich automatisch den Schutzstatus als besonderes Schutzgebiet (SPA), ohne dass ein langwieriges Verfahren nach der FFH-Richtlinien nötig wurde (siehe Seite 9). So konnten große Teile des späteren Natura 2000-Gebiets Sylter Außenriff schon 2005 geschützt werden. Die Eile war geboten, da zu dieser Zeit die Planung großer Offshore-Windparks vorangetrieben wurde und dieses Gebiet so dauerhaft für den Naturschutz gesichert werden konnte. Die Meldung als Vogelschutzgebiet war nötig, weil die Östliche Deutsche Bucht als Rast-, Nahrungs- und Überwinterungsgebiet für viele seltene Seevögel von internationaler Bedeutung ist. Denn viele der in Deutschland nur auf Helgoland brütenden Eissturmvögel, Basstölpel und Trottellummen finden dort Nahrung für ihre Jungen. Die Ausweisung des Sylter Außenriffs nach FFHRichtlinien erfolgte 2008. So schließt der Schutz jetzt mehr Arten und die wichtigen Habitate unter der Wasseroberfläche mit ein. Dreizehenmöwe (Rissa tridactyla) Vogelschutz vom Sylter Außenriff bis zum Wattenmeer Die Östliche Deutsche Bucht ist 3135 km² groß und umfasst die Außengründe vor Sylt und Amrum nördlich der Insel Helgoland, sowie den nordöstlichen Teil des ElbeUrstromtals. Die östliche Grenze bildet das nordfriesische Wattenmeer in der 12-Seemeilen–Zone. Somit schließt die Östliche Deutsche Bucht direkt an den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und das Seevogelschutzgebiet Helgoland an. Im Norden grenzt das Naturschutzgebiet an die ausschließliche Wirtschaftszone von Dänemark. Die Östliche Deutsche Bucht ist fast deckungsgleich mit dem östlichen Teil des Sylter Außenriffs; die Naturschutzgebiete überschneiden sich um etwa 3000 km². Das Vogelschutzgebiet Östliche Deutsche Bucht überscheidet sich mit dem FFH-Schutzgebiet Sylter Außenriff 27 Ein Schlaraffenland für die Seevögel Kleine Fische, Muscheln und Würmer sind die Hauptnahrungsquelle für viele Vögel, die die Östliche Deutsche Bucht aufsuchen. Und diese gibt es hier reichlich auf und in dem sandigen Grund oder auch den Riffen. Hier sorgt das nährstoffreiche Wasser ganzjährig für eine hohe biologische Produktivität und somit für Brandseeschwalbe (Sterna sandvicensis) auf Fischfang. genügend Nahrung für Seevögel. Fischer versus Vögel Viele der auf Helgoland brütenden Basstölpel, Trottellummen und Tordalke kommen bei der Suche nach Jahrhundertelang profitierten Fischer und Vögel Fisch bis hier her. Doch von besonderer Bedeutung voneinander. Die Fischer brauchten nur nach großen ist die Östliche Deutsche Bucht als Überwinterungs- Vogelschwärmen am Himmel Ausschau zu halten, und Mausergebiet für die sehr scheuen Stern- und und schon wussten sie, wo sich ein lohnender Fang Prachttaucher. Hier finden sie noch Bereiche, wo sie verbarg. Umgekehrt ergab sich so für die Seevögel ein ungestört sind, bis sie im Frühjahr in ihre Brutgebiete, einfacher und bequemer Weg an Nahrung zu kom- die Tundren Skandinaviens und Russlands, zurückkeh- men, in dem sie einfach warteten, bis die Fischer die ren. Reste ihres Fangs (Beifang und Fischinnereien) über Eissturmvögel, die festen Boden nur zum Brüten auf- Bord warfen. Gerade Möwen, die nur sehr schlecht suchen, rasten hier während ihrer langen Reisen über tauchen können, erschlossen sich so eine ergiebige die Meere. Sie umkreisen gerne Fischerboote in der Nahrungsquelle, so ergiebig, dass sie sich schnell Hoffnung, dass auch etwas für sie abfällt. darauf verlegten, gleich die Fischerboote aufs Meer zu begleiten. Fliegende Taucher Trottellummen (Uria aalge) sind wahre Meister im Tauchen. Bis in Tiefen von über 100 m stoßen sie bei ihren bis zu 6 min langen Tauchgängen vor. Doch meist finden sie ihre Nahrung, vor allem Sandaale und andere kleine Fische, in flacheren Bereichen. Ein besonderes Ereignis ist jedes Jahr der Lummensprung auf Helgoland. Ende Juli stürzen sich die jungen, noch flugunfähigen Lummen todesmutig von den Felsen ins tosende Meer und schwimmen davon. Etwa 4500 der prächtigen Sterntaucher (Gavia stellata) kommen jedes Jahr zum Mausern und Überwintern in die Östliche Deutsche Bucht. Zum Brüten bevorzugen sie die Weiten der russischen Taiga und die Tundren Skandinaviens. Sterntaucher sind sehr scheue Vögel. Ständig auf der Flucht vor großen Schiffen, finden sie in Gegenden mit starkem Seeverkehr keine Ruhe mehr. In Nord- und Ostsee jagen sie vor allem kleine Fische wie den Hering. Die Netze der Fischer sind dabei eine ständige Gefahr für die Vögel. Trottellume (Uria aalge) 28 Sterntaucher (Gavia stellata) Nucula-nitidosa–Gemeinschaft Namensgebend für diese Nucula-nitidosa–Gemeinschaft ist die kleine Glänzende Nussmuschel (Nucula nitidosa). Sie teilt sich ihren feinsandigen und schlickigen Lebensraum meist mit der Körbchenmuschel (Corbula gibba) und der Kleinen Pfeffermuschel (Abra alba). Die drei Muschelarten leben im gleichen Lebensraum, haben sich jedoch in der Art der Nahrungsaufnahme differenziert. So ernährt sich die Glänzende Nussmuschel von organischem Material, das sich in ihrem strömungsgeschützten Lebensraum reichlich ansammelt. Dabei durchwühlt sie den Schlick nach Nahrungspartikeln. Die Körbchenmuschel filtriert Nahrungspartikel aus der Wassersäule und zählt damit zu den Suspensionsfressern. Die Kleine Pfeffermuschel wechselt zwischen den beiden Ernährungsweisen hin und her, je nachdem, was mehr Nahrung verspricht. Auch Borstenwürmer der Familien Spinonidea und Cirratulidae (z.B. Spio filicornis und Spiophanes bombyx) gehören zu der Gemeinschaft. Sie durchwühlen ebenfalls den Schlick nach geeigneten Futterpartikeln. Dazu benutzen die Würmer ihre langen, tentakelähnlichen Fortsätze im Kopfbereich. Immer in Acht nehmen müssen sie sich dabei vor ihren räuberischen Verwandten, dem Gewöhnlichen Blutwurm (Glycera alba) und dem Opalwurm (Nephtys hombergii). Ebenfalls typisch für diesen Lebensraum sind der Helle Schlangenstern (Ophiura albida) und die Ruderkrabbe (Liocarcinus depurator). Sie leben im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern dieser Artengemeinschaft auf oder nur leicht eingegraben im Sand und gehören somit zu den Tieren, die man als Taucher am ehesten auf einer Sandbank zu Gesicht bekommt. In ihrer Ernährungsweise sind sie wahre Opportunisten. Aas, Detritus, Muscheln, Schnecken und Würmer - alles was ihnen in die Fangarme kommt, wird gefressen. An tieferen Stellen wird die Nucula-nitidosa–Gemeinschaft langsam von der Amphiura filiformis–Gemeinschaft abgelöst. Charakteristisch für diese Gemeinschaft ist der Zierliche Schlangenstern (Amphiura filiformis). Er lebt „kopfüber“ im Feinsand eingegraben und fängt im Wasser schwebende Nahrungspartikel mit seinen aus dem Sediment herausragenden langen Armen ein. Andere typische Arten sind die Längliche Linsenmuschel ( Tellimya ferruginosa) und der Seeringelwurm (Nereis diversicolor). V.l.n.r.: Heller Schlangenstern (Ophiura albida), Gläzende Nussmuschel (Nucula nitidosa) und Kleine Pfeffermuschel (Abra alba) Der Zierliche Schlangenstern (Amphiura filiformis) mit seinen charakteristisch langen Armen. Diese Arme sind das einzige, was von diesen Tieren nochrmalerweise zu sehen ist (rechts) 29 Dennoch sind die Fischernetze eine ständige Gefahr für alle tauchenden Seevögel. Leicht verheddert sich ein Vogel, angelockt von zappelnden Fischen, selbst im Netz und ertrinkt. Wie viele Tiere auf diese qualvolle Weise jedes Jahr sterben, ist unbekannt. Eine andere Gefahr sind verlorengegangene Schnüre und Netzteile. Basstölpel bauen diese gerne in ihre Nester ein und bringen so sich selbst und ihre Jungen in Gefahr. Jedes Jahr verheddern sich alleine auf Helgoland einige Dutzend dieser prächtigen Vögel in den Schlingen und verenden, ein trauriger Anblick. Jagende Basstölpel (Morus bassanus). Scheuchwirkung Veränderungen der Meeresbodenstruktur durch Grundschleppnetze und Sedimentabbau sowie die intensive Fischerei gefährden auch die Seevögel. Denn mit dem Verschwinden von Muscheln, Würmern und kleineren Fischen wird auch den Vögeln ihre Nahrungsgrundlage entzogen. Dies kann zur Aufgabe der Gebiete als Jagdgründe und somit zum Verlust der Vogelarten in der deutschen Nordsee führen. Netze im Nest, Tote Basstölpel auf Helgoland. Kritisch für Seevögel sind vor allem Störungen, die durch Schiffsverkehr und technische Installationen, Factsheet Östliche Deutsche Bucht wie dem Bau von Offshore-Windkraftanlagen erzeugt Lebensraumtyp Riff, Sandbank werden. Beeinträchtigt werden besonders Seetaucher, Schutzstatus Schutzgebiet nach VS-RL seit 2005 die sehr empfindlich auf Störungen reagieren und Ausdehnung 3135 km², Überschneidung mit dem Sylter Außenriff etwa 3000 km² Vögel meiden Windkraftanlagen in einem Radius von Tiefe zwischen 13 und 40 Metern Meeresboden Sedimente (Sand, Kies, Schlick) Hartsubstrate (Steine) Strömungen unregelmäßiges Auftriebsgebiet VS-RL–Arten Sterntaucher, Prachttaucher, Küstenseeschwalbe, Flussseeschwalbe, Brandseeschwalbe, Zwergmöwe, Sturmmöwe, Heringsmöwe, Mantelmöwe, Dreizehenmöwe, Basstölpel, Trottellumme aus den Baugebieten vertrieben werden. Die scheuen mehreren Kilometern. Prachttaucher (Gavia arctica) sind scheue Vögel. 30 Die Ostsee Natura 2000-Schutzgebiete der deutschen AWZ der Ostsee Fehmarnbelt Seite 33 Kadetrinne Seite 38 Oderbank Seite 40 Adlergrund und Westliche Rönnebank Seite 43 Pommersche Bucht Seite 46 31 Übersicht 32 Ostsee Fehmarnbelt: Dreh- und Angelpunkt zwischen Nord- und Ostsee Wanderweg für Meerestiere Fehmarnbelt heißt die Meerenge zwischen den beiden Inseln Lolland und Fehmarn. Dazwischen liegt eine 35 Meter tiefe Rinne, in der sich Tangwälder unter der starken Strömung biegen. Denn durch die schmale Rinne zwängt sich 70 % des Nordseewassers, das die Ostsee mit frischem Sauerstoff versorgt. Gleichzeitig strömt ein beständiger Strom des brackigen Ostseewassers Richtung Nordsee. Aber nicht nur ein Großteil des Wasseraustauschs findet über diese Rinne statt, mit ihm werden auch die schwimmenden Larven vieler Meerestiere verbreitet. Schweinswale, Seehunde und Fische müssen ebenfalls bei ihren Wanderungen den Fehmarnbelt passieren. Diese besonderen Bedingungen haben zu einer sehr vielfältigen Fauna und Flora geführt. Muscheln und Braunalgen sind bestens an die Strömungsverhältnisse angepasst. Sie bilden große Muschelriffe und Tangwälder. Einen einzigartigen Lebensraum bilden die sogenannten „Megarippel“ - bis zu drei Meter hohe Sandrippeln. Dieser Lebensraum ist jedoch bedroht. Ein Tunnel soll in Zukunft Dänemark und Deutschland verbinden - mitten durch den Fehmarnbelt. Nur 18 Kilometer trennen Deutschland und die dänische Insel Lolland. Das FFH-Schutzgebiet Fehmarnbelt ist das Nadelöhr deim Austausch zwischen Nord- und Ostsee. Schmales Band zwischen den Staaten Das Schutzgebiet „Fehmarnbelt“ ist etwa 280 km² groß und umfasst die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) nördlich der Insel Fehmarn. Die AWZ der Ostseestaaten sind in diesem Gebiet ein schmales Band von wenigen Kilometern Breite, da die Länder (Deutschland, Dänemark, Polen und Schweden) sehr dicht beieinander liegen. Die etwa 18 km breite Meerenge zwischen Fehmarn und der Insel Lolland in Dänemark verbindet als Seeweg den westlichen mit dem östlichen Teil der Ostsee. Etwa in der Mitte des Belts, parallel zur Küste, verläuft ein 9 Kilometer breiter Streifen mit Wassertiefen zwischen 20 und 35 Metern: die Fehmarnbelt-Rinne. Durch diese Rinne erfolgt ca. 70 % des Wasseraustausches zwischen den über den Skagerak in die Ostsee einfließenden Nordseewassers und der südlichen Ostsee. Weitere 25 % fließen durch den Øresund zwischen Dänemark und Schweden. Die Aalmutter (Zoarces viviparus) kommt in weiten Teilen der Ostsee vor, auch in den Brackwasserbereichen weiter östlich. 33 Von salzig nach süß Links: Die Rotalgen Blutroter Meerampfer (Delesseria sanguinea). Oben: Essbarer Seeigel (Echinus esculentus) auf Zuckertang (Laminaria sachharina) mit einem Aufwuchs aus Moostierchen (Bryozoa). Der Fehmarnbelt ist für das Ökosystem der Ostsee marine Arten endet jedoch ihr Verbreitungsgebiet im von großer Bedeutung. 70% des Wasseraustauschs Fehmarnbelt. zwischen Nord- und Ostsee findet hier statt. Das Er beherbergt die FFH-Lebensraumtypen „Riffe“ salzreiche und damit dichtere Nordseewasser strömt und „Sandbänke“. Steine und Muschelschalen sind am Meeresgrund Richtung Zentrale Ostsee. Darüber bis in Tiefen von über 20 Metern dicht mit Algen fließt das leichtere Brackwasser der Ostsee in die bewachsen. Zuckertang (Laminaria sachharina) entgegengesetzte Richtung. Dabei vermischen sich und Meerampfer bilden regelrechte Algenwälder. die beiden Wasserkörper langsam. Der Salzgehalt des Zwischen und auf den Algen leben verschiedene Ostseewassers sinkt von West nach Ost. Schon auf Schwämme (z.B. Gallert- und Geweihschwamm), Mu- Rügen schmeckt man kaum noch das Salz im Wasser. scheln und Schnecken (z.B. die Islandmuschel, grüne Dies hat Konsequenzen für die Verbreitung vieler Samtschnecke). Wo die Algen nicht so dicht wachsen, Arten in der Ostsee. So dominieren im westlichen findet man ausgeprägte Miesmuschelriffe mit ihren Teil die marinen Arten, wie sie auch in der Nordsee typischen Begleitarten wie Seeanemonen, Seesternen vorkommen. Im Osten hingegen leben viele typische und Schlammröhrenwürmern vor. Diese Riffe sind ein Süßwassertiere. idealer Lebensraum für viele Fische wie den Klippen- Hechte und Flussbarsche sind hier keine Seltenheit. barsch (Ctenolabrus rupestris) der hier ausreichend Andere Arten wie der Ostseehering sind besonders Schutz und Nahrung findet. tolerant gegenüber schwankenden Salzgehalten und kommen fast überall in der Ostsee vor. Für viele Rot – Grün – Braun: Algenvielfalt in der Ostsee Algen machen den Hauptteil des Phytoplanktons aus und sind damit ein unentbehrlicher Bestandteil der Meeresumwelt. Diese mikroskopisch kleinen Vertreter der Algen nennt man Mikroalgen. Aber auch die Makroalgen, die Längen von einigen Metern erreichen können, sind bedeutend für die Nord- und Ostsee. Im Gegensatz zu den Mikroalgen bestehen sie aus zahlreichen Zellen, die einen strauch- oder blattartigen, festen Körper formen. Makroalgen stellen Meerestieren einen eigenen Lebensraum zur Verfügung, indem sie Nahrung, Versteckmöglichkeiten und Besiedlungsfläche bieten. Makroalgen leben meist verankert auf Hartsubstrat und bilden oft dichte Felder. Ihre Verbreitung ist vom Salzgehalt und der Lichtdurchlässigkeit des Wassers bzw. seiner Tiefe abhängig. Als Photosynthesebetreiber sind sie vom Licht als Energiequelle abhängig. Alle Makroalgen enthalten den grünen Farbstoff Chlorophyll, der bei der Photosynthese gebraucht wird und Pflanzen und Algen ihre charakteristische Farbe gibt. 34 Die Sandgrundel (Pomatoschistus minutus) sitzt meist gut getarnt vor ihrem Sandloch. Die Gebogene Schwebegarnele (Praunus flexuosus) ist ein typischer Bewohner der Sandböden. Megarippel – „Sandbänke“ der besonderen Art Die Rippel sind relativ stabil. Bei starken Stürmen Im südlichen Teil des Schutzgebiets formiert sich der jedoch können sich die Formationen verändern - neue Sand am Meeresboden zu einem seltsamen Gebilde, Rippel entstehen oder wandern weiter. Wie sie genau den sogenannten „Megarippeln“. Rippel findet man entstehen, ist aber noch nicht vollständig erforscht. gewöhnlich dort, wo sich das Wasser zurückgezogen Bewohnt werden sie von Astartemuscheln (Astar- hat, als wellenförmiges Muster im Sand. Doch es gibt te montagui) und den langlebigen Islandmuscheln sie auch unter Wasser - und diese hier sind gewaltig. (Arctica islandica). Aber auch typische Sandbankbe- Die Rippel messen vom Tal bis zum Kamm bis zu 3 wohner wie Schwebegarnelen (Praunus flexuosus) Meter. Damit solch große Rippel entstehen können, und verschiedene Trogmuschel- und Borstenwurmar- braucht es hohe Strömungsgeschwindigkeiten. ten sind hier häufig. Braunalgen – Phaeophyceae enthalten den Farbstoff Fucoxanthin, der die Grünfärbung des Chlorophylls überdeckt, weshalb sie bräunlich gefärbt sind. Sie werden oft weit über einen Meter lang. Zu ihnen gehört der Zuckertang (Laminaria saccharina), die Zottige und die Gemeine Meersaite (Chorda tomentosa, C. filum) und der Blasentang (Fucus vesiculosus). Aus diesen Großalgen bestehen die ausgedehnten Tangwälder des Fehmarnbelt, der Kadetrinne und rund um die Nordseeinsel Helgoland. Grünalgen – Chlorophyceae erhalten ihre satte grüne Färbung durch die Chloroplasten, in denen Chlorophyll a und b enthalten ist. Sie werden meist nur einige Dezimeter lang. Einige Vertreter der meist auffallend grün leuchtenden Algen sind: Darmtange (Enteromorpha), essbare Meersalate der Gattung Ulva und die Trompetenalge (Monostroma grevillei). Sie wachsen meist schneller als Braunalgen. Durch die Eutrophierung der Meere kommt es immer häufiger zu Massenvorkommen dieser Algen. Rotalgen – Rhodophyceae sind wegen ihrer speziellen Pigmente (Phycobiliproteide) leuchtend rot gefärt. Dank dieser Farbstoffe können Rotalgen auch in großer Tiefe noch Photosynthese betreiben. In Nord- und Ostsee kommen unter anderem die Asiatische Rotalge (Gracilaria vermiculophyll), der Blutrote Seeampfer (Delesseria sanguinea), der Fädige Röhrentang (Polysiphonia fibrillosa), der Rote Horntang (Ceramium rubrum) und die Speckkrustenrotalge (Hildenbrandia rubra) vor. Von oben nach unten: Blasentang (Fucus vesiculosus); Meersalat (Ulva lactuca). Die Rotalge (Dasya baIlouviana) ist wie auch die Asiatische Rotalge eine eingeschleppte Art. 35 Empfindliche Fauna Der Strukturreichtum und die Strömungsverhältnisse des Fehmarnbelt sorgten dafür, dass sich hier eines der artenreichsten Gebiete der Ostsee gebildet hat. 37 Rote-Liste-Arten sind hier schon nachgewiesen worden. Viele von diesen Arten reagieren sehr empfindlich auf Veränderungen der Umweltbedingungen. Dazu gehören die langlebigen Wellhorn- und Spindelschnecken und die vom Aussterben bedrohte KalkPlattmuschel. Der Kabeljau (Gadus morhua) oder Dorsch ist ein wichtiger Fangfisch. Sein Laichverhalten könnte durch den unterseeischen Bau beeinträchtigt werden. Strandseeigel (Psammechinus miliaris). Mit dem Auto durchs Riff die Fehmarnbeltquerung 36 entgehen. Eine Brücke auf ihrem Weg wäre eine tödliche Gefahr für Vögel gewesen. Derzeit wird der Bau eines 5,5 Milliarden Euro teuren Im Juni 2007 beschlossen die deutsche und dänische Senktunnels favorisiert, der bis 2018 in den weichen Regierung ein gemeinsames Mammutprojekt - den Untergrund der Ostsee eingegraben werden soll. Da- Bau einer Straßenverbindung zwischen der dänischen für werden vorgefertigte Tunnelteile in den Meeres- Insel Lolland und Deutschland durch den Fehmarn- grund eingegraben. Doch auch dieses Bauwerk wird belt. Diese soll den heutigen Fährverkehr zwischen negative Konsequenzen für das Ökosystem im Natura Puttgarden und Rødby ablösen und so für eine Zeiter- 2000-Gebiet Fehmarnbelt haben. Da der Tunnel im sparnis von ein paar Stunden sorgen. Meeresgrund eingegraben werden soll, werden die Zunächst wurde der Bau einer gewaltigen Brücke auf der Strecke liegenden Riffe und Sandbänke mas- geplant. Dieses Bauwerk wurde jedoch auf Grund von siv gestört. Ein weiteres Problem ist, dass das auf- Protesten von Umweltschützern und zu hoher Kosten gewirbelte Sediment aufgrund der starken Strömung wieder aufgegeben. Die Brücke hatte für Zugvögel weit verteilt wird. So werden auch noch weit ent- wie eine Barriere gewirkt, und das auf einer der wich- fernte Riffe durch Sand und Schlick beeinträchtigt. tigsten Vogelzugrouten Europas. Zudem soll das anfallende Baggergut auf Ablage- Viele Zugvögel ziehen im Schutz der Nacht. Gerade rungsflächen am Meeresgrund versenkt werden, was über dem offenen Meer fliegen Vögel häufig sehr tief, für die dort lebenden Tiere den sicheren Tod bedeuten um dem kräftigen Wind in höheren Luftschichten zu wird. Der ständige Baulärm wird die Schweinswale Satellitenbild des Fehmarnbelts mit Fehmarn im Süden und Lolland im Norden. Die gelbe Linie verläuft an der geplanten Verbindungslinie quer durch das Schutzgebiet. Factsheet Fehmarnbelt Lebensraumtyp Sandbank, Riffe Schutzstatus FFH-Schutzgebiet seit 2008 Ausdehnung 280 km² Tiefe zwischen 15 und 35 Metern Meeresboden Sedimente (Sand, Kies), Hartsubstrate (Steine, Felsen) Strömungen 70% des Wasseraustauschs zwischen Nordund Ostsee Artengemeinschaften MZB Pfeffer- und Islandmuscheln, Riffgemeinschaften Zudem ist noch völlig unbekannt, wie die Meeresle- FFH/VS-RL-Arten Schweinswal, Seehund bewesen auf den Verkehrslärm aus dem Untergrund Rote-Liste-Arten MZB 37 und Seehunde aus dem Gebiet vertreiben, die hier wichtige Nahrungsgründe haben. reagieren werden. Die Folgen für das Ökosystem des Natura 2000-Schutzgebiets, die dieses Bauprojekt MZB: Makrozoobenthos = makroskopische, den Boden bewohnende Tiere. haben wird, sind noch nicht abzusehen. Grüne Samtschnecke (Elysia vidris) in dichten Rotalgen. Die Islandmuschel (Arctica islandica) kann einen Dezimeter groß werden. 37 Kadetrinne – Ungestörte Natur in der Ostsee Ein beispielhaftes Schutzgebiet Die Kadetrinne ist wie der Fehmarnbelt ebenfalls Teil des für den Wasseraustausch so wichtigen Rinnensystems der Ostsee. In dem nur knapp 100 km2 großen Schutzgebiet finden sich die artenreichsten Riffgemeinschaften der zentralen Ostsee. Die großen Gesteinsbrocken sind dicht bewachsen mit Braun- und Rotalgen, dazwischen große Miesmuschelbänke mit ihren typischen Artengemeinschaften. Auch die in der Ostsee sehr seltenen Schweinswale schwimmen auf ihren Wanderungen hier regelmäßig hindurch. Die Kadetrinne ist von allen marinen Natura 2000-Schutzgebieten wohl am geringsten von menschlichen Aktivitäten beeinträchtigt. Deshalb muss die Kadetrinne unbedingt in ihrem jetzigen Zustand erhalten bleiben. Die Nordseegarnele (Crangon crangon) kommt auch in der Ostsee vor. 38 Gadus morhua, der Kabeljau, in der Ostsee auch Dorsch genannt, ist einer der beliebtesten Speisefische Rinnensystem in der Darßer Schwelle Das ca. 100 km² große Schutzgebiet Kadetrinne liegt in der Mecklenburger Bucht im schmalen Band der deutschen AWZ mit Grenze zu Dänemark. Sie hat zusammen mit dem Fehmarnbelt eine wichtige Funktion für den Wasser- und Artenaustausch zwischen Nordund Ostsee. Über die 32 Meter tiefe Rinne fließt sauerstoffreiches Nordseewasser in die zentrale Ostsee und versorgt die Bodenlebensgemeinschaften mit dem wichtigen Atemgas. Auch viele Larven werden mit den Wassermassen verdriftet. Geologisch gesehen ist die Kadetrinne ein System aus Rinnen, welche in eine der unterseeischen Erhöhungen der Ostsee, der Darßer Schwelle, eingeschnitten sind. Von 11 Metern am oberen Rand bis in eine Tiefe von 32 Metern erstreckt sich das Schutzgebiet. Ebenfalls Teil des für den Wasseraustausch wichtigen Rinnensystems das FFH-Schutzgebietze Kadetrinne Steinfelder und Sandinseln Steinfelder mit kleinen Sandinseln bestimmen das Bild an den Hängen der Kadetrinne. Bis in eine Tiefe von 18 Metern sind sie dicht bewachsen mit Zuckertang und anderen Braunalgen. Danach dominieren die Rotalgen, die besser an die schwächeren Lichtverhältnisse angepasst sind. Ab 24 Metern wachsen kaum noch Algen. Hier reicht das Licht nicht mehr für die Photosynthese aus. An den tiefsten Stellen der Rinne hat sich ein sandiger Schlick abgelagert, aus dem größere Gesteinsbrocken hervorragen. Die Steine sind idealer Lebensraum für Rifftiere, die nicht auf Licht angewiesen sind wie Seenelken, Seescheiden und Schwämme. Riffe in gutem Zustand Dass Großalgen bis in eine Tiefe von 24 Metern vorkommen, ist in der Ostsee selten geworden. Schuld daran ist paradoxerweise ein Zuviel an Nährsalzen (Phosphate und Stickstoffverbindungen), auch Eutrophierung genannt. Diese Substanzen stammen meist Das Verbreitungsgebiet des Gestreiften Leierfischs (Callionymus lyra) reicht bis in die westliche Ostsee. aus der Landwirtschaft. Planktische Mikroalgen nehmen diese Nährstoffe auf und vermehren sich stark. Dadurch trübt sich das Wasser, weswegen weniger Licht in die Tiefe gelangt. Factsheet Kadetrinne Lebensraumtyp Riffe, Sandbänke Schutzstatus FFH-Schutzgebiet seit 2008 Abwehrstoffe gegen Fressfeinde und Parasiten Ausdehnung 100 km² aufbauen. Dies hat zu einem langsamen aber steti- Tiefe zwischen 11 und 36 Metern Meeresboden Hartsubstrate (Steine, Felsen), Sedimente (Sand, Schlick) Strömungen Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee deutet das Vorkommen großer, bis zu 50 Jahre alter Artengemeinschaften MZB Riffgemeinschaften Islandmuscheln hin. So blieb das Gebiet von den FFH/VS-RL-Arten Schweinswal, Seehund immer häufiger auftreten Sauerstoffmangelereig- Rote-Liste-Arten MZB 29 Die großen Braun- und Rotalgen können weniger energiereiche Verbindungen für den Winter und gen Rückgang der Algenwälder in der Ostsee in den letzten Jahrzehnten geführt. In der Kadetrinne sind Algenwälder noch in einem guten Zustand, und auch sonst scheinen die Lebensbedingungen bisher stabil geblieben zu sein. Darauf nissen bisher verschont. Die Kadetrinne ist somit für den Erhalt und die Wiederausbreitung von Arten von unschätzbarem Wert für die gesamte Ostsee. MZB: Makrozoobenthos = makroskopische, den Boden bewohnende Tiere. 39 Die Oderbank neue Heimat für den Stör Muschelbank Oderbank Die 480 km2 große Oderbank ist die zentrale Erhebung im gleichnamigen Natura 2000-Schutzgebiet. Dieser Sandhügel im Mündungsbereich der Oder erhebt sich aus 20 Metern Tiefe bis auf 7 Meter unter die Wasseroberfläche. Die Lebensgemeinschaften der großen Sandbank sind vergleichsweise artenarm, jedoch extrem individuenreich. Sandklaff-, Herz und Plattmuscheln sitzen dicht an dicht versteckt im Sand. Dazwischen suchen kleine Krebse und Würmer nach Fressbarem, immer auf der Hut vor jungen Schollen und Steinbutten. Die jungen Plattfische können sich schnell im feinen Sediment eingraben und sich so vor ihren Feinden praktisch unsichtbar machen. Deshalb ist die Oderbank ein wichtiges Laichgebiet und Kinderstube für viele Plattfische. Aber auch bei den Bemühungen, den Stör wieder in der Oder anzusiedeln, spielt dieses Gebiet eine wichtige Rolle. Hier sollen bald wieder die jungen Störe zu ihrer vollen Größe heranwachsen, um später zum Laichen die Oder hinaufzuziehen. Gemeine Strandkrabben (Carcinus maenas) sind Allesfresser und weit verbreitet in Nord- und Ostsee. Die größte Sandbank der Ostsee Das FFH-Schutzgebiet Oderbank östlich der Insel Rügen umfasst 1101 km². Es ist das östlichste der deutschen marinen Schutzgebiete und grenzt an die polnische AWZ. Die Oderbank ist der Mündung der Oder vorgelagert. Sie entstand aus einer ausgedehnten Dünenlandschaft, die nach der Eiszeit durch den Meeresspiegelanstieg überflutet wurde. Mit einer Fläche von 480 km² ist sie die größte Sandbank im Bereich der deutschen AWZ der Ostsee. Die Sandbank steigt von 20 Metern Tiefe bis auf 7 Meter unter die Wasserobefläche an. Sie besteht fast ausschließlich aus Mittel- und Feinsanden. FFH-Schutzgebiet Oderbank. Die Scholle (Pleuronectes platessa) gräbt sich in den Sand und ist damit perfekt getarnt. 40 Factsheet Oderbank Die Sandklaffmuschel (Mya arenaria) ist eine der größten Muscheln der Oderbank. Sie kann sich bis zu 30 cm tief in den Sand graben. Nur die Spitze ihres langen Siphos schaut dann noch aus dem Sand. Lebensraumtyp Sandbank Schutzstatus Schutzgebiet nach FFH-RL seit 2008 Ausdehnung 1101 km² Tiefe zwischen 7 und 35 m Meeresboden Sedimente (Schlick, Feinsand, Grobsand), Strömungen abhängig vom Wind und den Dichteunterschieden der Wassermassen Artengemeinschaften MZB Flohkrebs-TellmuschelGemeinschaften, Baltische Plattmuschel. FFH– Arten Schweinswal, Kegelrobbe Rote-Liste-Arten MZB 13 Eine Sandbank als Sauerstoff-Schutzzone Die Oderbank unterscheidet sich durch ihre Größe und ihre einheitliche Struktur von allen anderen untermeerischen Bänken der deutschen Ostsee. Der Meeresgrund besteht aus welligem, teils rippeligem Sandboden. Stellenweise ist der feine Sand mit Schalentrümmern von Muscheln und Schnecken (Schill) Schillernder Seeringelwurm (Nereis diversicolor) versetzt. In größerer Wassertiefe, wo die Strömungen weniger stark ausgeprägt sind, hat sich Schlick abgelagert. Auf Grund der geringen Wassertiefe bleibt die Sandbank von Sauerstoffmangelereignissen weitgehend verschont. Die Baltische Plattmuschel (Macoma baltica) dominiert an vielen Stellen. Bis zu 2000 der bis 4 cm großen Muscheln können in einem Quadratmeter Sand leben. Durch ihren bis zu 25 cm rüsselartigen Einströmsipho nehmen sie Sauerstoff und Nahrungspartikel auf. Auf diese aus dem Sand herausschauenden Siphos haben es besonders die jungen Schollen abgesehen. Doch wenn er einmal abgebissen wurde, wächst er schnell wieder nach. Auch die großen Sandklaff- und Herzmuscheln sind hier in großer Zahl anzutreffen. Ebenfalls häufig sind andere für Sandbänke typische Arten wie die Nordsee- und Schwebegarnelen, der Schillernde Seeringelwurm und die Sandgrundel. Essbare Herzmuschel (Cerastoderma edule) Sie alle bilden die Nahrungsgrundlage für viele Seevögel und große Fische. 41 Der Ostseewal Ein Traum aus Sand für Fische Von besonderer Bedeutung ist die Sandbank für Schweinswale sind die einzigen in der Ostsee hei- Scholle, Steinbutt und Flunder. Die Plattfischarten mischen Wale. Sie teilen sich in eine westliche und finden hier nicht nur genug Nahrung, sondern auch eine östlich Population auf. Der Bestand der östli- eine perfekte Kinderstube. Die feinen Sande erleich- chen Schweinswal-Teilpopulation ist besonders stark tern den Jungfischen das Verstecken - mit ein paar gefährdet. Schätzungsweise nur noch 600 Tiere leben wellenartigen Flossenschlägen sind sie schnell unter hier - zu wenig, um die hohen Verluste durch die feinkörnigem Sediment verschwunden. Fischerei und andere Umweltbelastungen ausgleichen Auch die gefährdeten Wanderfische Finte und zu können. Schnäpel wurden hier in größerer Zahl nachgewiesen. Auf der Oderbank werden regelmäßig Schweinswale Sie wandern wie die Lachse zur Eiablage in die Flüsse. nachgewiesen, teilweise sogar in recht hohen saiso- Deren Begradigung und Verschmutzung, der Bau nalen Konzentrationen. Ein Verbot schweinswalge- von Staustufen und das häufige Ausbaggern haben fährdender Fischereitechniken, wie Stellnetze sollte dazu geführt, dass diese Fische kaum noch geeig- deshalb in diesem Gebiet unbedingt durchgesetzt nete Laichplätze finden. Für den Schutz dieser Tiere werden. Derzeit laufen Versuche mit für Schweins- schafft das Natura 2000-Schutzgebiete-Netzwerk wale „sichtbaren“, also akustisch ortbaren Stellnet- die nötigen Voraussetzungen. zen. Doch bis diese marktfähig sind, kann es für den Ostsee-Schweinswal schon zu spät sein. Der Stör – ein Vertreter längst vergangener Zeiten Seit mindestens 200 Millionen Jahren schwimmen Störe durch die Meere und Flüsse. Der Stör ist ein urtümlicher Knochenfisch – sozusagen ein lebendes Fossil, von dem es heute noch 27 Arten gibt. In der Ostsee war der atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) und in der Nordsee der europäische Stör (A. sturio) heimisch. Sie gelten beide in deutschen Gewässern seit ca. 50 Jahren als verschollen. Beide Arten werden über 3 Meter lang und mehr als 300 Kilogramm schwer. Ähnlich den Lachsen verbringen viele Störarten einen Teil ihres Lebens in den Flüssen und Meeren. Die Weibchen legen im Frühsommer bis zu 3 Millionen Eier ab, bevorzugt auf dem sauberen Kiesgrund von stark strömenden Flüssen. Die Jungfische zieht es nach dem Schlüpfen stromabwärts, bis sie mit ca. 6 Monaten das Brackwasser der Flussmündungen erreichen. Hier leben sie, bis sie im Alter von 2-4 Jahren in die angrenzenden Meeresgebiete abwandern. Mit 10–15 Jahren erreichen die Tiere die Geschlechtsreife. Dann sind sie bereits etwa 1,5 Meter lang und kehren in ihre Geburtsflüsse zurück. 2007 wurden an der Oder und 2008 an der Elbe junge Störe ausgesetzt. Diese stammen aus Aufzuchtanlagen in Frankreich und Kanada. Der große Aufwand, der betrieben wurde, um diese faszinierenden Tiere wieder bei uns anzusiedeln, wird sich nur lohnen, wenn die Fische auch geeigneten Lebensraum sowohl in den Flüssen als auch in den Meeren finden. Die Oderbank ist hierfür ein ideales Gebiet. Hier können die jungen Störe den sandigen Untergrund nach Würmern, Krebsen und Weichtieren durchwühlen. Ein Erfolg dieser Wiederansiedlungsprojekte ist wichtig, da seit 1998 alle Störarten im Washingtoner Artenschutzabkommen als bedroht gelistet sind. Die Europäische Union fordert von ihren Mitgliedsstaaten, für den Stör entsprechend der FFH-Richtlinie Arterhaltungs- und Wiedereinbürgerungsmaßnahmen durchzuführen. Dafür müssen jedoch Flusshabitate geschützt bzw. wiederhergestellt, die Wasserqualität verbessert und die Durchwanderbarkeit von Fließgewässern sichergestellt werden. Zudem braucht es noch geeignete Meeresgebiete, in denen die Fische zu ihrer vollen Größe heranwachsen können. Der Stör ist somit eine ideale Art, um ein Funktionieren des Natura 2000-Schutzgebiete-Netzwerks unter Beweis zu stellen. 42 Adlergrund & Westliche Rönnebank Rifflandschaften in der Ostsee „Trittsteine“ unter Wasser Die Riffe des Adlergrunds und der westlichen Rönnebank unterscheiden sich deutlich von den weiter westlich gelegenen Schutzgebieten Kadetrinne und Fehmarnbelt. Das Wasser ist hier deutlich salzärmer, so dass viele typische Salzwasserarten nicht mehr vorkommen. Was der Riffgemeinschaft an Artenreichtum fehlt, gleicht sie durch einen enormen Individuenreichtum wieder aus. Große zusammenhängende Miesmuschelbänke bedecken die Gesteinsbrocken mit einem lebenden Überzug. Fischarten wie Schwimm- und Schwarzgrundel, Aalmutter und Dorsch finden hier reichlich Nahrung und Versteckmöglichkeiten. Zudem ist das Gebiet ein mariner Nahrungsgrund für die gefährdeten Wanderfischarten Finte und Aal. Es ist auch ein wichtiges Laichgebiet und Kinderstube für verschiedene Speisefische z.B. den Hering. Ein guter Zustand der beiden Gebiete ist somit auch für die Erholung der Fischbestände in der Ostsee von großer Bedeutung. Zwei Schutzgebiete - eine Einheit Die Schutzgebiete Adlergrund und Westliche Rönnebank gehören geologisch gesehen zusammen. Sie sind beide Teile der Rönnebank, einer unterseeischen Erhebung in der südwestlichen Ostsee. Sie entstanden als Endmoränen eiszeitlicher Gletscher und verlaufen von der Südküste der dänischen Insel Bornholm bis in die Gewässer nordöstlich von Rügen. Die Rönnebank bildet die geografische Grenze zwischen den Seegebieten „Arkonabecken“ im Norden und der „Pommerschen Bucht“ im Süden. Das rund 234 km² große Schutzgebiet „Adlergrund“ umfasst den östlichsten Teil der Rönnebank. Dort hat sie ihre flachsten Stellen mit Wassertiefen von teilweise unter 10 m. Auf dieser „Kuppe“ liegen die größten und flachesten Riffe in der deutschen AWZ der Ostsee. Das Schutzgebiet Westliche Rönnebank ist mit 86 km² das kleinste marine Natura 2000-Gebiet in der AWZ. Es umfasst den westlichen Hang der Rönnebank mit Wassertiefen von 22 bis 35 Metern. Auf einer Fläche von 65 km² erstrecken sich die Riffe. Die Schutzgebiete Westliche Rönnebank (links) und Adlergund (rechts) gehören geologisch zu einer Einheit. Die Schwarzgrundel (Gobius niger) fühlt sich zwischen Steinen und Algen wohl. 43 Die flachen Muschelbänke sind eine ergiebige und einfach zu erreichende Nahrungsquelle für Seevögel. Vor allem die in der Ostsee überwinternden Eis- und Samtenten sowie die Gryllteisten schätzen das reichhaltige Futterangebot von Adlergrund und Rönnebank. Besonders in strengen Wintern, wenn große Teile der Ostsee zufrieren, sind diese eisfreien Bereiche wichtige Zufluchtsgebiete für Seevögel. Miesmuscheln (Mytilis edulis) an einem Felsen. Baltische Meerassel (Idotea baltica) Flache Riffe auf der Rönnebank Die beiden Schutzgebiete sind wichtige Ausgangspunkte für eine Wiederbesiedlung der tieferen Umgebung. Das Ostseewasser ist in diesem Gebiet besonders klar, da die vielen Miesmuscheln einen Großteil der Großflächige und zusammenhängende Riffe prägen Schwebepartikel aus der Wassersäule filtern. So die Rönnebank. Vor allem in den flachen Bereichen wachsen hier bis in Tiefen von 20 Metern verschie- des Adlergrunds ist der Meeresboden dicht mit dene Großalgen. Danach dominieren die Muschelriffe Großalgen bewachsen. Sägetang, Meersaite und mit ihren typischen Begleitarten wie Seepocken, Gabeltang finden hier beste Wachstumsbedingun- Flohkrebse und Garnelen. Auf den sandigen Böden gen. In den Algenwäldern und auf den Steinen finden in den tieferen Bereichen kommen der Fächerwurm sich noch viele Rifflebewesen, die besonders tolerant Fabricia stellaris und die Ostsee-Riesenassel (Saduria gegenüber dem geringeren Salzgehalt des Wassers entomon) häufig vor. sind. Im Vergleich zum Fehmarnbelt oder Kadetrinne leben hier jedoch schon deutlich weniger Tier- und Pflanzenarten. Einige neue Arten, die hauptsächlich in Brackwasser vorkommen z.B. die BrackwasserKahnschnecke und verschiedene Meerasselarten, füllen die freigewordenen Lücken. Die Riffe der Rönnebank sind die am höchsten zur Wasseroberfläche aufragenden in der AWZ der Ostsee. Sie befinden sich so nah an der Oberfläche, dass sauerstoffreiches Oberflächenwasser sie mit dem lebenswichtigen Atemgas versorgt. Sauerstoffmangelereignisse kommen hier kaum vor. 44 Kleine Felsengarnele (Palaemon elegans) Factsheet Adlergrund und Westliche Rönnebank Miesmuscheln sind weit verbreitet im deutschen Teil der Ostsee. Wenig Salz - dünne Schale Lebensraumtyp Sandbank, Riffe Schutzstatus FFH-Schutzgebiet seit 2008 Ausdehnung 234 km² (Adlergrund), 86 km² (Westliche Rönnebank) Tiefe zwischen 7 und 35 m Meeresboden Sedimente (Schlick, Feinsand, Grobsand, Kies), Hartsubstrate (Blöcke, Steine) Strömungen abhängig vom Wind und den Dichteunterschieden der Wassermassen Artengemeinschaften MZB Islandmuscheln, Riffgemeinschaften (Makroalgen, Miesmuschelbänke) FFH/VS-RL – Arten Schweinswal, Kegelrobbe Rote-Liste-Arten MZB 13 MZB: Makrozoobenthos = makroskopische, den Boden bewohnende Tiere Das Wasser im Bereich der Rönnebank ist schon Salzgehalt Konsequenzen. Miesmuscheln bereitet das deutlich salzärmer als in den Riffen des Rinnensys- fehlende Salz Stress. Dieser Dauerstress führt dazu, tems wie Fehmarnbelt und Kadetrinne. Zum Ver- dass sie weniger Energie in den Aufbau ihrer Schalen gleich: Das Nordseewasser, das in die Ostsee ein- stecken können und diese somit deutlich dünner sind strömt, enthält 35 g Salz je Kilogramm Wasser. Wenn als die ihrer weiter westlich lebenden Verwandten. es den Fehmarnbelt erreicht sind es noch ca. 20 g, Aus diesem Grund sind sie eine beliebtes Futter für und bis zur Rönnebank ist der Salzgehalt auf ca. 10 g die hunderttausenden Meeresenten, vor allem Samt-, je kg Wasser gesunken. Ab diesem Wert spricht man und Eisenten, die im Vogelschutzgebiet Pommersche von Brackwasser. Bucht überwintern. Die Muscheln sind tauchend Dies hat zur Folge, dass in diesem Gebiet nur noch leicht zu erreichen und das Knacken der dünnen besonders tolerante Arten die Riffgemeinschaften Schalen ist mit ihrem kräftigen Schnabel kein Prob- bilden. Aber auch für viele von ihnenhat der geringe lem. Miesmuscheln (Mytilus edulis) - Kläranlagen der Meere Miesmuscheln sind die Klärwerke der Meere. Sie saugen ständig Wasser an und leiten es über ihre feinen Kiemenblätter. Damit filtrieren sie nicht nur den lebensnotwendigen Sauerstoff aus dem Wasser, sondern auch Planktonorganismen und Detritus. Die Nahrungspartikel landen im Magen, alle unverdaulichen Partikel werden über den Sipho wieder ausgeschieden. Zwei bis drei Liter Wasser durchlaufen auf diese Weise eine ausgewachsene Muschel pro Stunde. Miesmuscheln haben zahlreiche Feinde. Neben Meeresenten und anderen Vögeln sind Seesterne und Krebse ihre Hauptfeinde. Zudem haben es viele Meeresschnecken auf sie abgesehen. Aber auch wir Menschen verspeisen ca. 550 000 Tonnen Miesmuscheln jedes Jahr alleine in Europa. Die meisten davon stammen aus Aquakulturen. Miesmuscheln und Algenbewuchs. 45 Pommersche Bucht „Tank und Rast“ für Zugvögel Vogelschutz auf der Ostsee Das Vogelschutzgebiet Pommersche Bucht östlich der Insel Rügen ist fast 2010 km² groß. Es ist das östlichste der deutschen marinen Schutzgebiete und schließt an die Außengrenze der deutschen AWZ mit Polen an. Das Vogelschutzgebiet umfasst den Adlergrund mit Teilen der Rönnebank im Norden sowie die Oderbank im Süden. Nonnengänse (Branta leucopsis) auf dem Durchzug. Entenhausen an der Ostsee Die Pommersche Bucht mit der Oderbank ist das wichtigste Überwinterungs-, Rast-, Nahrungsund Mausergebiet für Meeresenten und Taucherarten in der deutschen Ostsee. Auch für andere Zugvogelarten ist das 2010 km² große Vogelschutzgebiet von internationaler Bedeutung. Es beinhaltet die FFH-Schutzgebiete Oderbank und Adlergrund und schließt damit die Lebensraumtypen Riffe und Sandbänke mit ein. Besonders der Bereich der Oderbank ist im Winter ein Hotspot für Meeresenten. Denn auf der flachen Sandbank leben viele Würmer, Muscheln, Krebse und kleine Fische in einer gut erreichbaren Tiefe. In besonders strengen Wintern zieht es viele Seevögel auf die eisfreien Flächen in diesem Gebiet. 46 Zum Vogelschutzgebiet Bommersche Bucht gehören auch die FFH-Schutzgebiete Oderbank und der Adlergrund. Eine halbe Million Enten können nicht irren Wie produktiv Oderbank und Adlergrund als Teil des Vogelschutzgebietes Pommersche Bucht sind, wird schnell klar, wenn man sieht, wie viele Vögel im Laufe des Jahres der Pommerschen Bucht einen Besuch abstatten. Fast eine halbe Million Meeresenten überwintern hier. Die größte Anzahl stellen dabei die Trauerenten, gefolgt von Eis- und Samtenten. Hinzu kommen noch hunderte Lappen- und Seetaucher. Hier finden sie genügend Muscheln, Krebse, Weichtiere und kleine Fische, um durch die kalte Factsheet Pommersche Bucht Lebensraumtyp Sandbank - größte Sandbank in der deutschen Ostsee (Oderbank), Riffe (Adlergrund) Schutzstatus Schutzgebiet nach VS-RL seit 2005 Ausdehnung 2.010 km² Tiefe zwischen 7 und 35 m Meeresboden Sedimente (Schlick, Feinsand, Grobsand, Kies), Hartsubstrate (Blöcke, Steine) Strömungen abhängig vom Wind und Dichteunterschieden der Wassermassen VS-RL – Arten Sterntaucher, Prachttaucher, Rothalstaucher, Ohrentaucher, Eiderente, Eisente, Trauerente, Samtente, Mittelsäger, Küstenseeschwalbe, Flussseeschwalbe, Zwergmöwe, Gryllteiste Eiderentenpaar (Somateria mollissima) Jahreszeit zu kommen. Zudem friert dieses Gebiet im Gegensatz zu den Küstenbereichen nicht zu. Im Sommer sind es Seeschwalbenarten, die hier nach kleinen Fischen für ihren Nachwuchs suchen. Küstenseeschwalbe (Sterna paradisaea) Meeresenten - Wintergäste in der Ostsee Eisenten brüten in den arktischen Tundren in der Nähe der Packeisgrenze. Etwa 130.000 Vögel kommen zum Überwintern in die Pommersche Bucht. Die kleinen und wendigen Meeresenten sind gute Taucher, die bis in 60 Meter Tiefe nach kleinen Muscheln, Würmern und Fischen suchen. Weltweit gibt es noch 6,7 Millionen Tiere, so dass ihr Bestand als nicht gefährdet gilt. Doch gerade in der Ostsee sind Fischernetze eine ständige Bedrohung für sie. 400 000 Trauerenten, ein Viertel des Weltbestandes, überwintern vor der deutschen Ostseeküste. Die Enten jagen besonders im Bereich der Oderbank nach Muscheln und Krebsen, die sie mit ihren kräftigen Schnäbeln mühelos knacken können. Im Frühjahr machen sie sich auf in ihre Brutgebiete in Schottland, Skandinavien und Sibirien. Eisentenerpel (Clangula hyemalis) im Prachtkleid Trauerenten (Melanitta nigra) im Winterkleid 47 Schutzgebiete die große Lösung? 10 % Schutz bis 2020 Schutzgebiete sind sicherlich ein Teil der Lösung. Doch selbst, wenn bis 2020 wie geplant 10 % der Meeresfläche unter Schutz stehen, wird dies nicht automatisch zu einer Erholung der marinen Ökosysteme führen. Zu gravierend sind die menschengemachten Eingriffe in die Meeresumwelt. Zudem sind im Meer beispielsweise die Schäden durch Unfälle noch weniger als an Land lokal begrenzt. Durch Strömungen und Wind werden Ölteppiche schnell über riesige Gebiete verteilt. Und an den Grenzen zu einem Schutzgebiet macht das Öl schon gar keinen Halt. Aber dies betrifft nicht nur die Stoffe, die durch Unfälle oder versehentlich freigesetzt werden. Der chronische Eintrag von Schadstoffen, beispielsweise aus Abgasen, Abwässern oder Schiffsanstrichen, Nährsalzen aus der Landwirtschaft, Plastikmüll von Schiffen und Touristen, dazu der Lärm durch Schiffsverkehr und Baustellen beeinträchtigen das marine Ökosystem weiträumig. Nicht zuletzt ist die derzeitige Fischereipraxis ein Ausdruck der Selbstbedienungsmentalität, die wir Menschen gegenüber der scheinbaren Unerschöpflichkeit der Ozeane und ihrer Ressourcen zeigen. Diese Einstellung muss sich ändern, um einen dauerhaften Erhalt der marinen Ökosysteme zu erreichen. Schutzgebiete sind da nur ein kleiner, aber sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Miesmuscheln (Mytilus edulis) mit Aufwuchs aus Seepocken und Grünalgen. Gespensterkrebse sind schwer zu entdecken. Die 2-3 cm langen Krebse leben versteckt in den Großalgen. 48 Fischerei mit Zukunft? Fischbestände am Ende Nach offiziellen Zahlen werden heute jährlich über 80 Millionen Tonnen Fisch aus den Meeren gefangen. Ein Krabbenkutter auf der Nordsee. Diese Fischerei produziert viel Beifang. Weitere 60 Millionen Tonnen stammen aus Aquakulturfarmen. Wie viele Fische den Piratenfischern zum Menschgemachte Evolution Opfer fallen oder als „wertloser“ Beifang über Bord Überfischung gehen, ist völlig unbekannt. So sind heute 30 % aller Fischbestände überfischt, Die industrielle Fischerei hat schon heute das Ökoweitere 57 % gelten als maximal genutzt. Spitzensystem der Meere drastisch verändert. Der Fischereiter sind die EU-Gewässer, wo derzeit 47 % der reidruck hat dazu geführt, dass kleine Fische, die Bestände als überfischt gelten. Besonders betrifft früher geschlechtsreif werden, evolutionär im Vorteil dies den Wittling, den Heilbutt und den Dornhai, der sind, da sie am ehesten durch die Maschen der Netze sich hinter Produkten wie Schillerlocke und Seeaal entwischen können. Viele Fischarten bleiben dadurch verbirgt. insgesamt kleiner. Man spricht auch von einer „fiFür die Festsetzung der Fangquoten in europäischen schereiinduzierten Evolution“. Das wirkt sich auf die Meeren ist die EU verantwortlich. In den letzten Räuber- und Nahrungsnetzbeziehungen aus, denn Jahren lagen sie durchschnittlich um 48 % über den kleinere Raubfische können auch nur kleinere Beute Empfehlungen des Internationalen Rats für Meeresmachen. forschung (ICES). Die Überfischung hat Konsequenzen für viele MenIn der Nord- und Ostsee werden jährlich ungefähr schen. Europäische Konsumentinnen und Konsumen3,1 Millionen Tonnen Fisch gefangen. Norwegen, ten müssen in Zukunft wohl höhere Preise an der Dänemark und Spanien betreiben derzeit die größten Fischtheke zahlen. Schlimmer sind die Folgen für die Fangflotten in Europa. Die deutsche Fischereiflotte Menschen in den armen Küstenregionen Afrikas und liegt mit rund 280.000 Tonnen Fisch im europäischen Südamerikas. Ihnen drohen Engpässe in der NahMittelfeld, wobei sie sich hauptsächlich auf kleine rungsmittelversorgung. Dort hat die Überfischung Fischarten wie Hering, Wittling und Sprotte spezialivielerorts schon zu einer Verarmung der Küstenbesiert hat. Die Fischerei verliert in Deutschland wirtvölkerung geführt. schaftlich jedoch immer mehr an Bedeutung. 49 Beifang - Mitgefangen, Mitgehangen Ein großes Problem für die Meeresumwelt ist der sogenannte Beifang der Fischerei. Beifang bezeichnet die Tiere, die nicht verkauft oder verwertet und daher wieder über Bord geworfen werden. Nur wenige Tiere überleben diesen Vorgang. Je nach Fangmethode und Zielart können bis zu 80 % des Fischfangs Beifang sein. Allein in der Nordsee werden jährlich bis zu einer Million Tonnen Beifang an Deck geholt. Besonders viel Beifang fällt bei der Krabbenfischerei mit ihren Grundschleppnetzen an. Die großen Mengen an Beifang haben dazu geführt, dass heute auch viele nicht kommerziell genutzte Arten gefährdet sind. Weltweit werden jährlich 39 Millionen Tonnen Tiere tot oder verletzt zurück ins Meer geworfen, darunter schätzungsweise 300.000 Wale, 300.000 Seevögel, mehrere Millionen Haie, 650.000 Robben und 250.000 Meeresschildkröten. In Nord- und Ostsee besteht der Beifang hauptsächlich aus Seesternen, Schnecken, Muscheln, Schwämmen und sehr kleinen Fischarten, aber auch Haie, Rochen, Vögel, Robben und Schweinswale sind betroffen. Gerade kleine Populationen wie die Die industrielle Fischerei fängt mehr Fisch als nachwachsen kann. Schweinswale in der Ostsee sind durch die hohen Verluste durch Beifang bedroht. Die übliche Praxis, den Beifang direkt über Bord zu werfen, hat dazu geführt, dass die auf Aas spezialisierten Arten, vor allem Möwen und Krebse, genügend Nahrung finden und sich gut vermehren. Durch technische Hilfsmittel und Neuerungen könnte der Beifang erheblich reduziert werden. So lassen sich Wale durch akustische Signale fernhalten, Haie durch elektrische Felder vertreiben, und Schildkröten hilft schon eine Fluchtklappe, um sich aus den Netzen zu befreien. Hering ist einer der beliebtesten Fische der Deutschen. Inzwischen erholen sich einige Bestände wieder von der jahrelangen Überfischung. Im Eimer - im doppelten Wortsinne- der Beifang aus einem Grundschleppnetz. 50 Die Vielfalt in den Meeren zu erhalten ist unser Anliegen. Die Fischerei ist derzeit die wohl größte Bedrohung für das marine Ökosystem. Doch mit einer Änderung in unserem Konsumverhalten können wir einen großen Beitrag für die Erholung der Meere leisten. Doch auch die Fischereipolitik ist gefordert. Es ist Zeit, dass Nachhaltigkeit oberstes Ziel der Fischerei wird. Das können Sie tun: • Essen Sie Fisch bewusst als Delikatesse. • Verzichten Sie auf bestimmte Fischprodukte, z.B. die Schillerlocken vom stark bedrohten Dornhai. • Kaufen Sie nachhaltig gefangenen Fisch und Meeresfrüchte. • Nutzen Sie die aktuellen Fischführer der Umweltverbände. • Unterstützen Sie den BUND bei seiner Meeresschutzarbeit. Der BUND fordert: • die Einrichtung neuer und den Erhalt bestehender Schutzgebiete • keine Grundschlepp- und Stellnetze in Schutzgebieten • die Festlegung der Fangquoten nach wissenschaftlichen Empfehlungen; • die Einrichtung von fischereifreien Zonen; • eine drastische Reduzierung des Beifangs durch moderne und selektive Fanggeräte; • effektive Kontrollen zur Eindämmung der illegalen Fischerei. Meeresboden, nachdem ein Grundschleppnetz herrüber gezogen wurde. Es sind die schweren Ketten dieser Fanggeräte (Bild rechts) die Krabben, Schollen und Seezungen in die Netz treiben sollen und dabei auch Muscheln, Krebse und Würmer töten. EU-Fischereireform: Neue Wege - Alte Probleme Im Juli 2011 hat die EU-Kommission Vorschläge zu einer Reform der europäischen Fischereipolitik vorgelegt. Ziel ist es, die europäische Fischerei nachhaltiger zu gestalten, Subventionen abzubauen und die Arbeitsbedingungen auf den Kuttern zu verbessern. So sollen die Quoten zukünftig den höchstmöglichen Dauerertrag, kurz MSY (maximum sustainable yield), nicht überschreiten. Als MSY wird die größte mögliche Fangmenge bezeichnet, die einem gesunden Fischbestand jährlich abgefischt werden kann, ohne dass in der Zukunft seine Fortpflanzungsfähigkeit gefährdet ist. Der große Haken an diesem Ziel ist jedoch, dass für einen Fang nach MSY die meisten Fischbestände erst einmal in einen guten Zustand gebracht werden müssten, ein Ziel, das auch in der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) formuliert ist. Ebenfalls wird eine Neuerung in der Beifangpolitik in dem Reformpapier vorgeschlagen. So sollen in Zukunft alle Fische, deren Fang mit Quoten reguliert wird, an Land gebracht werden. Dieses Rückwurfverbot betrifft auch unverkäufliche, weil zu kleine Jungfische dieser regulierten Arten. Mit Hilfe dieser Fische ließe sich endlich die „wahre“ Menge gefangener und getöteter Fische feststellen. Ausnahmen soll es für Jungfische von „robusten“ Fischarten wie z.B. Schollen geben, denn sie überstehen einen „Hol“ relativ gut. Außerdem soll ein einheitliches „integriertes europäisches Fischereimanagement-Informationssystem“ für alle EU-Gewässer eingeführt werden. Bisher ist es kaum möglich, solide Vorhersagen zum Bestandszustand und zur Bestandsentwicklung für viele Fischarten zu machen, da häufig Daten kaum vorhanden oder zwischen den einzelnen Ländern nicht kompatibel sind. Ob und wie diese Reform tatsächlich umgesetzt wird, muss sich noch zeigen. Die vorgeschlagenen Änderungen werden jedoch kaum ausreichen, um zu einer dauerhaften und nachhaltigen Erholung der Fischbestände in den Meeren zu führen. 51 Nährsalze im Meer – gut oder schlecht? Zuviele Nährsalze führen zu starkem Algenwachstums und zu einer Trübung des Wassers Tote Zonen in der Ostsee Sogenannte tote Zonen sind in der Ostsee kein unbekanntes Phänomen. Durch eine ausgeprägte Schichtung des Wasserkörpers, die eine Vermischung von sauerstoffreichem Oberflächenwasser mit sauerstoffarmem Tiefenwasser verhindert, kommt es in den tiefen Becken der zentralen Ostsee zu größeren anoxischen, d. h. sauerstofffreien Zonen. Im Bornholmer und Gotlandbecken entstehen tote Zonen immer dann, wenn nicht genügend Nordseewasser von Stürmen in die Ostsee gedrückt wird. Neu ist jedoch, dass diese Zonen immer öfter auch in den flacheren Ostseebereichen, also auch vor der deutschen Küste auftreten. Zeitweise bedeckten sie fast 1/6 des Meeresgrundes der Ostsee. Die toten Zonen sind als dunkle Flecken am Meeresgrund zu erkennen. Sie entstehen dann, wenn Bakterien organisches Material, beispielweise von abgestorbenen Mikroalgen, abbauen. Dabei verbrauchen die Bakterien fast den gesamten Sauerstoff. Meist geschieht dies im Sediment und in den untersten Wasserschichten über dem Meeresgrund. Für Großalgen, Seegras und Tiere, die sich nicht oder nur 52 langsam fortbewegen können wie Muscheln, Würmer oder Seeigel, bedeutet dies den Tod durch Ersticken. Aber auch bei Fischen kann es bei bestimmten Strömungsverhältnissen zu Massensterben kommen. Doch nicht nur der Sauerstoffmangel tötet Tiere. In den anoxischen Zonen wird giftiger Schwefelwasserstoff freigesetzt. Es gibt zwei Hauptgründe, die für die Ausbreitung der Todeszonen auch in flachere Bereiche der Ostsee verantwortlich sind. Zum einen trägt der Klimawandel dazu bei, dass sich das Oberflächenwasser erwärmt. Dies stabilisiert die Wasserschichtung und verhindert eine Vermischung des sauerstoffreichen Oberflächenwasser mit den tieferen Schichten. Zudem kann wärmeres Wasser weniger Sauerstoff aufnehmen, was die Sauerstoffarmut verschärft. Der zweite Hauptgrund ist der Eintrag von Nährsalzen (Phosphat und Stickstoffverbindungen) vom Land. Sie stammen aus Abwässern, Abgasen und vor allem aus der intensiven Landwirtschaft und aus den Massentierhaltungsbetrieben. Denn nur ein Teil des Kunstdüngers und der Gülle bleibt auf den Feldern. Der andere Teil gelangt über die Flüsse in die Meere. Und auch im Wasser fördern die Nährsalze das Pflanzenwachstum. Davon profitieren vor allem Dort, wo wenig Nährsalze im Wasser sind, ist die Ostsee klar. Ein Großteil der Nährsalze stammt aus der Landwirtschaft, denn nicht die ganze Gülle bleibt auf den Feldern. Mikro- und Grünalgen, die sehr schnell wachsen und sich explosionsartig vermehren können. Wenn sie nach kurzer Zeit in großer Zahl absterben, auf den Grund sinken und von Bakterien abgebaut werden, bilden sich hier die toten Zonen. Alegenteppich in der Ostsee aufgenommen aus dem Weltraum. Rettung aus der Nordsee Diese Eutrophierung ist aus mehreren Gründen eine besondere Gefahr für das Ökosystem der Ostsee. Durch die ausgeprägte Schichtung findet kaum ein Austausch zwischen Wasserschichten statt. Die von den Flüssen eingetragenen Nährsalze konzentrieren sind dabei in den oberen Wasserschichten. Dort führen sie zur Blüte von planktischen Mikroalgen. Das geringe Volumen und der geringe Wasseraustausch der Ostsee verstärken das Problem zusätzlich. Denn so reichern sich eingetragene Schad- und Nährstoffe schnell an. Es sind die Herbst- und Winterstürme, die Bewegung in den Wasserkörper der Ostsee bringen. Sie drücken große Mengen salziges und sauerstoffreiches Nordseewasser in die Ostsee, welches dann am Grund entlang über die Schwellen und Rinnen in die Becken der zentralen Ostsee fließt. Diese Ereignisse, auch Salzwassereinbrüche genannt, sind für das Ökosystem dort von großer Bedeutung. Je stärker die Sturmsaison in der Nordsee ist, desto geringer ist die Ausbreitung der toten Flecken in der Ostsee im folgenden Sommer. Bei der Überlebensrate von Dorschlarven konnte dieser Zusammenhang ebenfalls festgestellt werden. Da durch die Schutzgebiete Fehmarnbelt und Kadetrinne häufig sauerstoffreiches Nordseewasser fließt, bleiben sie von der Ausbreitung toter Zonen verschont. Deshalb sind sie wichtige Arteninseln, von denen aus sich Tiere und Pflanzen verbreiten können, um ehemals Tote Zonen wieder neu zu besiedeln. Unscheinbar aber die Masse macht`s, Algen unter dem Mikroskop. 53 Wasser und Öl – eine schlechte Mischung! Die tägliche Ölkatastrophe Mehr als 400 Ölplattformen stehen alleine in der Nordsee. Jede dieser künstlichen Inseln wirkt täglich – auch ohne Unfälle – extrem schädigend auf den Ölbohrinsel Mittelplate im Wattenmeer Lebensraum Meer. Durch die Einleitung von sogenanntem „Produktionswasser“, durch Bohrschlamm sowie durch das Abfackeln von Gas verschmutzen die Die Schäden sind irreparabel Bohrinseln täglich die Meere und die Luft. Jedes Jahr Die Folgen der Ölverschmutzung sind kaum zu repapumpen die Bohrinseln der Nordsee 200.000 Tonnen rieren. Überall, wo sich der zähe Film ablegt, sterben Chemikalien ins Wasser. 33 Millionen Tonnen Kohdie höheren Lebewesen. Besonders Vögel leiden extlendioxid und je rund 115.000 Tonnen Methan und rem an den Folgen. Ihr Gefieder verklebt und behinStickoxide gelangen in die Atmosphäre. dert sie beim Fliegen. Beim Versuch, ihren Körper zu Doch nicht nur Bohrinseln sind für die Öleinleitung reinigen, vergiften sie sich selbst. Auch dann wenn verantwortlich. 13 Prozent der jährlich in die NordMenschen ihnen zu Hilfe kommen und sie aufwändig see strömenden Ölmenge stammt aus Tankerunfälreinigen, überleben gerade einmal 5 % der Tiere. len. Auch kommunale Abwässer und besonders stark Zudem gelangen giftige Substanzen aus dem Öl in die illegale Verklappung von Altölen tragen zur chrodie Nahrungskette, so dass zahlreiche Meeresbewohnischen Ölverschmutzung bei. So gelangen jährlich ner geschädigt werden. 200.000 Tonnen Öl in die Nordsee. Weltweit beträgt Die Bekämpfung und Reinigung von Ölverschmutdie Gesamtbelastung der Meere pro Jahr in etwa drei zungen ist eine Sisyphusaufgabe. Bei der mechaMillionen Tonnen. nischen Reinigung von Stränden mit HochdruckAuch auf deutschem Seegebiet gibt es eine Bohrreinigern wird das Öl meist nur tiefer in den Boden insel: Am südlichen Rand des Schleswig-Holsteinigespült. Die inzwischen häufig zum Einsatz kommenschen Wattenmeeres fördert seit 1987 die „Mittelden Lösungsmittel und sogenannte Dispergatoren plate“ jedes Jahr rund zwei Millionen Tonnen Öl an sind ebenfalls giftig und keine Lösung des Problems. die Erdoberfläche - mitten im Nationalpark! Der BUND fordert deshalb: - Bei jeder Öl- oder Gasförderung müssen höchstmögliche Sicherheitsstandards gelten. - Die Sicherheitsstandards auf Plattformen müssen staatlich kontrolliert werden. - Keine Ölförderung in sensiblen Meeresgebieten wie der Arktis und der Tiefsee! Die Risiken sind hier nicht kalkulier- und kontrollierbar. - Das Vorsorgeprinzip muss gelten. Das heißt im Fall der Erdölplattform „Mittelplate“ im Nationalpark und UNESCO-Welterbe Wattenmeer: es darf keine Verlängerung der Genehmigung geben! - Um die Abhängigkeit der Industriegesellschaften vom Öl zu beenden, bedarf es wesentlicher Weichenstellungen für eine Energiezukunft auf Basis erneuerbarer Ressourcen. 54 Sandabbau – ein Lebensraum verschwindet! Kritischer Kiesabbau 15 % des bundesweiten Bedarfs an Sand und Kies stammen aus Nord- und Ostsee. Er wird vor allem beim Bau und bei der Herstellung von Beton und Mörtel verwendet. Für den Küstenschutz werden ebenfalls große Mengen benötigt. Im Schnitt „verbraucht“ ein Bundesbürger in seinem Leben durchschnittlich 460 Tonnen Sand und Kies. Bei der Sand- und Kiesentnahme werden Teile von Sandbänken oder gleich gesamte Sandbankhabitate mit allen dort vorkommenden Lebewesen entnommen, weil Saugbaggerschiffe den Boden oft metertief abtragen. Eine spätere Wiederbesiedelung durch die gleichen Arten ist meist nicht mehr möglich, da sich die Korngrößen des Sediments nach dem Eingriff verändert haben. Feinere Sedimente werden wieder ins Wasser gespült und lagern sich erneut ab, während Sand und Kies an Bord bleiben. Diese Sedimente bieten Sandaalen und Grundeln keine Unterschlupfmöglichkeiten mehr. Sandaale sind die Hauptnahrung für viele Vögel, Fische, Robben und Schweinswale. Daher schadet der Sandabbau langfristig auch jenen Tieren, die der direkten Gefahr entkommen konnten. Zudem bleiben die Schäden nicht lokal begrenzt. Denn das beim Baggern aufgewirbelte feine Sediment wird mit der Strömung weit verteilt. So können noch in einigen Baggerschiff auf der Ostsee Kilometern Entfernung Riffe unter einer dicken Schlickschicht begraben werden. Auch die Geräuschbelastung ist enorm. Noch in 25 Kilometern Entfernung ist das Dröhnen der Saugbaggerschiffe unter Wasser zu hören. Das stört besonders die Meeressäuger wie Schweinswale und Robben. Sand- und Kiesflächen werden in der Roten Liste der Biotoptypen der Nord- und Ostsee als „gefährdeter Lebensraum“ bzw. als „stark gefährdet“ eingestuft. Im deutschen Meeresgebiet sind die Sandbänke entsprechend als Natura-2000-Schutzgebiete ausgewiesen. Besonders bedroht ist derzeit das Natura 2000-Gebiet Sylter Außenriff. Hier wurden noch kurz vor der Meldung als Schutzgebiet Schürfrechte für große Kiesvorkommen vergeben. Ein Beginn der Förderung würde große Teile dieses einzigartigen Gebiets dauerhaft schaden. Der BUND lehnt Eingriffe zum Sand- und Kiesabbau in Meeresschutzgebieten grundsätzlich ab. Auch bereits erteilte Lizenzen müssen nach der Ausweisung der Natura 2000-Gebiete aufgehoben werden. 55 Müllkippe Ozean Plastik ist überall 6,4 Millionen Tonnen Müll landen weltweit jährlich in den Meeren. Zu den bekannten Quellen der Verschmutzung gehören die Fischerei, die Schifffahrt, der Eintrag durch unzureichende Abfallentsorgung an Land und der Tourismus. Doch oft lässt sich die Herkunft, abgesehen von Fischernetzen oder dicken Tauen, nicht genau bestimmen. Die sogenannten diffusen Quellen umfassen den Müll der über Flüsse oder Winde eingetragen wird. Man geht davon aus, dass 80 % des Mülls seinen Ursprung an Land hat, während die restlichen 20 % direkt von Fischerbooten, Sportseeglern oder Containerschiffen ins Meer gelangen. Ungefähr 80 bis 90 % des Mülls besteht aus Plastik. Es ist wegen seiner Langlebigkeit, von vermutlich 200-450 Jahren bis zu seiner vollständigen Zersetzung, zu einer großen Bedrohung für die Meeresumwelt geworden. Ein Strandspaziergang abseits der Touristenzentren vermittelt schnell einen Eindruck von der Größe des Problems. Und dies ist nur der sichtbare Teil, denn der Hauptteil der Müllpartikel (ca. 85 %) sinkt auf den Meeresboden. Inzwischen ist selbst der Ozeangrund in den entlegenen Polargebieten mit Plastikteilen übersät. Treibgut, nur ein kleiner Teil ist überhaupt sichtbar. Die restlichen ca. 85 % sinken zum Meeresgrund. Diesem Austernfischer ist der Strandmüll zum Verhängnis geworden. Links: Ein Seehund mit einem Plastikring um den Hals. Reihe oben: Plastik findet sich überall, ob unter oder über Wasser. Strandaufräumaktionen wie diese vom BUND können lokal für kurze Zeit helfen die Gefahr zu reduzieren, Aber nur wenn sich der Mülleintrag deutlich reduziert, kann Meeresumwelt und Tieren geholfen werden 56 Maskottchen der BUNDMüllkampagne Tod durch Plastik Die Auswirkungen auf die Ökosysteme der Meere sind immens. Schätzungsweise 1 Million Meerestiere sterben jährlich an den direkten Folgen des Meeresmülls. Von 200 Tierarten weiß man bisher, dass sie massiv geschädigt werden, sei es weil sie die schwimmenden Teile mit Nahrung verwechseln, sei es weil sie sich in Schnüren und Netzen verwickeln. Betroffen sind vor allem die Eissturmvögel. 93 % der Eissturmvögel (Fulmarus gracilis) in der Nordsee hatten laut einer OSPAR-Studie verschluckten Meeresmüll in ihren Mägen, im Durchschnitt waren es 27 Teilchen pro Vogel. Winzig und überall Der Plastikmüll verschwindet nicht spurlos. Sonne und Wellen beschleunigen lediglich die Zersetzung in winzige Teilchen, sogenanntes Mikroplastik. Viele Sandstrände bestehen inzwischen zu einem beacht- Toter Eisstrumvogel auf Juist. Auch in seinem Magen wurdenvkleine Plastikteile gefunden. lichen Teil aus diesen Plastikkörnern. Beim Zerfall der Kunststoffe gelangen gefährliche Substanzen wie Bisphenol A ins Meerwasser. Solche Chemikalien reichern sich in Böden und Tieren an. Zudem zieht die Oberfläche der Plastikteile andere Umweltgifte wie das Pflanzenschutzmittel DDT oder PCB an. Diese Gifte reichern sich über die Nahrungskette an. Auch Fische und Meeresfrüchte nehmen diese Substanzen auf. So landet letztlich der Müll wieder auf unserem Teller. Der BUND setzt sich für einen nachhaltigen Umgang mit Plastik ein. Verpackungen für Produkte sollten umweltfreundlich gestaltet werden, d.h. weniger Verpackung aus Plastik und eine bessere Recycelfähigkeit muss schon beim Produkdesign oberstes Ziel sein! 57 Schifffahrt Hauptverkehrsroute Nord- und Ostsee Schifffahrt ohne Grenzen Fast 25 % aller weltweiten Schiffsbewegungen finden auf der Nordsee statt und haben dieses Meer zu einem der meistbefahrenen Gebiete der Welt gemacht. Viele ihrer Routen führen bis in die Ostsee. Die Seeschifffahrt bringt jedoch mehrere gravierende Umweltbelastungen und -risiken mit sich. Zu den Problemen zählen Schiffsemissionen, Lärm, Müll, Rückstände von den Antifoulinganstrichen sowie das Risiko von Schiffsunglücken. Dadurch kommt es regelmäßig zu Schädigungen der Natur. Lange unbeachtet blieben auch die Gefahren, die dem Ökosystem durch mit dem Ballastwasser eingeschleppte neue Arten drohen. Blinde Passagiere Mit Ballastwasser erhöhen Schiffe ihr Gewicht, um sich bei Leerfahrten zu stabilisieren. Leider werden dabei jede Menge kleine Tiere und Larven mit in die Tanks gepumpt. Beim Auspumpen der Tanks am nächsten Hafen landen auch diese blinden Passagiere wieder im Meer. Finden sie dann gute Lebensbedingungen vor, steht einer Ausbreitung der sogenannten Neozoen wie der amerikanischen Schwertmuschel, Schiffsbohrmuschel oder pazifischen Auster nichts mehr im Wege. Dennoch ist die Anzahl der eingeschleppten Arten in Nord- und Ostsee bisher mit rund 170 Arten vergleichsweise gering geblieben. Meist haben sich die neuen Arten ins Ökosystem eingegliedert, ohne größere Schäden anzurichten. Aber auch Parasiten und Krankheitserreger können über diesen Weg eingeschleppt werden. 58 Ein ganzes Schiff nur für Autos Schiffsemissionen: Schwefel & Co – Sondermüll in der Luft Die heutigen Schiffsdieselmotoren werden meist mit Schweröl angetrieben. Es ist ein Rückstand aus der Erdölverarbeitung und enthält große Mengen an Schwefel. Bei der Verbrennung entstehen Luftschadstoffe, Treibhausgase und Substanzen, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen. Neben dem Treibhausgas CO2 gelangen auch gesundheitsschädliche Stickoxide (NOx), Schwefeldioxid (SO2) und große Mengen Ruß in die Luft. Diese Stoffe, die auch für den sauren Regen verantwortlich sind, tragen im Meer zur Eutrophierung bei. Aber auch für uns Menschen sind die Schiffsabgase schädlich. Grund hierfür ist besonders ihr hoher Feinstaubanteil, denn er schädigt unser Herz-Kreislaufund Atemsystem. Schiffslärm stört Kommunikation von Meeressäugern Auch der Lärm, den die Schiffe verursachen, ist eine Art der Emission. Schall breitet sich im Wasser viermal schneller und viel weiter aus als in der Luft. Das führt in den vielbefahrenen Meeren zu einer Dauergeräuschbelastung. Wie sich der ständige Lärm auf die Meeressäuger – besonders die mit akustischen Signalen kommunizierenden Wale und Delphine – auswirkt, ist noch weitestgehend unbekannt. Vergessen wird häufig, dass auch viele Fische sich mit Hilfe von Lauten verständigen. Bestes Beispiel ist der Knurrhahn, der daher seinen Namen hat. Schiffssicherheit: Der nächste Unfall kommt bestimmt Antifouling-Substanzen: Wenn die Hormone verrückt spielen Nord- und Ostsee gehören aufgrund ihrer Untiefen, des dichten Verkehrs und zahlreicher Bauwerke wie Ölplattformen und Offshore-Windanlagen zu den gefährlichsten Meeresregionen der Welt. Wann ein Unfall mit einem der riesigen Tanker oder Containerschiffen passiert, ist nur eine Frage der Zeit. Die Folgen eines solchen Unglücks für das empfindliche marine Ökosystem der Schutzgebiete sind kaum abschätzbar. Umso wichtiger ist es, die Sicherheit mit Hilfe von genauen Ortungs- und Warnsystemen so weit wie möglich zu verbessern. Außerdem müssen Notfallpläne bereitliegen und das für eine Eindämmung der Umweltfolgen benötigte Material muss vorhanden sein. Auf diesem Gebiet gibt es noch viel zu tun. Unter „Biofouling“ versteht man die Besiedlung von Objektoberflächen durch Wasserorganismen. Jeder feste Untergrund ist den Larven von Seepocken, Muscheln, Korallen, Seescheiden, Schwämmen und Algen äußerst willkommen und wird besiedelt. Für Schiffe ist das ein großes Problem, da sich dadurch Reibung und Gewicht erhöhen. Der Kraftstoffverbrauch steigt, die Korrosion nimmt zu, und die Manövrierfähigkeit der Schiffe verschlechtert sich. Die Beseitigung dieser Organismen ist ein beträchtlicher Kostenfaktor für die Schifffahrtsindustrie. Man versucht dieses Problem zu lösen, indem man Schiffsrümpfe mit hochgiftigen Farben bestreicht, die vor allem Organo-Zinn-, Kupfer- und OrganoStickstoff-Verbindungen enthalten. Die Substanzen lösen sich langsam aus der Farbe und vergiften die Organismen. Diese sterben, fallen bestenfalls ab oder stellen das Wachstum ein. Natürlich müssen die giftigen Farben regelmäßig erneuert werden, damit sie ihre Wirksamkeit behalten. Da viele dieser Substanzen stabil sind, reichern sie sich in den vielbefahrenen Meeresregionen an und schädigen dann auch andere am Biofouling unbeteiligte Meerestiere. Besonders in die Kritik geraten ist das inzwischen verbotene TBT (Tributylzinn). Es wirkt bei vielen Meeresschneckenarten wie ein Geschlechtshormon und führt zu Imposex: Den weiblichen Schnecken wächst ein Penis, der die Vermehrungsfähigkeit stark einschränkt. Die Wellhornschnecke in der Nordsee hat das an den Rand des Aussterbens gebracht. Die riesigen Containerschiffe machen unser Welthandelssystem erst möglich. Der BUND fordert: - weitere Reduktion der Schiffsemissionen; - Abgasreinigungssysteme für Schiffe; - Ausweisung von Nord- und Ostsee als ECA-Gebiet (Schwefel- und Stickoxid-Kontrollgebiet); - strikte Umsetzung der IMO-Richtlinie; - weltweite Abschaffung von Schweröl als Schiffstreibstoff; 59 Bildnachweise Titelbild: Seite 4 Seite 5 Seite 6 Seite 7 Seite 8 Seite 9 Seite 10 Seite 11 Seite 13 Seite 14 Seite 15 Seite 16 Seite 17 Seite 18 Seite 19 Seite 20 Seite 21 Seite 22 Seite 23 Seite 24 Seite 25 Seite 26 Seite 27 Seite 28 Seite 29 Seite 30 Seite 31 Seite 33 Seite 34 Seite 35 Seite 36 Seite 37 Seite 38 Seite 39 Seite 40 Seite 41 Seite 42 Seite 43 Seite 44 Seite 45 Seite 46 Seite 47 Seite 48 Seite 49 Seite 50 Seite 51 Seite 52 Seite 53 Seite 54 Seite 55 Seite 56 Seite 57 Seite 58 Seite 59 Seite 61 Seenelken, Sven Gust Weltkarte, Alexkr2 (Wikimedia: creative commons license); Angler am Meer, gilderic (flickr: crative common license) Windpark, Elke Körner; Containerschiff, noaa (flickr: crative common license) Regenbrachvogel, Henning Kunze Karte Natura 2000, European Environment Agency (EEA) Sandbank, Uli Kunz Riff, Wolf Wichmann Graphiken, Eike Holzkämper Silbermöwe, Andreas Didion Riesenhai, yohancha (flickr: crative common license); Seehund und Nagelochen von Sven Gust Wellhornschnecke, Paul Kay; Bathyporeia elegans, Hans Hillewaert (Wikimedia: crative commons license) Phytoplankton, Gordon T. Taylor (Wikimedia: crative commons license) Tordalk, Manfred Bartels; Schweinswal, Sven Gust Einsiedlerkrebs, Bettina Balnis Seenelke und Seehase, Sven Gust; Sepien, Bettina Balnis; Riffgemeinschaft, Wolf Wichmann Kamm-Furchenschnecke, Bettina Balnis; Tote Mannshand, Uli Kunz Miesmuscheln, jeansmachines24 (flickr: crative common license); Röhrenpolyp, Bettina Balins: Seepocken und Schwamm, Michael Link Einsiedlerkrebs, Wolf Wichmann; Taschenkrebs und Gemeiner Seestern, Michael Link Schweinswal, Matthias Prinke; Fadenschnecke, Bettina Balins Felsbrocken, Wolf Wichmann; Kuckuckslippfisch, Peter Edin; Seeskorpion, Paul Kay; Knotiger Seestern, Vidar A (flickr: crative common license) Seeigellarve, Otto Larink; Fischschwarm, Uli Kunz Gestrandeter Schweinswal, chester08057 (flickr: crative common license); Toter Basstölpel, Jan Stok (IMARES) Saugbagger, Wolfgang Meinhart (Wikimedia: GNU Free Documentation License); Sandaale, Uli Kunz Basstölpel, Jens Todzy; Dreizehenmöwe, Steve Garvie Brandseeschwalbe, Henning Kunze; Trotellumme, Manfred Delpho; Sterntaucher, Bernd Rosemann Heller Schlangenstern, Sven Gust; Nucula nitidosa, David Fenwick (www.aphotomarine.com), Abra alba von Hans Hillewaert (Wikimedia: crative commons license); Amphiura filiformis, Hannah Wood; Amphiura filiformis-Arme, Rutger Rosenberg Basstölpel mit Plastik, Wolf Wichmann; jagende Basstölpel, John Anderson; Prachttaucher, Steve Garvie Wasserfläche, Andreas Goroncy Aalmutter, Michael Link Rotalgen und Seeigel, Uli Kunz Sandgrundel, Michael Link; Gebogene Schwebegarnele, Bettina Balins; Braunalge, Uli Kunz; Grünalge, Kristian Peters; Rotalge, Michael Link Strandseeigel, Eric Burgers (flickr: crative common license); Kabeljauschwarm, Joachim S. Müller (flickr: crative common license) Islandmuschel, Gunnar Ries (Wikimedia: crative commons license); Grüne Samtschnecke, Bettina Balnis; Femarnbeltquerung, (Nasa World Wind) Nordseegarnele, Paul Kay; Kabeljau, Sven Gust Leierfisch, Sven Gust Scholle, Sven Gust; Strandkrabbe, Wolf Wichmann Sandklaffmuschel, Michael Link; Herzmuschel, Paul Kay; Seeringelwurm, M. Buschmann ((Wikimedia: creative commons license)) Stör, Jörn Geßner Schwarzgrundel, Bettina Balins Meerassel, Peter Edin, Miesmuscheln, Michel Link; Felsengarnel, Bettina Balnis Miesmuschel, Paul Kay Nonnengänse, Henning Kunze Trauerenten, Eiderenten und Eisente Steve Garvie; Küstenseeschwalbe, Frank Brüning Gespensterkrebs, Bettina Balnis Krabbenkutter, Eric Gevaert (Fotolia) Beifang, Oliver Hofmann; Fischerei, R. Schöne (v.TI); Heringe M. Drenchow (v.TI) Meeresboden, Uli Kunz; Grundschleppnetz, BioConsult Algen, Krause und Hübner (BfN); Unterwasserlandschaft, Michael Link Gülleeintrag, Uschi Dreiucker (www.pixelio.de); Algenteppich auf der Ostsee im Jahr 2005 (ESA, 2010); Mikroalgen, S. Busch (IOW) Bohrinsel Mittelplate, Ralf Roletschek (Wikimedia: GNU Free Documentation License) Baggerschiff, Peter Hübner (BfN) Seehund, Schutzstation Wattenmeer; Strandmüll, Anke Hofmeister; Austernfischer, Craig Nash (IMARES); Plastiktüte, Svenja Beilfuß; Ballons, Oliver Hofmann Toter Eissturmvogel und Müllsammler, Florian Biener; BUND-Gruppe, Viora Weber Autofrachter, Georg Wietschorke Containerschiff, Elke Körner BUND-Ausstellung, Anke Hofmeister Gebietskarten basieren auf Daten vom BSH und BfN, Gestaltung: Oliver Hofmann 60 Meere brauchen Schutz Der marine Lebensraum entzieht sich in seiner Dimension und seiner Unzugänglichkeit der allgemeinen menschlichen Vorstellungskraft und der alltäglichen Präsenz. Die schiere Größe und scheinbare Unendlichkeit der Ozeane erweckte für lange Zeit den Eindruck, dass Eingriffe in die Meeresnatur „verkraftet“ werden. Doch marine Ökosysteme sind von Zerstörung bedroht. Habitate und Arten von europaweiter Bedeutung sollen durch die Ausweisung von Schutzgebieten vor Verlust gesichert werden. Diese formen zusammen ein Netz von Schutzgebieten: das Natura 2000 Netzwerk. 2004 meldete Deutschland zehn Natura 2000-Gebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone der deutschen Nordund Ostsee. Mit der Ausweisung der Gebiete ist es Deutschland gelungen, ein vollständiges Netzwerk von küstenfernen Meeresschutzgebieten herauszustellen. Die Broschüre „Zukunft für die Tierwelt von Nord- und Ostsee“ lädt ein zu einer Reise durch die marinen Schutzgebiete vor der deutschen Küste. Von West nach Ost werden die Unterwasser-Schutzzonen in reich bebilderten Portraits vorgestellt und ihre Bedeutung für das Natura 2000-Netzwerk erklärt. Wie ein Reiseführer leitet die Broschüre den Leser durch die Tiefen von Nord- und Ostsee, schildert spannende Phänomene und geologische und biologische Besonderheiten. Diese Broschüre bietet ausführliches Begleitmaterial zur BUND- Wanderausstellung „Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren“. Die Natur und die Umwelt brauchen Schutz. Deshalb gibt es den BUND. Werden Sie Mitglied. Jetzt ganz einfach unter: www.bund.net/mitgliedwerden Die Wanderausstellung „Eingetaucht - Vielfalt in unseren Meeren” wurde 2012 vom BUND-Projekbüro Meeresschutz entwickelt und befindet sich seitdem „auf Tour” durch ganz Deutschland. Ausstellungstermine und weitere Informatiosmaterialien finden Sie unter www.bund.net/meer 61